Chronik.Ereignis1036 Lindwurmhatz 03: Unterschied zwischen den Versionen

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Bevor wir uns allerdings mit dieser lästigen Angelegenheit eingehender beschäftigen, lasst Euch von meinem Castellan eine Kammer zuweisen, erfrischt Euch und gesellt Euch zu mir und den meinen an die Tafel. Gewiss seid Ihr hungrig und erschöpft von der langen Reise aus Punin. Kein Drachentöter sollte sich unausgeschlafen und mit leerem Magen seinen Aufgaben stellen.“
Bevor wir uns allerdings mit dieser lästigen Angelegenheit eingehender beschäftigen, lasst Euch von meinem Castellan eine Kammer zuweisen, erfrischt Euch und gesellt Euch zu mir und den meinen an die Tafel. Gewiss seid Ihr hungrig und erschöpft von der langen Reise aus Punin. Kein Drachentöter sollte sich unausgeschlafen und mit leerem Magen seinen Aufgaben stellen.“


 
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'''Autorin:''' Tina
'''Autorin:''' Tina


Der Abend war bereits hereingebrochen und die ersten Sterne fochten einen einsamen Kampf gegen eine Armada dichter Wolken, die wie ein zu allem entschlossenes Heer von den Gestaden des siebenwindigen Meeres herantrieben. Wind kam auf und zauste die stolzen Banner, die über den Türmen der Höhenburg wehten.
Der Abend war bereits hereingebrochen und die ersten Sterne fochten einen einsamen Kampf gegen eine Armada dichter Wolken, die wie ein zu allem entschlossenes Heer von den Gestaden des siebenwindigen Meeres herantrieben. Wind kam auf und zauste die stolzen Banner, die über den Türmen der Höhenburg wehten.


„Melde Er meinen Herrn, Seine Hochgeborene Ehrwürden [[Isonzo von Phexhilf|Isonzo von Phexhilf-Rabenstein]], samt Gefolge.“ Die junge Knappin strich sich eine Strähne pechschwarzen Haares zurück, das sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, und zog sich entschlossen den Wappenrock mit dem Wappen Phexhilfs glatt. Sie betrachtete den schmalschultrigen Castellan, dem sie gerade einmal bis zur Nase reichte, über ihre Nase hinweg und setzte ein entschiedenes „Und beeil’ Er sich – oder will Er meinen Herrn auf dem Hof warten lassen?“ hinzu.
„Melde Er meinen Herrn, Seine Hochgeborene Ehrwürden [[Isonzo von Rabenstein|Isonzo von Phexhilf-Rabenstein]], samt Gefolge.“ Die junge Knappin strich sich eine Strähne pechschwarzen Haares zurück, das sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, und zog sich entschlossen den Wappenrock mit dem Wappen Phexhilfs glatt. Sie betrachtete den schmalschultrigen Castellan, dem sie gerade einmal bis zur Nase reichte, über ihre Nase hinweg und setzte ein entschiedenes „Und beeil’ Er sich – oder will Er meinen Herrn auf dem Hof warten lassen?“ hinzu.


Ein kalter Windstoß zupfte der Knappin die Haarsträhne aus den Fingern und klatschte sie ihr ins Gesicht. Ärgerlich nahm sie die Zügel ihres Pferdes kürzer, das erschrocken über diese rüde Behandlung seinen Kopf nach oben warf.  
Ein kalter Windstoß zupfte der Knappin die Haarsträhne aus den Fingern und klatschte sie ihr ins Gesicht. Ärgerlich nahm sie die Zügel ihres Pferdes kürzer, das erschrocken über diese rüde Behandlung seinen Kopf nach oben warf.  
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Dennoch, Ravena, sei bei der Speisenauswahl maßvoll. Du weißt ja, dass der Orden der Golgariten Mäßigung verlangt. So gern ich angesichts mancher Leckerei natürlich gern mal über die Stränge schlagen würde. Wein kannst du aber reichlich nachschenken, davon vertrage ich eine ganze Menge. Und füge ein paar heilige Essenzen aus Punin hinzu, dann ist´s auch keine Sünde.“ Der Komtur drückte ihr eine kleine silberne Phiole in die Hand.  
Dennoch, Ravena, sei bei der Speisenauswahl maßvoll. Du weißt ja, dass der Orden der Golgariten Mäßigung verlangt. So gern ich angesichts mancher Leckerei natürlich gern mal über die Stränge schlagen würde. Wein kannst du aber reichlich nachschenken, davon vertrage ich eine ganze Menge. Und füge ein paar heilige Essenzen aus Punin hinzu, dann ist´s auch keine Sünde.“ Der Komtur drückte ihr eine kleine silberne Phiole in die Hand.  
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'''Autorin:''' Tina
„Gewiß, Herr.“ Die ruhige Geste, mit der sie die zierliche Phiole entgegennahm, berichtete, dass sich diese kleine Szene schwerlich das erste Mal zwischen Herrn und Knappin abspielte. Sie nickte Dom Isonzo zu und tat, wie geheißen. Vorsichtig, keinen Tropfen zu vergießen, füllte sie einen Kelch mit dem dunkelroten Blut der Trauben, stellte ihn für den Baron bereit und nahm dann wieder, leise wie ein Schatten, ihren Platz hinter seinem Stuhl ein. Mit großen dunklen Augen betrachtete das Mädchen die Gäste und den reichgedeckten Tisch, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Rabenstein|rabenstein]]


„Ihr sagtet, die Domnatella sei eine Drachenjägerin aus Punin. Interessante Profession – also habt Ihr bereits Erfahrungen mit derartigen Bestien gesammelt, Domnatella Catalin? Davon müsst Ihr uns unbedingt berichten. Bei mir ist es wohl der erste, den ich zu Gesicht bekäme. Drache - meine ich. Mal abgesehen von dem schwarzen Ungeheuer in Warunk. Aber der war ja schon tot und dafür sind meine Ordensschwestern und -brüder dann eher Experten.
„Ihr sagtet, die Domnatella sei eine Drachenjägerin aus Punin. Interessante Profession – also habt Ihr bereits Erfahrungen mit derartigen Bestien gesammelt, Domnatella Catalin? Davon müsst Ihr uns unbedingt berichten. Bei mir ist es wohl der erste, den ich zu Gesicht bekäme. Drache - meine ich. Mal abgesehen von dem schwarzen Ungeheuer in Warunk. Aber der war ja schon tot und dafür sind meine Ordensschwestern und -brüder dann eher Experten.
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Und wenn ihr Euch nun der berechtigten Frage stellt, warum ich überhaupt hier bin, Ehrwürden, dann kann ich dazu nur sagen, weil ich mich durch große Aufgaben nicht einschüchtern lasse. Um einen Drachen oder sonst einen übermenschlichen Gegner zu stellen braucht es Mut, Kopf, Intuition, vielleicht ein wenig Unverfrorenheit, vor allem aber einen trainierten Schwertarm oder Geschick beim Abfeuern einer Armbrust. Wenn die jeder Mensch hätte, dann hätte man auch keine Probleme mit Drachen. Doch dem ist nicht so. Also sollte es eine Verpflichtung derjenigen sein, die glauben mit solchen Sachen dienen zu können, sich damit denen in den Dienst zu stellen, denen es an solchen Talenten fehlt. Danach lebe ich und daran glaube ich. Und deswegen bin ich hier. Ich hoffe, das sorgt Euch für die anstehende Queste nicht zu sehr.“  
Und wenn ihr Euch nun der berechtigten Frage stellt, warum ich überhaupt hier bin, Ehrwürden, dann kann ich dazu nur sagen, weil ich mich durch große Aufgaben nicht einschüchtern lasse. Um einen Drachen oder sonst einen übermenschlichen Gegner zu stellen braucht es Mut, Kopf, Intuition, vielleicht ein wenig Unverfrorenheit, vor allem aber einen trainierten Schwertarm oder Geschick beim Abfeuern einer Armbrust. Wenn die jeder Mensch hätte, dann hätte man auch keine Probleme mit Drachen. Doch dem ist nicht so. Also sollte es eine Verpflichtung derjenigen sein, die glauben mit solchen Sachen dienen zu können, sich damit denen in den Dienst zu stellen, denen es an solchen Talenten fehlt. Danach lebe ich und daran glaube ich. Und deswegen bin ich hier. Ich hoffe, das sorgt Euch für die anstehende Queste nicht zu sehr.“  
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'''Autor:''' [[Benutzer:Rabenstein|rabenstein]]
„Oh, ich bin keineswegs besorgt aufgrund Eurer Beweggründe, Domnatella. Es obliegt auch meinem Orden die Pflicht, dem Übel mit einer gehörigen Portion Mut und Gottvertrauen und selbstverständlich einem geschulten Schwertarm entgegenzutreten. Auch wenn es sich dabei vorrangig um Untote und nekromantische Schwarzkünstler handelt, weniger um eher den weltlichen Reichtümern zugeneigte, sehr lebendige Drachen. Aber ich bin gewillt, in diesem Falle mal eine Ausnahme zu machen, um meiner Knappin Ravena ein wenig beizubringen über ritterliche Tugenden. Und da gehört eine Drachenjagd auf jeden Fall dazu“, erwiderte der Baron und erhob sein Glas in Catalins Richtung.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Alberto Fredarcarno|derp]]
Dom Rahjindan räusperte sich: „Höhlendrachen, auf Tulamidya ''Khorosan'' genannt, können fast die doppelte Größe eines Tatzelwurmes erreichen, wobei letztere keine echten Drachen sind und auch kein Feuer spucken können. Anders als bei vielen anderen Drachenarten besitzen Höhlendrachen keine Flügel. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie den [[Leyenda]]s nach ungemein schnell sein sollen und sie keinesfalls unterschätzt werden sollten. Allgemein bekannt ist, dass alle Höhlendrachen profunde Kenner der Magie sind, wenngleich sie nicht an die magischen Künste eines Riesenlindwurms heranreichen. Besonders gefährlich macht es sie, dass die in den Gedanken ihres Gegenübers wie in einem Buch lesen können. Es ist daher unbedingt erforderlich, beim Kampf mit einem Höhlendrachen seine tatsächlichen Gedanken zu verbergen, damit die Bestie nicht auf den jeweils kommenden Hieb oder Stich vorbereitet ist. Einige Leyendas berichten davon, dass Höhlendrachen eine besondere Vorliebe für magische Gegenstände haben, wobei sie wohl solche von grüner Farbe bevorzugen.
Aus den letzten Jahrzehnten gibt es leider wenig glaubwürdige Berichte über Personen, die die Begegnung mit einem Höhlendrachen überlebt haben sollen. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die meisten angeblichen Drachentöter nur einen Baumdrachen oder Tatzelwurm bezwingen konnten und unter Vorzeigen ausgewählter Körperteile den Eindruck erwecken wollten, sie hätten doch tatsächlich einen Höhlendrachen überwinden können. Die bekanntesten Höhlendrachen sind sicher [[avwik:Islaaran|Islaraan]] aus Weiden und [[avwik:Lepitopir|Lepitopir]] aus dem [[avwik:Steineichenwald|Steineichenwald]].“
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'''Autor:''' [[Benutzer:Dajin|alcorta]]
Catalin erhob eine Augenbraue, nachdem Rajindan sein Wissen preisgegeben hatte. "Na, Ihr macht einem ja Hoffnung..."
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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
Der Gastgeber schenkte Domna Catalin eigenhändig Wein nach und sagte, die edle Stirn von düsteren Gedanken umwölkt: „Wenn es sich um ein harmloses Schoßhündchen handeln würde, hätte ich gewiss keinen Aufruf in einer landesweiten Gazette publizieren lassen, Domnatella. Faraldur ist ein jahrhundertealtes Übel, das mein Lehen plackt und dem keiner mehr 23 Vorgänger als Baron im Taubental Herr geworden ist. Bereits mein Urahn, [[Ramón Azucena]], dem von seiner Schwertmutter, der Fürstin [[Zafira de Aguilon]], alles Land ‚zwischen Rôn und Escarra’ als [[Junkergut Vivar|Landjunkergut Vivar]] verliehen worden war, damit er die wilde Gegend urbar mache, soll mit dem jungen Faraldur zusammengestoßen sein und dabei einige Getreue verloren haben. Das war zu Beginn der Rohalszeit, also vor beinahe sechs Jahrhunderten!
Seitdem ist die Bestie von Jahr zu Jahr dreister geworden. Die erste Siedlung, die meines Urahns Enkel [[Rondrigo de Vivar y Bracamonte|Rondrigo]], [[Zaya de Vivar y Bracamonte|Zaya]] und [[Rahiada de Vivar y Bracamonte|Rahiada]] am Ufer der Escarra gründeten, ist im Feueratem des Lindwurms vergangen. Auch wenn dieser inzwischen die Anwesenheit von Menschen duldet, so sind armen Leut’, die heute im Dörfchen Trajalés ihr Dasein fristen, wenig mehr als des Schwarzen Lindwurms Sklaven. Er ist ihr Herr und Meister, ihr König und Abgott, der allmonatlich Tribut und alle drei Jahre ein grausames Opfer verlangt – ein frisch erblühtes Mädchen oder ein unverheirateter Jüngling muss ihm dargebracht werden, damit er das Volk von Trajalés auch in den kommenden drei Jahren verschone. Und so wählen die Bewohner des Dorfes seit Jahrhunderten aus ihren Reihen alle drei Jahre eine Unglückliche, um sie von der Bestie verschlingen zu lassen. Stellt Euch den Schmerz und die ohnmächtige Wut vor, die ein jeder Vater, eine jede Mutter empfinden muss, wenn sie tränenumflort ihr liebes Kind mit ihrem besten Gewand ankleidet, mit einem Reif aus Blumen bekränzt und in der schwarzverbrannten Einöde des Lindwurms an jenen unglückseligen Pfahl kettet, an dem jeden Monat Zicklein oder Lämmer auf ihr Schicksal warten!“ León de Vivar selbst erschauderte sichtlich bei dem Gedanken an den Opfergang.
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'''Autorin:''' Tina
Ravena schluckte. Längst war das Lächeln aus ihren Gesicht gewischt und immer öfter kam ihr Blick auf dem Hinterhaupt Dom Isonzos zu Ruhe. Einen halben Schritt näher war sie in Richtung Wand gerückt und ordentlich froh darüber, dass eine bloße Knappin in solch einem illustren Kreis erfahrungsgemäß wenig bis gar keine Aufmerksamkeit erhielt. Von Punin aus war die Drachenhatz noch voll der Verheißung von Abenteuer und – vor allem! – Abwechslung gewesen – und der Gedanke an das gefräßige Untier ein besserer Nervenkitzel. Andererseits – es gab keinen besseren Kämpfer als ihren Knappenvater, und dieser hatte sie gut ausgebildet! Nein, das Untier konnte nicht bestehen – und Geschichten wuchsen und veränderten sich mit jedem Bericht, weswegen Worte immer nur mit Bedacht gewertet werden durften. Sollte das Vieh nur kommen! An ihrem Gevatter käme es nicht vorbei!
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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
„Doch damit nicht genug! Diese blutigen Praktiken, vor denen es jedem aufrechten Zwölfgöttergläubigen grausen muss, wurden sie von meinen Vorgängern als Baronen im Taubental bekämpft? Waren sie der Schutz und Schirm ihrer Rustikalen, wie es der Sonnenfürst gebietet und es der Sturmleuin gefällt? Nein, verehrte Domnatella Catalin, Ehrwürden Isonzo!“ Der Baron hatte sich in Eifer geredet. Die Wangen waren leicht gerötet und eine schwarze Strähne hatte sich aus seinem Eslamszopf gelöst. „Baron [[Sansovino Erlani im Taubental|Sansovino]] ging im IX. Jahrhundert gar so weit, mit dem Untier einen Pakt abzuschließen und ihn zum ‚Caballero von Drachental’ zu erheben! Seitdem haben alle Barone im Taubental ihre Augen vom Leiden der Trajaléser abgewandt und die Tyrannenherrschaft des Schwarzen Faraldur geduldet.
Als mir davon berichtet wurde, wurde mir sogleich klar, dass ich dies vor den Göttern und vor meinen [[Rustikal]]en nicht länger verantworten kann. Doch da ich kein strahlender Geron und kein kühner Dschadir, sondern allenfalls ein Krieger Rahjens bin – „er kreuzte den Blick mit seiner Hofkaplanin, die bei diesen Worten ein perlendes Lachen erklingen ließ – „blieb mir als einziger Ausweg, nach Heldinnen und Helden zu rufen, die bereit wären, mit rondrianischer Stärke oder phexischer List die Baronie Taubental von diesem wandelnden Alptraum zu befreien. Daher danke ich den Göttern heute schon, dass sie die Schritte Eurer Pferde gen Chellara gelenkt haben und werde für Euch beten, wenn Ihr Euch in das Drachental aufmachen solltet – wie ich es auch für diejenigen getan habe, die vor Euch ihr Glück versucht haben.“
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'''Autor:''' [[Benutzer:Dajin|alcorta]]
„… und alle dabei gestorben sind, ich habe schon verstanden.“ Catalin war sehr still geworden, scheinbar ein wenig in Gedanken. Es entstand eine kurze, angespannte Stille, die Dom León schließlich löste. „Überlegt Ihr Euch das ganze gerade noch einmal, Domnatella?“
Es schien fast, als hätte man Domnatella Catalin aus einem Traum geweckt. Sie schreckte hoch. „Was? Wie… oh… nein, nein. Ich frage mich nur… warum Jungfrauen?“
Der Vivar lächelte höflich. „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, auf was Ihr hinauswollt, Domnatella.“
„Wozu braucht der schwarze Faraldur Jungfrauen? Und das alle drei Jahre? Warum ausgerechnet alle drei Jahre?“ Die junge Frau kassierte irritierte Blicke. Niemand schien das beantworten zu können. Catalin bemerkte dies und führte ihre Gedanken weiter aus: „Nun, es ist ja so, dass laut Eurer Geschichte alle drei Jahre ein Trajaléser dem Drachen zum Opfer gebracht wird. Was will der damit? Ginge es lediglich um Nahrung, so erhielte er diese ja schon durch die Ziegen. Verlangte es ihn nach einer Abwechslung, einer Art Festmahl, dann hätte mehr davon, eine Kuh zu wählen. Da ist mehr dran!
Zudem wage ich zu bezweifeln, dass Jungfrauen anders schmecken als andere Menschen. Wenn auch magisch begabt, ist er sicher nicht in der Lage, sie für irgendwelchen magischen Hokuspokus zu opfern, vermute ich. Und sie anderen düsteren Gestalten weiter zu verkaufen kann man auch ausschließen, da er das ja nun schon seit … wie vielen Jahren macht? Zweihundert? Außer Zwergen würde wohl keiner so lange leben, um nach all dieser Zeit immer noch den Preis zahlen zu können. Und dass Zwerge Handel mit Drachen betreiben, das kann man wohl noch viel mehr ausschließen.
Eine denkbare Motivation wäre reine Bosheit, doch der Drache wird ja nicht dumm sein. Die Bewohner dieser Ortschaft werden keine 200 Jahre dafür gebraucht haben, um dahinter zu kommen, dass man besser flieht, bevor man ins Jungfrauenalter kommt. Schließlich gibt es ja ein festes, sich wiederholendes Ultimatum. Und da der Drache nicht fliegen kann, sondern in einer Höhle wohnt, wird er auch kaum kontrollieren können, ob jemand flieht oder nicht. Der Drache müsste davon ausgehen, dass die Ortschaft bald nicht mehr bewohnt wäre, würde er das Ultimatum wirklich in diesem Rhythmus durchziehen. Da die bisherigen Barone weggesehen haben, werden die Dorfbewohner sicher auch schon eine Methode für sich gefunden haben, um den Drachen auch nach so langer Zeit immer noch zu beliefern.
Ich denke mal, dass da schon der ein oder andere Streuner von der Straße gegriffen wurde… nein stopp… der Drache kann ja Gedanken lesen, er würde dahinter kommen und angreifen… gut, die Böswilligkeit bleibt also eine mögliche treibende Feder… aber ich behaupte mal, dass sich nicht mal ein böswilliger Drache nach… Moment… mehr als 60 Opfern an dieser Verzweiflung noch ergötzen kann. Und wenn doch, hätte er irgendwann den Turnus auf zwei Jahre oder weniger erhöht, einfach weil er es könnte. Ergo… er braucht diese Opfer für irgendetwas.“
„Warum sollte das in irgend einer Form wichtig sein?“, raunzte Dom Isonzo, dem der Redeschwall der Puninerin langsam etwas zu groß wurde.
„Nun, wir haben bisher sehr viel darüber erfahren, warum Faraldur so gefährlich ist. Er kann Gedanken lesen, er kann Feuer speien, er ist flink, er geißelt ein ganzes Dorf und hält die Bewohner seit Generationen als Sklaven, er ist auch mehr als ein wildes, instinktgesteuertes Tier, es ist mehr als intelligent, hat entsprechend ein Bewusstsein und dieses scheint, wie wir festgestellt haben sehr böse geprägt zu sein. Wir sollten uns also darauf einstellen, einen Gegner zu haben, der wie ein Mensch denkt. Und jeder Mensch hat Schwachstellen. Diese gilt es zu finden, wenn wir mehr sein wollen als nur ein Strich auf einer Todesliste. Daher… haben wir mehr Informationen als die über seine Gräuel? War er zum Beispiel schon immer so? Und wieso nistet er ausgerechnet im Taubental? Häuft er wie andere Drachen Reichtümer an und beschützt seinen Hort wie sein Nest, hatte er vielleicht sogar einmal ein Nest und Nachwuchs, wenn ja, was ist mit diesem geschehen? Dom Rahjindan hat uns empfohlen, die Gedanken zu verbergen. Das dürfte wohl kaum möglich sein, aber wenn wir dort ankommen und an etwas denken, was für ihn interessant ist, kommen wir vielleicht sogar zur Gelegenheit kommen, sich mit ihm zu unterhalten, bevor er uns in den Rücken fiele und grillt. Also… was wissen wir noch? Oder wer weiß noch mehr? Vielleicht irgendwelche Zwerge aus der Umgebung?“
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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
Dom León hatte der jungen Frau geduldig zugehört. Dann nickte er Maestra Lariana zu, zum Zeichen, dass sie an seiner Statt antworten könne. Die zierliche Magierin fixierte die junge Alcorta mit ihren Rehaugen und sprach mit glockenheller Stimme: „Eure Fähigkeiten der ''deductio'' sind wahrlich beeindruckend, Domnatella Catalin. Erlaubt mir, dass ich – eine induktive Methode anwendend – dennoch auf einige Ecksteine Eures Argumentationsgebäudes hinweise, die etwas wacklig sind.
''Ad primum'' handelt es sich nicht nur um junge Maiden, sondern auch um Jünglinge, die Faraldur alle drei Jahre einfordern soll. Junge Menschen könnten einem drachischen Gaumen – im Vergleich zu alten Menschen – besonders schmeicheln. Weder über die Essgewohnheiten noch darüber, ob Faraldur ein Männchen oder ein Weibchen ist, haben wir jedoch Kenntnis – zwar sprechen wir von dem Lindwurm, doch könnte es sich wohl ebenso um eine Würmin handeln.
''Ad secundum'' kann niemand der Anwesenden sagen, was Faraldur mit den Geopferten tatsächlich anstellt, da niemand außerhalb von Trajalés je die Begegnung mit ihm oder ihr überlebt hat. Aus eigener Anschauung weiß ich lediglich, dass die Einöde vor dem Höhleneingang von Knochen übersät ist, die nicht nur tierischer, sondern auch menschlicher Herkunft sind.
''Ad tertium'' wissen wir nicht, warum Faraldur in scheinbarer Regelmäßigkeit diese Opfer einfordert, warum er ausgerechnet im Drachental nistet und warum die Einwohner von Trajalés dies stillschweigend erdulden. Die Kunde, die Seiner Hochgeboren zugetragen wurde, ist, dass es einen grausame Tyrannis Faraldurs über Trajalés und einen Pakt zwischen ihm oder ihr und den Baronen im Taubental gab. Die wenigen Trajaléser Holzfäller, die zum Handel Kellfall aufsuchen, sind sehr schweigsame Gesellen.
''Ad quartum'' limitiert sich das Wirken Faraldurs nicht auf das Drachental. Ich erinnere mich, dass vor vier Jahren eine Herde Schweine, die aus Liepenstein nach Kellfall getrieben werden sollte, nicht hier ankam. Die Vorgängerin Seiner Hochgeboren, die ein Festmahl ausrichten wollte, ließ Nachforschungen anstellen und tatsächlich fand man auf dem Karrenweg nur noch die verkohlten Knochenreste von einem halben Dutzend Schweinen und zwei Hirtenbuben. Wo der Lindwurm sich entlang gewälzt hatte, waren die Bäume versengt und die Erde umgepflügt. Und im letzten Jahr kamen so manche Rahjapilger, die aus Liepenstein oder noch weiter im Nordmärkischen kamen und gen [[Santa Catalina im Taubental|Santa Catalina]] fahren wollten, nie hier an. Andere wurden von dem Untier angehalten, nach ihrem Woher und Wohin befragt und gegen die Abgabe all ihres Golds und Geschmeides ziehen gelassen. Es steht also zu vermuten, dass Faraldur einen Hort hat – wissen können wir es jedoch nicht mit Sicherheit.
''Ad quartum'' fände ich wenig interessanter, als mit Faraldur Konversation zu treiben. So viel Wissen über die Vergangenheit, so viel Wissen über die Magie! Doch halte ich es für äußerst... gefährlich, anzunehmen, Faraldur denke nach menschlichen Kategorien. Es handelt sich um ein mindestens 500 Götterläufe altes Wesen voller Magie, das Menschen nur als kurzlebige Dienerkreaturen und Zeitvertreib betrachtet. Faraldur für menschlich zu halten, heißt, ihn oder sie zu unterschätzen.“
Sie blickte Catalin Alcorta für einen Augenblick stumm an. Dann fügte sie in leichtem Tonfall hinzu: „Auf jeden Fall hat der Lindwurm die meiste Zeit in Einsamkeit verbracht hat und wird sich allein deshalb für Euren Besuch interessieren.“
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'''Autor:''' [[Benutzer:Dajin|alcorta]]
„Zuviel der Ehr! So wie Ihr Faraldur beschreibt, wird mein Besuch seine Einsamkeit wohl nur einen Wimpernschlag lang lindern, bevor er sich wieder langweilen würde. Und keine Sorge, ich glaube nicht, dass man einen Drachen unterschätzen kann. Ich wollte damit auch nur sagen – der Wurm ist kein Tier, handelt nicht wie ein Tier... also sollten wir unsere Herangehensweise auch nicht gestalten, als ob es um ein Tier ginge. Es wird nicht reichen, irgendwo eine Bärenfalle aufzustellen und die Höhle auszuräuchern wird ganz sicher auch nicht den gewohnten Erfolg erzielen.
Allein… wirklich etwas wissen tun wir immer noch nicht. Den Gedanken, dass er die jungen Leute für irgendetwas anderes als  für den persönlichen Gaumenschmaus verwendet will ich dennoch nicht ablegen. Da der Lindwurm offensichtlich auch seine Höhle verlässt und sogar bis in die Nordmarken fliegt, um Hirtenjungen zu verspeisen, könnte er sich die Maiden und Jungen auch einfach selbst im Dorf schnappen, wann immer er wollte, er wäre nicht darauf angewiesen, sie sich zur Höhle bringen zu lassen und das dann auch ‚nur’ alle drei Jahre. Das passt einfach nicht und es muss jemanden geben, der darüber mehr weiß. Ich vermute mal, dass in Trajalés irgendjemand etwas wissen muss. Schließlich hat man dort ja trotzdem noch eine Motivation, weiter Kinder zu zeugen. Bei der Perspektive würde das doch sonst keiner tun.“ Sie grübelte kurz. „Die Frage ist eigentlich schon unschön, aber… weiß man, wie lange es noch dauert, bis Faraldur die nächste Maid erwartet?“
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'''Autorin:''' Tina
DAS war eine Sache, die Ravena auch interessierte. Sehr! Aber warum sprach die Kriegerin immer nur von einer Maid? Immerhin könnte es sich ja auch anbieten, einen hübschen Jüngling aus den Klauen des Drachen zu retten. Einen Augenblick lang gönnte sich die Knappin einen Tagtraum, in dem sie den Geretteten den dankbaren Dörflern zurückbrachte, zusammen mit der Nachricht vom Tode des Untiers und dem Aufdecken einer finsteren Intrige, in die nicht nur der Drache, sondern auch geheimnisvolle Hintermänner verwickelt waren, welche die jungen Dörfler als Sklaven in die Minen einer finsteren Zwergensippe verkauft hatten. Halt – das war mehr als unlogisch. Vor ihrem inneren Auge wechselte das Bild einer dunklen Zwergenbinge mit jenem einer langen Sklavenkarawane in der Hitze der Khôm. Hm – aber im Eisenwald? Bis zur großen Wüste waren es viele hundert Meilen. Auch das wollte nicht passen. Schade. Vielleicht doch ein Schwarzmagier, der mit dem Untier gemeinsame Sache machte und die armen Jünglinge für finstere Experimente kaufte? Wie schon seine Vorgänger vor ihm? Schwarzmagier im Eisenwald?
Sie schüttelte energisch den Kopf. Nein. Bestenfalls Druiden – aber auch diese pflegten keine regelmäßigen Menschenopfer abzuhalten, zumindest nicht der Druidenzirkel in den heimischen Wäldern, von dem ihre Eltern einmal berichtet hatten. Aber Hexen! Übliche Waldhexen würden so etwas sicher nicht tun – aber was, wenn es so ein blutgieriges altes Weib war, wie die Hexe, von der ihr die Jägerin ihres Vaters einmal unter vorgehaltener Hand erzählt hatte, die sich jedes Jahr einen Jüngling fing, in dessen Blut badete – oder sich vermutlich eher damit einrieb, Ravena bezweifelte sehr, dass das Blut eines einzelnen Menschen für ein gesamtes Bad reichte – um dessen Lebenskraft aufzusaugen und ihre Zauberkraft zu stärken? Überlegend grub sie ihre Zähne in ihre Unterlippe. Die würde sich von der Grenze sicher nicht aufhalten lassen – und sicher auch hilflose Jünglinge von einem Drachen kaufen!  Sie würde nachher ihren Knappenvater befragen, was der davon hielte. Neugierig lehnte sie sich etwas vor, um nichts von dem weiteren Gespräch zu verpassen.
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'''Autor:''' [[Benutzer:Rabenstein|rabenstein]]
„Wie Ihr bereits richtig bemerkt habt, Domnatella Catalin: Das ist alles nicht sehr ermutigend. Wir haben es mit einem fast 600 Jahre alten, magiekundigen Schurken von noch dazu beeindruckenden physischen Merkmalen wie Feueratem, Drachenpanzer und Riesenklauen zu tun, der zudem angeblich Gedanken lesen kann. Naja - ob ihm das überhaupt gelingen wird bzw. nicht auf die aktive Anwendung seiner magischen Fähigkeiten zurückzuführen ist, werden wir noch herausbekommen. Es sollte klar sein, dass wir da nicht mit Schwert und Schild oder gar nur einer Lanze gewappnet in die Drachenhöhle hineinspazieren können und das Untier einfach erschlagen. Das gelingt vielleicht in so manch einem von diesen einfältigen Drachentöter-Heldenepen, von denen Dom Rahjindan sicher auch eine ganze Menge kennt. Solche Geschichten mögen für Kinder ganz unterhaltsam sein, in der Realität dürfte sowas aber wohl kaum gelingen. Wir brauchen also einen guten Plan, wie wir uns des Drachens entledigen - und dabei kommt es vielleicht weniger auf rondrianische als eher auf phexische oder auch borongefällige Tugenden an.“ Der Baron sinnierte einen Moment und nahm einen Schluck Wein. „Ein ausgezeichneter Tropfen, Dom León, wirklich ganz ausgezeichnet!“, lobte er das Getränk.
Dann führte er seine Gedanken weiter: „Ein Drache denkt und fühlt sicher nicht menschlich, von daher kann das mit den Jünglingen und Jungfrauen für ihn tatsächlich eine Geschmacksfrage sein.“ Der Baron leckte kurz gedankenverloren über die mit Wein befeuchteten Lippen. „Ja, ja, das ist ganz sicher eine Geschmacksfrage. Das Aroma des von der fleischlichen Lust noch unbefleckten, reinen Blutes...“
Als er die verwunderten Blicke der anderen Anwesenden bemerkte, winkte er ab. „Na, sei´s drum...Man wird jedenfalls nicht so alt und mächtig, indem man Landstriche terrorisiert, sich in Höhlen verkriecht und dort auch noch Schätze anhäuft. Damit beschwört man eigentlich ziemlich sicher den eigenen Tod herauf, man bettelt förmlich darum. Nein, der alte Faraldur muss das wesentlich geschickter angestellt haben. Ihr habt Euch also völlig zurecht die Frage gestellt, Domnatella Catalin, warum die Trajaléser sich das 200 Jahre gefallen lassen und da nicht alle weglaufen oder hier vor der Burg lautstark Dom Leóns Hilfe als Lehnsherr einfordern. Ihr sagtet, Maestra Lariana, die paar Holzfäller von dort, mit denen Ihr Kontakt hattet, redeten nicht viel.
Die Antwort liegt für mich auf der Hand: Es gibt einen Pakt zwischen Faraldur und den damaligen Trajalésern und ihren Nachkommen, von denen beide Seiten irgendwie profitieren. Und bevor wir nicht vor Ort herausbekommen haben, was da eigentlich genau zwischen ihm und den Dorfbewohnern los ist, scheint es mir auch nicht sinnvoll, den Drachen direkt zu konfrontieren. Dom Rahjindan hat vielleicht auch noch ein paar Theorien, warum der Lindwurm unbedingt alle drei Jahre Jünglinge oder Jungfrauen zum Opfer dargebracht haben möchte, aber diese Begrenzung könnte Teil der Vereinbarung sein.“
„Nun, das alles ist kein Grund, an unserem Vorhaben zu zweifeln. Ich habe bereits wesentlich Schlimmeres gesehen als einen alten Höhlendrachen - und ich habe es fallen sehen. ''Mors vincit omnia'' - Der Tod überwindet alles. Es gilt auch für Faraldur die gute alte Golgaritenweisheit, dass alles, was lebt oder untot ist, getötet werden kann. Man muss es nur richtig anstellen...“, schloss der Komtur vorerst seine Ausführungen.





Version vom 27. Oktober 2014, 16:00 Uhr

Baronie Taubental, Mitte Ingerimm 1036 BF

Auf Castillo Chellara (abends)

Autor: vivar

„Es war einmal ein Baron in Tosch Mur, der von allen nur ‚der Schöne Baron’ genannt ward, weil er von der Herrin Rahja mit einem makellosen Leib gesegnet worden war. Er entstammte dem alten Geschlecht der Vivar und saß hoch über dem Tal der gurgelnden Brigella, am Rande des Hochplateaus von Ximesín, auf seinem Castillo. Sein fünftürmiges Castillo, so wird berichtet, war uneinnehmbar, denn es wurde in den Tagen des Hunderttürmigen Bosparan auf Wunsch des Zauberkaisers Fran des Blutigen von Erzgeistern auf einer Felsnadel errichtet und seither von Windgeistern beschirmt, deren Heulen und Pfeifen ein jeder Besucher auch heute noch vernehmen kann. Schon vielen, die den gefahrvollen Aufstieg aus dem Minendörfchen Kellfall wagten und Böses wider den Schlossherrn im Sinn hatten, sind die Winde zum Verderben geworden.

Und so herrschte der Schöne Baron beinahe unangefochten über die Täler des efferdwärtigen Tosch Mur. Einen Widersacher hatte er aber, einen schwarzen Lindwurm, Faraldur mit Namen, der ein Erdloch mitten im Reich des Barons behauste. Dieses Untier war ebenso alt wie böse und –“

„Haltet Ein! Was in Hesindes Namen soll das werden, Dom Rahjindan?“, unterbrach Dom León Dhachmani de Vivar den Vortragenden. Unverständnis lag in seinem wohltönenden Bariton.

Dieser ließ die Pergamentrolle sinken. „Nun, die Leyenda der glorreichen Hatz auf den Lindwurm Faraldur, die Ihr ausgerufen habt, Euer Hochgeboren.“

Dom León krauste die Stirn. „Aber diese Lindwurmhatz hat doch noch nicht einmal begonnen! Wie könnt Ihr da bereits eine Leyenda darüber niedergeschrieben haben? Und warum schreibt Ihr über mich in der Vergangenheit?“

Der Sagenkundler räusperte sich und machte ein paar Schritte auf die Tafel zu, an der Dom León samt Haushalt, Gefolge und Gästen speiste. „Halten zu Gnaden, Euer Hochgeboren, alle Leyendas über Drachentöter ähneln sich bis auf wenige Details. Immer gibt es einen finsteren Drachen oder Wyrm, der die Lande des Herrschers verheert, immer ist dieser nicht in der Lage, das Biest alleine zu besiegen und setzt daher eine Belohnung für die Tötung oder Vertreibung des Drachen aus und stets ist es der letzte einer langen Reihe von Drachentötern, dem schlussendlich von Rondra Erfolg beschieden ist.

Auch beginnt jede Leyenda mit ‚Es war einmal’ und ist in der Vergangenheitsform verfasst. Bedenket, dass sie für die Nachwelt gedacht ist und sich nicht zu sehr von anderen Leyendas unterscheiden darf, sonst wird niemand, der sie hört, dem Erzähler Glauben schenken. So habe auch ich bereits mit der Niederschrift begonnen. Da ich schon einmal Euer Hochgeboren Gast bin, wollte ich Euch den Entwurf meines Werkes vortragen, um Euer Hochgeboren Einverständnis und Wohlgefallen zu erlangen. Sollte Euch etwas missfallen, so werde ich es selbstverständlich ändern.“

Dom León widmete sich einen Moment dem gefüllten Rebhuhnbrüstchen auf seinem Teller und musterte dabei mit seinen schwarzen Jettaugen Dom Rahjindan. Der Sagenkundler war wohl an die zehn Götterläufe älter als er; bekleidet war er mit einem gewickelten Turban aus grünem Tuch auf dem von langem dunkelblonden Haar umflossenen Haupt und einer langen Gelehrtenrobe, die mit einer zum Turban passenden Schärpe um den schlanken Leib geschlungen war. ‚Alles daran missfällt mir’, wollte der Vivar sagen. ‚Eine Geschichte sollte nicht niedergeschrieben werden, ehe sie erlebt worden ist, denn ihr Ausgang liegt bis zum Ende in der Hand der Götter und erst vom Ende her können wir den tieferen Sinn unseres Handelns erkennen. Werft also Euer Pergament ins Feuer, Dom Rahjindan.’

Stattdessen tupfte er sich mit dem Tuch das Fett vom Mund und fragte: „Wie weit seid Ihr bereits gekommen in Eurer Niederschrift, Dom Rahjindan?“

Der Sagenkundler zog eine zweite Pergamentrolle hervor und wies auf den letzten, in ordentlichen Lettern verfassten Absatz. „Bis zum Tode Girolamo des Grauen, Euer Hochgeboren.“

„Wir wissen nicht, ob Girolamo Pipote tot ist oder noch lebt“, entgegnete Dom León. „Er hat nach eigenen Angaben bereits im Phecanowald einen Tatzelwurm erlegt.“

„Halten zu Gnaden, Euer Hochgeboren, Girolamo Pipote ist vor zwei Wochen ins Drachental aufgebrochen und wir haben seither nichts mehr von ihm gehört. Wir können davon ausgehen, dass Faraldur ihn geröstet und gefressen hat.“

Dom León konnte sich auch vorstellen, dass der ganz in Grau gewandete Südpforter Pipote dem Schwarzen Lindwurm mit Müh und Not entkommen war und längst das Weite gesucht hatte, doch er wollte seinen gelehrten Gast nicht vergraulen. Schließlich gab der sich sichtlich Mühe, sich für die reichhaltige Kost und die bequeme Kammer, die der Baron ihm angeboten hatte, erkenntlich zu zeigen, obwohl er bei der Hatz auf Faraldur so fehl am Platze war wie ein Erzzwerg beim Fest der Freuden.

Er erhob seinen Pokal und wollte gerade mit ernster Miene ‚auf den tapferen Girolamo Pipote aus Inostal’ anstoßen, da betrat Ugolino Gualdini den Kleinen Speisesaal. Der Castellan war klein und schmalschultrig und bereits näher an 70 als an 60 Götterläufen – sein Haar war grau und schütter und sein Gesicht tief zerfurcht. „Euer Hochgeboren, eine weitere Reckin ist soeben aus Punin eingetroffen. Sie wartet unten im Hof.“

„Ein Reckin?“ Des Vivar Gesicht hellte sich auf. „Worauf wartet Ihr noch, Gualdini? Führt die holde Amazone zu uns herauf, auf dass wir uns an ihrem im Kampfe gestählten Leib ergötzen können! Und weist Eurico an, dass er ein weiteres Gedeck auftragen lassen soll. Wer nach Chellara heraufgezogen ist, ist immer hungrig.“

Der alte Gualdini verneigte sich schweigend und machte auf dem Absatz kehrt. Dann dauerte es einige Zeit – in der Eurico einen weiteres Gedeck aus Silberteller, Silberpokal, sowie versilbertem Besteck zu Dom Leóns Linken auflegte –, bis er mit einer jungen, laut scheppernden Frau im Gefolge wiederkam. Sie war nicht sonderlich groß, jedoch von der Halsbeuge bis zum Fuß gepanzert. Unter den linken Arm hatte sie einen Visierhelm mit grün-gelbem Federbusch geklemmt, um ihre Taille waren ein Reitersäbel und ein Langdolch gegürtet. Das offene braune Haar floss ihr über die Schulterpanzer und aus kastanienbraunen Augen blickte sie sich neugierig im Saale um, bis ihre Augen Dom León fanden.

„Euer Hochgeboren, ich präsentiere Euch die Domnatella Catalin Alcorta, die gekommen ist, um den schwarzen Lindwurm Faraldur zu erlegen“, stellte der Castellan seine Begleiterin vor.

„Doch hoffentlich nicht hier im Kleinen Speisesaal!“, scherzte Dom León angesichts ihres rondrianischen Aufzugs. Dann wurde er ernst. „Domnatella Catalin, das letzte Mal, als jemand aus Eurer Familia meine Ländereien betrat, tat er es, um mich zu töten. Erst Santa Catalina höchstselbst konnte ihn zu rahjagefälliger Umkehr und Reue bewegen. Insofern hoffe ich, dass Ihr Eures rahjagefälligen Vornamens eingedenk, nicht ins Taubental gekommen seid um sein Werk fortzuführen.“ Er lächelte ein strahlendes Lächeln. Seine Augen verfolgten jedoch aufmerksam jede Bewegung der jungen Kriegerin.


Autor: alcorta

Catalin hatte mit dieser Form der Begrüßung offensichtlich nicht gerechnet. Sie brachte Dom Leon ebenfalls ein Lächeln entgegen, doch es schwang auch etwas mit, was von einem gekonnten Gesichtsleser als ein "Was willst du Spack?" hätte gewertet werden können. Catalin war müde und erschöpft von der langen Reise. Auch wenn ihr Pferd vieles der Arbeit eines Reisenden abnehmen konnte, war ihre Rüstung bedeckt vom Staub der Straße, ihre einst so bunte Kleidung mit einen grauen, fahlen Schleier aus Schmutz und Salz bedeckt. Sie war wirklich ganz frisch angekommen und natürlich bestand sie darauf, erst einmal dem Gastgeber vorgestellt zu werden, bevor ihr Gemach bezogen wurde. Für Catalin eine klare Priorität und Ehrerweisung. Dass sie nun gleich mit dem zweiten Atemzug mit den Taten ihres Bruders konfrontiert wurde, damit musste sie rechnen. Und natürlich war es ein Scherz des Taubentalers, eine rhetorische Frage, sie nach ihren Absichten zu fragen, aber dennoch, noch bevor sie das erste Wort gesprochen hatte, wurde von ihr schon ein Loyalitätsbeweis gefordert. Was für ein Beginn! Auch Dom Leóns Blick auf ihre Waffen war ihr dabei nicht verwehrt geblieben. So ganz traute er ihr wohl nicht. Aber sie war auch nicht wegen Dom León da. Sondern darum, einen Drachen zu erschlagen. Sie holte Luft zu einer Antwort.

"... äh.... ächz... habt... <<krächz>> Ihr etwas Wasser für mich.... meine Kehle....."

Mit einer eiligen Handbewegung wies Dom León sofort Eurico an.

Kaum hatte dieser einen Kelch mit Wasser gefüllt und ihr dargeboten, nahm Catalin ganz undamenhaft einen großen Schluck davon. "Entschuldigt... das geht hier ganz schön den Berg hoch..." Nachdem sie ihre Lippen befeuchten konnte, gab sie mit einem "Ich danke Euch" dem Diener den Kelch zurück und widmete sich erneut Dom León. "So... ich glaube, jetzt kann ich Euch angemessen antworten, Dom León. Nun, wie Ihr seht, verstehe ich mich offensichtlich um ein Vielfaches mehr auf die Kunst der Eroberung, denn wo mein Bruder eine ganze Armee benötigte, klopfe ich als einzelne Person einfach an der Vordertür und lasse mich ankündigen in der Hoffnung, dass Ihr mich willkommen heißt." Ihr Lächeln wurde spitzbübisch... wenn man das von einer Frau so sagen konnte.

"Wäre mir danach, das Werk meines Bruders nun fortzusetzen, wäre das jetzt aber wohl auch der Moment, an dem ich ihn damit so schlecht aussehen lassen würde, dass ich mich ob dieser Dreistigkeit nicht mehr nach Hause hätte wagen dürfen. So habt keine Angst, Rahja bleibt Euch hold. Mir ist nicht nach einem Titel der dreisten Ritterin. Will ich, dass man mich Gaunerin nennt? Nein! Ich hörte, Ihr habt ein Drachenproblem. Und dass es dafür Helden braucht. Dafür bin ich da. Wenn Ihr bereit seid, jemanden in Euer Heim einzulassen, dessen Bruder einst einen Fehler machte und sich von den Absichten falscher Freunde verführen ließ, dann kann ich Euch vielleicht beweisen, dass von einer Alcorta auch etwas Gutes kommen mag. Es liegt bei Euch."


Autor: vivar

„Dass von einer Alcorta auch etwas Gutes kommen mag, beweist bereits Euer Anblick, Domnatella Catalin. Seid also willkommen unter meinem Dach.“ Der Baron lachte. „Ihr gefallt mir. Eure aufrechte und direkte Art ist ganz nach meinem Geschmack und Euer Auftritt zeugt von rondrianischer Gesinnung. Wenn Ihr Euren Säbel nur halbwegs so gut zu schwingen vermögt wie Eure Rede, so gehört das ‚Drachenproblem’, das übrigens nicht nur meines, sondern auch dass meiner Untertanen ist, bald der Vergangenheit an.

Bevor wir uns allerdings mit dieser lästigen Angelegenheit eingehender beschäftigen, lasst Euch von meinem Castellan eine Kammer zuweisen, erfrischt Euch und gesellt Euch zu mir und den meinen an die Tafel. Gewiss seid Ihr hungrig und erschöpft von der langen Reise aus Punin. Kein Drachentöter sollte sich unausgeschlafen und mit leerem Magen seinen Aufgaben stellen.“


Autorin: Tina

Der Abend war bereits hereingebrochen und die ersten Sterne fochten einen einsamen Kampf gegen eine Armada dichter Wolken, die wie ein zu allem entschlossenes Heer von den Gestaden des siebenwindigen Meeres herantrieben. Wind kam auf und zauste die stolzen Banner, die über den Türmen der Höhenburg wehten.

„Melde Er meinen Herrn, Seine Hochgeborene Ehrwürden Isonzo von Phexhilf-Rabenstein, samt Gefolge.“ Die junge Knappin strich sich eine Strähne pechschwarzen Haares zurück, das sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, und zog sich entschlossen den Wappenrock mit dem Wappen Phexhilfs glatt. Sie betrachtete den schmalschultrigen Castellan, dem sie gerade einmal bis zur Nase reichte, über ihre Nase hinweg und setzte ein entschiedenes „Und beeil’ Er sich – oder will Er meinen Herrn auf dem Hof warten lassen?“ hinzu.

Ein kalter Windstoß zupfte der Knappin die Haarsträhne aus den Fingern und klatschte sie ihr ins Gesicht. Ärgerlich nahm sie die Zügel ihres Pferdes kürzer, das erschrocken über diese rüde Behandlung seinen Kopf nach oben warf.

„Und schick’ Er mir jemanden, der sich um die Rösser kümmert.“

Die Nacht versprach windig zu werden – und ungemütlich kalt, für den Ingerimmmond in den sanften Hängen des Eisenwaldes.


Autor: rabenstein

Derweilen wartete der Komtur geduldig im Hof bei Pferden und Gepäck, im Vertrauen darauf, dass seine Knappin die Anreiseformalitäten mit dem hiesigen Gesinde zu seiner Zufriedenheit regeln würde. Der aufkommende Wind war vermutlich frisch aber wenigstens verhieß er keinen Regen. Sein Temperaturempfinden war seit geraumer Zeit erheblich gestört und außer extremer Gluthitze und grimmiger Kälte nahm er dazwischen eigentlich kaum Abstufungen wahr. So passte er die Auswahl seiner Kleidung den augenscheinlichen Witterungsverhältnissen an und orientierte sich an den Menschen seines Umfeldes, um Irritationen zu vermeiden.

Sollte er noch einen kleinen Imbiss zu sich nehmen, bevor der Gastgeber möglicherweise zu einer Tafel laden würde, bei der sämtliche Speisen ohnehin nur nach kalter Asche schmecken würden? Sein Blick wanderte zu den Käfigen. Nein, eigentlich hatte er keinen Hunger. In Gedanken bereits beim Burgherren und seinen künftigen Jagdgefährten, löste er den Gurt der schweren Frachtkiste mit der demontierten Belagerungsarmbrust und holte sie vom Rücken des Packpferdes. Nicht, dass er ernsthaft damit rechnete, dass der gewiefte Höhlendrache ihm den Gefallen tun würde, aus seinem Unterschlupf heraus vor die Armbrust zu rennen, um sich einen Bolzen einzufangen, aber immerhin war es besser, auf eine solche Gelegenheit vorbereitet zu sein. Außerdem würde er sich wohler fühlen, Ravena möglicherweise als Richtschützin in sicherer Entfernung einsetzen zu können, anstatt sie direkt vor den gierigen Schlund des Untieres spazieren zu sehen.

An der entsetzten Miene des eintreffenden Pferdeknechts erkannte der Komtur, dass er in seiner Unaufmerksamkeit einen Fehler begangen hatte. Wie um alles in der Welt vermochte es dieser blasse, hagere, in schwarz-weiße Ordenstracht gewandete Mann, eine derart schwere Frachtkiste scheinbar mit spielerischer Leichtigkeit mit nur einer Hand von dem Lastpferd zu zerren und auf dem Boden abzustellen?

„Keine Sorge, das Ding ist leer. Das ist für die Beute gedacht, die wir auf unserem Jagdausflug machen werden. Gut, dass nun jemand da ist, um beim Entladen und Versorgen der Pferde zu helfen. Ich hatte schon befürchtet, mich darum selbst kümmern zu müssen. Wir sind nämlich dem Aufruf deines Herren gefolgt, um euch im Taubental von einer schrecklichen Last zu befreien“ entschärfte Isonzo die Situation mit einem halben Lächeln.

Erleichtert nickte der Knecht. „Mateo - zu Euren Diensten, Dom. Ich zeige Euch schnell die Ställe und das Lager, wo wir Eure Ausrüstung verwahren werden, dann wird sicher Euch der Dom bereits erwarten.“

„Nun gut, Mateo, geht voran. Und weist auch meine Knappin Ravena entsprechend ein.“


Autor: vivar

„Ehrwürden!“ León de Vivar tupfte sich mit seinem Tuch die Lippen ab und erhob sich, um auf den Baron von Phexhilf und Golgaritenkomtur zuzugehen und ihn, wie es einem Magnaten gebührte, mit zwei Wangenküssen zu begrüßen. Der Knappin schenkte er ein knappes, nicht unfreundliches Nicken. „Es ist mir eine große Freude, Euch auf Castillo Chellara begrüßen zu dürfen! Zwar seid Ihr nicht das erste Mitglied Eures Ordens, das uns die Ehre eines Besuchs erweist – Ihre Gnaden Antara D'Altea hielt sich im 1032ten Jahre bereits hier auf – doch ohne Zweifel das bedeutendste.

Ich nehme an, dass man sich Eurer Rösser und Eurer Habseligkeiten in traviagefälliger Weise angenommen und Kammern für Euch gerichtet hat?“

Der Castellan, der die beiden Neuankömmlinge in den Kleinen Speisesaal geleitet hatte, strich sich die blaue Livree glatt. „Euer Hochgeboren, Mateo kümmert sich um die Rösser und das Gepäck. Außerdem habe ich Anweisung gegeben, dass für Seine Ehrwürden die Kammer mit dem Turmzimmer bereitet wird.“

„Ah, das Turmzimmer! Sehr gut, Gualdini.“ Dom León lächelte. „Ehrwürden, im Turmzimmer werdet Ihr Euch gewiss wohl fühlen. Es ist gut beheizt und mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet.

Gestattet mir, Ehrwürden, dass ich Euch die Anwesenden vorstelle.“ Er machte einige Schritte in den Saal hinein und gab den Blick auf die mit einem Tischtuch gedeckte Tafel frei, auf der Platten mit knusprig gebratenen Rebhühnern in saftiger Bergkräutersauce, dazu in Knoblauch gebratene Pilze und ein Salat aus grünen Bohnen, Zwiebel und Roten Rüben ein appetitliches Ensemble bildeten. Drei Frauen und ein Mann taten sich an den Speisen und am Wein gütlich. León de Vivar wies auf die einzelnen Anwesenden. „Domnatella Catalin Alcorta, eine unerschrockene und vielversprechende Drachenjägerin aus Punin, die uns heute ihre Aufwartung gemacht hat.“ Die junge Frau hatte ihre Rüstung abgelegt und sich offensichtlich bereits erfrischt. „Dom Rahjindan Talfano von Lûr, Edler zu Imdâl. Ein Sagenkundler und Historiograph, der stets auf der Suche nach spannenden Leyendas ist und glaubt, hier im Taubental eine gefunden zu haben.“ Der schlanke Mann trug die Robe eines Gelehrten.“ Ihre Gnaden Elea Colombi, Ihres Zeichens Lehrerin der Freude und Schönheit sowie Hofkaplanin auf Castillo Chellara.“ Eine strohblonde Schönheit in einem roten, von weißen Lilien gesäumten Überwurf, der ihre schlanken Arme freiließ, blickte den Komtur aus grauen Augen an. „Maestra Lariana Lampérez, meine Hofzauberin.“ Die zierliche, unscheinbare Frau mit der Stupsnase und dem glatten schwarzen Haar war an ihrer in dunklen Tönen gehaltenen Robe sogleich als Angehörige des Magierstandes zu erkennen.

Schließlich wies Dom León auf den leeren Ehrenplatz zu seiner Rechten. „Setzt Euch nieder, Ehrwürden, und speist mit uns!“


Autor: rabenstein

„Habt vielen Dank für die freundliche Aufnahme in Eurer Feste, Dom León. Ich erinnere mich, dass auch die gute Antara sich lobend über die Taubentaler Gastfreundschaft geäußert hat. Wie viele gute Ritter habe ich sie nur ungern aus Punin ziehen lassen, aber die ungünstige Lage in der Rabenmark lässt unserem Orden da natürlich keine Wahl. Nun, während die meisten Ritter an der Front gegen die verfluchten Dämonenanbeter und Totenbeschwörer ihre zwölfgöttliche Pflicht erfüllen, halten meine Aufgaben als Komtur mich hier im Lande. Das hat den Vorteil, dass ich beizeiten in der Heimat hilfreich sein kann, falls Seine Erhabenheit, der Rabe von Punin, meiner Anwesenheit in der Hauptstadt entbehren mag.“

Isonzo nickte freundlich in die Runde und nahm schnell den ihm zugewiesenen Platz ein. Den Willkommensgruß des Gastgebers hatte er zwar erwidert, aber auf weitere körperliche Nähe, insbesondere den Damen gegenüber, schien der Komtur keinen gesteigerten Wert zu legen. „Das sieht wirklich alles ganz köstlich aus, was Eure Küche dort bereitet hat, Dom León.

Dennoch, Ravena, sei bei der Speisenauswahl maßvoll. Du weißt ja, dass der Orden der Golgariten Mäßigung verlangt. So gern ich angesichts mancher Leckerei natürlich gern mal über die Stränge schlagen würde. Wein kannst du aber reichlich nachschenken, davon vertrage ich eine ganze Menge. Und füge ein paar heilige Essenzen aus Punin hinzu, dann ist´s auch keine Sünde.“ Der Komtur drückte ihr eine kleine silberne Phiole in die Hand.


Autorin: Tina

„Gewiß, Herr.“ Die ruhige Geste, mit der sie die zierliche Phiole entgegennahm, berichtete, dass sich diese kleine Szene schwerlich das erste Mal zwischen Herrn und Knappin abspielte. Sie nickte Dom Isonzo zu und tat, wie geheißen. Vorsichtig, keinen Tropfen zu vergießen, füllte sie einen Kelch mit dem dunkelroten Blut der Trauben, stellte ihn für den Baron bereit und nahm dann wieder, leise wie ein Schatten, ihren Platz hinter seinem Stuhl ein. Mit großen dunklen Augen betrachtete das Mädchen die Gäste und den reichgedeckten Tisch, ein leichtes Lächeln auf den Lippen.


Autor: rabenstein

„Ihr sagtet, die Domnatella sei eine Drachenjägerin aus Punin. Interessante Profession – also habt Ihr bereits Erfahrungen mit derartigen Bestien gesammelt, Domnatella Catalin? Davon müsst Ihr uns unbedingt berichten. Bei mir ist es wohl der erste, den ich zu Gesicht bekäme. Drache - meine ich. Mal abgesehen von dem schwarzen Ungeheuer in Warunk. Aber der war ja schon tot und dafür sind meine Ordensschwestern und -brüder dann eher Experten.

Viel Drachenkundliches habe ich bereits zur Vorbereitung auf unsere Jagdgesellschaft gelesen“, meinte Isonzo dem Gelehrten zugewandt. „Doch wohl kaum so viel wie Ihr, will ich meinen. Vielleicht mögt Ihr uns im Laufe des Abends auch eine lehrreiche Geschichte über Höhlendrachen zum Besten geben, Dom Rahjindan.“


Autor: alcorta

Catalin wirkte ein wenig ertappt, wie man ihrem Gesicht unschwer anerkennen konnte. „Ich befürchte, da hat mich Dom León wohl ein wenig über den Klee gelobt. Ich bin hier, weil ich einen Drachen jagen will, das ist richtig. Ich denke, das sind wir alle. Und so sehr man unsere heimische Puniner Stadtkatze auch manchmal Hausdrachen nennen mag, so sind meine Erfahrungen mit echten Drachen wohl eher… theoretischer Natur. Ich weiß, dass diese schuppigen Viecher als Herz einen Edelstein, einen sogenannten Karfunkel haben, in dem sich quasi ihre Seele befindet. Sie sind natürlich durch die Schuppen an der Brust gut geschützt, sind aber dennoch für jeden Drachenjäger Ziel Nr. 1. Ach ja, und falls man es mit Westwinddrachen zu tun hätte, was hier nicht der Fall ist, gäbe es wohl das Problem, dass diese Rudeltiere sind. Sonst sind Drachen eher Einzelgänger… aber mit all dem sage ich Euch sicher nichts Neues.

Und wenn ihr Euch nun der berechtigten Frage stellt, warum ich überhaupt hier bin, Ehrwürden, dann kann ich dazu nur sagen, weil ich mich durch große Aufgaben nicht einschüchtern lasse. Um einen Drachen oder sonst einen übermenschlichen Gegner zu stellen braucht es Mut, Kopf, Intuition, vielleicht ein wenig Unverfrorenheit, vor allem aber einen trainierten Schwertarm oder Geschick beim Abfeuern einer Armbrust. Wenn die jeder Mensch hätte, dann hätte man auch keine Probleme mit Drachen. Doch dem ist nicht so. Also sollte es eine Verpflichtung derjenigen sein, die glauben mit solchen Sachen dienen zu können, sich damit denen in den Dienst zu stellen, denen es an solchen Talenten fehlt. Danach lebe ich und daran glaube ich. Und deswegen bin ich hier. Ich hoffe, das sorgt Euch für die anstehende Queste nicht zu sehr.“


Autor: rabenstein

„Oh, ich bin keineswegs besorgt aufgrund Eurer Beweggründe, Domnatella. Es obliegt auch meinem Orden die Pflicht, dem Übel mit einer gehörigen Portion Mut und Gottvertrauen und selbstverständlich einem geschulten Schwertarm entgegenzutreten. Auch wenn es sich dabei vorrangig um Untote und nekromantische Schwarzkünstler handelt, weniger um eher den weltlichen Reichtümern zugeneigte, sehr lebendige Drachen. Aber ich bin gewillt, in diesem Falle mal eine Ausnahme zu machen, um meiner Knappin Ravena ein wenig beizubringen über ritterliche Tugenden. Und da gehört eine Drachenjagd auf jeden Fall dazu“, erwiderte der Baron und erhob sein Glas in Catalins Richtung.


Autor: derp

Dom Rahjindan räusperte sich: „Höhlendrachen, auf Tulamidya Khorosan genannt, können fast die doppelte Größe eines Tatzelwurmes erreichen, wobei letztere keine echten Drachen sind und auch kein Feuer spucken können. Anders als bei vielen anderen Drachenarten besitzen Höhlendrachen keine Flügel. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie den Leyendas nach ungemein schnell sein sollen und sie keinesfalls unterschätzt werden sollten. Allgemein bekannt ist, dass alle Höhlendrachen profunde Kenner der Magie sind, wenngleich sie nicht an die magischen Künste eines Riesenlindwurms heranreichen. Besonders gefährlich macht es sie, dass die in den Gedanken ihres Gegenübers wie in einem Buch lesen können. Es ist daher unbedingt erforderlich, beim Kampf mit einem Höhlendrachen seine tatsächlichen Gedanken zu verbergen, damit die Bestie nicht auf den jeweils kommenden Hieb oder Stich vorbereitet ist. Einige Leyendas berichten davon, dass Höhlendrachen eine besondere Vorliebe für magische Gegenstände haben, wobei sie wohl solche von grüner Farbe bevorzugen.

Aus den letzten Jahrzehnten gibt es leider wenig glaubwürdige Berichte über Personen, die die Begegnung mit einem Höhlendrachen überlebt haben sollen. Vielmehr spricht vieles dafür, dass die meisten angeblichen Drachentöter nur einen Baumdrachen oder Tatzelwurm bezwingen konnten und unter Vorzeigen ausgewählter Körperteile den Eindruck erwecken wollten, sie hätten doch tatsächlich einen Höhlendrachen überwinden können. Die bekanntesten Höhlendrachen sind sicher Islaraan aus Weiden und Lepitopir aus dem Steineichenwald.“


Autor: alcorta

Catalin erhob eine Augenbraue, nachdem Rajindan sein Wissen preisgegeben hatte. "Na, Ihr macht einem ja Hoffnung..."


Autor: vivar

Der Gastgeber schenkte Domna Catalin eigenhändig Wein nach und sagte, die edle Stirn von düsteren Gedanken umwölkt: „Wenn es sich um ein harmloses Schoßhündchen handeln würde, hätte ich gewiss keinen Aufruf in einer landesweiten Gazette publizieren lassen, Domnatella. Faraldur ist ein jahrhundertealtes Übel, das mein Lehen plackt und dem keiner mehr 23 Vorgänger als Baron im Taubental Herr geworden ist. Bereits mein Urahn, Ramón Azucena, dem von seiner Schwertmutter, der Fürstin Zafira de Aguilon, alles Land ‚zwischen Rôn und Escarra’ als Landjunkergut Vivar verliehen worden war, damit er die wilde Gegend urbar mache, soll mit dem jungen Faraldur zusammengestoßen sein und dabei einige Getreue verloren haben. Das war zu Beginn der Rohalszeit, also vor beinahe sechs Jahrhunderten!

Seitdem ist die Bestie von Jahr zu Jahr dreister geworden. Die erste Siedlung, die meines Urahns Enkel Rondrigo, Zaya und Rahiada am Ufer der Escarra gründeten, ist im Feueratem des Lindwurms vergangen. Auch wenn dieser inzwischen die Anwesenheit von Menschen duldet, so sind armen Leut’, die heute im Dörfchen Trajalés ihr Dasein fristen, wenig mehr als des Schwarzen Lindwurms Sklaven. Er ist ihr Herr und Meister, ihr König und Abgott, der allmonatlich Tribut und alle drei Jahre ein grausames Opfer verlangt – ein frisch erblühtes Mädchen oder ein unverheirateter Jüngling muss ihm dargebracht werden, damit er das Volk von Trajalés auch in den kommenden drei Jahren verschone. Und so wählen die Bewohner des Dorfes seit Jahrhunderten aus ihren Reihen alle drei Jahre eine Unglückliche, um sie von der Bestie verschlingen zu lassen. Stellt Euch den Schmerz und die ohnmächtige Wut vor, die ein jeder Vater, eine jede Mutter empfinden muss, wenn sie tränenumflort ihr liebes Kind mit ihrem besten Gewand ankleidet, mit einem Reif aus Blumen bekränzt und in der schwarzverbrannten Einöde des Lindwurms an jenen unglückseligen Pfahl kettet, an dem jeden Monat Zicklein oder Lämmer auf ihr Schicksal warten!“ León de Vivar selbst erschauderte sichtlich bei dem Gedanken an den Opfergang.


Autorin: Tina

Ravena schluckte. Längst war das Lächeln aus ihren Gesicht gewischt und immer öfter kam ihr Blick auf dem Hinterhaupt Dom Isonzos zu Ruhe. Einen halben Schritt näher war sie in Richtung Wand gerückt und ordentlich froh darüber, dass eine bloße Knappin in solch einem illustren Kreis erfahrungsgemäß wenig bis gar keine Aufmerksamkeit erhielt. Von Punin aus war die Drachenhatz noch voll der Verheißung von Abenteuer und – vor allem! – Abwechslung gewesen – und der Gedanke an das gefräßige Untier ein besserer Nervenkitzel. Andererseits – es gab keinen besseren Kämpfer als ihren Knappenvater, und dieser hatte sie gut ausgebildet! Nein, das Untier konnte nicht bestehen – und Geschichten wuchsen und veränderten sich mit jedem Bericht, weswegen Worte immer nur mit Bedacht gewertet werden durften. Sollte das Vieh nur kommen! An ihrem Gevatter käme es nicht vorbei!


Autor: vivar

„Doch damit nicht genug! Diese blutigen Praktiken, vor denen es jedem aufrechten Zwölfgöttergläubigen grausen muss, wurden sie von meinen Vorgängern als Baronen im Taubental bekämpft? Waren sie der Schutz und Schirm ihrer Rustikalen, wie es der Sonnenfürst gebietet und es der Sturmleuin gefällt? Nein, verehrte Domnatella Catalin, Ehrwürden Isonzo!“ Der Baron hatte sich in Eifer geredet. Die Wangen waren leicht gerötet und eine schwarze Strähne hatte sich aus seinem Eslamszopf gelöst. „Baron Sansovino ging im IX. Jahrhundert gar so weit, mit dem Untier einen Pakt abzuschließen und ihn zum ‚Caballero von Drachental’ zu erheben! Seitdem haben alle Barone im Taubental ihre Augen vom Leiden der Trajaléser abgewandt und die Tyrannenherrschaft des Schwarzen Faraldur geduldet.

Als mir davon berichtet wurde, wurde mir sogleich klar, dass ich dies vor den Göttern und vor meinen Rustikalen nicht länger verantworten kann. Doch da ich kein strahlender Geron und kein kühner Dschadir, sondern allenfalls ein Krieger Rahjens bin – „er kreuzte den Blick mit seiner Hofkaplanin, die bei diesen Worten ein perlendes Lachen erklingen ließ – „blieb mir als einziger Ausweg, nach Heldinnen und Helden zu rufen, die bereit wären, mit rondrianischer Stärke oder phexischer List die Baronie Taubental von diesem wandelnden Alptraum zu befreien. Daher danke ich den Göttern heute schon, dass sie die Schritte Eurer Pferde gen Chellara gelenkt haben und werde für Euch beten, wenn Ihr Euch in das Drachental aufmachen solltet – wie ich es auch für diejenigen getan habe, die vor Euch ihr Glück versucht haben.“


Autor: alcorta

„… und alle dabei gestorben sind, ich habe schon verstanden.“ Catalin war sehr still geworden, scheinbar ein wenig in Gedanken. Es entstand eine kurze, angespannte Stille, die Dom León schließlich löste. „Überlegt Ihr Euch das ganze gerade noch einmal, Domnatella?“

Es schien fast, als hätte man Domnatella Catalin aus einem Traum geweckt. Sie schreckte hoch. „Was? Wie… oh… nein, nein. Ich frage mich nur… warum Jungfrauen?“

Der Vivar lächelte höflich. „Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, auf was Ihr hinauswollt, Domnatella.“

„Wozu braucht der schwarze Faraldur Jungfrauen? Und das alle drei Jahre? Warum ausgerechnet alle drei Jahre?“ Die junge Frau kassierte irritierte Blicke. Niemand schien das beantworten zu können. Catalin bemerkte dies und führte ihre Gedanken weiter aus: „Nun, es ist ja so, dass laut Eurer Geschichte alle drei Jahre ein Trajaléser dem Drachen zum Opfer gebracht wird. Was will der damit? Ginge es lediglich um Nahrung, so erhielte er diese ja schon durch die Ziegen. Verlangte es ihn nach einer Abwechslung, einer Art Festmahl, dann hätte mehr davon, eine Kuh zu wählen. Da ist mehr dran!

Zudem wage ich zu bezweifeln, dass Jungfrauen anders schmecken als andere Menschen. Wenn auch magisch begabt, ist er sicher nicht in der Lage, sie für irgendwelchen magischen Hokuspokus zu opfern, vermute ich. Und sie anderen düsteren Gestalten weiter zu verkaufen kann man auch ausschließen, da er das ja nun schon seit … wie vielen Jahren macht? Zweihundert? Außer Zwergen würde wohl keiner so lange leben, um nach all dieser Zeit immer noch den Preis zahlen zu können. Und dass Zwerge Handel mit Drachen betreiben, das kann man wohl noch viel mehr ausschließen.

Eine denkbare Motivation wäre reine Bosheit, doch der Drache wird ja nicht dumm sein. Die Bewohner dieser Ortschaft werden keine 200 Jahre dafür gebraucht haben, um dahinter zu kommen, dass man besser flieht, bevor man ins Jungfrauenalter kommt. Schließlich gibt es ja ein festes, sich wiederholendes Ultimatum. Und da der Drache nicht fliegen kann, sondern in einer Höhle wohnt, wird er auch kaum kontrollieren können, ob jemand flieht oder nicht. Der Drache müsste davon ausgehen, dass die Ortschaft bald nicht mehr bewohnt wäre, würde er das Ultimatum wirklich in diesem Rhythmus durchziehen. Da die bisherigen Barone weggesehen haben, werden die Dorfbewohner sicher auch schon eine Methode für sich gefunden haben, um den Drachen auch nach so langer Zeit immer noch zu beliefern.

Ich denke mal, dass da schon der ein oder andere Streuner von der Straße gegriffen wurde… nein stopp… der Drache kann ja Gedanken lesen, er würde dahinter kommen und angreifen… gut, die Böswilligkeit bleibt also eine mögliche treibende Feder… aber ich behaupte mal, dass sich nicht mal ein böswilliger Drache nach… Moment… mehr als 60 Opfern an dieser Verzweiflung noch ergötzen kann. Und wenn doch, hätte er irgendwann den Turnus auf zwei Jahre oder weniger erhöht, einfach weil er es könnte. Ergo… er braucht diese Opfer für irgendetwas.“

„Warum sollte das in irgend einer Form wichtig sein?“, raunzte Dom Isonzo, dem der Redeschwall der Puninerin langsam etwas zu groß wurde.

„Nun, wir haben bisher sehr viel darüber erfahren, warum Faraldur so gefährlich ist. Er kann Gedanken lesen, er kann Feuer speien, er ist flink, er geißelt ein ganzes Dorf und hält die Bewohner seit Generationen als Sklaven, er ist auch mehr als ein wildes, instinktgesteuertes Tier, es ist mehr als intelligent, hat entsprechend ein Bewusstsein und dieses scheint, wie wir festgestellt haben sehr böse geprägt zu sein. Wir sollten uns also darauf einstellen, einen Gegner zu haben, der wie ein Mensch denkt. Und jeder Mensch hat Schwachstellen. Diese gilt es zu finden, wenn wir mehr sein wollen als nur ein Strich auf einer Todesliste. Daher… haben wir mehr Informationen als die über seine Gräuel? War er zum Beispiel schon immer so? Und wieso nistet er ausgerechnet im Taubental? Häuft er wie andere Drachen Reichtümer an und beschützt seinen Hort wie sein Nest, hatte er vielleicht sogar einmal ein Nest und Nachwuchs, wenn ja, was ist mit diesem geschehen? Dom Rahjindan hat uns empfohlen, die Gedanken zu verbergen. Das dürfte wohl kaum möglich sein, aber wenn wir dort ankommen und an etwas denken, was für ihn interessant ist, kommen wir vielleicht sogar zur Gelegenheit kommen, sich mit ihm zu unterhalten, bevor er uns in den Rücken fiele und grillt. Also… was wissen wir noch? Oder wer weiß noch mehr? Vielleicht irgendwelche Zwerge aus der Umgebung?“


Autor: vivar

Dom León hatte der jungen Frau geduldig zugehört. Dann nickte er Maestra Lariana zu, zum Zeichen, dass sie an seiner Statt antworten könne. Die zierliche Magierin fixierte die junge Alcorta mit ihren Rehaugen und sprach mit glockenheller Stimme: „Eure Fähigkeiten der deductio sind wahrlich beeindruckend, Domnatella Catalin. Erlaubt mir, dass ich – eine induktive Methode anwendend – dennoch auf einige Ecksteine Eures Argumentationsgebäudes hinweise, die etwas wacklig sind.

Ad primum handelt es sich nicht nur um junge Maiden, sondern auch um Jünglinge, die Faraldur alle drei Jahre einfordern soll. Junge Menschen könnten einem drachischen Gaumen – im Vergleich zu alten Menschen – besonders schmeicheln. Weder über die Essgewohnheiten noch darüber, ob Faraldur ein Männchen oder ein Weibchen ist, haben wir jedoch Kenntnis – zwar sprechen wir von dem Lindwurm, doch könnte es sich wohl ebenso um eine Würmin handeln.

Ad secundum kann niemand der Anwesenden sagen, was Faraldur mit den Geopferten tatsächlich anstellt, da niemand außerhalb von Trajalés je die Begegnung mit ihm oder ihr überlebt hat. Aus eigener Anschauung weiß ich lediglich, dass die Einöde vor dem Höhleneingang von Knochen übersät ist, die nicht nur tierischer, sondern auch menschlicher Herkunft sind.

Ad tertium wissen wir nicht, warum Faraldur in scheinbarer Regelmäßigkeit diese Opfer einfordert, warum er ausgerechnet im Drachental nistet und warum die Einwohner von Trajalés dies stillschweigend erdulden. Die Kunde, die Seiner Hochgeboren zugetragen wurde, ist, dass es einen grausame Tyrannis Faraldurs über Trajalés und einen Pakt zwischen ihm oder ihr und den Baronen im Taubental gab. Die wenigen Trajaléser Holzfäller, die zum Handel Kellfall aufsuchen, sind sehr schweigsame Gesellen.

Ad quartum limitiert sich das Wirken Faraldurs nicht auf das Drachental. Ich erinnere mich, dass vor vier Jahren eine Herde Schweine, die aus Liepenstein nach Kellfall getrieben werden sollte, nicht hier ankam. Die Vorgängerin Seiner Hochgeboren, die ein Festmahl ausrichten wollte, ließ Nachforschungen anstellen und tatsächlich fand man auf dem Karrenweg nur noch die verkohlten Knochenreste von einem halben Dutzend Schweinen und zwei Hirtenbuben. Wo der Lindwurm sich entlang gewälzt hatte, waren die Bäume versengt und die Erde umgepflügt. Und im letzten Jahr kamen so manche Rahjapilger, die aus Liepenstein oder noch weiter im Nordmärkischen kamen und gen Santa Catalina fahren wollten, nie hier an. Andere wurden von dem Untier angehalten, nach ihrem Woher und Wohin befragt und gegen die Abgabe all ihres Golds und Geschmeides ziehen gelassen. Es steht also zu vermuten, dass Faraldur einen Hort hat – wissen können wir es jedoch nicht mit Sicherheit.

Ad quartum fände ich wenig interessanter, als mit Faraldur Konversation zu treiben. So viel Wissen über die Vergangenheit, so viel Wissen über die Magie! Doch halte ich es für äußerst... gefährlich, anzunehmen, Faraldur denke nach menschlichen Kategorien. Es handelt sich um ein mindestens 500 Götterläufe altes Wesen voller Magie, das Menschen nur als kurzlebige Dienerkreaturen und Zeitvertreib betrachtet. Faraldur für menschlich zu halten, heißt, ihn oder sie zu unterschätzen.“

Sie blickte Catalin Alcorta für einen Augenblick stumm an. Dann fügte sie in leichtem Tonfall hinzu: „Auf jeden Fall hat der Lindwurm die meiste Zeit in Einsamkeit verbracht hat und wird sich allein deshalb für Euren Besuch interessieren.“


Autor: alcorta

„Zuviel der Ehr! So wie Ihr Faraldur beschreibt, wird mein Besuch seine Einsamkeit wohl nur einen Wimpernschlag lang lindern, bevor er sich wieder langweilen würde. Und keine Sorge, ich glaube nicht, dass man einen Drachen unterschätzen kann. Ich wollte damit auch nur sagen – der Wurm ist kein Tier, handelt nicht wie ein Tier... also sollten wir unsere Herangehensweise auch nicht gestalten, als ob es um ein Tier ginge. Es wird nicht reichen, irgendwo eine Bärenfalle aufzustellen und die Höhle auszuräuchern wird ganz sicher auch nicht den gewohnten Erfolg erzielen.

Allein… wirklich etwas wissen tun wir immer noch nicht. Den Gedanken, dass er die jungen Leute für irgendetwas anderes als für den persönlichen Gaumenschmaus verwendet will ich dennoch nicht ablegen. Da der Lindwurm offensichtlich auch seine Höhle verlässt und sogar bis in die Nordmarken fliegt, um Hirtenjungen zu verspeisen, könnte er sich die Maiden und Jungen auch einfach selbst im Dorf schnappen, wann immer er wollte, er wäre nicht darauf angewiesen, sie sich zur Höhle bringen zu lassen und das dann auch ‚nur’ alle drei Jahre. Das passt einfach nicht und es muss jemanden geben, der darüber mehr weiß. Ich vermute mal, dass in Trajalés irgendjemand etwas wissen muss. Schließlich hat man dort ja trotzdem noch eine Motivation, weiter Kinder zu zeugen. Bei der Perspektive würde das doch sonst keiner tun.“ Sie grübelte kurz. „Die Frage ist eigentlich schon unschön, aber… weiß man, wie lange es noch dauert, bis Faraldur die nächste Maid erwartet?“


Autorin: Tina

DAS war eine Sache, die Ravena auch interessierte. Sehr! Aber warum sprach die Kriegerin immer nur von einer Maid? Immerhin könnte es sich ja auch anbieten, einen hübschen Jüngling aus den Klauen des Drachen zu retten. Einen Augenblick lang gönnte sich die Knappin einen Tagtraum, in dem sie den Geretteten den dankbaren Dörflern zurückbrachte, zusammen mit der Nachricht vom Tode des Untiers und dem Aufdecken einer finsteren Intrige, in die nicht nur der Drache, sondern auch geheimnisvolle Hintermänner verwickelt waren, welche die jungen Dörfler als Sklaven in die Minen einer finsteren Zwergensippe verkauft hatten. Halt – das war mehr als unlogisch. Vor ihrem inneren Auge wechselte das Bild einer dunklen Zwergenbinge mit jenem einer langen Sklavenkarawane in der Hitze der Khôm. Hm – aber im Eisenwald? Bis zur großen Wüste waren es viele hundert Meilen. Auch das wollte nicht passen. Schade. Vielleicht doch ein Schwarzmagier, der mit dem Untier gemeinsame Sache machte und die armen Jünglinge für finstere Experimente kaufte? Wie schon seine Vorgänger vor ihm? Schwarzmagier im Eisenwald?

Sie schüttelte energisch den Kopf. Nein. Bestenfalls Druiden – aber auch diese pflegten keine regelmäßigen Menschenopfer abzuhalten, zumindest nicht der Druidenzirkel in den heimischen Wäldern, von dem ihre Eltern einmal berichtet hatten. Aber Hexen! Übliche Waldhexen würden so etwas sicher nicht tun – aber was, wenn es so ein blutgieriges altes Weib war, wie die Hexe, von der ihr die Jägerin ihres Vaters einmal unter vorgehaltener Hand erzählt hatte, die sich jedes Jahr einen Jüngling fing, in dessen Blut badete – oder sich vermutlich eher damit einrieb, Ravena bezweifelte sehr, dass das Blut eines einzelnen Menschen für ein gesamtes Bad reichte – um dessen Lebenskraft aufzusaugen und ihre Zauberkraft zu stärken? Überlegend grub sie ihre Zähne in ihre Unterlippe. Die würde sich von der Grenze sicher nicht aufhalten lassen – und sicher auch hilflose Jünglinge von einem Drachen kaufen! Sie würde nachher ihren Knappenvater befragen, was der davon hielte. Neugierig lehnte sie sich etwas vor, um nichts von dem weiteren Gespräch zu verpassen.


Autor: rabenstein

„Wie Ihr bereits richtig bemerkt habt, Domnatella Catalin: Das ist alles nicht sehr ermutigend. Wir haben es mit einem fast 600 Jahre alten, magiekundigen Schurken von noch dazu beeindruckenden physischen Merkmalen wie Feueratem, Drachenpanzer und Riesenklauen zu tun, der zudem angeblich Gedanken lesen kann. Naja - ob ihm das überhaupt gelingen wird bzw. nicht auf die aktive Anwendung seiner magischen Fähigkeiten zurückzuführen ist, werden wir noch herausbekommen. Es sollte klar sein, dass wir da nicht mit Schwert und Schild oder gar nur einer Lanze gewappnet in die Drachenhöhle hineinspazieren können und das Untier einfach erschlagen. Das gelingt vielleicht in so manch einem von diesen einfältigen Drachentöter-Heldenepen, von denen Dom Rahjindan sicher auch eine ganze Menge kennt. Solche Geschichten mögen für Kinder ganz unterhaltsam sein, in der Realität dürfte sowas aber wohl kaum gelingen. Wir brauchen also einen guten Plan, wie wir uns des Drachens entledigen - und dabei kommt es vielleicht weniger auf rondrianische als eher auf phexische oder auch borongefällige Tugenden an.“ Der Baron sinnierte einen Moment und nahm einen Schluck Wein. „Ein ausgezeichneter Tropfen, Dom León, wirklich ganz ausgezeichnet!“, lobte er das Getränk.

Dann führte er seine Gedanken weiter: „Ein Drache denkt und fühlt sicher nicht menschlich, von daher kann das mit den Jünglingen und Jungfrauen für ihn tatsächlich eine Geschmacksfrage sein.“ Der Baron leckte kurz gedankenverloren über die mit Wein befeuchteten Lippen. „Ja, ja, das ist ganz sicher eine Geschmacksfrage. Das Aroma des von der fleischlichen Lust noch unbefleckten, reinen Blutes...“

Als er die verwunderten Blicke der anderen Anwesenden bemerkte, winkte er ab. „Na, sei´s drum...Man wird jedenfalls nicht so alt und mächtig, indem man Landstriche terrorisiert, sich in Höhlen verkriecht und dort auch noch Schätze anhäuft. Damit beschwört man eigentlich ziemlich sicher den eigenen Tod herauf, man bettelt förmlich darum. Nein, der alte Faraldur muss das wesentlich geschickter angestellt haben. Ihr habt Euch also völlig zurecht die Frage gestellt, Domnatella Catalin, warum die Trajaléser sich das 200 Jahre gefallen lassen und da nicht alle weglaufen oder hier vor der Burg lautstark Dom Leóns Hilfe als Lehnsherr einfordern. Ihr sagtet, Maestra Lariana, die paar Holzfäller von dort, mit denen Ihr Kontakt hattet, redeten nicht viel.

Die Antwort liegt für mich auf der Hand: Es gibt einen Pakt zwischen Faraldur und den damaligen Trajalésern und ihren Nachkommen, von denen beide Seiten irgendwie profitieren. Und bevor wir nicht vor Ort herausbekommen haben, was da eigentlich genau zwischen ihm und den Dorfbewohnern los ist, scheint es mir auch nicht sinnvoll, den Drachen direkt zu konfrontieren. Dom Rahjindan hat vielleicht auch noch ein paar Theorien, warum der Lindwurm unbedingt alle drei Jahre Jünglinge oder Jungfrauen zum Opfer dargebracht haben möchte, aber diese Begrenzung könnte Teil der Vereinbarung sein.“

„Nun, das alles ist kein Grund, an unserem Vorhaben zu zweifeln. Ich habe bereits wesentlich Schlimmeres gesehen als einen alten Höhlendrachen - und ich habe es fallen sehen. Mors vincit omnia - Der Tod überwindet alles. Es gilt auch für Faraldur die gute alte Golgaritenweisheit, dass alles, was lebt oder untot ist, getötet werden kann. Man muss es nur richtig anstellen...“, schloss der Komtur vorerst seine Ausführungen.


Chronik:1036
Lindwurmhatz!
Teil 03