Chronik.Ereignis1033 Feldzug Alina 02: Unterschied zwischen den Versionen
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"GENUG!" schnitt ihm der Shâr das Wort ab und erhob sich von seinem Lager. "Jetzt langweilst Du mich ja doch, Du Wurm! Wenn ich Heldengeschichten hören will, so frage ich den Nuranshâr, denn er erfährt sie von unseren Ahnen, die sie selbst erlebten! Du aber, sag mir nur kurz, was Du zu sagen hast, sonst ist die Nacht vorbei, bis Du mir auch noch die Fellfarbe eurer Rösser beschrieben hast!" Ardavan begann zu zittern: "Äh, Feuer - großmächtiger Shâr! Wir sahen Feuer!" "Feuer?" widerholte der Häuptling unwirsch. "Was für Feuer?" "Das Steinlager der Blasshäute im Westen von hier - es brennt, großmächtiger Shâr!" Die Augen von Yistarrech iban Akbar verengten sich zu Schlitzen: "Die Bâni Khadr? Diese Kinder von Feigheit und Schande, die keine Ehre haben und nichts als Tod und Qual verdient haben?" Der Sohn des Bärentöters nickte verächtlich und zuckte dabei mit den Achseln: "Die Blasshäute werden ihr Lager nicht selbst angesteckt haben..." "Das weiß ich selbst, Du Hund!" beschimpfte ihn der Häuptling und kam drohend einen Schritt auf Ardavan zu, der sofort selbst einen Schritt zurücktrat, "Damals bei der Turmstadt der Flachländer im Norden sind sie uns zuvorgekommen und haben reiche Beute gemacht. Aber diesmal sind wir ihnen um das Dreifache überlegen! Selbst wenn die Khadr schon Beute gemacht haben, werden wir sie ihnen wieder abnehmen!" "Aber das Land, großmächtiger Shâr" schüttelte Ardavan den Kopf, "es ist flach wie ein Fladenbrot und viel zu offen! Sie können uns schon sehen, wenn wir noch klein wie Ameisen sind am Horizont. Sie werden fliehen, wenn sie unsere Übermacht kommen sehen!" "Sie werden uns nicht kommen sehen!" schüttelte nun der Shâr seinerseits den Kopf. "Denn wir reiten jetzt gleich und kommen in der Nacht! Sie werden denken, Geister fallen über sie her - so schnell und leise werden wir sie aus der Dunkelheit angreifen! Wieviel Feinden hast Du bereits den Kopf genommen, Sohn von Arthabas dem Bärentöter?" Ardavan errötete. "Hm, ja - da muß ich erst einmal überlegen....." "Also noch keinem!" schlußfolgerte der Shâr messerscharf. "Aber Deine Zeit und die der anderen jungen Krieger ist gekommen - heute Nacht! Für jeden Kopf eines Feindes, den Du aus der Schlacht mitbringst, schenke ich Dir ein Weib! Keiner soll sagen, daß Yistarrech der Große nicht großzügig ist! Und jetzt lauf zu Kirad, er soll die Trommel schlagen! Alle Krieger sollen aufsitzen! Wir greifen an!" | "GENUG!" schnitt ihm der Shâr das Wort ab und erhob sich von seinem Lager. "Jetzt langweilst Du mich ja doch, Du Wurm! Wenn ich Heldengeschichten hören will, so frage ich den Nuranshâr, denn er erfährt sie von unseren Ahnen, die sie selbst erlebten! Du aber, sag mir nur kurz, was Du zu sagen hast, sonst ist die Nacht vorbei, bis Du mir auch noch die Fellfarbe eurer Rösser beschrieben hast!" Ardavan begann zu zittern: "Äh, Feuer - großmächtiger Shâr! Wir sahen Feuer!" "Feuer?" widerholte der Häuptling unwirsch. "Was für Feuer?" "Das Steinlager der Blasshäute im Westen von hier - es brennt, großmächtiger Shâr!" Die Augen von Yistarrech iban Akbar verengten sich zu Schlitzen: "Die Bâni Khadr? Diese Kinder von Feigheit und Schande, die keine Ehre haben und nichts als Tod und Qual verdient haben?" Der Sohn des Bärentöters nickte verächtlich und zuckte dabei mit den Achseln: "Die Blasshäute werden ihr Lager nicht selbst angesteckt haben..." "Das weiß ich selbst, Du Hund!" beschimpfte ihn der Häuptling und kam drohend einen Schritt auf Ardavan zu, der sofort selbst einen Schritt zurücktrat, "Damals bei der Turmstadt der Flachländer im Norden sind sie uns zuvorgekommen und haben reiche Beute gemacht. Aber diesmal sind wir ihnen um das Dreifache überlegen! Selbst wenn die Khadr schon Beute gemacht haben, werden wir sie ihnen wieder abnehmen!" "Aber das Land, großmächtiger Shâr" schüttelte Ardavan den Kopf, "es ist flach wie ein Fladenbrot und viel zu offen! Sie können uns schon sehen, wenn wir noch klein wie Ameisen sind am Horizont. Sie werden fliehen, wenn sie unsere Übermacht kommen sehen!" "Sie werden uns nicht kommen sehen!" schüttelte nun der Shâr seinerseits den Kopf. "Denn wir reiten jetzt gleich und kommen in der Nacht! Sie werden denken, Geister fallen über sie her - so schnell und leise werden wir sie aus der Dunkelheit angreifen! Wieviel Feinden hast Du bereits den Kopf genommen, Sohn von Arthabas dem Bärentöter?" Ardavan errötete. "Hm, ja - da muß ich erst einmal überlegen....." "Also noch keinem!" schlußfolgerte der Shâr messerscharf. "Aber Deine Zeit und die der anderen jungen Krieger ist gekommen - heute Nacht! Für jeden Kopf eines Feindes, den Du aus der Schlacht mitbringst, schenke ich Dir ein Weib! Keiner soll sagen, daß Yistarrech der Große nicht großzügig ist! Und jetzt lauf zu Kirad, er soll die Trommel schlagen! Alle Krieger sollen aufsitzen! Wir greifen an!" | ||
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===Im Lager der [[Mark Ragathsquell|Ragathsqueller]]=== | |||
'''Nachts''' | |||
'''Autor: [[Der Sinnreiche Junker von Aranjuez|Der Sinnreiche Junker]] | |||
Der Instinkt des Soldaten, geschärft durch die Gefechte und [[Campanya]]s zweier Jahrzehnte, ließ [[Hernán von Aranjuez]] weit vor der eigentlichen Zeit, doch nur Augenblicke vor dem warnenden Hornsignal aus dem Schlafe auffahren. Lang und tief hallte das Horn von den [[Aliner Kuppen]] herab, zweimal in kurzem Abstand. Dann eine Pause, und erneut zweimal in kurzem Abstand. Der [[Condottiere]] runzelte die Stirn, denn eigentlich war lediglich ein einzelner Hornstoß vereinbart gewesen. Den gleichen Gedanken hatte wohl [[Anzures Ballan]] gehabt, der im gleichen Moment vor das Zelt trat. „[[:avwik:Ferkina|Ferkinas]]?“, fragte er mit dem Blick gen dunklen Osten gerichtet. | |||
„Das, oder etwas anderes Unerwartetes“, biss sich der Baron und Junker auf die Unterlippe. | |||
„Vielleicht kommt der Aliner mit mehr Leuten als gedacht?“, mutmaßte Anzures weiter. | |||
„Möglich, aber selbst wenn er das ganze [[Kaiserlich Selaque|Selaquer]] Aufgebot mitbrächte, würde er uns an Zahl nicht übertreffen“, schüttelte Hernán von Aranjuez das Haupt, derweil nach und nach rege Betriebsamkeit im Lager ausbrach. Fackeln wurden entzündet, Rufe und Kommandos gellten durch die Nacht. Die erfahrenen Weibel zogen bereits die überflüssigen Vorposten ein, derweil die restlichen [[Mercenario]]s begannen, ihre scheinbar wahllos zusammen gewürfelten Ausrüstungen aus Leder, Kette und Harnischen anzulegen, auf den Häuptern alte Lederkappen, verbeulte Sturmhauben, Morions und schiefe Topfhelme. Glücklicherweise war auf Campanyas wenig Raum für die Errungenschaften und Bequemlichkeiten der Zivilisation, sodass die meisten ohnehin im Untergewand schliefen, die Waffen immer griffbereit. | |||
„Also Ferkinas?“ | |||
„Womöglich, doch ist’s einerlei. Für einen Rückzug ist, wer immer da kommt, schon viel zu nahe heran. Ein Kampf ist unausweichlich.“ | |||
„Vielleicht sind es auch Freunde, und die Posten wollen uns vor falschen Schlüssen und Reaktionen warnen?“ Doch daran glaubte der [[Familia Aranjuez|aranjuezer]] Waffenmeister wohl selbst nicht. | |||
„Vielleicht. Lass unsere lieben Freunde zusammen rufen, und dann her mit Rüstung und Schwert.“ | |||
Im Gegensatz zu [[Servando Cronbiegler]] und seinen schwergerüsteten Reitern, konnten die beiden Aranjuezer wenigstens mit gegenseiter Hilfe noch ihre ungleich leichteren Platten anlegen, während die meisten [[Grafschaft Ragath|Gräflichen]] sich lediglich mit Brustpanzer und Helm behelfen mussten, sodass der kurze Zeit später einbestellte Kriegsrat eine recht bunte Schar ergab. „Ich erwarte nicht, dass Ihr Euch einmengt, sollten uns Dom [[Ordonyo di Alina|Ordonyo]] oder Domna [[Praiosmin von Elenta|Praiosmin]] einen Besuch abstatten, doch könnten es genauso gut Ferkinas sein“, wandte sich der Condottiere an [[Thallian Damotil]] und den jungen [[Caballero]]. „Deswegen werden Eure Leute, Dom Thallian, die nördliche Brustwehr besetzen. Dort haben sie gute Deckung, und die Wilden müssen erst einmal herüber klettern. Ich erwarte von euren Leuten, dass sie das verhindern.“ Und sollten es doch Gardisten der ersten beiden Genannten sein, dürfte fraglich sein, ob diese zuerst fragen würden, ob die [[Caballerogut Simancas|Simancaner]] sich vielleicht nicht einmischen wollten, sodass der Baron und Junker zweifellos annahm, dass sie so oder so würden kämpfen müssen. „Ihr, Dom Servando, seid mit Euren Leuten unsere berittene Reserve. Haltet Euch im Hintergrund bereit, und greift dort ein, wo der Feind durchbricht. Ansonsten deckt Ihr unsere offene Rechte. Für einen Lanzenstoß fehlt leider der Raum, doch hätte ich ohnehin bessere Verwendung für sie. Wenn Ihr also…“ | |||
„Warum sollte ich Euch unsere Lanzen geben? Falls es Dom Ordonyo ist…“, unterbrach der Caballero ihn, nur um seinerseits unterbrochen zu werden. „Und falls es Ferkinas sind, Dom Servando?“, fragte der Condottiere scharf. „Wenn uns womöglich nur ein paar Lanzen gefehlt haben, wollt Ihr die Niederlage dann auf Eure Kappe nehmen?“ | |||
Der junge [[Ragath]]er schwieg, sodass Hernán von Aranjuez seinem Vetter zunicken konnte. „Du, [[Rondago Farugo von Aranjuez|Rondago]], bleibst ebenfalls bei der Reserve. Verschwende Deine Kräfte nicht, verstanden?“ Sein abermaliges Nicken war freilich arg in Richtung Dom Servandos geraten, sodass wohl nicht nur sein Vetter verstanden hatte, dass er nicht nur deswegen nur im Notfall eingreifen sollte, um seine Kräfte zu schonen, sondern auch der Wachhund für den Caballero war, falls diesem irgendwelche Dummheiten einfielen. | |||
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Version vom 6. Juni 2011, 06:45 Uhr
Kaiserlich Selaque, 26. Praios 1033 BF
Im Lager der Bân Gassârah am Krötensee
Spätabends
Autor: SteveT
"Weg da! Platz! Schnell! Lasst mich durch!" brüllte der bartlose Krieger Ardavan iban Arthabas den Frauen, Wachen und grasenden Schafen und Ziegen zu, die ihm in die Quere kamen und im Weg standen, als er in halsbrecherischem Galopp mitten ins Zeltlager der Bân Gassârah hineingeritten kam. Mit schlitternden Hufen brachte er sein Roß vor dem großen Hauptfeuer zum Stehen, über dem sich eine ganze gehäutete Kuh auf einem Spieß drehte. Roß und Reiter waren klatschnass vor Schweiß. Aus einiger Entfernung waren auch die Rufe und der Hufschlag der Rösser von Faruch und Ussâm zu hören, die mittags mit ihm gemeinsam auf Beutezug ausgeritten waren.
"Was ist los, Sohn von Arthabas?" verstellte ihm der alte Stammeskrieger Zebuquad den Weg, der geradewegs auf das Zelt des Häuptlings zuzuführen schien. "Lass mich! Ich muss zum Shâr! Ich habe ihm wichtiges zu sagen!" wollte ihn der junge Krieger einfach achtlos beiseite schieben, aber Zebuquad hielt ihn an der Schulter fest - er meinte es nur gut mit dem Sohn seines Blutsbruders. "Du kannst jetzt nicht zum Shâr, junger Ardavan! Er ist mit seinen Weibern dort drin und isst und raucht - nur ein Lebensmüder würde es wagen, ihn zu stören!" "Glaube mir, weiser Zebuquad: Ich habe guten Grund ihn zu stören!" ließ sich der junge Krieger nicht beirren und lief einfach an der angepflockten Khoramsbestie am Zelteingang vorbei, die nach seinem Bein zu schnappen versuchte und schlug den ledernen Vorhang zurück, der den Eingang zur Jurte des Shârs verschloß.
Im Inneren des Zeltes brannte ein weiteres, kleineres Lagerfeuer, es roch nach verbranntem Ziegendung und auch nach gebratenem Fleisch - am meisten aber roch es Cherrizzka, dem Rauschkraut, das die Frauen des Shârs in einer langen beinernen Pfeife rauchten. Einen kurzen ungebührlichen Moment lang glotzte Ardavan mit großen Augen auf die nackten Brüste der vier Weiber des Shârs, die ihm auf ausgelegten Fellen rund um das Feuer herum quasi zu Füßen lagen. Während drei von ihnen rauchten und ihn mit einer Mischung aus Neugier und Feindseligkeit betrachteten, kniete die vierte von ihnen - die Schönste nach Ardavans Geschmack - neben dem Felllager des Häuptlings und schob ihrem Gebieter kleine Bissen gebratenen Hühnerfleischs in den Mund, der sich von ihr genießerisch füttern ließ. Der Shâr selbst war - auch nackt bis auf einen Lendenschurz - immer wieder eine beeindruckende Erscheinung. Unzählige Ritalnarben und die Wunden vieler Kämpfe zierten seinen glänzenden, eingeölten Körper - kein anderer Krieger im ganzen Stamm war so groß und hatte solche Muskeln wie Yistarrech iban Akbar - der vom Nuranshâr Mharbal erwählte Kriegshäuptling der Bân Gassârah. Seine Stimme erinnerte Ardavan immer an grollenden Donner oder an das Schnaufen eines gereizten Kampfstieres und so stellten sich seine Nackenhaare auf, als ihn der Shâr mit finsterer Miene anblickte und donnerte: "Was willst Du Wurm?"
Ardavan ließ sich auf die Knie niederfallen und verbeugte sich mit abgespreizten Armen bis zum Boden, dasselbe tat auch Zebuquad, der tapfere alte Zebuquad, der mit ihm ins Zelt des Häuptlings eingetreten war. "Vergebung, großmächtiger Shâr! Ich bitte um Vergebung für den jungen Ardavan iban Arthabas, dem einzig die Unbeherrschtheit der Jugend törichte Gedanken schenkt und die seine Füße manchmal in die falsche Richtung laufen lässt." flehte der alte Gefährte seines Vaters für ihn. "Ardavan iban Arthabas?" widerholte der Shâr mißtrauisch. "Bist Du ein Sohn von Arthabas dem Bärentöter?" "Ja, großmächtiger Shâr!" nickte Ardavan stolz. "Und ich bringe wichtige Kunde aus dem steinernen Lager der Blasshäute." Der Shâr zog zweifelnd eine Augenbraue in die Höhe und ließ sich von seiner Frau einen weiteren Bissen in den Mund schieben, ehe er herablassend mit vollem Mund antwortete: "Dein Vater war ein großer Krieger, der die Köpfe vieler Bâni Khadr und unzähliger Blasshäute heimbrachte. Also sprich, Sohn von Arthabas dem Bärentöter - aber wage es nicht, mich zu langweiligen oder ich zerquetsche Dich wie eine Laus!" Demonstrativ pickte er einen der Blutsauger aus dem Fell, auf dem er saß und schnippte ihn halbzerquetscht gegen Ardavans Brust, der ihn einfach an sich abprallen und zu Boden fallen ließ, ohne dabei mit der Wimper zu zucken.
Ardavan räusperte sich, während sich Zebuquad unter einer weiteren Verbeugung wieder aus der Jurte zurückzog. Den vier Frauen des Shârs war anzusehen, daß sie auf Ardavans Anwesenheit im Zelt nicht sonderlich viel Wert legten. Aber er ließ sich davon nicht beirren und begann zu erzählen: "Als die Sonnenscheibe hoch wie ein fliegender Falke über der Ebene stand, da bestiegen Faruch, der Sohn von Jellal dem Geistertänzer, Ussâm der Sohn von Narrzul dem Schakaljäger, und ich unsere Rösser, die so schnell laufen können wie der Wind, der durch die Schluchten heult, mit Hufen so heiß wie das Feuergestein des Djer Ragaz. Auch hatten wir Waffen dabei - Bögen und Pfeile, so tödlich wie das Gift der Klapperschlange, und Messer, so scharf, daß sich selbst der Regen daran verletzte, der bald nach unserem Aufbruch niederzuprasseln zu begann. Wir aber ritten durch die Steppe, gierig wie ausgehungerte Löwen, gierig nach dem Blut unserer Feinde..."
"GENUG!" schnitt ihm der Shâr das Wort ab und erhob sich von seinem Lager. "Jetzt langweilst Du mich ja doch, Du Wurm! Wenn ich Heldengeschichten hören will, so frage ich den Nuranshâr, denn er erfährt sie von unseren Ahnen, die sie selbst erlebten! Du aber, sag mir nur kurz, was Du zu sagen hast, sonst ist die Nacht vorbei, bis Du mir auch noch die Fellfarbe eurer Rösser beschrieben hast!" Ardavan begann zu zittern: "Äh, Feuer - großmächtiger Shâr! Wir sahen Feuer!" "Feuer?" widerholte der Häuptling unwirsch. "Was für Feuer?" "Das Steinlager der Blasshäute im Westen von hier - es brennt, großmächtiger Shâr!" Die Augen von Yistarrech iban Akbar verengten sich zu Schlitzen: "Die Bâni Khadr? Diese Kinder von Feigheit und Schande, die keine Ehre haben und nichts als Tod und Qual verdient haben?" Der Sohn des Bärentöters nickte verächtlich und zuckte dabei mit den Achseln: "Die Blasshäute werden ihr Lager nicht selbst angesteckt haben..." "Das weiß ich selbst, Du Hund!" beschimpfte ihn der Häuptling und kam drohend einen Schritt auf Ardavan zu, der sofort selbst einen Schritt zurücktrat, "Damals bei der Turmstadt der Flachländer im Norden sind sie uns zuvorgekommen und haben reiche Beute gemacht. Aber diesmal sind wir ihnen um das Dreifache überlegen! Selbst wenn die Khadr schon Beute gemacht haben, werden wir sie ihnen wieder abnehmen!" "Aber das Land, großmächtiger Shâr" schüttelte Ardavan den Kopf, "es ist flach wie ein Fladenbrot und viel zu offen! Sie können uns schon sehen, wenn wir noch klein wie Ameisen sind am Horizont. Sie werden fliehen, wenn sie unsere Übermacht kommen sehen!" "Sie werden uns nicht kommen sehen!" schüttelte nun der Shâr seinerseits den Kopf. "Denn wir reiten jetzt gleich und kommen in der Nacht! Sie werden denken, Geister fallen über sie her - so schnell und leise werden wir sie aus der Dunkelheit angreifen! Wieviel Feinden hast Du bereits den Kopf genommen, Sohn von Arthabas dem Bärentöter?" Ardavan errötete. "Hm, ja - da muß ich erst einmal überlegen....." "Also noch keinem!" schlußfolgerte der Shâr messerscharf. "Aber Deine Zeit und die der anderen jungen Krieger ist gekommen - heute Nacht! Für jeden Kopf eines Feindes, den Du aus der Schlacht mitbringst, schenke ich Dir ein Weib! Keiner soll sagen, daß Yistarrech der Große nicht großzügig ist! Und jetzt lauf zu Kirad, er soll die Trommel schlagen! Alle Krieger sollen aufsitzen! Wir greifen an!"
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Im Lager der Ragathsqueller
Nachts
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der Instinkt des Soldaten, geschärft durch die Gefechte und Campanyas zweier Jahrzehnte, ließ Hernán von Aranjuez weit vor der eigentlichen Zeit, doch nur Augenblicke vor dem warnenden Hornsignal aus dem Schlafe auffahren. Lang und tief hallte das Horn von den Aliner Kuppen herab, zweimal in kurzem Abstand. Dann eine Pause, und erneut zweimal in kurzem Abstand. Der Condottiere runzelte die Stirn, denn eigentlich war lediglich ein einzelner Hornstoß vereinbart gewesen. Den gleichen Gedanken hatte wohl Anzures Ballan gehabt, der im gleichen Moment vor das Zelt trat. „Ferkinas?“, fragte er mit dem Blick gen dunklen Osten gerichtet.
„Das, oder etwas anderes Unerwartetes“, biss sich der Baron und Junker auf die Unterlippe.
„Vielleicht kommt der Aliner mit mehr Leuten als gedacht?“, mutmaßte Anzures weiter.
„Möglich, aber selbst wenn er das ganze Selaquer Aufgebot mitbrächte, würde er uns an Zahl nicht übertreffen“, schüttelte Hernán von Aranjuez das Haupt, derweil nach und nach rege Betriebsamkeit im Lager ausbrach. Fackeln wurden entzündet, Rufe und Kommandos gellten durch die Nacht. Die erfahrenen Weibel zogen bereits die überflüssigen Vorposten ein, derweil die restlichen Mercenarios begannen, ihre scheinbar wahllos zusammen gewürfelten Ausrüstungen aus Leder, Kette und Harnischen anzulegen, auf den Häuptern alte Lederkappen, verbeulte Sturmhauben, Morions und schiefe Topfhelme. Glücklicherweise war auf Campanyas wenig Raum für die Errungenschaften und Bequemlichkeiten der Zivilisation, sodass die meisten ohnehin im Untergewand schliefen, die Waffen immer griffbereit.
„Also Ferkinas?“
„Womöglich, doch ist’s einerlei. Für einen Rückzug ist, wer immer da kommt, schon viel zu nahe heran. Ein Kampf ist unausweichlich.“
„Vielleicht sind es auch Freunde, und die Posten wollen uns vor falschen Schlüssen und Reaktionen warnen?“ Doch daran glaubte der aranjuezer Waffenmeister wohl selbst nicht.
„Vielleicht. Lass unsere lieben Freunde zusammen rufen, und dann her mit Rüstung und Schwert.“
Im Gegensatz zu Servando Cronbiegler und seinen schwergerüsteten Reitern, konnten die beiden Aranjuezer wenigstens mit gegenseiter Hilfe noch ihre ungleich leichteren Platten anlegen, während die meisten Gräflichen sich lediglich mit Brustpanzer und Helm behelfen mussten, sodass der kurze Zeit später einbestellte Kriegsrat eine recht bunte Schar ergab. „Ich erwarte nicht, dass Ihr Euch einmengt, sollten uns Dom Ordonyo oder Domna Praiosmin einen Besuch abstatten, doch könnten es genauso gut Ferkinas sein“, wandte sich der Condottiere an Thallian Damotil und den jungen Caballero. „Deswegen werden Eure Leute, Dom Thallian, die nördliche Brustwehr besetzen. Dort haben sie gute Deckung, und die Wilden müssen erst einmal herüber klettern. Ich erwarte von euren Leuten, dass sie das verhindern.“ Und sollten es doch Gardisten der ersten beiden Genannten sein, dürfte fraglich sein, ob diese zuerst fragen würden, ob die Simancaner sich vielleicht nicht einmischen wollten, sodass der Baron und Junker zweifellos annahm, dass sie so oder so würden kämpfen müssen. „Ihr, Dom Servando, seid mit Euren Leuten unsere berittene Reserve. Haltet Euch im Hintergrund bereit, und greift dort ein, wo der Feind durchbricht. Ansonsten deckt Ihr unsere offene Rechte. Für einen Lanzenstoß fehlt leider der Raum, doch hätte ich ohnehin bessere Verwendung für sie. Wenn Ihr also…“
„Warum sollte ich Euch unsere Lanzen geben? Falls es Dom Ordonyo ist…“, unterbrach der Caballero ihn, nur um seinerseits unterbrochen zu werden. „Und falls es Ferkinas sind, Dom Servando?“, fragte der Condottiere scharf. „Wenn uns womöglich nur ein paar Lanzen gefehlt haben, wollt Ihr die Niederlage dann auf Eure Kappe nehmen?“
Der junge Ragather schwieg, sodass Hernán von Aranjuez seinem Vetter zunicken konnte. „Du, Rondago, bleibst ebenfalls bei der Reserve. Verschwende Deine Kräfte nicht, verstanden?“ Sein abermaliges Nicken war freilich arg in Richtung Dom Servandos geraten, sodass wohl nicht nur sein Vetter verstanden hatte, dass er nicht nur deswegen nur im Notfall eingreifen sollte, um seine Kräfte zu schonen, sondern auch der Wachhund für den Caballero war, falls diesem irgendwelche Dummheiten einfielen.
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