Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 04: Unterschied zwischen den Versionen

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Sie hielt inne, als sei ihr ein plötzlicher Einfall gekommen oder als habe sie die ganze Zeit über etwas Anderes nachgedacht, blickte zur Tür, schüttelte abermals den Kopf. "Wenn ich es nicht für gänzlich ausgeschlossen hielte, so würde ich glauben, das Kind sei in anderen Umständen. Hast du ihre Wangen gesehen und ihren Busen?" Belisetha kam aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. "Was will sie von dir?", wandte sie sich dann an Rifada und sah die noch immer Sitzende aufmerksam an. "Warum ist sie hier?"
Sie hielt inne, als sei ihr ein plötzlicher Einfall gekommen oder als habe sie die ganze Zeit über etwas Anderes nachgedacht, blickte zur Tür, schüttelte abermals den Kopf. "Wenn ich es nicht für gänzlich ausgeschlossen hielte, so würde ich glauben, das Kind sei in anderen Umständen. Hast du ihre Wangen gesehen und ihren Busen?" Belisetha kam aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. "Was will sie von dir?", wandte sie sich dann an Rifada und sah die noch immer Sitzende aufmerksam an. "Warum ist sie hier?"
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
"Das Schneetreiben wird immer stärker!", antwortete Rifada unzusammenhängend auf die Frage. "Was ich dem Yaquirtaler sagte, gilt auch für dich! Wenn es so weiter geht, kommt schon heute Mittag niemand mehr aus dem Tal herein oder heraus. Ich fürchte, es bleibt keine Zeit, um auf deine Eskorte aus Wildenfest zu warten. Pack' alles für deine Abreise! Richeza und ich werden dich und unseren ungebetenen Gast mit ein paar Knechten nach Quazzano eskortieren, ich habe selbst etwas mit Oheim Amando zu besprechen, und dort kannst du ihm dann auch dein Leid über die Elenterin klagen! Es fehlen ja nicht nur seine Bücher, sondern auch die goldene Monstranz des Greifen Garafan. Wenn wir uns nicht beeilen, sie wiederzuerlangen, wird die Ketzerin sie bald eingeschmolzen und das Gold verprasst haben! Wer sich mit einem Hexer einlässt und ihm ein Kind gebiert, der ist auch zu so etwas fähig!"
Sie wandte sich stirnrunzelnd vom Fenster ab, da ihr das Wetter tatsächlich Kopfzerbrechen bereitete, und humpelte an Belisetha vorbei nach draußen ins Treppenhaus, um sich in ihrer Kammer abreisefertig zu machen. "Seid bereit! In spätestens zwei Stunden brechen wir auf!"
Sie musste ihre allzu neugierige Tante und erst recht diesen Yaquirtaler loswerden, um danach wieder alleine mit Richeza hierher zurückkehren zu können und auf die Ankunft Gujadanyas zu warten. Auf Quazzano, ihrer kleinsten, aber auch luxuriösesten Burg mitten im Ragatischen Kessel, war Belisetha gut aufgehoben, dort konnte sie überwintern, es war besser für ihre Gicht als dieses zugige Gemäuer und gleichzeitig konnte sie, was ihre Rachepläne gegenüber der Elentiner Vettel betraf, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens sich Amandos Erlaubnis einzuholen, die geraubten Kirchenschätze zurückholen zu dürfen und zweitens – nun da sie auf die schwangere Richeza bei dieser riskanten Unternehmung wohl nicht zählen durfte, wollte sie einmal hören, wie der treulose Aranjuezer dazu stand, ihrer gemeinsamen Feindin einen Besuch abzustatten.





Version vom 21. Juni 2014, 18:49 Uhr

Kaiserlich Selaque, 30. Firun 1036 BF

Auf dem Castillo da Vanya im Vanyadâl, morgens

Autor: SteveT

Kurz nach dem morgendlichen Aufstehen, das bei ihr gewohnheitsmäßig sehr früh erfolgte, las Rifada noch einmal den rußgeschwärzten Brief, den ihr die Zofe Hazinda gestern Abend kurz vor dem Zubettgehen überbracht hatte. Richeza hatte am Kamin gestanden, sie musste den Brief ins Feuer geworfen haben. Dabei hatte sie aber offenbar nicht wahrgenommen, dass dieser Tage auf dem einstmals stolzen Castillo da Vanya selbst an Brennholz Mangel herrschte, denn Selaque war seit Jahrhunderten arm an Bäumen, die alle einst als 'Rollholz' für den Transport der quaderschweren Marmorblöcke abgeholzt worden waren.

Rifada wurde nicht recht schlau aus dem Schreiben, da wichtige Passagen durch Brandlöcher fehlten. Irgendwer liebte irgendwen – konnte es sein, dass die Schwester dieses Lindholzer Scharlatans ein Auge auf Richeza geworfen hatte? Dass eine Frau eine andere Frau begehrte, dafür hatte Rifada vollstes Verständnis, denn die Mannsbilder waren dümmliche Jammerlappen – zu nichts zu gebrauchen! Richeza war natürlich nach wie vor eine attraktive Erscheinung, aber Rifada hatte nie den Eindruck gehabt, dass sie sich zu einer anderen Person – egal ob Weib oder Mann – sonderlich hingezogen fühlte.

Achselzuckend warf sie den verkohlten Brief in eine kleine Truhe, die ihr heute als Nachttisch, Kleider- und Bücherschrank in einem diente, denn alles andere war von Praiosmins Schergen gestohlen worden.

Rifada streifte sich nur ein dünnes Leinenhemd über, denn sie fror fast nie. Alle andere Kleidung würde sie auch nur bei ihrem alltäglichen Morgenritual behindern, dem Holzhacken drunten im Burghof, dass ihre Muskeln stramm und fest hielt.

Sie pfiff den Ragathsky-Marsch, während sie in der kühlen Luft den Hof überquerte – obwohl sie die Ragatier im Großen und Ganzen nicht leiden konnte, hatte sie doch immer ein Faible für diese schneidige Marsch-Melodie gehabt. Vom Torhaus her rumpelte ein zweirädriger Karren heran, gezogen von ihrem einzigen verbliebenen Esel, den das Burggesinde einst despektierlich nach ihrem Gatten Berengar II. getauft hatte, sowie ihren beiden Knechten Ezequiel und Orbino, die tatsächlich von irgendwoher eine offenbar vom Blitz gefällte Schwarzpappel heranschafften.

"Seht nur, Herrin!", frohlockte der junge Orbino stolz, "Brennholz für mindestens einen Mond!"

"Packt an!", befahl Rifada äußerlich unbeeindruckt. "Ihr Zwei nehmt die Seite, ich nehm die andere." Die zwei Knechte ächzten beim Anheben des schweren Pappelstammes, Schweißperlen traten auf die Stirne der jungen Männer, denen dass gleichwohl etwas peinlich war, da ihre Herrin das ganz sicher genauso schwere andere Ende des Stammes aus dem Karren hob, ohne dabei eine Miene zu verziehen. "Nicht so wackeln! Wir tragen ihn dort neben den Brunnen!", blaffte Rifada sie an. "So weit?", echoten die Beiden entsetzt, denn das waren über fünfzehn Schritt. Schlussendlich gelangte der Stamm aber doch an die gewünschte Stelle und die beiden jungen Knechte gingen etwas auf Abstand, als Rifada mit dem großen Holzfällerbeil weit über dem Kopf ausholte und den Stamm mit drei Hieben in der Mitte durchschlug.


Autor: SteveT

Am Fenster des Großen Saals verfolgte Belisetha da Vanya das unwürdige Geschehen kopfschüttelnd. Sie würde aus Rifada keine Edeldame mit guten Manieren mehr machen können, das war ihr seit dreißig Jahren klar. Aber dieser egozentrische Stolz, selbst dem niederen Gesinde immer wieder vor Augen führen zu müssen, wer der eigentliche 'starke Mann' im Hause war, fand sie peinlich und unverbesserlich. Sie schloss das Fenster, obwohl die Beilschläge sowieso laut genug waren, auch den letzten Schlafenden auf der Burg und drunten im Dorf zu wecken.

"Vier Gedecke?", fragte sie den alten Hausdiener Peregrin überrascht, als sie die Tafel besah. "Erwarten wir außer unserem studierten Gast, Rifada und mir noch jemand weiteren zum Frühmahl?"

Peregrin nickte: "Ja, Euer Wohlgeboren! Domna Richeza, die werte Nichte von Domna Rifada, geruhte gestern Abend hier einzutreffen!"

"Ah wie schön!", hellte sich Belisethas Miene augenblicklich auf. "Dann lasst bitte nach ihr schicken. Jemand der mir beim Frühmal etwas erbaulichere Neuigkeiten als Einzelheiten zum Zerlegen eines Baumstamme zu berichten weiß, ist mir höchst willkommen!"


Autor: von Scheffelstein

Belisetha da Vanya hatte ihr erstes Schüsselchen Hirsebrei bereits geleert und ließ sich vom alten Peregrin einen ordentlichen Schlag Honig in das zweite rühren. Ihre Großnichte sei unpässlich und werde sich verspäten, hatte die Magd ihr ausrichten lassen, die nach der Scheffelsteinerin geschickt worden war.

Von draußen drangen noch immer der Klang der Axthiebe herein und die endlosen Belehrungen der Hausherrin an ihre Dienerschaft, wie man das Holz zu schlagen habe.

Belisetha seufzte, bedeutete Peregrin mit einem Heben ihrer von der Gicht geschwollenen Hand, dass sie genug Honig hatte, ließ sich verdünnten Wein nachschenken und setzte ihr Mahl fort.

Bald darauf klopfte es an der Saaltür, und Peregrin meldete: "Seine Wohlgeboren, der Gelehrte Herr Amaros Desidero von Lindholz."

Man wünschte sich wechselseitig einen guten Morgen, und der junge Mann hatte eben erst auf dem Stuhl Platz genommen, den Peregrin ihm gewiesen hatte, als abermals die Tür aufging, und Belisethas Großnichte Richeza den Saal betrat, blass, mit tiefen Augenringen und einer tiefen Falte über der Narbe an ihrer linken Wange, wo wohl das Betttuch ihr im Schlaf gelegen hatte.

Ihr Blick wanderte von Belisetha zu dem jungen Magier, über deren beider Anblick sie wenig erfreut schien, dann nickte sie dem Lindholz zu, presste ein "Gutenmorgneuerwohlgeborn" zwischen den Zähnen hervor, trat an Belisethas Seite und küsste ihr, als diese ihr die Hand entgegen streckte, die schmerzenden Finger mit einem ebenso unverständlich gemurmelten "Großtante", was angesichts der Tatsache, dass ein Fremder im Raum war, ein unerhörter Etiketteverstoß war, der Belisetha zu einem tadelnden Stirnrunzeln veranlasste.

Dieses aber schien die Edle ebenso wenig zu bemerken wie den strengen Blick der Junkerin, als sich Richeza wortlos auf den Stuhl neben dem Magier sinken ließ, sich die große Holzschüssel mit dem Hirsebrei heranzog und sich lustlos etwas auf ihren Teller klatschte, ehe Peregrin heran war, um ihr dienlich sein zu können. Den Wein, den er ihr anbot, lehnte sie mit einer derben Handbewegung ab, verlangte stattdessen nach Tee, aß drei Löffel der Hirse, ohne Honig, schob dann den Teller fort und starrte an Belisetha vorbei aus dem Fenster.


Autor: Lindholz

Amaros von Lindholz betrachtete die Landedle nachdenklich während er sich den gesüßten Brei schmecken ließ. Der Adept der arkanen Künste hatte ihre recht dürftige morgendliche Begrüßung ungetrübt freundlich erwidert, war sich jedoch nicht einmal sicher, ob die Scheffelsteinerin es überhaupt wahrgenommen hatte. Es war wohl die Liebe, die ihr so zusetzte, mutmaßte er. Und wie gut Amaros sie verstehen konnte! Manche behaupteten, dass die Liebe ein Spiel sei, aber nach allem, was er in den vergangenen Monden gelernt hatte, konnte man in Herzensangelegenheiten nur verlieren, wenn man sie nicht ernst nahm.

Gerne hätte er der schöne Domna Richeza versichert, wie sehr er mit ihr fühle und dass sie Vertrauen haben solle. Doch nein, das war mehr als unpassend. Zum einen dürfte die streitbare Dame kaum Wert auf seinen Ratschlag legen, und zum anderen, wer war er schon, dass er Ratschläge in diesen Dingen gab, wo er selbst so schändlich versagt hatte?

Zügig nahm der blonde junge Adlige einen Schluck Wein. Zum Betrinken war der verwässerte Rebensaft kaum geeignet, auch wenn seine süße Beerennote durchaus das nötige Verve dafür erahnen ließ. Blieb ihm nur, sich anderweitig abzulenken. Kurzerhand stürzte Amaros sich in ein Gespräch mit der Junkerin von Wildenfest, das er mit der Herkunft besagten Weines begann und welches sich mit einigen Belanglosigkeiten fortsetzte.

Irgendwann, die Schüssel vor ihm war längst geleert, endete das stete Klock, Klock, Klock, das die gesamte Mahlzeit begleitet hatte, endlich. Gönnte sich Domna Rifada eine Pause oder hatte sie die gesamte Pappel bereits zerlegt? Zuzutrauen wäre es ihr! Als das Schlagen des Beils ihn heute früh geweckt hatte, hatte er kaum glauben können, welches Bild die kräftige Burgherrin im Innenhof abgegeben hatte. Am Fenster stehend hatte ein Blick nach unten ihn zu der Erkenntnis gebracht, dass er mit Sicherheit nur von einem Körperteil sagen konnte, dass es bei ihm mehr Männlichkeit ausstrahlte, als es bei Domna Rifada der Fall war. Der Tanz der Mada und regelmäßiges Ausreiten waren nun einmal kein Vergleich zu Bäumespalten und Schwertübungen; wobei es in diesen Breiten wohl des Häufigeren nicht nur reine Übungen, sondern wahrhaft gefährliche Auseinandersetzungen mit der Waffe waren.

"Sagt, Domna Belisetha, im Yaquirtal vernimmt man nicht mehr viel von den Ferkinas und Ogern. Haben diese Wilden und Menschenfresser wirklich kleinbei gegeben oder lässt man uns nur im Dunkeln?"


Autor: von Scheffelstein

Belisetha da Vanya, die während ihrer Unterhaltung mit dem jungen Gast immer wieder einen missbilligenden Blick auf ihre Großnichte geworfen hatte, die scheinbar unbeteiligt aus dem Fenster im Rücken der Junkerin blickte, als wären der Schnee auf den Dächern oder die krächzend vorbei fliegenden Krähen interessanter als das Tischgespräch, ja, als wäre es ihr vollkommen gleichgültig, wie unhöflich sie erschien – Belisetha da Vanya schüttelte kaum merklich den Kopf und schenkte dem jungen Mann ein Lächeln.

"Der verblichene Kaiser, gnade im Boron, hat die Wilden gezähmt und unterworfen. Jedenfalls ist es das, was man sich im Lande erzählt. Derlei Reden solltet Ihr Domna Rifada besser nicht vernehmen lassen. Nun, da der Kaiser tot ist, wird es aber nicht viel geben, was die Barbaren davon abhält, weiter plündernd über unsere Ländereien herzufallen. Ein Glück nur, dass der Feldzug gegen die Bergwilden einst auch diese einige Männer gekostet hat und die einzelnen Stämme zumeist zerstritten sind."

Abermals schüttelte sie den Kopf, dann wandte sie sich an die Scheffelsteinerin, wohl hoffend, diese in das Gespräch hineinzuziehen. "Richeza, was führt dich hierher ins Vanyadâl? Vermisst du wieder irgendeinen Vetter oder besinnst du dich deiner Familia und ihrer Gäste?"

Die Edle schien den strengen Unterton zu überhören. Sie wandte den Kopf, straffte sich ein wenig, lehnte sich ausatmend zurück, mit einer Hand den noch immer kaum angerührten Teller befingernd. Dann zuckte sie – unerhört! – mit den Schultern. "Wollte nur nach … Domna Rifada sehen. Wie's ihr geht."

Belisetha warf ihr einen zornigen Blick zu und klopfte mit dem Stil ihres Löffels dezent auf den Tisch. Richeza setzte sich gerade hin, sah aber auf ihren Teller.

"Entschuldigt vielmals", wandte die alte Junkerin sich an den Magier. "Was müsst Ihr nur vom alten und stolzen Hause da Vanya denken? Einstmals dienten wir am Hof der Kaiser und herrschten, nicht nur über Ragath, sondern über dieses ganze Land, götterfürchtig und gewissenhaft, vor allem aber …"

Ein plötzliches Krachen und Scheppern und ein spitzer Schrei ließen die Domna zusammenfahren. "HimmelHerr…", drang es von draußen herein, und als Peregrin die Tür öffnete, sah man eine Magd, die auf dem Boden hockte, weinbesprenkelt, zwischen den Scherben eines Kruges, und eine zweite, jüngere, auf dem Treppenaufgang neben einem Eimer kniend. Peregrin schloss leise die Türe hinter sich, ehe man halblaut die aufgeregte Stimme der älteren Magd vernahm, die sich über den nassen Boden beklagte. Es folgte eine gemurmelte Unterhaltung, dann Peregrins strenge Stimme: "Du da, wisch das auf. Und du, Dela, zieh dich um und bring einen neuen Krug!"

Dann kam er herein, als sei nichts gewesen, entschuldigte sich für die Mägde, verneigte sich und verschmolz wieder mit den getäfelten Wänden, wie die Ahnenporträts in hölzernen Rahmen, die rings um den Saal hingen.

Belisetha da Vanya wandte sich abermals dem Magier zu. "Reist Ihr allein?", fragte sie. "Ihr solltet Euch vorsehen: Wenn es so weiter schneit, sind die Straßen gefährlich. Vielleicht mögt Ihr noch eine Woche warten, bis meine Reisigen aus Wildenfest eintreffen, um mich nach Ragath zu geleiten. Einstweilen wollen wir doch mal sehen, ob Eurem Anliegen Befriedigung verschafft werden kann." Sie hielt ihm die Hand entgegen. "Wenn Ihr die Güte hättet, junger Mann? Wir werden sehen, ob noch Kirchenbücher meines Bruders auf da Vanya zu finden sind, und Ihr werdet mir über das stolze, alte Haus Lindholz und seine Politik in diesen jungen Tagen berichten."

Sie ließ sich von dem jungen Adligen aufhelfen und zur Tür geleiten, die Peregrin vor ihnen öffnete und hinter ihnen schloss.

Richeza blieb allein zurück, schickte den Diener fort, legte die Hände vor ihrem Gesicht zusammen und weinte.


Autor: SteveT

Rifada kam leicht verschwitzt, aber dafür in deutlich besserer Stimmung als noch am frühen Morgen die Treppenstufen zum Großen Saal herauf. Ihre Arme schmerzten zwar etwas von der immer wiederkehrenden Aushohlbewegung mit dem großen Beil, aber das schadete ihnen nicht, sondern hielt sie im Gegenteil schön stramm und kräftig.

Ihre Miene verfinsterte sich, als sie die Bescherung auf dem Treppenabsatz mit dem verschütteten guten Wein sah und sie versetzte den beiden den Boden schrubbenden Mägden im Vorbeigehen einen leichten tadelnden Schlag auf den Nacken.

Zu allem Überfluss kamen ihr auch noch Belisetha mit vorwurfsvollem Blick und der gestern Abend angereiste Yaquirtaler Hexer entgegen, an dessen Arm sich ihre greise Muhme abstützte. Wollte sich dieser Scharlatan bei ihr Liebkind machen und ihr am Ende noch irgendwelche Tinkturen oder andere vermeintliche Wundermittel gegen die Gicht und andere Altersgebrechen andrehen? Sie hatte oft von Amando gehört, dass es in den Städten Almadas Quacksalber gab, die verkaufsfördernd vorgaben, Hexer zu sein, die sich dann aber beim Verhör durch die Suprema als gänzlich arkan unbegabt herausstellten.

"Oh – Ihr seid noch da? Ihr solltet Euch sputen, denn wenn es so weiterschneit, wird der einzige Weg aus unserem Tal vielleicht schon heute Mittag unpassierbar sein!", gab sie ihm im Vorbeigehen einen ebenso gutgemeinten wie unmissverständlichen Wink mit dem Palisadenpfahl mit auf den Weg, was ihr einen noch vorwurfsvolleren, fast schon feindseligen Blick Belisethas einbrachte. Es scherte Rifada nicht – wenn es sie störte, sollte sie nach Wildenfest oder Schrotenstein zurückkehren und dort das Zepter schwingen – hier auf diesem Castillo war immer noch sie selbst die Herrin!

"Rondraseidank! Wir essen unter uns!", rief sie frohgemut, als sie zu Richeza in den Saal eintrat und die Türe hinter sich schloss. Doch sie blieb abrupt mitten in der Bewegung stehen, als sie das Weinen ihrer Nichte hörte und deren in den Händen verborgenes Antlitz wahrnahm. Im ersten Moment schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, diese lautstark tadelnd zurechtzuweisen, wie es ihre eigene Mutter Leonida immer getan hatte, wenn sie sie einmal heulend erwischt hatte. Sie könnte sich wie diese vor Richeza aufbauen, sie grob am Kragen packen und anbrüllen, dass ein solches Verhalten unweibisch sei und dass sie diese Flennerei den zarten Knäblein überlassen solle, weil sie am Ende ja doch nichts nützte. Es kam aber kein Ton über ihre Lippen.

Langsam ging sie näher an Richeza heran, zog sich mit dem Fuß den Schemel, der ihr sonst zum Bein-Hochlegen diente, direkt neben Richezas Stuhl und ließ sich extra geräuschvoll ächzend darauf nieder, sodass ihre Nichte sie wahrnahm. Sie überlegte, dass es jetzt sicherlich eine schöne Geste wäre, Richeza übers Haar zu streichen und ihr irgendwelche schwülstigen tröstenden Worte ins Ohr zu flüstern, wie ein Troubadour. Aber so ein unweibisches Gehabe war einfach nicht ihre Welt, jede Faser ihres Körpers wehrte sich dagegen, so etwas Ammenhaftes zu tun.

So klopfte sie Richeza stattdessen schlussendlich wenigstens kumpelhaft auf die Schulter – versehentlich so hart, dass diese zusammenzuckte – und sie sagte im sanftesten Tonfall zu dem sie fähig war: "Schon gut, Kind! Jetzt will ich keine Rohalsmärchen und keine Ausflüchte mehr hören! Du sagst deiner alten Tante jetzt geradeheraus, was dich so bedrückt und was dir auf der Seele liegt! Darum bist du doch in Wahrheit hier oder nicht?"

Sie umfasste Richezas Kinn und hob deren Kopf an, so dass sie ihr geradewegs in die Augen schauen musste.


Autor: von Scheffelstein

Richeza blickte die Junkerin aus verweinten Augen an, blinzelte die Tränen fort. Je klarer sie sehen konnte, desto verwirrter wirkte sie, gerade so, als drängen die Worte ihrer Tante erst allmählich zu ihr durch. Beinahe ungläubig sah sie sie an, wie eine Traumgestalt, dann brach sie erneut in Tränen aus, die ihr in Bächen lautlos die Wange hinunterstürzten. Sie schien den Blick abwenden zu wollen, doch da Rifada sie unverändert festhielt, senkte sie nur die Augen und stieß bebend hervor: "Ich … brauche Euren Rat. Ich weiß nicht, was ich tun soll! Ich bin verloren!"

Doch auch mit diesem Gestammel wollte die Hausherrin sich nicht zufrieden geben, und so wischte sich Richeza mit dem Handrücken übers Gesicht, sah ihre Tante einige Herzschläge schweigend an, während ihr Atem ruhiger wurde und ihr Zittern aufhörte, dann sagte sie sehr leise, beinahe tonlos: "Ich erwarte ein Kind."


Autor: SteveT

"EIN KIND?", rief Rifada entsetzt aus und wiederholte dann noch einmal leiser, mit ungläubig weit aufgerissenen Augen Richezas Worte: "Ein Kind?"

Sie schluckte fassungslos und knurrte dann in dem Tonfall, den man eher von ihr kannte: "Sag mir, welcher miese Hund dir das angetan hat! Ich reite noch heute los, finde und erschlage ihn, noch ehe ich mich um Praiosmin kümmere!"

Sie sprang auf, offenbar plötzlich ihr lahmes Bein komplett vergessend, und schritt wie eine nervöse Berglöwin im Saal auf und ab. Die schrecklichen Tage, in denen sie ihre eigenen zwei Kinder empfangen und geboren hatte, kamen ihr wieder in den Sinn, als wären sie erst gestern gewesen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie Richeza wie ein eigenes Kind liebte und mitlitt, als wäre sie es selbst, die einen neuen Bastard-Balg der Schande erwartete.

"Mach dir keine Sorgen!", erklärte sie schließlich. "Empfängnis und Geburt sind zwar in höchstem Maße unangenehm – aber wir sind starke Frauen und aus hartem Holz geschnitzt! Du wirst das heldinnenhaft überstehen, wie ich es selbst zweifach überstanden habe! Wenn du nicht willst, dass Hesindian davon erfährt, so kannst du hierbleiben, solange du willst und das ... Kind hier zur Welt bringen. Meine gute alte Ludovica, die sich als Amme um meine beiden Kinder gekümmert hatte, wurde zwar ausgemordet. Aber wir haben einige Monde Zeit, eine andere Amme statt ihrer zu finden! Wenn der Vater unwürdig ist und dir ein Leid angetan hat – davon gehe ich aus! –", sie blickte Richeza prüfend an, "so kann das Kind hier auf der Burg wohlbehalten als Gesinde-Sprößling heranwachsen und niemand muss davon erfahren."

Sie blickte aus dem Fenster, wo Raffzahn den Esel Berengar ankläffte, der mit einem Bein drohend nach ihm auskeilte, bis der Torwächter die beiden mühsam auseinander trieb. Rifada rieb sich grübelnd den Nasenrücken. "Andererseits würdest du Belisetha mit dieser Nachricht sehr glücklich machen. Sie fürchtet, wir wärem vom Aussterben bedroht und wenn du unserem Jahrhunderte alten Haus eine neue Stammhalterin schenkst, so wirst du bis ans Ende ihrer Tage ihre Lieblings-Großnichte sein."


Autor: von Scheffelstein

Richeza schloss die Augen und rieb sich mit beiden Händen hart über das Gesicht, öffnete die Augen wieder, wischte sich beidhändig über Wangen und Kinn und atmete seufzend aus.

"Stammhalterin?" Sie lachte freudlos. "Kein Bastard ist je Stammhalterin geworden." Sie sprang auf, stieß einen halb unterdrückten, ebenso wütenden wie verzweifelten Schrei aus, hieb mit der Faust gegen das Kaminsims und ließ ihren Kopf schwer gegen die holzverkleidete Wand sinken.

"Ihr versteht nicht", sagte sie, als sie sich wieder umdrehte. "Ich ... liebe ihn. Aber er ... wird eine andere heiraten. Nicht mich. Und niemand darf von diesem Kind erfahren." Wieder schrie sie auf und schlug auf den schweren Eichentisch ein, wieder und wieder, bis ihre Hand rot und blau war und das abgewetzte Holz ihre Haut aufschürfte. "Ich will keinen Bastard!", rief sie zornig. "Warum schon wieder? Warum ich?"

Stöhnend ließ sie sich auf ihren Stuhl zurücksinken, die Fäuste vor dem Mund geballt, einen Fingerknöchel zwischen den Zähnen. "Warum? Warum? Ich verstehe das nicht!"


Autor: SteveT

"Du ... liebst ... ihn?", wiederholte Rifada wiederum ungläubig und begann nun auch damit, den Kopf zu schütteln. "Was sind das plötzlich für dumme Gedanken, die ich noch nie von dir kannte?"

Sie knirschte mit den Zähnen und tigerte wieder im Raum auf und ab. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie mit sich selbst rang, ob sie etwas erzählen sollte oder nicht. Schließlich gab sie sich aber doch einen Ruck, sie ging zu Richeza hin und umfasste deren Handgelenk fest wie ein Schraubstock, so dass sie aufhören musste, ihre Hand und den Tisch zu malträtieren.

"Hör zu! Wie du weisst, bin ich selbst Mutter zweier Kinder ..., aber keines dieser Kinder war ein Spross der Liebe, sondern sie waren Sprößlinge des Leids – desselben Leids, an das du nun glaubst, welches sich aber im Nachhinein doch zu Glück wandelte." Sie überlegte einen langen Augenblick ehe sie fortfuhr. "Wie du weisst, geriet ich als einzige Überlebende einer mißglückten Strafexpedition der hiesigen Magnatenschaft in die Gefangenschaft der Wilden. Deren Shâr, ein stinkendes Stück Dreck namens Khenubaal Pascha, verging sich unzählige Male an mir, während ich gefesselt war und von seinen Kriegern festgehalten wurde, sodass ich dem Mistkerl nicht einmal die Kehle durchbeißen konnte. Später konnte ich mich erretten und ihn zur Rechenschaft ziehen – aber es half mir nicht mehr viel, denn ich war schwanger, wie du es nun bist. Ja, dein Vetter – mein Moritatio – war der Spross eines ekelhaften Wildenhäuptlings! Das ist ein Bastard, nicht das, was du nun erwartest!

Einige Jahre später ging ich zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben an den Hof zu Punin – ein weiterer schwerwiegender Fehler meines Lebens! Am Hofe der widerwärtigen Solivai aus der Rasse der Harmamunds gab es für mich nicht viel zu lachen, ich wurde nur wegen meines Namens von allen gemieden und geschnitten. Dann aber traf ich ihn – ich war noch so jung und dumm, er war viel älter und erfahren und scheinbar so galant und weltgewandt. Jedermann bei Hofe suchte seine Gunst."

Rifada fasste sich an die Stirn und bedeckte ihre Augen, es überkam sie heute noch Scham, wenn sie daran dachte. "Für ihn war es nur eine einzige Nacht, eine schnelle Vögelei mit einem dummen Ding vom Lande – er war ja der Mundschenk der Krone, und die Fürstin selbst hing wie gebannt an seinen Lippen. Ich war ja bereits mit einem anderen vermählt, einem langweiligen braven Kronbeamten, der mich zwar hoch verehrte, für den ich aber keinerlei Liebe oder Verlangen empfand. Verbittert und mit gebrochenem Herzen kehrte ich dummes Ding also nach Hause zu meinem Ehegemahl zurück, der glücklicherweise dumm genug war zu glauben, Guja sei seine Tochter. Seitdem hasse ich die falschen und heuchlerischen Yaquirtaler sehr, und kein Mann hat mich jemals wieder angerührt. Im Gegenteil, durch die Achmad'sunni lernte ich ... äh ... also, ich lernte die Gesellschaft von Frauen mehr wertzuschätzen."

Die letzten Worte hatte sie, offenbar etwas peinlich berührt, zum Fenster hinaus gesprochen. Was sollte Richeza jetzt bloß von ihr denken? Noch nie hatte sie mit irgendjemandem über diese Themen gesprochen – nicht einmal mit Jelissa, ihrer vor Rondra angetrauten Schwertgemahlin.

"Aber genug von mir", wechselte sie schnell das Thema, "denn du bist es, die jetzt in derselben Situation ist, wie ich damals zweimal war! Wer – wenn ich als ältere Schwester deiner Mutter fragen darf – ist dieser strunzdumme Hohlkopf, der irgendeine andere dir vorzieht? Hunderte Männer in ganz Almada, so hört man, sind verrückt nach dir und tun alles, um deine Gunst und Aufmerksamkeit in irgendeiner Weise zu gewinnen. Und da soll einer so dämlich sein, und dich – die eventuelle Erbin vieler Burgen und Ländereien in ganz Bosquirien und Ragatien, eine Nachmalige von Fürsten, Sonnen-Gebietern, Grafen, Baronen und Großinquisitoren, die zudem auch noch so schön wie eine Weinkönigin ist, zugunsten einer anderen zu verschmähen? Ist er denn der Kaiserin höchstselbst versprochen?"


Autor: von Scheffelstein

Richeza war während der Geständnisse ihrer Tante immer stiller und blasser geworden, sah sie aus großen Augen bestürzt an und schien erst langsam zu merken, dass ihr eine Frage gestellt worden war.

Sie blinzelte mehrmals und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. "Ich ... kann es Euch nicht sagen", stieß sie heiser hervor. "Bitte, fragt nicht, es geht einfach nicht. Ich habe schon zuviel gesagt. Ich ..." Sie legte ihre freie Hand auf die ihrer Tante, noch immer diesen verstörten Ausdruck in ihren Augen, drückte kurz die eisenharte Hand, die sie festhielt, und schob sie dann beinahe zärtlich und so sacht beiseite, als sei sie eine Feder.

Die Zeigefinger vor dem Mund zusammengelegt, machte Richeza einige Schritte im Raum auf und ab, blieb stehen, sah die Junkerin an, senkte wieder den Blick. "Ihr Götter", murmelte sie, "das wusste ich nicht. Ich ... Was müsst Ihr nun von mir denken?" Sie zupfte an ihrer Unterlippe, während ihr Blick sich jenseits der Burgmauern vor dem Fenster verlor. "Ich habe immer gedacht ... Oh, Ihr Götter, ich hatte ja keine Ahnung! Ich habe immer gehadert ... mit ... meinem Schicksal, aber ... Es ... das ist ja geradezu lächerlich!"

Sie strich sich über das Gesicht, atmete aus, sah wieder zu Rifada. "Moritatio? Er war also ... Das ... wusste ich nicht. Er ... Oh, Ihr Götter!" Sie nahm ihre Wanderung durch den Raum wieder auf, ziellos, von einer inneren Unruhe angetrieben. Plötzlich blieb sie stehen, sah Rifada erstmals direkt in die Augen, statt halb durch sie hindruch. "Und was meint Ihr damit, Gujadanya sei ..." Ihre Augen richteten sich kurz nach rechts und links oben, ehe sie zum Gesicht ihrer Tante zurückkehrten, gerade so, als versuche sie, sich etwas ins Gedächtnis zu rufen. Der verstörte Ausdruck in ihren Augen verwandelte sich in schiere Fassungslosigkeit. "Was? Moment: Wer war Mundschenk unter der Harmamund? Ihr wollt doch nicht sagen ... der Madjani? Der alte ... Waaas? Gonzalo di Madjani?" Mit offenem Mund starrte sie ihre Tante an. "Nein!"

Rücklings ließ sich Richeza auf den nächstbesten Stuhl fallen. "Ihr Götter!" Sie sprang wieder auf, machte einige Schritte hierhin und dorthin, ließ sich abermals, diesmal auf den Stuhl sinken, auf dem sie zuerst gesessen hatte, neben ihrer Tante, legte wieder die Hände vor Mund und Nase zusammen, die Ellenbogen auf den Knien aufgestützt. "Entschuldigt!", sagte sie dann. "Ich bin unhöflich! Ich ... ich kann es nur einfach alles nicht glauben ..."

Sie drehte den Kopf, langsam, sah Rifada da Vanya von unten herauf an. "Und ... dieser ... Barbar ... Ich meine ..." Sie schluckte. "Ich habe Euch immer für ... unantastbar gehalten", flüsterte sie. "Unbesiegbar!" Plötzlich traten ihr wieder Tränen in die Augen, liefen ihr über die Wangen, während sie die Junkerin stumm ansah.


Autor: SteveT

Rifadas Kopf war herumgezuckt, als Richeza den Namen des Yaquirtalers aussprach, der ihre Unbedarftheit so schamlos ausgenutzt hatte – wie wahrscheinlich die von vielen Dutzend anderen provinziellen Dummchen vor und nach ihr auch ... Kannte sie ihn etwa ebenfalls – hatte er sein Glück auch bei Richeza versucht? Rifada war der festen Überzeugung gewesen, dass er heutzutage gar nicht mehr lebte, er war ja damals schon mehr als doppelt so alt wie sie gewesen ... Andererseits, hatte er ihr nicht etwas von 'Elfenblut' ins Ohr gesäuselt und dass ihre Buhlschaft deswegen garantiert folgenlos bleiben würde? Der verfluchte Lügner, so waren die Mannsbilder und gewiss war Richeza auch so einem Yaquirtaler oder zumindest einem gewieften Höfling aufgesessen, der ihr das Blaue vom Himmel versprochen hatte und sie am Ende allein mit seinem Bastard sitzenließ.

"Wie ich schon sagte", straffte sich Rifada, "ich geriet damals in einen Hinterhalt und überlebte als Einzige. Wenn du alleine gegen Hundert dieser Tiere stehst, dann nutzt dir aller Heldenmut Deres nichts, obwohl einige von ihnen ins Gras gebissen haben, darauf kannst du wetten! Mein Götterglaube half mir, dieses Martyrium zu überstehen. Er half mir auch bei der zweiten Geburt, und eine gute Amme ist nützlich, wenn du dein Kind nicht lieben kannst. Gujadanya gab ich dann ja zu den Amazonen, so war es nicht ganz so schlimm, und diese machten eine Kriegerin aus ihr, die ich heute mit Stolz meine Tochter nennen kann – trotz ihres nichtsnutzigen Vaters!"

Sie packte Richeza bei den Schultern: "Was ich damit sagen will: Es gibt auch für dich Hoffnung, denn die gibt es unter der Herrschaft der Zwölfe immer und für jedes gläubige Geschöpf! Du kannst dein Kind hier zur Welt bringen – wenn es sein muss, schaffe ich dir auch den Heiler Krähenfreund herbei, wenn es soweit ist. Du hältst ja große Stücke auf ihn, und er steht eh in unserer Schuld, dass ich ihn und seine Hexen-Schwester damals unangetastet habe davon kommen lassen!"


Autor: von Scheffelstein

"Er hat Euch das Leben gerettet", murmelte Richeza. "Belisetha hat es mir erzählt." Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. "Ist es wahr, dass Udinia Krähenfreund mich von meiner Mutter … also … dass sie zu meiner Geburt dazu geholt wurde, weil Großvaters Leibmedica nicht mehr weiter … Also: Ich wusste ja nicht einmal, dass ich hiergeboren wurde. Ich hatte immer gedacht, es sei auf Scheffelstein …"

Stimmen vor der Tür ließen sie abbrechen. "Bist du noch nicht fertig?", hörte man Belisetha da Vanya. "Sieh zu, dass du hier fortkommst! Unerhört!" Und schon öffnete sich die Tür, und die greise Junkerin und einstmalige Baronin kam in den Saal zurück. "Rifada, wo sind Amandos Kirchenbücher, die er im Turmzimmer zu verwahren pflegte? Sag nicht, die Reichsvogtin hat sie samt und sonders mit den Kirchenschätzen mitgenommen. Das übersteigt ihre Befugnisse bei Weitem …"

Sie unterbrach sich, als sie die jüngeren Frauen so dasitzen sah, Rifadas Hände auf den Schultern von Madalenas Tochter. Richeza erhob sich rasch, bemüht, ihr verweintes Gesicht hinter dem Haar verborgen zu halten. "Entschuldigt mich einen Moment!", murmelte sie und schritt mit gesenktem Kopf eilig an Belisetha vorbei zur noch immer offen stehenden Tür und hinter der mit Eimer und Lappen die Treppe hinunter stolpernden Magd Ayla her.

Belisetha sah ihr kopfschüttelnd nach und schloss die Tür. "Was stimmt mit dem Kind nicht?", fragte sie, wartete aber gar keine Antwort ab. "Ich werde Amando einen Brief schreiben. Es geht nicht an, dass sich Domna Praiosmin nicht nur am Besitz unserer Familia, sondern zudem an Eigentum der Kirche vergreift. Über deine Vasallentreue, Rifada, mag man durchaus geteilter Meinung sein. Aber ein Angriff aufs Eigentum der Heiligen Kirche des Praios – das geht entschieden zu weit!"

Sie hielt inne, als sei ihr ein plötzlicher Einfall gekommen oder als habe sie die ganze Zeit über etwas Anderes nachgedacht, blickte zur Tür, schüttelte abermals den Kopf. "Wenn ich es nicht für gänzlich ausgeschlossen hielte, so würde ich glauben, das Kind sei in anderen Umständen. Hast du ihre Wangen gesehen und ihren Busen?" Belisetha kam aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus. "Was will sie von dir?", wandte sie sich dann an Rifada und sah die noch immer Sitzende aufmerksam an. "Warum ist sie hier?"


Autor: SteveT

"Das Schneetreiben wird immer stärker!", antwortete Rifada unzusammenhängend auf die Frage. "Was ich dem Yaquirtaler sagte, gilt auch für dich! Wenn es so weiter geht, kommt schon heute Mittag niemand mehr aus dem Tal herein oder heraus. Ich fürchte, es bleibt keine Zeit, um auf deine Eskorte aus Wildenfest zu warten. Pack' alles für deine Abreise! Richeza und ich werden dich und unseren ungebetenen Gast mit ein paar Knechten nach Quazzano eskortieren, ich habe selbst etwas mit Oheim Amando zu besprechen, und dort kannst du ihm dann auch dein Leid über die Elenterin klagen! Es fehlen ja nicht nur seine Bücher, sondern auch die goldene Monstranz des Greifen Garafan. Wenn wir uns nicht beeilen, sie wiederzuerlangen, wird die Ketzerin sie bald eingeschmolzen und das Gold verprasst haben! Wer sich mit einem Hexer einlässt und ihm ein Kind gebiert, der ist auch zu so etwas fähig!"

Sie wandte sich stirnrunzelnd vom Fenster ab, da ihr das Wetter tatsächlich Kopfzerbrechen bereitete, und humpelte an Belisetha vorbei nach draußen ins Treppenhaus, um sich in ihrer Kammer abreisefertig zu machen. "Seid bereit! In spätestens zwei Stunden brechen wir auf!"

Sie musste ihre allzu neugierige Tante und erst recht diesen Yaquirtaler loswerden, um danach wieder alleine mit Richeza hierher zurückkehren zu können und auf die Ankunft Gujadanyas zu warten. Auf Quazzano, ihrer kleinsten, aber auch luxuriösesten Burg mitten im Ragatischen Kessel, war Belisetha gut aufgehoben, dort konnte sie überwintern, es war besser für ihre Gicht als dieses zugige Gemäuer und gleichzeitig konnte sie, was ihre Rachepläne gegenüber der Elentiner Vettel betraf, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens sich Amandos Erlaubnis einzuholen, die geraubten Kirchenschätze zurückholen zu dürfen und zweitens – nun da sie auf die schwangere Richeza bei dieser riskanten Unternehmung wohl nicht zählen durfte, wollte sie einmal hören, wie der treulose Aranjuezer dazu stand, ihrer gemeinsamen Feindin einen Besuch abzustatten.