Chronik.Ereignis1033 Feldzug Alina 03
Baronie Schrotenstein, 27. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Im Lager der Ragathsqueller nahe Alina[Quelltext bearbeiten]
Nachts
Autor: SteveT
Guyadanya spielte kurz mit dem Gedanken, den fliehenden Wilden nachzusetzen - aber sie flohen offenbar nach Norden, in Richtung der Aliner Kuppen und dann vielleicht weiter bis hinauf nach Falado, wenn sie Glück hatte. Blieb nur zu hoffen, daß sie am kleinen Weiler San Owilmar vorbeiritten, wohin sie ja heute morgen ihre Leute detachiert hatte. Jetzt blieb nur zu klären, woher dieses zusammengetrommelte Brigantenheer stammte, das sich mit den Wilden ein derartiges Scharmützel geliefert hatte. Es waren keine Selaquer, soviel stand fest - sie erkannte nicht ein einziges Gesicht. Sie rutschte geschmeidig aus dem Sattel, den Säbel nach wie vor in der Hand, und packte den vor Schwäche taumelnden Dom Thalian, der der Kleidung nach der Anführer zu sein schien, energisch am eisernen Kragen seiner Panzerung: "Nicht so schnell, Bursche! Schön hiergeblieben! Wer in Rondras Namen seid ihr und was habt ihr verdammt nochmal auf unserem Land verloren? Hat euch die Aliner Elster angeworben - hä? Dann denkt nicht mal daran, seine Dominie zu verlassen, denn dort drüben in der weiten Ebene beginnt unser Land! Los jetzt - mach Dein verdammtes Maul auf! Wer bezahlt euch? Oder seid ihr Plünderer und Marodeure, die den Bauern noch das Allerletzte rauben wollen, was ihnen nach dem Ferkinasturm verblieben ist?" Sie hob drohend die Klinge ihres Säbels gegen Dom Thalians Gurgel. "Dann pfeif auf der Stelle Deine Brandschatzer zurück und kehrt alle in eure Heimat zurück - sonst ist es aus mit Dir!"
Autor: Dom Thallian
Vielleicht war es Wille der Götter, vielleicht einfach ein glücklicher Zufall, dass Ferox sich im Reich der Träume befand und so nicht mitbekam, was mit Thallian geschah. Der Angesprochene indes nachdenklich auf die Klinge die seinen Hals bedrohte, während er versuchte seine Gedanken zu ordnen und zu verstehen, was die Kriegerin vor ihm wollte. Dann setzte er mit schwerer Zunge zu einer Antwort an. „Ich bin Caballero Thallian Damotil zu Simancas. Wir haben uns hier gegen einen Angriff der Ferkinas verteidigt.“ Er spürte wie Zorn in ihm aufzusteigen begann und sich in seinem Kopf der Wunsch ausbreitete dieses unverfrorene Weibsbild eine ordentliche Lektion zu erteilen. Aber noch wusste er dass es Wahnsinn wäre dies auch nur zu versuchen, aber immerhin kehrte Entschlossenheit in seine Stimme zurück. „Ihr nehmt jetzt Augenblick eure Klinge von meinem Hals. Desweiteren werdet ihr euch bitte eines angemessenen Tons befleissigen.“ Seine Augen, die eben noch glasig wirkten, funkelten nun voller Zorn. Sein Blick taxierte Guyadanya. „Und diese Brandschatzer...“ er machte eine kleine Pause. „stehen unter dem Kommando des Grafen und des Barons von Aranjuez.“ Mit der einen Hand deutete er in die Richtung wo er Hernán vermutete. „Ihn findet ihr da...“ Mit seiner blossen Hand fasste er nun nach der Klinge Guyadanyas um sie behutsam zur Seite, weg von seinem Hals, zu schieben. „Und wer in der Götter Namen seid ihr?“ fragte er mit beherrschter Stimme, während er im Inneren darum rang seinem Zorn freien Lauf zu lassen und dieses Weibsbild in Stücke zu hacken.
Autor: SteveT
Statt einer Antwort ließ die Achmad'sunni Thalian achtlos los und schubste ihn ein Stück weit von sich. Das wurde ja immer besser - der falsche tobrische Graf, der widerrechtlich den Thron ihrer Mutter besetzt hielt und ein Ragathsqueller Baron, den sie allenfalls dem Namen nach kannte, trieben sich mit einem derart großen Aufgebot hier in Selaque herum und wer wusste schon, was sie dort im Schilde führten. Womöglich hatte sie die hinterlistige Praiosmin angebettelt, ihr Waffenhilfe zu leisten - das fette Schwein war bekanntlich eine miserable Kämpferin und traute sich mit Sicherheit nicht selbst, einen Heerbann gegen die Wilden aufzustellen und anzuführen. Gujadanya drehte sich auf dem Absatz herum und stapfte durch die Nacht in jene Richtung, die ihr dieser angebliche Caballero gewiesen hatte. Inbrünstig hoffte sie, daß sich Jelissa nach ihrem Sturz wieder hochgerappelt hatte und sie von irgendwoher aus der Finsternis heraus beobachtete. Jelissa war eine hervorragende Bogenschützin und würde ihr aus der Dunkelheit Deckung geben, wenn sich die Kerle unvernünftig zeigen würden, so daß sie ihnen das Fell gerben musste. Aber immerhin waren es Mittelländer, Almadanis sogar, ihrer schnellen und gestenreichen Sprechweise nach. Direkt vor ihr tauchten zwei Männer auf, die ihren guten Rüstungen und den Waffenröcken nach, die silberne Rabenschnäbel zeigten, durchaus die beschriebenen Anführer sein konnten. Der eine war ein junger Stenz - sehr gutaussehend, wie Gujadanya trotz der wenig anheimelnden Sitaution sofort auffiel - der andere ein tulamidisch aussehender Kriegsmann mit schwarzen Locken und elegant gestutztem Bart. "Heda! Holla!" trat die junge Vanyadalerin zwischen die beiden. "Wer von Euch ist der Connetabel des falschen Grafen und der Anführer dieser Campanya? Ich will wissen, wer Euer Financier und was Euer Trachten hier in unserem Landstrich ist? Und falls Euch die 'bosquirische Jungfer' angeworben hat, so kehrt nur besser gleich wieder schnurstracks um, ehe Selaque für Euch alle zur Grablege wird! Wir regeln unsere Angelegenheiten hier selbst und untereinander, nach der Mütter guter alter Sitte!" Sie musterte Gualterio streng von Kopf bis Fuß und dachte stumm bei sich: "Nicht übel - wirklich ein hübscher Bengel!", wandte sich dann aber doch Hernan zu, dessen Blick und Aura eher auf den wahrscheinlichen Anführer dieses Haufens hindeuteten.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Schwer stützten sich der Condottiere und sein Vertrauter gegenseitig, die Rüstungen blutig und zerhauen und die Haare schweißnass in Stirn und Gesicht. Soeben war Servando Cronbiegler mit seinen Reitern von hinten in die Bresche gefahren, und hatte den letzten Ferkinas dort den Garaus gemacht. Die wenigen Wilden, die sich den Gräflichen auf dem Weg dorthin in den Weg gestellt hatten, waren niedergehauen oder über den Haufen geritten worden, während die weniger Mutigen oder auch nur Schlaueren beim Anblick der um das Baumhindernis herum jagenden Reiter in die Dunkelheit aus dem Staub gemacht hatten. Als schließlich der Shâr fiel, waren auch die Kämpfe an der Brustwehr abgeflaut, wo Gualterio Colonna und seine Leute gerade rechtzeitig eingetroffen waren, um einen echten Einbruch zu verhindern. Was noch am Leben war flutete nach dem Tod ihres Anführers zurück in die Dunkelheit, und die überlebenden Verteidiger waren zu erschöpft um auch nur an Verfolgung zu denken. Und nun, da der Schlachtenlärm verklungen war, drang zum ersten Mal das Wehklagen der zahlreichen Verwundeten an das Ohr der Überlebenden. Besonders in der Bresche, wo auf engem Raum die wohl heftigsten Kämpfe getobt hatten, und die Leiber der Toten und Verwundeten dicht an dicht lagen, verliehen die Regungen Letzterer der Szenerie im Zwielicht flackernden Feuerschein etwas unheimlich unwirkliches.
Mit erfahrenem Blick schweiften die Augen des Barons und Junkers über den Schauplatz, maßen die Zahl derer die noch standen mit der, die sich nicht mehr regten. „Ein Drittel tot, und mindestens noch einmal so viele verwundet“, murmelte er, woraufhin Anzures Ballan langsam nickte. „Würde ich auch sagen. Aber die Wilden haben wohl das doppelte verloren.“ In der Aussage lag kein Triumph.
„Teil die Leute ein“, fuhr dann Hernán von Aranjuez auch nüchtern fort. „In die Berge begleitet uns nur, wer noch laufen und fechten kann. Die übrigen Leichtverwundeten kehren mit den Wagen und den transportfähigen Schwerverwundeten um. Wer nicht transportfähig ist…nun ja, vielleicht finden wir für sie ein paar Plätze in Alina.“ Letztere Gruppe würde freilich nicht allzu groß werden, denn nachdem sich die überlebenden Mercenarios gegenseitig beglückwünscht hatten, begannen sie zwischen ihren Kameraden umher zu gehen. Wer nicht tödlich verwundet war, wurde mit einfachen Mitteln notdürftig versorgt, wer tot war, wurde um diejenigen Sachen erleichtert, die er im Jenseits gewiss nicht vermissen würde. Und wer irgendwo zwischen Leben und Tod schwebte, der musste hoffen, dass ihn ein Freund fand, denn fremde Mercenarios konnten dazu neigen, die Schwere einer Wunde allzu pessimistisch einzuschätzen, und großzügig Gebrauch vom ‚Gnadenspender‘, wie man Messer und Dolche in solchen Situationen nannte, zu machen.
Schließlich drang das Geplärre der Amazone an ihre Ohren, und Anzures wandte sich kopfschüttelnd über den Auftritt der jungen Kriegerin ab. Unter normalen Umständen wäre es gewiss gewesen, den Caballero zu Simancas mit der Ahmad’sunni noch ein wenig alleine zu lassen, doch so tief ging die Verachtung für seinen neuadligen Nachbarn dann doch nicht. Gerade wollte er sich zur Brustwehr begeben, da hatte Gujadanya ihm die Wegstrecke auch schon mit schnellen Schritten abgenommen, und sich vor ihm aufgebaut. Amazonen. Er hatte nie viel für diese Verrückten übrig gehabt, und seine Meinung hatte gewiss keine Besserung dadurch erfahren, dass eine der ihren bei Morte Folnor Almadas Wehr in den Untergang geführt hatte. Doch einen Moment lang musste er Grinsen – was der Amazone kaum gefallen dürfte – doch war hinter ihr Servando Cronbiegler durch sein Blickfeld gehuscht, und einen Moment lang mochte er sich vorgestellt haben, was wohl passieren würde, wenn er den armen Caballero als des ‚falschen Grafen‘ Connetabel benennen würde. Streng genommen war der Jüngling es gerade eben zumindest mehr als er, doch wischte er die Gedanken an solcherlei Bubenstreich rasch wieder beiseite.
„Vor Euch steht Hernán von Aranjuez, der Baron von Dubios, und Ihr werdet Seiner Hochgeboren gefälligst den schuldigen Respekt erweisen“, grollte Gualterio, und prompt erhoben sich in ihrer Nähe einige Mercenarios, die ohnehin bereits mit halber Aufmerksamkeit die Szenerie verfolgt hatten, und nun drohend näher rückten. Der Condottiere indes machte eine beschwichtigende Handbewegung, hatte aber selbst noch das blanke Schwert in der Faust, wenn auch freilich mit der Spitze gen Boden gesenkt. „Gualterio, kümmere Dich um die verwundeten Wilden“, befahl er seinem Neffen, der mit dann mit einem Grummeln davon stapfte.
„Ich führe hier das Kommando…“, wandte er sich kühl an Gujadanya „…und wenn dies…Euer Land…ist“, ein leicht spöttischer Unterton ließ erahnen, dass er dies hier für das Land des Barons von Schrotenstein oder vielleicht sogar für das Land Dom Ordonyos hielt, gewisslich aber nicht für das Land irgendwelcher Amazonen „…so frage ich mich, warum es dann wir sind, die…Eure…Fellachen verteidigen müssen.“
Autor: Autor: Dom Thallian, Der Sinnreiche Junker
„Dom Thallian?“ Unbemerkt war Anzures Ballan, die rechte Hand seines wenig geliebten Nachbarn an ihn heran getreten, während der Caballero selbst neben dem noch immer bewusstlosen Ferox kniete. Um ihn herum versorgten seine Leute die Verwundeten, wobei sie weit mehr Fürsorge walten ließen, als anderswo die Mercenarios. Die Leiche so manches Nachbarn und Freundes hatte man beiseite getragen, und während bei den professionellen Halsabschneidern die Euphorie überwog, Gevatter Boron noch einmal von der Schippe gesprungen zu sein, waren die meisten Landwehrleute zu geschockt oder zu erschöpft von dem Geschehenen, als dass man großartig in Jubel ausbrechen konnte. Zu viele Schrecken auf einmal für die unerfahrene Bauern und Handwerker, zu viele geliebte Menschen hatten diesen Schrecken nicht überlebt, oder lagen nun jammernd und schreiend in ihrem eigenen Blut.
Der Caballero von Simancas sah übel aus: Seine Schulter war notdürftig verbunden worden und das weisse Leinen der Bandagen hatte sich bereits tiefrot gefärbt. Sein Gesicht war blutverschmiert und die Haare schweissverklebt. Auf den Augen Thallians lag ein fiebriger Glanz als er Anzures ansah. Er brauchte wohl einen Augenblick um zu realisieren wer ihn angesprochen hat und seine Hand die, allerdings recht kraftlos wirkend, nach seiner Waffe gegriffen hatte liess den Stahl wieder los und er erhob sich. Neben ihm Halbdunkel der nur von Fackeln erleuchteten Nacht, in der immer wieder nun die Schmerzensschreie der Verwundeten und das Stöhnen der Sterbenden zu hören war, kniete noch im Carlitos über dem Leib von Ferox. Mit ruhiger, routinierte Hand war er gerade dabei eine der Wunden zu versorgen. „Dom Anzures.“ erwiderte er auf dessen fragende Begrüssung, während er in aufmerksam musterte.
„Dom Hernán hat befohlen, dass allenfalls Leichtverwundete weiter marschieren werden. Wer ansonsten gehen kann, wird die Wagen mit den transportfähigen Verwundeten zurück nach Ragath begleiten. Für die schweren Fälle werden wir versuchen einen Platz in Alina zu finden. Ich dachte mir, Ihr wollt das womöglich selbst mit Euren Leuten besprechen.“ Er hob die Fackel etwas höher, sodass sein Blick über die Brustwehr aus zusammen geschobenen Wagen schweifen konnte, und über das, was von Thallian Damotils Leuten noch übrig war.
„Hmmhmm...“ entgegnet ihm der Caballero nachdenklich und liess seinen Blick über seine Getreuen schweifen, oder genauer gesagt über die, welche noch nicht in Borons Hallen eingegangen waren.
„Ihr und Eure Leute habt tapfer gekämpft“, schloss er schließlich, und nachdem er die linke Gruppe der Mitte befehligt hatte, und wohl ab und an einen bangen Blick zur Seite in ihre Richtung geworfen haben dürfte, stand es ihm wohl zu, eine solche Anerkennung auszusprechen.
Überrascht zog er die Augenbraue hoch. Ein wohlmeinendes Wort aus dem Lager hatte er nicht erwartet, wenngleich sich seine Leute dieser Anerkennung redlich verdient hatten. „Danke.“ Erwiderte er knapp und müde klingend. „Ohne Feuer wären die Ferkinas vielleicht nicht hergekommen...“ er zuckte mit den Schultern. „Wer weiss. Aber wir zogen ja aus um Ferkinas zu bekämpfen, nicht wahr?“ Er hielt kurz inne bevor er fortfuhr. „Ein blutiger Sieg, wie mir scheint, aber ein Sieg. Was die Vorschläge...“ und er betonte dieses Wort ein wenig. „..Dom Hernáns angeht, so stimme ich zu. Ich werde mit meinen Leuten sprechen. Allerdings haben die Klingen blutige und oft auch tödliche Ernte unter ihnen gehalten.“ Er trat etwas beiseite so dass Anzures den Blick auf den daniederliegenden Ferox wieder frei hatte. „Er hat ihren Shâr getötet. Ihm gebührt vor allem Dank. Wenn der Shâr noch leben würde, würde sein Stamm immer noch kämpfen.“ Sein Blick wanderte kurz zu Carlitos. „Wenn er meine Leute versorgt hat und ihr noch Bedarf an Wundversorgung habt, dann werde ich ihn zu Euch rüberschicken.“
Gualterio Colonna währenddessen stapfte noch immer eher übellaunig über den zertrampelten, vom Blut glitschigen Boden des Schlachtfeldes. Die Verwundeten waren, soweit man es wagte sie zu bewegen, bereits in Richtung des Lagers verbracht worden, und jene bei denen man dies nicht wagte, waren mehrheitlich der Gruppe der Toten zugeschlagen worden, welche man gleichfalls in langen Reihen einige Schritte weiter hinten aufgereiht hatte. Somit blieben nur noch die Leichen der Ferkinas, und seine Aufgabe war es nun, die feindlichen Verwundeten, denen man noch keinen Speerstich in den Rücken oder ein ‚blutiges Grinsen‘ verpasst hatte, einzusammeln. Und das waren wenige genug. Immerhin ersparte ihm das Zeit und Mühen.
„Da ist einer“, deutete er auf einige nebeneinander liegende, halbnackte Leiber, wo ein Stöhnen den Verwundeten verraten hatte. Mühsam versuchte der Wilde weg zu kriechen, als er in den Schein der Fackeln geriet, und wohl annehmen konnte, dass dies nichts Gutes für ihn bedeuten konnte, doch hatten ihn die Mercenarios rasch eingeholt, und schleiften ihn nun zu einem der nicht gefällten Bäume, wo einige Kameraden bereits mit dem Knüpfen von Schlingen beschäftigt waren…
Autor: Dom Thallian, Der Sinnreiche Junker
„Ah…“, winkte Anzures mit einem Anflug eher gequälten denn amüsierten Lächels ab. „Ich bin kein Dom.“ Abermals schwenkte er die Fackel, dieses Mal in Richtung des noch immer darnieder liegenden Ferox, dann wieder zurück zum Caballero von Simancas. Weit im Hintergrund in der Dunkelheit zeterte und fluchte einer der verwundeten Ferkinas, als die Mercenarios seinen Hals in die Schlinge zwangen, bis sein Geschrei schließlich in einem erstickten Gurgeln unterging. Zweifellos hatte es der aranjuezer Waffenmeister gehört, doch wandte er sich nicht einmal um. Stattdessen bildete sich eine tiefe Falte auf seiner Stirn, als er nachdenklich die Augenbrauen zusammen schob.
„Vielleicht wäre es das Beste, wenn Ihr und Eure Leute umkehren würdet“, schlug er vorsichtig vor. Immerhin sah auch der Caballero selbst reichlich mitgenommen aus. ‚Vielleicht wäre es das Beste gewesen, Ihr und Eure Leute wären niemals ausgezogen‘, verriet sein Blick, doch war er zu höflich es auszusprechen, zumal die Simancener sich durchaus als nützlich erwiesen hatten. Wofür sie freilich einen hohen Preis hatten bezahlen müssen. „Oder aber Ihr bleibt hier in Alina bei den Schwerverwundeten. Immerhin weiß niemand, ob nicht erneut von irgendwoher Ferkinas auftauchen, und dann brauchen nicht nur unsere zurückgebliebenen Leute jede Klinge.“ Wenn ein Mann wie Anzures die verbale Spitzfindigkeit hinsichtlich Befehl oder Vorschlag bemerkt hatte, so ging er zumindest mit keinem Wort darauf ein.
Der Caballero indes sah an Anzures vorbei und beobachtete, wie nach einem Röcheln die Bewegungen des Ferkinas erstarben nachdem ihn die Mercenarios den Baum an einer Schlinge hochgezogen hatten. „Haltet ihr das für klug?“ wand er sich dann an Anzures und deutete auf die Gruppe Söldner, die gerade einen weiteren Bergkrieger heranzerrten. „Tot sind sie sie furchtbar schwer zu befragen. JETZT könnte man sie indes noch etwas fragen...“ er blickte Anzures an. „zum Beispiel wer sie sind, woher sie kamen, warum Alina und vielleicht wissen die sogar was über die Entführten. Nur so als Vorschlag an meinen befehlsgebenden geschätzten Nachbarn.“
Hernán von Aranjuez indes brachte anderenorts weiterhin Befehle – oder eben Vorschläge – unter die Leute. „Dom Servando, reitet hinüber nach Alina und sucht den Dorfschulzen auf. Sagt ihm wir brauchen Platz für einige Verwundete. Sagt ihm, wir werden bezahlen was für ihre Versorgung notwendig ist. Wenn er sich ziert, so weist ihn darauf hin, dass diese Wilden hier sind um Dörfer wie Alina mit Raub und Mord zu überziehen. Ziert er sich dann immer noch, so weist ihn weiterhin darauf hin, dass als nächstes ich kommen würde, um mit ihm zu sprechen. Ach ja, und wir werden uns alle ihre Karren ausleihen müssen.“ Gefolgt von seinen Leuten verließ der junge Caballero das Lager in Richtung des Dorfes. „Und am besten flechtet Ihr dabei einige Eurer ‚im Namen Seiner Hochwohlgeboren’ ein“, brummte der Baron ihnen noch hinterher, ehe er sich von einem Weibel der Hakenspieße Bericht erstatten ließ, wie es um Dom Vigos Leute bestellt war.
„Manch einer würde wohl behaupten, tot seien sie am besten zu befragen. Zwar wären ihre Antworten in der Tat nicht sonderlich erhellend, doch wäre dies lebend nicht anders, sodass man sich wenigstens die Scherereien spart. Würde man mich ansonsten zwingen zu raten, so würde ich mein Silber darauf setzen, dass sie Ferkinas sind, aus dem Gebirge kommen, und sie in Alina rauben, plündern und schänden wollten“, zuckte der Untergebene Dom Hernáns mit den Schultern, derweil eher ein weiteres ersticktes Gurgeln denn die nächste nach oben gezogene Silhouette eines Körpers verriet, dass ein weiterer Ferkina soeben den Weg ins Jenseits antrat.
Dom Thallians Stirn legte sich leicht in Falten als er die Anwort Anzures vernahm, aber das diffuse Halbdunkel des baldigen Morgengrauens legte darüber wohl noch einen Schleier. „Danke für Eure Ausführungen. Aber die hilft wenig weiter. Wie ihr sehr wohl wissen könntet ist das Gebirge da recht gross, die Ferkinas sind da daheim und wenn wir irgendwas für die Tochter des Grafen tun wollen, dann sollten wir wenigstens wissen wo wir ungefähr in diesem götterverdammten Heuhaufen nach der goldenen Nadel suchen sollten. Nicht wahr?“
„Gewiss aber steht es Euch frei, Eure Fragen zu stellen, Dom Thallian“, trat er beiseite und wies mit dem Arm in die Richtung des Geschehens. „Freilich zweifle ich…“, fuhr er mit dünnem Lächeln fort „…dass die Wilden Euch behilflich sein werden. Immerhin schneiden und verbrennen sie sich die eigene Haut zum Zeitvertreib, sodass ich kaum glaube, dass die Aussicht auf Folter sie sonderlich schrecken wird. Doch wird Euch zweifellos auch dabei niemand hindern wollen, solltet Ihr es dennoch erproben wollen.“
Thallian winkte ab. “Das ist mir schon klar. Ich bin spreche immerhin ihre Zunge, weil ich mehr als einem halben Götterlauf mit einem Ferkina mal gereist bin.“ Er streckten Rücken durch, wohl um sich in Bewegung zu setzen, aber zog umgehend dann scharf die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen ein, weil sich die Wunde doch deutlich bemerkbar machte. „Verdammte Axt...“ zischte er fluchend. „Ich werde mir jetzt mal einen lebenden Ferkina suchen...“ dann setzte er sich langsamen Schrittes in Bewegung...
Autor: Dom Thallian
Etwas unsicher auf den Beinen wirkend, mühte sich der Caballero von Simancas herüber zu der Gruppe von Mercenarios des Barons zu gelangen, die zwei weitere zwar verwundete Bergkrieger heranzerrten, welche aber noch so viel Leben in sich hatten, dass sie sich mit Händen, Füssen und gar mit Zähnen dagegen zu erwehren suchten. Deren fruchtlose Versuche aber quittieren die Söldlinge mit Prügeln, Hieben und Tritten, dass sie mit bösartigem Gejohle garnierten, während sie die beiden Ferkina vorantrieben und zerrten. Leichter Widerwille stieg in dem Simancaner auf, als er das Treiben beobachtete, während er zugleich aber eine brodelnde Zorn in sich spürte, denn diese Ferkinas waren Schuld daran das soviel Blut in dieser Nacht vergossen worden war. Er beschleunigte seine Schritte auf dem letzten Stück und zwang sich dazu den Rücken durchzustrecken um möglichst aufrecht die Gruppe zu erreichen, denn er ahnte schon, dass die Kämpfer ihre Opfer nicht so ohne weiteres verschonen wollen würden. Und er sollte auch Recht behalten damit... Als er sie erreichte, hatten diese bereits zwei weitere Seilen über hinreichend dicke Äste geworfen und wollten diese den beiden Barbaren um den Hals legen. „Haltet ein!“ forderte er die Gruppe von Mercenarios auf, als er herantrat. Diese hielten in der Tat auch einen Augenblick inne in ihrem Treiben und ein älterer, durch eine dicke, wulstige und zackige Narbe im Gesicht entstellter, fies anzusehender Söldner, dessen faulige und gelbe Zähne selbst im Halbdunkel zu erkennen waren, wandte sich an den Caballero. Kurz musterte er den Caballero. „Nö, Dom. Die knüpfen wir auf. Der Condottiere zahlt und wir erledigen den Befehl.“ Die Augen Thallians verengten sich ein wenig und er spürte wie dieser Mann den in ihm rumorenden Zorn noch weiter anheizte. „Wie war das?“ erwidert er kühl. „Wenn er sich nicht umgehend dem Befehl eines Vertreters der praiosgefälligen Nobleza fügt, werde ich dafür sorgen, dass er restlichen Weg in den Raschtulswall hianuf gepeitscht wird. Hat er mich verstanden?“ Drohend ruhte der Blick des Doms auf dem Söldner vor ihm, der ihn misstrauisch ob der Schärfe seiner Worte musterte. Unbemerkt wohl von Thallian war auch Rondago Aranjuéz herangekommen und hatte die Worte des Simancaners mit verfolgt. Die Parade des Caballero an den Söldner hatte ihn überrascht, so energisches Auftreten hatte er nicht erwartet. Der söldner indes hatte ihn bemerkt und blickte in seine Richtung, während die anderen noch immer inne hielten, aber damit beschäftig waren die wütenden Ferkinas zu bändigen. Thallian war nicht entgangen dass der Mietling vor ihm, an ihm vorbeisah und so wand er sich dann auch um. Kurz warfen sich beide einen einander abschätzenden Blick zu, wonach Rondago aber die Stimme als erster erhob: „Was habt ihr vor, Caballero?“ Thallian erwiderte: „Bevor diese einfältigen Narren ihn aufknüpfen, möchte ich ich die...“ wobei er in Richtung der Bergkrieger deutete. „...noch etwas befragen. Dann...“ er wand den Kopf wieder etwas mehr den Söldnern zu. „... könnt ihr mit ihnen machen, was immer ihr wollt.“ Rondago runzelte die Stirn. „Befragen?“ dann aber entsann er sich, dass Thallian erwähnt hatte dass er ihre Sprache beherrschen würde. „Nun...“ begleitet von einem zustimmenden Nicken fuhr er fort: „... ein Versuch ist es auf jedenfall wert.“ Thallian nickte. „Eben.“ Kommentierte er trocken und machte einen weiteren Schritt auf einen der Ferkina zu, wo ihm aber noch der Söldner den Weg versperrte. „Gehe er aus dem Weg.“ Forderte ihn der Caballero mit ruhiger, beherrschter Stimme auf. Für einige Augenblicke begegneten sich ihre Blicke, dann wich der Söldner einen Schritt zurück, während sein Gegenüber weiter schritt und Rondago schloss zu ihm auf.
Röchelnd erstarb eine Weile später auch das Zucken des zweiten Barbarenkriegers, nachdem ihn die Mercenarios ihn zu seinem Kumpanen heraufgezogen hatten, der bereits mit aus dem Munde heraushängender Zunge neben ihm baumelte. Der Trupp Henker und kurzzeitiger Helfer bei der Befragung, zogen dann ab auf der Suche nach weiteren Feinden oder gar etwas was sich lohnte zu plündern. Rondago und Thallian blieben zurück, aber wandten sich um so dass sie nicht mehr direkt auf die Gehängten blicken mussten. „Das war wenig ergiebig...“ kommentierte der Magus. „Nicht so viel wie erhofft, aber immerhin haben wir ein paar Erkenntnisse gewonnen.“ Entgegnete Thallian, der allerdings innerlich über sich erschauderte, als er daran zurückdachte mit welcher Kaltschnäuzigkeit er der Befragung beigewohnt hatte. Es waren Ferkina, Feinde... keine Frage, aber dennoch hätte diese eine bessere Behandlung verdient gehabt. ‚Oh Phex, war es Recht einen so hohen Preis zu zahlen für so wenig Lohn?‘ rief er stumm zum Herrn der Sterne, aber dieser hüllte sich wie stets in Schweigen. Wie von ihm erwartet hatte das malträtieren der Gefangenen kaum Wirkung gezeigt, vielmehr hatten die beiden sich gegenseitig damit noch geprahlt was sie aushalten können würden. Allerdings waren natürlich die Wunden und die Schmerzen auch an diesen nicht spuirlos vorbeigegangen. Zwar hatten sie bei direkten Fragen keine sinnvolle Antwort geliefert sondern bestenfalls versucht dem Dom vor die Füsse zu spucken, aber geschicktes Fragen und sie geschickt mit Worten bei ihrer Ehre zu kitzeln, dass hatte immerhin kleine Erfolge erzielt. „Ach was, Dom?“ die Frage des Magus holte ihn zurück aus den Gedanken und an den Ort zurück. „Ja, Magus. Wir wissen jetzt, dass diese zu dem Stamm den Bân Gassârah gehörten und dass es hier in der Gegend noch die Bâni Khadr gibt.“ SetzteThallian zu einer Erläuterung an. „Diese...“ er deutete nach hinten über die Schulter in Richtung der dort baumelnden Krieger „... haben keine Gefangenen und sie waren nur hier, weil sie hier Feuer gesehen haben und die Bâni Khadr hier brandschatzend erwartet hatten.“ Abwartend sah er zu dem gelehrten der magischen Zunft herüber. Dieser nickte zustimmend. „Es muss wohl an der kurzen Nacht gelegen haben...“ entgegnete dieser nach einem Moment des stummen Nachdenkens. „Wenn die zwei Recht hatten und ihr sie korrekt verstanden habt, dann marodieren hier in der Gegend zwei miteinander verfeindete Stämme. Dem einen haben wir bereits eine schmerzhafte Niederlage beigebracht und der andere hat mit grosser Wahrscheinlichkeit jene Gefangene gemacht, nach denen wir suchen.“ Rondago nickte bedächtig. „Immerhin.“ „Ich kehre zu meinen Leute zurück...“ beschloss Thallian den knappen Wortwechsel und machte mit zusammengebissenen Zähnen die ersten Schritte, denn inzwischen brannte die Wunde in seiner Schulter wieder wie Feuer. „Wie ist es euch ergangen?“ wand sich Rondago an ihn. „Blutig.“ Presste Thallian zwischen den Zähnen hervor und setzte seinen Weg fort. Einen Augenblick sah der Magus ihm noch nach, dann wandte er sich um und machte sich auf seinen Vetter zu finden.
Autor: Der Sinnreiche Junker
„Der Morgen graut“, stellte Hernán von Aranjuez fest, als sich hinter den gewaltigen Gipfeln des Raschtulswalles ein helles Band sichtbar wurde. Einen Augenblick sahen seine Offiziere nach Osten, jeder mit seinen eigenen Gedanken inmitten all der mehr oder weniger laut leidenden Verwundeten, und den mittlerweile in langen Reihen gelegten Leichen, sofern es sich um Mercenarios oder Simancener handelte, manches Antlitz von einem Verwandten oder Freund gnädig mit einem Tuch oder dergleichen bedeckt, in Haufen achtlos übereinander geworfen, sofern es Ferkinas waren.
Vorsichtig räusperte sich Servando Cronbiegler, als er hinzu trat. „Der Dorfschulze war nicht begeistert von den Einquartierungen, und erst recht nicht davon, dass wir ihre wenigen Karren brauchen. Doch letztlich hatte er klein bei gegeben.“ Tatsächlich hatte ihn der junge Caballero an das Schicksal des nahen Junkergutes erinnern müssen, von dem außer Asche und schwelenden Bohlen nicht allzu viel geblieben, nachdem der Hinweis, dass diese Leute letztlich auch das Dorf Alina vor den Ferkinas beschützt hatten, nur bedingt Wirkung gezeigt hatte. „Wir bringen ihnen die Karren doch wieder, oder?“, fragte der Ragather vorsichtig.
„Wenn Ihr es wünscht, Dom Servando…“, lächelte Hernán von Aranjuez dünn „…betraue ich Euch gerne mit dem Kommando über den Verwundetentransport. Dann könnt Ihr höchstpersönlich Sorge dafür tragen, dass die Karren hernach wieder hierher gebracht werden.“
Natürlich hätte das dem Condottiere so gepasst, sich des aufsässigen Gräflichen auf diese Weise zu entledigen, doch wo der gedanklich nicht immer von der schnellen Truppe war, hatte doch seinen eigentlich Auftrag nicht vergessen, die Schwester seiner Herzensdame und Tochter seines Lehnsherrn wohlbehalten zurück nach Ragath zu bringen. Und nicht karrenweise Verwundete. „Meine Aufgabe ist es, nach Domna Romina zu suchen“, antwortete er dann auch mit entschlossenem Nicken.
„So sei es“, zuckte der Baron und Junker mit den Schultern. „Anzures, die Fackel.“
Während Anzures Ballan die Fackel höher hielt, beugte Hernán von Aranjuez ein Knie, und begann mit einem Stock mit groben Strichen eine Karte in den Boden zu skizzieren. Seine Offiziere schlossen den Kreis enger um ihn, wobei es niemand für nötig hielt, einen Platz für den Caballero frei zu halten, den sie hinter seinem Rücken schon spöttisch ‚Im-Namen-Seiner-Hochwohlgeboren‘ nannten. So blieb Servando Cronbiegler nichts anderes übrig, als sich in zweiter Reihe auf die Zehenspitzen zu stellen.
„Wir sind hier…“, zeichnete der Condottiere einen Kreis, und zog dann eine Linie gen Osten. „…und dies ist die Straße nach Selaque. Dir, Gualterio, gebe ich fast alle verbliebenen Reiter. Dort wo die Selaqua die Straße kreuzt…“, ein Strich gen Nordosten „…biegst Du nach Nordosten ab und folgst dem Flusslauf, bis ihr das Castillo Albacim seht. Glücklicherweise ist die Weiße Brünne schon aus der Entfernung zu sehen. Dann wendet Euch direkt nach Norden, umgeht auf jeden Fall das Castillo und Selaque. Um die Bosquirische Jungfer und ihren Anhang kümmern wir uns ein andermal. Anzures, hast Du noch den Eingang zum Tal der da Vanyas vor Augen?...Gut, dann begleitest Du Gualterio. Haltet euch von Vanyadâl und dem Castillo fern, sondern biegt stattdessen noch vor halbem Wege nach Osten ab ins Gebirge zum vereinbarten Treffpunkt nach Grezzano. Ich will, dass ihr noch vor Sonnenuntergang dort seid. Vor allem das letzte Wegstück wird nicht einfach, doch wenn sie den Marmor von dort hinunter bekommen, werdet Ihr auch ein paar Rösser dort hinauf bekommen. Lasst Euch unterwegs nicht aufhalten, verstanden, zeigt kein Wappen, und solltet ihr doch der Jungfer in die massigen Arme laufen, so sagt ihr seid vom Grafen mit der Suche nach seiner Tochter beauftragt, verstanden?“
Gualterio Colonna und des Condottieres Waffenmeister nickten beide, wobei das zufriedene Lächeln aus dem Antlitz des Jüngeren verschwunden war, als ihm der Ältere als Aufpasser zugeteilt worden war. Zumindest empfand der junge Teniente dies ganz offensichtlich so.
„Sofern ihr dort niemanden findet, wartet ihr auf uns. Wir werden es heute wohl nicht mehr schaffen“, blickte er zwischen zwei seiner Leute durch gen Osten, wo der Rand der Praiosscheibe nun deutlicher über das titanische Gebirge kroch. „Findet ihr die anderen, so lasst euch nicht für irgendwelchen Dummheiten einspannen. Priorität hat die Suche nach dem kleinen Praiodor und nach Domna Romina…“
„…nach Domna Romina und dem kleinen Praiodor“, berichtigte Servando Cronbiegler die Reihenfolge, doch fuhr der Condottiere scheinbar unbeeindruckt fort:
„Am besten wartet ihr alle, bis auch wir Grezzano erreicht haben. Sollte die Situation es gebieten, dass ihr sofort handeln müsst, so erwarte ich, dass ihr vorsichtig abwägt.“ Sein Blick wechselte zwischen dem jungen Teniente und dem erfahrenen Waffenmeister, wohl dem einen verdeutlichend, dass er keine Husarenstücke sehen wollte, und dem anderen, dass er gefälligst selbiges verhindern sollte, da der Jüngere es ja doch versuchen würde. „Und schickt mir verdammt noch mal Reiter zurück, wenn ihr irgendetwas entscheidet!“
„Bien“, schloss der Condottiere schließlich. „Gualterio, kümmere Dich um Deine Leute. Ihr brecht in einem halben Wassermaß auf. Derweil begraben wir unsere Toten, laden die Verwundeten auf Karren oder bringen sie nach Alina, und brechen das Lager ab.“ Die Aufträge waren rasch unter den restlichen Offizieren verteilt, sodass zuletzt nur noch Anzures bei seinem Freund stand.
„Der alte Castellan müsste bald hier sein“, stellte der Mercenario vorsichtig, aber mit deutlichem Grinsen im Gesicht fest.
„Ich weiß“, knurrte Hernán von Aranjuez. „Ginge es nach mir, so würden wir noch die Pflugschar über den Hof des Aliners ziehen und die Furchen mit Salz füllen, aber ich glaube nicht, dass uns Dom Rondrigo soviel Zeit zugestehen wird.“
„Wie wirst Du es ihm erklären?“
„Einen feuchten Kehricht werd ich ihm erklären, das geht ihn verdammt nochmal nichts an. Ich habe versucht es auf Castillo Ragath zu erklären, aber da wollte es ja niemand hören, also soll jetzt hernach auch niemand das Tränenbrünnlein bemühen. Außerdem haben wir einen halben Ferkinastamm aufgerieben, von denen nun niemand mehr die Untertanen Seiner Hochwohlgeboren ausplündert und erschlägt.“
Anzures Ballan grinste. „Oder über sein kostbares Töchterlein drüber…“
„Gewiss gibt es irgendetwas wichtiges, was noch der Erledigung harrt, nicht wahr?“, fuhr der Condottiere seinen Freund an, der sich dann mit einem schmunzelnden Schulterzucken trollte.
- Die Geschichte um die Vorhut wird fortgesetzt in: Schauplatz: Selaque, Teil 05.
Morgens
„Was bei allen Göttern ist hier vorgefallen!?“, riss Rondrigo vom Eisenwalde die Augen auf, als er sein Ross im soeben abgebrochenen Lager zwischen Alina und den Überresten des Junkergutes Rigoroso zügelte. Obwohl die schlimmsten Spuren schon beseitigt waren, sprachen die vielen Verwundeten Bände, von den Haufen erschlagener Ferkinas, um deren Verbleib sich niemand zu kümmern schien, ganz zu schweigen. Die eigenen Toten hingegen hatte man eilig auf dem aliner Boronsanger bestattet, in der Hoffnung, dass alsbald ein Boroni den nachträglichen Grabsegen würde sprechen können.
„Wir wurden von Ferkinas angegriffen“, sprach Servando Cronbiegler das Offensichtliche aus, und nickte Domna Lilithrud zu, die den alten Castellan auf seinem fruchtlosen Besuch auf Wildenfest begleitet hatte. Etwas leider fügte er hinzu: „Der Feuerschein des brennenden Junkerguts hat sie wohl angelockt.“
Die beiden Neuankömmlinge tauschten verständnislose Blicke aus, sodass der junge Caballero nach einem kurzen Blick über Schulter, wo sich wohl Hernán von Aranjuez befinden mochte, fortfuhr: „Der Baron hat den Gutshof niederbrennen lassen. Soviel ich weiß, gehörte er einem gewissen Ordonyo di Alina, und…“
Weiter kam er nicht, denn schon hatte Rondrigo vom Eisenwalde seinem Ross die Sporen gegeben, und war an ihm vorbei um sich auf die Suche nach dem Condottiere zu machen. Dieser hatte gerade einen Fuß in den Steigbügel des eigenen Pferdes gesetzt, als er über den Sattel hinweg den Castellan auf sich zu galoppieren sah. Augenblicklich verfinsterte sich sein Antlitz, wusste er doch, was ihm bevor stand.
„Was ist hier geschehen, Dom Hernán?“, fragte der alte Castellan bemüht ruhig, wiewohl sein schwer gehender Atem durchaus darauf schließen ließ, dass es in ihm ganz anders aussah. „Und sagt mir nicht, Ihr wäret von Ferkinas angegriffen worden.“
„Nun, aber genau so war es“, entgegnete der Baron und Junker, und schwang sich in den Sattel. „Wie ich sehe, wart ihr nicht sonderlich erfolgreich in Eurem Bemühen Euch die Unterstützung weiterer Vasallen Seiner Hochwohlgeboren zu versichern?“
Diese Spitze war mehr als Rondrigo vom Eisenwalde zu ertragen bereit war. „Glaubt nicht, ich wüsste nicht, was sich hier zugetragen hat!“, fuhr er den Condottiere an. „Dom Servando hat mir bereits Bericht erstattet, dass Ihr hier den Besitz irgendeines Junkers niedergebrannt habt, und nur deswegen die Ferkinas über euch hergefallen sind!“
Ungerührt zuckte Hernán von Aranjuez mit den Schultern. „Besser hier als wir vorbereitet waren, als anderswo unvorbereitet. Der Rest geht Euch im Übrigen nichts an. Ich hatte versucht Seine Hochwohlgeboren davon in Kenntnis zu setzen, doch geruhte man mich dahingehend im Rittersaal nicht anzuhören zu wollen. Wenn ich mich recht entsinne, wart Ihr ebenfalls dort.“
„Es war der Wunsch Seiner Hochwohlgeboren, dass Ihr Domna Romina, seine Tochter findet, und nicht irgendwelchen Fehden frönt! Priorität hat…“, ließ der Gräfliche nicht locker, derweil der Wagenzug mit den Verwundeten soeben den Schauplatz in Richtung Ragath verließ.
„Priorität hat die persönliche Ehre“, unterbrach ihn sein Gegenüber. „Ihr seid hier in Almada, Dom. Ordonyo di Alina hat mich angegriffen und einen meiner Männer getötet. Die Ehre gebot es, dies nicht ungesühnt zu lassen. Wir haben dadurch weder Zeit noch Leute verloren, denn gewiss werdet Ihr mir zustimmen, dass wir beim Kampf mit den Ferkinas hier bessere Voraussetzungen hatten als in den Bergen. Denkt an den Rossbannerorden.“
Die Erinnerung an das Schicksal der Ritter versetzte dem alten Castellan einen sichtbaren Stich ins Herz. Gekannte hatte er sie alle, und den einen oder anderen der Gefallenen mochte er gar Freund genannt haben. Tief holte Rondrigo vom Eisenwalde Luft, um dann leise zu antworten: „Glaubt nicht, dass diese Angelegenheit bereits beendet ist. Seine Hochwohlgeboren wird davon erfahren, das versichere ich Euch.“
„Oh…“, lächelte Hernán von Aranjuez dünn „…ich hoffe doch, dass ganz Almada davon erfahren wird.“ Dann richtete er sich in den Steigbügeln auf, und ließ den übers Haupt erhobenen rechten Zeigefinger mehrfach zum Aufbruch kreisen.
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