Chronik.Ereignis1044 Ein vergnüglicher Abend 09: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Selea Fabiola Al'Morsqueta|Fabiola]] unterdrückte ein Schmunzeln. Ihre neuste Bekanntschaft ließ nichts anbrennen. Und hatte nicht, in einem Anfall von Reue, den jungen Answin geschickt. Stattdessen sogar seine Schwester mitgebracht. Mit einem raschen Blick versicherte sie sich, dass der Innenhof vorzeigbar war.  
[[Selea Fabiola Al'Morsqueta|Fabiola]] unterdrückte ein Schmunzeln. Ihre neuste Bekanntschaft ließ nichts anbrennen. Und hatte nicht, in einem Anfall von Reue, den jungen Answin geschickt. Stattdessen sogar seine Schwester mitgebracht. Mit einem raschen Blick versicherte sie sich, dass der Innenhof vorzeigbar war.  
„Danke Duoro. Warte einen Moment, dann führe sie her. [[Ordonya Al’Morsqueta|Ordonya]], rasch, hol die anderen  beiden. Pagaia, gib in der Küche Bescheid. Keshlan, ...” Doch der Aranier war verschwunden.  
„Danke Duoro. Warte einen Moment, dann führe sie her. [[Ordonya Al'Morsqueta|Ordonya]], rasch, hol die anderen  beiden. Pagaia, gib in der Küche Bescheid. Keshlan, ...” Doch der Aranier war verschwunden.  




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Mit einer beiläufigen Geste bedeutete Domna Selea dem Hund, Platz zu machen, während sie auf die beiden Besucher zukam. „Domna Usanza, Dom Algerio, welch angenehme Überraschung, Euch als meine Gäste begrüßen zu dürfen. Bitte, verzeiht die Unordnung. Darf ich vorstellen, meine jüngeren Geschwister: Domnatella [[Sarkyoza Al’Morsqueta|Sarkyoza]], Domnatella Ordonya und Domnito [[Nandorito Al’Morsqueta|Nandorito]]. Bitte, erlaubt, dass ich Euch zu einer kleinen Erfrischung einlade. Was darf ich Euch anbieten, einen Wein, einen Tee, etwas anderes?”
Mit einer beiläufigen Geste bedeutete Domna Selea dem Hund, Platz zu machen, während sie auf die beiden Besucher zukam. „Domna Usanza, Dom Algerio, welch angenehme Überraschung, Euch als meine Gäste begrüßen zu dürfen. Bitte, verzeiht die Unordnung. Darf ich vorstellen, meine jüngeren Geschwister: Domnatella [[Sarkyoza Al'Morsqueta|Sarkyoza]], Domnatella [[Ordonya Al'Morsqueta|Ordonya]] und Domnito [[Nandorito Al'Morsqueta|Nandorito]]. Bitte, erlaubt, dass ich Euch zu einer kleinen Erfrischung einlade. Was darf ich Euch anbieten, einen Wein, einen Tee, etwas anderes?”


   
   
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Algerio zog den wieder ordentlich verpackten Fächer aus seinem Gürtel und überreichte ihn der rechtmäßigen Besitzerin. “Ihr scheint bei unserem letzten Treffen im Schwan etwas vergessen zu haben, Domna Selea. Ich war so frei es an mich zu nehmen, um es Euch zurückgeben zu können.” Es fiel ihm sichtlich schwer bei diesem Schauspiel das Gesicht nicht zu verziehen.  
Algerio zog den wieder ordentlich verpackten Fächer aus seinem Gürtel und überreichte ihn der rechtmäßigen Besitzerin. “Ihr scheint bei unserem letzten Treffen im [[Weinstube Schwarzer Schwan|Schwan]] etwas vergessen zu haben, Domna Selea. Ich war so frei es an mich zu nehmen, um es Euch zurückgeben zu können.” Es fiel ihm sichtlich schwer bei diesem Schauspiel das Gesicht nicht zu verziehen.  




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Fabiola hatte ihre Geschwister interessiert beobachtet. Wieder einmal stellte sie fest, wie unterschiedlich die drei im ersten Moment schienen. Auch wenn sie inzwischen wusste, dass sie in ihren grundlegenden Ansichten einander sehr ähnelten. Vermutlich war es [[Yessamina Al’Morsqueta|Yessaminas]] Erziehung zu verdanken. Warum hatte sie sich nur so lange gesträubt, zurückzukommen? Sie hatte sich mit ihrer Stiefmutter immer sehr gut verstanden, und bedauerte zutiefst, zu spät gekommen zu sein.  
Fabiola hatte ihre Geschwister interessiert beobachtet. Wieder einmal stellte sie fest, wie unterschiedlich die drei im ersten Moment schienen. Auch wenn sie inzwischen wusste, dass sie in ihren grundlegenden Ansichten einander sehr ähnelten. Vermutlich war es [[Yessamina Al'Morsqueta|Yessaminas]] Erziehung zu verdanken. Warum hatte sie sich nur so lange gesträubt, zurückzukommen? Sie hatte sich mit ihrer Stiefmutter immer sehr gut verstanden, und bedauerte zutiefst, zu spät gekommen zu sein.  


Sich aus ihren düsteren Gedanken lösend wandte sie sich an ihre Gäste. „Wie lange gedenkt Ihr zu bleiben? Es scheint mir, als könne die Antwort auf Eure Bitte zeitraubender sein, als ich dachte.”  
Sich aus ihren düsteren Gedanken lösend wandte sie sich an ihre Gäste. „Wie lange gedenkt Ihr zu bleiben? Es scheint mir, als könne die Antwort auf Eure Bitte zeitraubender sein, als ich dachte.”  
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„Vielen Dank. ’Langweilig’, ‘bäurisch’ und ‘wenig ambitioniert’ sind Meinungen, die ich in dem Zusammenhang auch schon gehört habe. Nun, wie auch immer. Das Alter der Familia hat natürlich seine Vor- und Nachteile. Wenn wir uns Mühe geben, dürften wir zu so ziemlich jeder anderen Familia eine Verbindung finden. Und zu so manchen anderen, nicht länger existierenden Geschlechtern.“ Wie zum Beispiel den Nachkommen der Behraimisunis und weiteren, ebenso wenig gesellschaftsfähigen.
„Vielen Dank. ’Langweilig’, ‘bäurisch’ und ‘wenig ambitioniert’ sind Meinungen, die ich in dem Zusammenhang auch schon gehört habe. Nun, wie auch immer. Das Alter der Familia hat natürlich seine Vor- und Nachteile. Wenn wir uns Mühe geben, dürften wir zu so ziemlich jeder anderen Familia eine Verbindung finden. Und zu so manchen anderen, nicht länger existierenden Geschlechtern.“ Wie zum Beispiel den Nachkommen der Behraimisunis und weiteren, ebenso wenig gesellschaftsfähigen.


„Allerdings sind die Verbindungen selten das gewesen, was man landläufig als besonders gute Partie bezeichnen würde. Weder meine [[Brinya Aurentia Al'Shirasgan|Mutter]] noch meine [[Yessamina Nasredi-Cigano|Stiefmutter]] waren bei der Eheschließung in der Erbfolge besonders weit vorn. Und meine [[Luciana Al'Morsqueta|Schwägerin]] steht zwar an zweiter Stelle in ihrer Familia, doch ist diese landlos. Gleiches gilt für die Fälle, in denen in andere Familias eingeheiratet wurde. Jedoch wurde stets auf die Blutlinie geachtet, sichergestellt, dass die Ansprüche einer [[Magnat|Magnatenfamilie]] an die adelige Herkunft über mehrere Generationen erfüllt wurden. Alter Adel, der weiß, was Traditionen bedeuten, wozu sie verpflichten."  
„Allerdings sind die Verbindungen selten das gewesen, was man landläufig als besonders gute Partie bezeichnen würde. Weder meine [[Brinya Aurentia Al'Shirasgan|Mutter]] noch meine [[Yessamina Al'Morsqueta|Stiefmutter]] waren bei der Eheschließung in der Erbfolge besonders weit vorn. Und meine [[Luciana Al'Morsqueta|Schwägerin]] steht zwar an zweiter Stelle in ihrer Familia, doch ist diese landlos. Gleiches gilt für die Fälle, in denen in andere Familias eingeheiratet wurde. Jedoch wurde stets auf die Blutlinie geachtet, sichergestellt, dass die Ansprüche einer [[Magnat|Magnatenfamilie]] an die adelige Herkunft über mehrere Generationen erfüllt wurden. Alter Adel, der weiß, was Traditionen bedeuten, wozu sie verpflichten."  


Fabiola schwieg einen Moment. Zumindest war immer darauf geachtet worden, dass die offizielle Herkunft den Ansprüchen genügte, das Wissen um eventuelle Wahrheiten im kleinen Kreis blieb. Diese Herangehensweisen waren sicherlich ein Grund, warum die A’Moraqueta die Wirren und Unruhen der Jahrhunderte so gut überstanden hatten. Dies, und die Tatsache, dass sich häufig auf allen Seiten der Konflikte Vertreter der Familia fanden. Weshalb sie sich wiederholt in der Rolle inoffizieller Vermittler wiedergefunden hatten, die unter der Hand gerne genutzt wurden, um zu deeskalieren. Bis dieser verfluchte [[Selindian Hal von Gareth|Verrückte]] mit seiner [[Hüter des Almadin|Mörderbande]] gewütet, so vieles durcheinander gebracht hatte. Fabiola merkte, dass ihre Emotionen hochzukochen drohten. Sie atmete tief ein. Denn am Ende hatte die Familia dank der Parteinahme ihrer Mutter auch diesen Konflikt überstanden.
Fabiola schwieg einen Moment. Zumindest war immer darauf geachtet worden, dass die offizielle Herkunft den Ansprüchen genügte, das Wissen um eventuelle Wahrheiten im kleinen Kreis blieb. Diese Herangehensweisen waren sicherlich ein Grund, warum die A’Moraqueta die Wirren und Unruhen der Jahrhunderte so gut überstanden hatten. Dies, und die Tatsache, dass sich häufig auf allen Seiten der Konflikte Vertreter der Familia fanden. Weshalb sie sich wiederholt in der Rolle inoffizieller Vermittler wiedergefunden hatten, die unter der Hand gerne genutzt wurden, um zu deeskalieren. Bis dieser verfluchte [[Selindian Hal von Gareth|Verrückte]] mit seiner [[Hüter des Almadin|Mörderbande]] gewütet, so vieles durcheinander gebracht hatte. Fabiola merkte, dass ihre Emotionen hochzukochen drohten. Sie atmete tief ein. Denn am Ende hatte die Familia dank der Parteinahme ihrer Mutter auch diesen Konflikt überstanden.
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„Folgt man dem Weg weiter gen Praios, trifft man bald auf die Ansiedlung [[Mestera]], den Amtssitz des Junkers. Der größte Ort des Junkerguts, und der einzige neben Tôrzîlba. Von dort werden die Wege schmaler, führen zur Brücke über die Theron-Schlucht gen [[Junkergut Dschadirez|Dschadirez]]. Die Brücke besteht aus Seilen und Brettern, ist für mutige Fußgänger und Reiter passierbar. Und für kleine, leichte Wagen, wenn man weiß, wie. Gen [[Artésa]] in der benachbarten Baronie liegt das [Gut Renocella|Weingut Renocella]], das ebenfalls der Familia gehört und bereits von der Lage an den Hängen der [[Madahöhen]] gen [[Yaquir]] profitiert. Vielleicht habt ihr von den dortigen Weinen gehört. Der [[Renocella|Rote und der Weiße]] sind gute Landweine, geeignet für Lagerung und Transport. Kenner bevorzugen jedoch den Cuvée, der durch die richtige Kombination der weißen und roten Trauben viel erlesener ist als die Summe seiner Teile.”  
„Folgt man dem Weg weiter gen Praios, trifft man bald auf die Ansiedlung [[Mestera]], den Amtssitz des Junkers. Der größte Ort des Junkerguts, und der einzige neben Tôrzîlba. Von dort werden die Wege schmaler, führen zur Brücke über die Theron-Schlucht gen [[Junkergut Dschadirez|Dschadirez]]. Die Brücke besteht aus Seilen und Brettern, ist für mutige Fußgänger und Reiter passierbar. Und für kleine, leichte Wagen, wenn man weiß, wie. Gen [[Artésa]] in der benachbarten Baronie liegt das [[Gut Renocella|Weingut Renocella]], das ebenfalls der Familia gehört und bereits von der Lage an den Hängen der [[Madahöhen]] gen [[Yaquir]] profitiert. Vielleicht habt ihr von den dortigen Weinen gehört. Der [[Renocella|Rote und der Weiße]] sind gute Landweine, geeignet für Lagerung und Transport. Kenner bevorzugen jedoch den Cuvée, der durch die richtige Kombination der weißen und roten Trauben viel erlesener ist als die Summe seiner Teile.”  


“Ich bin keine große Weinkennerin - ein Talent, das mit leider fehlt. Aber ich werde mir einen Eindruck verschaffen, wenn sich mir die Gelegenheit bietet”, versprach Usanza. “Vielen Dank!”
“Ich bin keine große Weinkennerin - ein Talent, das mit leider fehlt. Aber ich werde mir einen Eindruck verschaffen, wenn sich mir die Gelegenheit bietet”, versprach Usanza. “Vielen Dank!”
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„Das hört sich wunderbar an.“, seufzte Sarkyoza, die an Domna Usanzas Lippen gehangen hatte. „Kämpfe mit Taifados? Wie aufregend! Habt Ihr die alle vernichtet?“, erkundigte sich Ordonya interessiert. „[[Denicio Al’Morsqueta|Denicio]] ist im Kampf mit Taifados gefallen. Das war unser großer Bruder, der dem Ver…“ „… der sich viel am Hof Selindian Hals aufgehalten hat.“, fiel Fabiola ein. „Und wir vermuten, dass er bei Kämpfen gefallen ist, hat doch seit Jahren keiner von ihm gehört.“  
„Das hört sich wunderbar an.“, seufzte Sarkyoza, die an Domna Usanzas Lippen gehangen hatte. „Kämpfe mit Taifados? Wie aufregend! Habt Ihr die alle vernichtet?“, erkundigte sich Ordonya interessiert. „[[Denicio Al'Morsqueta|Denicio]] ist im Kampf mit Taifados gefallen. Das war unser großer Bruder, der dem Ver…“ „… der sich viel am Hof Selindian Hals aufgehalten hat.“, fiel Fabiola ein. „Und wir vermuten, dass er bei Kämpfen gefallen ist, hat doch seit Jahren keiner von ihm gehört.“  


“Die Südpforte ist mittlerweile von den Taifados befreit, ja, dank so tapferer Recken wie Eurem Bruder”, erklärte Usanza. “Es gibt zwar immernoch irgendwo in der Baronie einen kleinen Haufen verstreuter Goblins, aber in Blumenau selbst haben wir seit einigen Jahren keinerlei Probleme mehr damit.”
“Die Südpforte ist mittlerweile von den Taifados befreit, ja, dank so tapferer Recken wie Eurem Bruder”, erklärte Usanza. “Es gibt zwar immernoch irgendwo in der Baronie einen kleinen Haufen verstreuter Goblins, aber in Blumenau selbst haben wir seit einigen Jahren keinerlei Probleme mehr damit.”
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Fabiola schenkte Tee nach. „Die beständige Bedrohung durch Horasier, Feuer und Taifados muss bedrückend sein. Wie schön, dass Ihr und die Euren den Blick für die Schönheit der Schöpfung und den Spaß am Leben nicht verloren habt. Welche Festivität empfehlt Ihr zu besuchen? Vielleicht lässt es sich einrichten, Blumenau dann zu besuchen. Mestera hat durch die recht geschützte, zentrale Lage wenig Probleme mit diesen Dingen. Trotzdem hat die Familia stets versucht, ihren Beitrag zu leisten und sich nicht nur auf Turnieren zu beweisen. Meine Mutter fiel für die [[::avwik::Rohaja von Gareth|Kaiserin]], im [[::avwik::Jahr des Feuers|Jahr des Feuers]]. Meine Eltern waren bei der Rückeroberung [[Omlad|Omlads]] beteiligt. Denicio bei den Taifados involviert. Und wenn es nach Ordonya geht, wird sie die neue größte Reckin des Reiches.“, schmunzelte Fabiola. „Feiern können wir allerdings auch auf Mestera.“  
Fabiola schenkte Tee nach. „Die beständige Bedrohung durch Horasier, Feuer und Taifados muss bedrückend sein. Wie schön, dass Ihr und die Euren den Blick für die Schönheit der Schöpfung und den Spaß am Leben nicht verloren habt. Welche Festivität empfehlt Ihr zu besuchen? Vielleicht lässt es sich einrichten, Blumenau dann zu besuchen. Mestera hat durch die recht geschützte, zentrale Lage wenig Probleme mit diesen Dingen. Trotzdem hat die Familia stets versucht, ihren Beitrag zu leisten und sich nicht nur auf Turnieren zu beweisen. Meine Mutter fiel für die [[avwik:Rohaja von Gareth|Kaiserin]], im [[avwik:Jahr des Feuers|Jahr des Feuers]]. Meine Eltern waren bei der Rückeroberung [[Omlad|Omlads]] beteiligt. Denicio bei den Taifados involviert. Und wenn es nach Ordonya geht, wird sie die neue größte Reckin des Reiches.“, schmunzelte Fabiola. „Feiern können wir allerdings auch auf Mestera.“  


“Na, dann bin ich umso glücklicher Eure Bekanntschaft gemacht zu haben und hoffe, dass Ihr Euch dann noch meiner erinnert, sollte ich mal Bedarf haben nach einer echten Heldin!”, entgegnete Usanza an Domnatella Ordonya gewandt. “Und mir scheint fast, als hätten unsere Familias mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Auch unsere Mutter fiel im Jahr des Feuers, und Algerio hier hat sich bei den Kämpfen wider die Taifados einen Namen gemacht.”
“Na, dann bin ich umso glücklicher Eure Bekanntschaft gemacht zu haben und hoffe, dass Ihr Euch dann noch meiner erinnert, sollte ich mal Bedarf haben nach einer echten Heldin!”, entgegnete Usanza an Domnatella Ordonya gewandt. “Und mir scheint fast, als hätten unsere Familias mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Auch unsere Mutter fiel im Jahr des Feuers, und Algerio hier hat sich bei den Kämpfen wider die Taifados einen Namen gemacht.”
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„Fabilea, du bist zurück!“, scholl eine angenehme, tiefe Stimme durch den Innenhof, noch bevor sie sich zu dem Ankömmling drehen konnte. „Entschuldige meine…“ Die Schritte verstummten abrupt.  
„Fabilea, du bist zurück!“, scholl eine angenehme, tiefe Stimme durch den Innenhof, noch bevor sie sich zu dem Ankömmling drehen konnte. „Entschuldige meine…“ Die Schritte verstummten abrupt.  


Fabiola erstarrte in ihrer Drehung. Für einen Moment verschlug es ihr den Atem. Sie hatte vergessen, wie umwerfend [[Tariano Al’Morsqueta|Tarillo]] aussah. Sein Ornat verlieh ihm Würde, die interessant mit seiner ansonsten lässigen Haltung kontrastierte. Der Staub seiner Reise, der [[Caldabreser]] in der Hand verliehen ihm etwas Verwegenes. Kein Wunder, dass seine Entscheidung für die [[::avwik::Peraine|Gütige Göttin]] damals zu… Unverständnis… bei der Kirche der [[::avwik::Rahja|Schönen Göttin]] geführt hatte, hätte er doch hervorragend in die Reihen Ihrer Geweihtenschaft gepasst.  
Fabiola erstarrte in ihrer Drehung. Für einen Moment verschlug es ihr den Atem. Sie hatte vergessen, wie umwerfend [[Tariano Al'Morsqueta|Tarillo]] aussah. Sein Ornat verlieh ihm Würde, die interessant mit seiner ansonsten lässigen Haltung kontrastierte. Der Staub seiner Reise, der [[Caldabreser]] in der Hand verliehen ihm etwas Verwegenes. Kein Wunder, dass seine Entscheidung für die [[avwik:Peraine|Gütige Göttin]] damals zu… Unverständnis… bei der Kirche der [[avwik:Rahja|Schönen Göttin]] geführt hatte, hätte er doch hervorragend in die Reihen Ihrer Geweihtenschaft gepasst.  


Seine Gnaden Tariano Al’Morsqueta hatte für einen kurzen Moment mitten in der Bewegung innegehalten, bevor er sie nahtlos mit einer formvollendeten Verbeugung gegenüber der Tischgesellschaft beendete.  
Seine Gnaden Tariano Al’Morsqueta hatte für einen kurzen Moment mitten in der Bewegung innegehalten, bevor er sie nahtlos mit einer formvollendeten Verbeugung gegenüber der Tischgesellschaft beendete.  
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„Sehr großzügig, vielen Dank.“ Tariano setzte sich. Die Hunde, zu denen sich ein weiteres großes Exemplar gesellt hatten, drängten heran, Aufmerksamkeit des Neuankömmlings fordernd. Der Geweihte kraulte jedes der Tiere einen Moment, bevor er sie mit einer Geste wegschickte und von Fabiola einen Tee entgegen nahm.  
„Sehr großzügig, vielen Dank.“ Tariano setzte sich. Die Hunde, zu denen sich ein weiteres großes Exemplar gesellt hatten, drängten heran, Aufmerksamkeit des Neuankömmlings fordernd. Der Geweihte kraulte jedes der Tiere einen Moment, bevor er sie mit einer Geste wegschickte und von Fabiola einen Tee entgegen nahm.  


Er wandte sich an Algerio: „Ihr habt natürlich Recht, Dom Algerio. Es ist nicht der Zufall, sondern die Rückkehr meiner Schwester, die mich hierher führte. Wie Ihr vielleicht wisst, soll sie die Nachfolge unseres [[Pasquallo Al’Morsqueta|Vaters]] antreten. Angesichts der Komplikationen, die unklare Erbregelungen nach sich ziehen können, bat sie die Familia nach Punin, um die Vereinbarungen vor Zeugen festzuhalten. Zudem wollte ich Dom Amando bereits bei seinem Einzug die letzte Ehre erweisen, doch wurde ich aufgehalten, und werde es nachholen.“ Er nahm ein wenig Zucker und trank einen Schluck Tee. „Hervorragende Wahl.“, lächelte er seiner Schwester zu. „Was führt Euch, Dom Algerio, und Eure entzückende Schwester, nach Punin? Die [[Chronik.Ereignis1044 Ein Großer ist ins Licht gegangen 01|Beisetzung]]? Ich freue mich, dass Selea bereits Anschluß an die Gesellschaft gefunden hat. Woher kennt Ihr Euch?“ Die letzte Frage galt beiden Gästen.  
Er wandte sich an Algerio: „Ihr habt natürlich Recht, Dom Algerio. Es ist nicht der Zufall, sondern die Rückkehr meiner Schwester, die mich hierher führte. Wie Ihr vielleicht wisst, soll sie die Nachfolge unseres [[Pasquallo Al'Morsqueta|Vaters]] antreten. Angesichts der Komplikationen, die unklare Erbregelungen nach sich ziehen können, bat sie die Familia nach Punin, um die Vereinbarungen vor Zeugen festzuhalten. Zudem wollte ich Dom Amando bereits bei seinem Einzug die letzte Ehre erweisen, doch wurde ich aufgehalten, und werde es nachholen.“ Er nahm ein wenig Zucker und trank einen Schluck Tee. „Hervorragende Wahl.“, lächelte er seiner Schwester zu. „Was führt Euch, Dom Algerio, und Eure entzückende Schwester, nach Punin? Die [[Chronik.Ereignis1044 Ein Großer ist ins Licht gegangen 01|Beisetzung]]? Ich freue mich, dass Selea bereits Anschluß an die Gesellschaft gefunden hat. Woher kennt Ihr Euch?“ Die letzte Frage galt beiden Gästen.  


Erleichtert folgte Fabiola dem Gespräch. Sie bemerkte Sarkyozas Enttäuschung, als das Mädchen Usanzas Aufmerksamkeit verlor. Und die Nervosität ihres Gastes. Erinnerungen kamen hoch, wie nackt sie sich früher gefühlt hatte, wenn sie sich ohne ihren Fächer irgendwo wiederfand. Unauffällig schob sie Usanza den ihren hin, es als den Versuch tarnend, dem Gast nachzuschenken.  
Erleichtert folgte Fabiola dem Gespräch. Sie bemerkte Sarkyozas Enttäuschung, als das Mädchen Usanzas Aufmerksamkeit verlor. Und die Nervosität ihres Gastes. Erinnerungen kamen hoch, wie nackt sie sich früher gefühlt hatte, wenn sie sich ohne ihren Fächer irgendwo wiederfand. Unauffällig schob sie Usanza den ihren hin, es als den Versuch tarnend, dem Gast nachzuschenken.  
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Usanza schaute überrascht zu ihrem Bruder. Das waren Details, die sie so noch nicht gehört hatte. Und wenngleich sie ins Gesamtbild passten, wunderte sie sich, was tatsächlich noch vorgefallen war. So kannte sie ihren Gerio gar nicht. Aber zugleich freute es sie ihn so zu sehen.  
Usanza schaute überrascht zu ihrem Bruder. Das waren Details, die sie so noch nicht gehört hatte. Und wenngleich sie ins Gesamtbild passten, wunderte sie sich, was tatsächlich noch vorgefallen war. So kannte sie ihren Gerio gar nicht. Aber zugleich freute es sie ihn so zu sehen.  


Tariano war seiner Schwester einen verwunderten Blick zu. „Wie du schon so richtig feststelltest, mein Lieber, sind meine Bekanntschaften recht überschaubar. Dom Algerios Einladung war sehr förmlich, an einem [[Schwarzer Schwan|unverfänglichen Ort]]. Daher habe ich angenommen, und es nicht bereut. Sonst fänden wir uns heute nicht hier, in dieser Runde.” Der Geweihte schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Das wäre sehr schade, da stimme ich dir zu.”  
Tariano war seiner Schwester einen verwunderten Blick zu. „Wie du schon so richtig feststelltest, mein Lieber, sind meine Bekanntschaften recht überschaubar. Dom Algerios Einladung war sehr förmlich, an einem [[Weinstube Schwarzer Schwan|unverfänglichen Ort]]. Daher habe ich angenommen, und es nicht bereut. Sonst fänden wir uns heute nicht hier, in dieser Runde.” Der Geweihte schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Das wäre sehr schade, da stimme ich dir zu.”  





Aktuelle Version vom 3. November 2024, 08:13 Uhr

Punin, Peraine 1044 BF[Quelltext bearbeiten]

Anwesen der Familia Al’Morsqueta, nachmittags[Quelltext bearbeiten]

Autoren: Eliane, BBB

Das dezente Räuspern aus Richtung der Arkaden ließ Fabiola aufblicken. „Domna Usanza da Selaque von Culming und Dom Algerio da Selaque von Culming wünschen Euch zu sprechen, Domna.“, verkündete Duoro mit einer leichten Verbeugung.


Fabiola unterdrückte ein Schmunzeln. Ihre neuste Bekanntschaft ließ nichts anbrennen. Und hatte nicht, in einem Anfall von Reue, den jungen Answin geschickt. Stattdessen sogar seine Schwester mitgebracht. Mit einem raschen Blick versicherte sie sich, dass der Innenhof vorzeigbar war. „Danke Duoro. Warte einen Moment, dann führe sie her. Ordonya, rasch, hol die anderen beiden. Pagaia, gib in der Küche Bescheid. Keshlan, ...” Doch der Aranier war verschwunden.


„Wenn Ihr mir zu folgen geruht, ihre Wohlgeboren Selea Al’Morsqueta erwartet Euch.“ Mit einer Verbeugung führte Duoro die beiden Besucher durch eine doppelflüglige Tür in einen geschmackvoll eingerichteten Salon, der offensichtlich dazu gedacht war, Gäste zu empfangen. Porträts von mehreren Personen, gezeichnet und in schwarz-weiß, nicht wie üblich in Öl, zierten in kunstvoll gestalteten Rahmen die Wände. Dazwischen fanden sich einige wenige Landschaftsdarstellungen in leuchtenden Farben.

Doch der Raum war leer. Der Domestik schritt weiter voran, passierte die Glastür zum Innenhof und verbeugte sich, ohne die umlaufenden Arkaden zu verlassen. „Ihre Wohlgeboren, Domna Usanza de Selaque von Culming, und seine Wohlgeboren Dom Algerio de Selaque von Culming, Edler des Selkthals, Domna Selea.” Dann zog er sich zurück.


Der vor den Geschwistern von Culming liegende Innenhof war durch darüber gespannte Stoffbahnen teilweise beschattet und beherbergte neben einem Wasserspiel und zahlreichen Pflanzen eine Gruppe um einen niedrigen Tisch angeordnete Sitzgelegenheiten, von denen sich soeben Domna Selea und drei jüngere Personen erhoben, zwei Mädchen und ein Junge. Die Familie war wohl im Begriff gewesen, einen Nachmittagsimbiss zu sich zu nehmen. Weiter hinten auf dem Tisch stand ein begonnenes Spiel Rote und Weiße Kamele. An einem der Sessel lehnte eine Vihuela. Ein Hund spielte in der Nähe mit seinen Jungen. Als die Ankömmlinge den Salon verließen und unter die Markisen traten, wandte das Elterntier den Kopf zu den Fremden. Langsam und aufmerksam bewegte es sich zwischen die beiden Gruppen, gefolgt von den jüngeren Tieren.


Mit einer beiläufigen Geste bedeutete Domna Selea dem Hund, Platz zu machen, während sie auf die beiden Besucher zukam. „Domna Usanza, Dom Algerio, welch angenehme Überraschung, Euch als meine Gäste begrüßen zu dürfen. Bitte, verzeiht die Unordnung. Darf ich vorstellen, meine jüngeren Geschwister: Domnatella Sarkyoza, Domnatella Ordonya und Domnito Nandorito. Bitte, erlaubt, dass ich Euch zu einer kleinen Erfrischung einlade. Was darf ich Euch anbieten, einen Wein, einen Tee, etwas anderes?”


Noch bevor Algerio etwas sagen konnte, ergriff Usanza das Wort. “Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen, Domna Selea”, erwiderte sie die Begrüßung, “aber ich konnte die Gelegenheit, die Erbin des Junkergut Mestera persönlich kennen zu lernen, nicht ziehen lassen, wo wir doch alle schonmal zufällig zur gleichen Zeit in der gleichen Stadt sind.”

„Aber nein, Domna Usanza, Ihr kommt ganz und gar nicht ungelegen. Im Gegenteil, es ist eine Freude, neue Gäste begrüßen zu dürfen. Auch wenn ich hoffe, dass Ihr ob des überraschenden Besuchs den etwas formlosen Rahmen verzeiht. So traurig der Anlass ist, es ist beeindruckend, wie Dom Amando, Boron sei seiner Seele gnädig, auch über seinen Tod hinaus, versteht zu wirken, nicht wahr?“


Während Fabiola Usanza begrüßte, warf sie Algerio einen kurzen Blick zu. Ihre Augen glitzerten vergnügt. Unauffällig winkte sie ihren Geschwistern, Usanza und ihren Begleiter zu begrüßen. Sarkyoza war die erste. Mit bewunderndem Blick zu Usanza knickste sie. „Willkommen, Domna. Es ist eine Ehre, Euch hier begrüßen zu können. Willkommen, Dom Algerio.“


Algerio grinste belustigt und zwinkerte Fabiola verschwörerisch zu. “Und als ich von meinem lieben Bruder erfuhr, dass er etwas bei sich trägt, das eigentlich Euch gehört, ermahnte ich ihn, es so schnell wie möglich zurückzugeben - und natürlich bot ich an, ihn zu begleiten." Ihrer Stimme war viel Neugier und der Hauch eines Vorwurfs zu entnehmen, der jedoch offensichtlich ihrem Bruder galt, da dieser noch immer keine Anstalten machte, den Fächer zurückzugeben. “Algerio?”, ermahnte sie ihren Bruder etwas nachdrücklicher. “Ja, Usanza?” “Der Fächer!”, wiederholte Usanza, freundlich lächelnd, aber bestimmt. “Ah, ja, selbstverständlich.”


Fabiola musste sich sehr zurückhalten, nicht laut aufzulachen. Ein köstliches Schauspiel, das Algerio da bot. Und seine Schwester gefiel ihr sehr, sie bestätigte das Bild, das Fabiola von ihr gehabt hatte. Die Dynamik zwischen den beiden war ausgesprochen amüsant, zeugte von geschwisterlicher Zuneigung und wenig Wertschätzung für übertriebene Förmlichkeit.


Algerio zog den wieder ordentlich verpackten Fächer aus seinem Gürtel und überreichte ihn der rechtmäßigen Besitzerin. “Ihr scheint bei unserem letzten Treffen im Schwan etwas vergessen zu haben, Domna Selea. Ich war so frei es an mich zu nehmen, um es Euch zurückgeben zu können.” Es fiel ihm sichtlich schwer bei diesem Schauspiel das Gesicht nicht zu verziehen.


Fabiola nahm das Päckchen entgegen, schlug den Stoff zurück. „Ah, wie freundlich von Euch, Dom Algerio. Ich muss gestehen, mir ist nicht aufgefallen, dass ich den Fächer im Schwarzen Schwan vergessen habe. Das wäre ein herber Verlust gewesen. Vielen Dank, dass Ihr ihn mir erspart habt. Und mir gleichzeitig die Möglichkeit und das Vergnügen eröffnet habt, Eure ausgesprochen charmante Schwester kennen zu lernen. Zudem habt Ihr ganz nebenbei verhindert, dass ich dem Dienstmädchen fälschlicherweise unterstelle, das gute Stück verlegt zu haben. Ich weiß gar nicht, wie ich mich angemessen revanchieren könnte.“ Sie lächelte und legte den Fächer neben einen anderen auf den Tisch, an dem sie eben noch gesessen hatte. Sarkyozas und Ordonyas offensichtliche, etwas entgeisterte Überraschung ignorierte sie amüsiert.


Zufrieden wandte sich Usanza Domnatella Sarkyoza zu. Sichtlich gerührt erwiderte sie den Knicks und antwortete freundlich: “Die Ehre ist ganz meinerseits, junge Domnatella. Wie wohlerzogen und graziös Ihr doch seid. Es ist mir eine Freude Euch kennenzulernen.”

Sarkyoza Wangen röteten sich und sie sah verlegen zu Boden. „Vielen Dank, Domna Usanza. Ich gebe mir Mühe, und hoffe, eines Tages wenigstens über ein wenig von Eurer Eleganz zu verfügen. Ihr verkehrt doch sicher am Hofe und in höchsten Kreisen? Verzeiht, eine dumme Frage, natürlich.“ Sarkyoza wurde unsicher. Sie warf einen kurzen Blick zu ihren jüngeren Geschwistern, dann zu Fabiola, die ihr aufmunternd zulächelte.

“Keinesfalls”, stellte Usanza freundlich richtig, “Ihr müsst wissen, auch ich lebe die meiste Zeit nicht hier, sondern bei meiner Schwester, in einem kleinen Ort namens Blumenau. Ich komme zwar nach Punin, so oft es mir möglich ist - aber Eure Frage ist durchaus berechtigt.”


Sarkyoza atmete tief ein, bevor sie die zwei anderen jungen Leute sanft drängte: „Wollt ihr beiden, dass die Domna und der Dom uns für unzivilisierte Hinterwälder halten? Ihr wisst doch, was sich gehört.“

Die beiden begrüßten die Gäste ebenfalls, Ordonya mit einem etwas ungelenken Knicks, Nandorito mit einer ein wenig unbeholfenen Verbeugung.

„Möchtet Ihr Euch setzten, eine Erfrischung?“, erkundigte sich Sarkyoza, eher an Usanza als Algerio gewandt.


Im Rücken der beiden grinste Fabiola Algerio kurz an, bevor sie ihrer Schwester beisprang. „Bitte, wir bestehen darauf, nicht dass unsere Familia in den Ruf gerät, ungastlich zu sein.“

“Herzlich gern”, antwortete die Gefragte, ohne auch nur einen Seitenblick auf Algerios Reaktion zu werfen.


Die beiden Gäste nahmen Platz. Aus dem Schatten der Arkaden weiter hinten im Hof, halb von einer Säule verborgen, beobachtete eine Gestalt versunken die Szene.

“Für mich gern einen Tee”, beantwortete Algerio die Frage, die nun schon seit einiger Zeit im Raum stand. “Mir kam zu Ohren, das Haus Al’Morsqueta verfügt über einen erlesenen Teegeschmack.” Er grinste Fabiola freundlich, aber vielsagend zu, was seine Schwester offenbar bemerkte. “Ist das so, Algerio?” Und an ihre Gastgeber gewandt fuhr sie fort: “Dann schließe ich mich dem gerne an! Zu meiner großen Schande muss ich gestehen, dass ich nicht viel über das Junkergut Eurer Familia weiß, außer dass es traditionell und schon seit Alters her durch die Familia Al’Morsqueta verwaltet wird. Seid doch so lieb und schließt diese Lücke in meinem Wissen.”

„Ich fürchte, Eure Informationen sind nicht ganz korrekt, Dom Algerio. Die Begeisterung für Tee in seinen feinere Spielarten ist etwas, das ich von meinen Reisen mitgebracht habe.”

“Das klingt gleich viel sinnvoller, als eine alteingesessene Familia in der Waldwacht, die Tees anbaut”, musste Algerio grinsend zugeben.


“Es wird mir ein Vergnügen sein, sie mit Euch beiden zu teilen.” Fabiola sah über ihre Schulter und gab ein Zeichen. Eine junge Bedienstete erschien. „Tassen für unsere meine Gäste. Die Kanne und die Dose mit dem Gelben Tee aus meinem Zimmer. Kochendes Wasser.” Das Mädchen knickste und verschwand. „Erlaubt, dass wir in der Zwischenzeit mit diesem hier beginnen. Durchaus ein sehr guter, aber kein erlesener Tee. Für den familiären Alltag. Trinkt Ihr ihn gesüßt? Bitte, wenn Ihr etwas zu Naschen dazu wollt, trefft Eure Wahl.” Fabiola deutete auf die kunstvoll arrangierte Auswahl an Gebäck, Konfekt und Obst auf dem Tisch, während sie Anstalten machte, einzuschenken.

“Das ist sehr zuvorkommend von Euch, Domna Selea, habt Dank!” Usanza kam der Aufforderung gerne nach, nahm sich je ein Stück Gebäck und ein Stück Konfekt und legte sie vor sich auf den Teller, wartete dann.


Peinlich berührt räusperte Sarkyoza sich dezent. „Ja, Liebes?“ Die Domnatella beugte sich zu ihrer Schwester. „Du bist die Mundilla, die neue Junkerin, sobald wir zurück zu Hause sind. Für sowas haben wir doch Personal.“, flüsterte sie lauter als gewollt. „Was sollen denn unsere Gäste von uns denken?“ Fabiola schmunzelte, und erwiderte ebenso gut hörbar: „Da sie kultiviert, gebildet und weltgewandt sind, wissen sie natürlich, dass es im tulamidischen Raum, aus dem das Teetrinken stammt, ein Zeichen von Respekt gegenüber den Gästen ist, wenn ihnen der Gastgeber selber einschenkt.“ Ungerührt füllte Fabiola die Tassen, die gebracht worden waren. „Dazu ist der Gelbe Tee eine Kostbarkeit, die sorgfältige Zubereitung erfordert. Dafür fehlt der Küche noch die Erfahrung.“


Als alle versorgt waren, nippte Fabiola an ihrer Tasse und wandte sich an Usanza. „Es ist keineswegs eine Schande, wenig über Mestera zu wissen, Domna Usanza. Die Familie mag alt, und von jeher dort verwurzelt zu sein, doch hat es eine gewisse Tradition, sich eher zurück zu halten. Böse Zungen behaupten, wir seien einfach zu langweilig, dass sich jemand für uns interessiere, oder mit dem Fluch des Vergessenwerden belegt.”

“Oh, ein Fluch? Wie aufregend”, entfuhr es Usanza, aufrichtig entzückt. “Nun, Ihr habt immerhin mein vollstes Interesse!” Sie blickte kurz zu ihrem Bruder, der sich seinem Tee gewidmet zu haben schien, dann wieder aufmerksam zu ihren Gastgebern.

Fabiola schmunzelte und nickte ihren Geschwistern zu. „Was sollte Domna Usanza eurer Meinung nach unbedingt zuerst erfahren?”


„Wie schön Mestera ist! All die Orte und Besonderheiten, die es dort gibt.“, schlug Nandorito sofort vor, der bislang geschwiegen hatte. Ordonya schüttelte den Kopf. „Das interessiert doch gar nicht, das kennt die Domna bestimmt aus Blumenau. Viel wichtiger sind doch die vollbrachten Heldentaten im Kampf, die Triumphe und die Zuchten!” „Wollt ihr, dass sie uns für kulturlose Wilde hält?”, gab Sarkyoza zu bedenken. „Die Familia ist das Wichtigste. Woher wir kommen, wer wir sind, was uns auszeichnet. Woran wir interessiert sind, wofür wir uns begeistern.”

Algerio musste unwillkürlich grinsen. Er hatte zwar keinerlei Erinnerung an seine eigene Kindheit, aber immer, wenn er Zeit mit Ta’iros Kindern verbracht hatte, hatte er versucht sich vorzustellen, wie es wohl gewesen sein mochte. Wie er, Usanza und Madalena wohl als Kinder gewesen sein mochte. Vielleicht sah er es hier, vor sich. Und der Gedanke gefiel ihm.


Fabiola hatte ihre Geschwister interessiert beobachtet. Wieder einmal stellte sie fest, wie unterschiedlich die drei im ersten Moment schienen. Auch wenn sie inzwischen wusste, dass sie in ihren grundlegenden Ansichten einander sehr ähnelten. Vermutlich war es Yessaminas Erziehung zu verdanken. Warum hatte sie sich nur so lange gesträubt, zurückzukommen? Sie hatte sich mit ihrer Stiefmutter immer sehr gut verstanden, und bedauerte zutiefst, zu spät gekommen zu sein.

Sich aus ihren düsteren Gedanken lösend wandte sie sich an ihre Gäste. „Wie lange gedenkt Ihr zu bleiben? Es scheint mir, als könne die Antwort auf Eure Bitte zeitraubender sein, als ich dachte.” Usanza lächelte freundlich. “Wir wollen Euch nicht zur Last fallen und werden Eure Gastfreundschaft nicht über die Maßen strapazieren, aber… ich habe heute keine weiteren Verabredungen. Und von meinem Bruder weiß ich, dass er ein sehr neugieriges Naturell besitzt”, fügte sie mit einem Seitenblick hinzu.

„Ja, das deutete er an. Er versicherte mir, dass es reine Neugier und die vage Hoffnung auf ein Geschäft waren, dass ihn seine Einladung an mich aussprechen ließ. Ich muss sagen, bislang bereue ich nicht im Geringsten, ihr gefolgt zu sein. So interessante Gesellschaft hätte ich sonst sicherlich nicht so schnell genießen dürfen.”, lächelte Fabiola. „Sollte ich zu ausschweifend werden, lasst es mich wissen. Oder akzeptiert im späteren Verlauf meine Einladung zu einem bescheidenen Abendessen.“

Usanza musterte Algerio von der Seite und dieser zuckte entschuldigend mit den Schultern, wie Fabiola es schon mehrfach von ihm gesehen hatte. Es war offensichtlich, dass Usanza noch immer versuchte zu verstehen, wie es zu diesem Treffen gekommen war - auch wenn es ebenso offensichtlich war, dass sie die Gesellschaft sehr genoss.


“Das ist sehr freundlich von Euch”, bedankte sie sich, wieder an ihre Gastgeberin gewandt.

Fabiola nahm ein kleines Stück Konfekt, nippte an ihrem Tee, bevor sie fortfuhr. „Es stimmt, was Ihr sagtet. Meine Familia ist seit Alters her in Mestera ansässig. Auch, wenn wir die Junkerwürde erst seit der Herrschaft Eslams l innehaben. Das Stammgut Tôrzîlba hingegen ist, wenn man den Geschichten Glauben schenken darf, schon unter den Emiren Al’Madas im Besitz der Familia gewesen. Es heißt, unsere Stammmutter selbst habe es den Rotpelzen abgerungen. Ungewöhnlicher ist sicherlich, dass das Stammgut seit alters her vererbt wird. Was durch die wechselnden Herrscher Almadas wiederholt mit Brief und Siegel bestätigt wurde.“

“Sehr beeindruckend”, entfuhr es Usanza anerkennend, und auch Algerio schien beeindruckt.


„Vielen Dank. ’Langweilig’, ‘bäurisch’ und ‘wenig ambitioniert’ sind Meinungen, die ich in dem Zusammenhang auch schon gehört habe. Nun, wie auch immer. Das Alter der Familia hat natürlich seine Vor- und Nachteile. Wenn wir uns Mühe geben, dürften wir zu so ziemlich jeder anderen Familia eine Verbindung finden. Und zu so manchen anderen, nicht länger existierenden Geschlechtern.“ Wie zum Beispiel den Nachkommen der Behraimisunis und weiteren, ebenso wenig gesellschaftsfähigen.

„Allerdings sind die Verbindungen selten das gewesen, was man landläufig als besonders gute Partie bezeichnen würde. Weder meine Mutter noch meine Stiefmutter waren bei der Eheschließung in der Erbfolge besonders weit vorn. Und meine Schwägerin steht zwar an zweiter Stelle in ihrer Familia, doch ist diese landlos. Gleiches gilt für die Fälle, in denen in andere Familias eingeheiratet wurde. Jedoch wurde stets auf die Blutlinie geachtet, sichergestellt, dass die Ansprüche einer Magnatenfamilie an die adelige Herkunft über mehrere Generationen erfüllt wurden. Alter Adel, der weiß, was Traditionen bedeuten, wozu sie verpflichten."

Fabiola schwieg einen Moment. Zumindest war immer darauf geachtet worden, dass die offizielle Herkunft den Ansprüchen genügte, das Wissen um eventuelle Wahrheiten im kleinen Kreis blieb. Diese Herangehensweisen waren sicherlich ein Grund, warum die A’Moraqueta die Wirren und Unruhen der Jahrhunderte so gut überstanden hatten. Dies, und die Tatsache, dass sich häufig auf allen Seiten der Konflikte Vertreter der Familia fanden. Weshalb sie sich wiederholt in der Rolle inoffizieller Vermittler wiedergefunden hatten, die unter der Hand gerne genutzt wurden, um zu deeskalieren. Bis dieser verfluchte Verrückte mit seiner Mörderbande gewütet, so vieles durcheinander gebracht hatte. Fabiola merkte, dass ihre Emotionen hochzukochen drohten. Sie atmete tief ein. Denn am Ende hatte die Familia dank der Parteinahme ihrer Mutter auch diesen Konflikt überstanden.


Die Bedienstete räusperte sich. Auf Fabiolas Nicken hin trug sie eine filigrane Teekanne aus Glas heran und stellte ein kunstvoll mit Intarsien verziertes Kästchen daneben. In Küchenjunge brachte ein Stövchen mit einem Topf sprudelnd kochenden Wassers und zog sich mit dem Mädchen zurück.

“Zumindest lag ich nicht ganz daneben”, bemerkte Algerio und deutete mit einem Nicken in Richtung des Teegeschirrs. “Wenn der Tee hält, was das Geschirr verspricht, waren meine Erwartungen nicht unbegründet. Ein wirklich schönes Stück, wo habt Ihr es her?”

„Von einer Händlerin aus Rashdul, die einen begabten Glasbläser kennt. Er fertigt diese Kunstwerke für spezielle Kunden an und ich hatte das Glück, dieses Muster zu ergattern. Wenn Ihr es bevorzugt, können wir auch die Gläser dazu verwenden, nur habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten Personen außerhalb des tulamidischen Kulturraums mit Tassen und Bechern besser zurecht kommen.”

“Wirklich schön”, wiederholte Algerio. Und mit Blick auf Usanza fügte er hinzu: “Und danke für die Fürsorge, ich denke, Tassen und Becher sind eine gute Wahl.” Diese warf ihm als Antwort einen strengen Blick zu, sagte aber nichts.


„Was das Junkergut angeht, hat Domnito Nandorito Recht. Mestera ist schön. Es liegt an der praioswärtigen Grenze der Baronie Bangour, gen Rahja von der Schlucht des Theron gesehen. Der recht schmale, firunwärtige Teil grenzt an die Eisenstraße zwischen Bangour und Taladur, steigt in sanften Wellen gen Madahöhen an. Hier liegt eins unser kleineren Güter, eine Pferdezucht, die traditionell die Streitrösser der Kämpfer in der Familie bereitstellt.”

“Das klingt ganz hinreißend”, lobte Usanza entzückt. “Seitdem mein lieber Bruder das Edlengut in Selktehal überantwortet bekommen hat, blicke ich mit anderen Augen auf Gebirge. Es muss schön sein, dort aufzuwachsen.”

„Ihr seid jederzeit willkommen, Euch selbst einen Eindruck zu verschaffen. Blumenau und die Südpforte sind weniger bergig? Es ist so lange her, dass ich dort war.”, erkundigte sich Fabiola interessiert.

“Vielen Dank für die Einladung. Das ist sehr großzügig. Wenn ich es einrichten kann, werde ich dem gerne nachkommen. Blumenau ist allenfalls hügelig, wenn man es mit der Waldwacht vergleicht. Wir haben auch ein paar Anhöhen und Berge, aber nichts vergleichbares. Dafür viele Wiesen und… Blumen”, lächelte sie.


Usanza nahm einen Bissen vom Konfekt, verzog verzückt das Gesicht. “Das ist wirklich köstlich, Domna Selea, Ihr müsst mir Euren Lieferanten verraten. Und wenn Ihr eigene Pferde züchtet, solltet ihr an einem der Rennen im Selkethal teilnehmen… das würde Euch und Eure Zucht sicher bekannter machen, auch über Mestera hinaus, nicht wahr?” Algerio nickte zustimmen. “Ich werde Euch mit Freuden eine persönliche Einladung zukommen lassen”, versicherte er.


„Zu freundlich, der werde ich gerne nachkommen, so es irgendwie möglich ist. Auch wenn ich vermutlich eher mit einem Tier aus unserer zweiten Zucht, auf dem Stammgut zu Tôrzîlba antreten würden. Die dortigen Tiere sind nicht für Einsätze der schweren Reiterei gedacht, sondern auf Wendigkeit, Schnelligkeit und Eleganz gezüchtet. Nuianna, meine Stute, die Ihr gesehen habt, Dom Algerio, passt dazu. Obwohl, vielleicht wäre es ratsam, mit zwei Tieren anzutreten. Ein wenig Bekanntheit würde beiden Zuchten guttun. Würdet Ihr mir zwei Starter zugestehen, Dom Algerio?”

“Die Rennen sind offen für jeden, ganz im Sinne der schönen Göttin”, schmunzelte Algerio. “Solange ihr das Startgeld entrichten könnt, natürlich. Letztes Mal nahm die Familia von Taladur mit zwei Reitern Teil, und die Siegerin, Domna Verema, mit drei unterschiedlichen Pferden. Ihr Sieg hat der Bekanntheit ihrer Zucht sehr gut getan, soweit ich informiert bin. Vielleicht können wir das gleiche für Euch erreichen”, fügte er grinsend hinzu.

Fragend hob Fabiola leicht eine Augenbraue, bevor sie nickte. „Das wäre sehr zuvorkommend und selbstlos von Euch.“

“Keinesfalls selbstlos. Je mehr namhafte und gute Reiter teilnehmen, desto besser ist das auch für mich und mein Edlengut”, grinste Algerio.

„Ach ja, richtig, ich vergaß. Immer auf der Suche nach einer guten Gelegenheit.“, entfuhr es Fabiola mit zweideutigem Unterton.


Sie wandte sich an Usanza, nahm selber ein Stück Konfekt. „Mein Lieferant ist ein aufstrebender Stern, den ich entdeckt habe und versuche zu fördern. Ich werde ihn bitten, Euch eine Auswahl zukommen zu lassen, Domna Usanza. Wohin soll ich ihn schicken?”

“Oh, das wäre ganz allerliebst!”, erwiderte Usanza entzückt. “Wenn ich in Punin bin, verweile ich in einem Quartier im Theaterviertel. Ich notiere Euch die Adresse.”

Fabiola lächelte nickend. Es überraschte sie, dass Domna Usanza und Algerio nicht am gleichen Ort untergekommen waren. Und dass auch die Domna offenbar nicht in einem Anwesen der Culmings verweilte. Hatten diese keines in Punin? Oder war auch Usanza von der Familia entfremdet? Ein Rätsel für Keshlan, der noch immer verschwunden war. Zu schade, sonst hätte er die Bereitung des Tees übernehmen können, etwas, das er in Vollendung beherrschte. Nun, das Wasser musste inzwischen die rechte Temperatur haben, sie konnte nicht warten.

Fabiola griff nach dem Kästchen und öffnete es. Ein dezenter Duft verbreitete sich, während Fabiola mit einem kleinen Porzellanlöffel Blätter in ein Sieb gab, das Wasser, das nun genau die richtige Temperatur haben musste, darüber goss. Erst dann gab sie die Blätter in die gläserne Kanne und füllte das heiße Wasser hinein. Sanfte goldene Schlieren begannen, sich auszubreiten, während die Teeblätter im Wasser schwebten.


„Folgt man dem Weg weiter gen Praios, trifft man bald auf die Ansiedlung Mestera, den Amtssitz des Junkers. Der größte Ort des Junkerguts, und der einzige neben Tôrzîlba. Von dort werden die Wege schmaler, führen zur Brücke über die Theron-Schlucht gen Dschadirez. Die Brücke besteht aus Seilen und Brettern, ist für mutige Fußgänger und Reiter passierbar. Und für kleine, leichte Wagen, wenn man weiß, wie. Gen Artésa in der benachbarten Baronie liegt das Weingut Renocella, das ebenfalls der Familia gehört und bereits von der Lage an den Hängen der Madahöhen gen Yaquir profitiert. Vielleicht habt ihr von den dortigen Weinen gehört. Der Rote und der Weiße sind gute Landweine, geeignet für Lagerung und Transport. Kenner bevorzugen jedoch den Cuvée, der durch die richtige Kombination der weißen und roten Trauben viel erlesener ist als die Summe seiner Teile.”

“Ich bin keine große Weinkennerin - ein Talent, das mit leider fehlt. Aber ich werde mir einen Eindruck verschaffen, wenn sich mir die Gelegenheit bietet”, versprach Usanza. “Vielen Dank!”


“Die Leidenschaft meiner Schwester gilt eher den Künsten. Vorrangig dem Theater”, ergänzte Algerio - und allein die Erwähnung ließ Usanzas Augen aufleuchten.

„Ihr kennt das Theater, Domna Usanza? Würdet ihr mir davon erzählen? Ich war noch nie dort. Es muss wundervoll sein!“ In Sarkyozas Stimme lag ehrfürchtige Bewunderung. „Mit Kunst und Kultur können wir zu Hause nicht besonders glänzen.“, ergänzte sie etwas verlegen. „Stimmt gar nicht, du vergisst Papás Bilder.“, protestierte Ordonya. „Ich meine richtige Kunst.“, verteidigte sich Sarkyoza.

“Noch nie im Theater? Das werden wir ändern müssen”, entfuhr es Usanza, etwas unbedacht eine jedoch aufrichtig gemeinte Einladung aussprechend. “Es ist, als würde man in eine eigene Welt abtauchen. Ein wahr gewordener Traum. Die Geschichten, die auf der Bühne gezeigt werden, sind fantastisch, romantisch, dramatisch, voller Abenteuer, Leidenschaft und Hingabe… Die Musik! Das Schauspiel…!” Ihre Augen leuchteten, strahlten förmlich, und es war nicht schwer sich vorzustellen, dass sie einzelne Szenen des Theaters vor ihrem geistigen Auge sah, während sie davon erzählte. Algerio lächelte nur.


“Eurer Einverständnis vorausgesetzt”, fuhr Usanza an Domna Selea gewandt fort, “würde ich Euch und Eure reizenden Familie gern zu einem Abend im Puniner Schauspielhaus einladen. Ich bin sehr häufig dort. Es wäre mir eine Ehre!”

„Die Ehre wäre ganz unsererseits, Domna Usanza.“, erwiderte Fabiola freudig überrascht. „Das ist ein ausgesprochen großzügiges Angebot, das anzunehmen eine Freude ist.“ Sarkyoza seufzte begeistert, über das ganze Gesicht strahlend, während Fabiola fortfuhr: „Ich gebe zu, die Verantwortung für das Wohlergehen und die richtige Erziehung meiner Geschwister zu übernehmen, bereitet mir mehr Sorge als das Lehen. Insbesondere in Bezug auf gesellschaftliche Gepflogenheiten in unseren Kreisen habe ich Bedenken, nicht auf dem neusten Stand zu sein, nicht über die rechten Verbindungen zu verfügen. Insofern ist Eure freundliche Einladung mehr als nur willkommen. Wie kann ich mich revanchieren? Und wäre es akzeptabel, einen meiner Brüder an meiner statt zu schicken, sollte ich verhindert sein? Natürlich nur im äußersten Notfall, denn weder auf einen Abend in Eurer charmanten Gesellschaft noch einen Besuch im Theater würde ich freiwillig verzichten wollen.“

Usanza lächelte freudig, und zwinkerte der jungen Domnatella verschwörerisch zu. “Meine Einladung gilt Eurer Familie und umfasst selbstverständlich auch Euren Bruder, sofern ihn das Theater interessiert. Ich werde mich einmal umhören, was derzeit gespielt wird, vielleicht gelingt es uns ja noch eine Vorstellung zu finden, die sich zeitlich mit Eurem derzeitigen Aufenthalt hier überschneidet. Und was das Revanchieren betrifft: Seht es als eine Gelegenheit an, in der ich Euch ohne das wachsame Auge meines Bruders kennenlernen kann, sodass wir auch die Möglichkeit haben uns über all das auszutauschen, was vor den Ohren der allzu neugierigen Herrenwelt besser verborgen bleibt. Und wenn alles gut läuft, werdet Ihr sicher genügend Gelegenheiten bekommen, euch erkenntlich zu zeigen.”


Algerio warf seiner Schwester einen schnellen Seitenblick zu. War das ihr Versuch Fabiolas Absichten zu ergründen? So, wie Madalena es wahrscheinlich getan hätte? Er musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Wenn dem so war, dann stellte sie sich jedenfalls geschickter an, als ihre große Schwester, die bei solchen Dingen eher sehr geradeheraus war. Geschickter zwar… aber auch nicht wirklich subtil.

„Sehr gerne, Domna Usanza. Wenn Ihr mögt, können wir beiden uns die nächsten Tage gerne zum Frühstück treffen. Wie wäre es, wenn ich Euch ins Hotel Yaquirien einlade?“ Einen winzigen Moment warf Fabiola Algerio einen verschmitzten Blick zu. „Dann können wir uns ungestört unterhalten, von Frau zu Frau. Mir ist in der Tat aufgefallen, dass Euer Bruder gelegentlich ausgesprochen neugierig sein kann. Wenn auch auf eine recht charmante Art und Weise.“

“Wohl wahr, wohl wahr!”, bestätigte Usanza mit Blick auf ihren Bruder. “Die Einladung nehme ich sehr gern an.”

Fabiola reichte Domna Usanza den Konfekt. Nachdem ihr Gegenüber ihre Auswahl getroffen hatte, wandte sie sich wieder der Beschreibung ihres Lehens zu.


„Ist das Junkerngut im firunwärtigen Teil eher schmal und länglich, so dehnt es sich im praioswärtigen Teil gen Rahja. Hier liegt Tôrzîlba, mit der erwähnten Zucht und einem weitere Weingut. Es ist sehr viel kleiner als Renocella, und der dortige Wein ist exquisit, ein Rosé. Der Stammsitz der Familia grenzt an die wilderen Teile des Junkerguts, bewaldete Teile der Madahöhen. Hier finden sich die Korkeichen, deren Rinde in der Alchemie recht beliebt ist, und die legendären schwarz-weißen Trüffeln. Vielleicht habt Ihr von Ihnen schon einmal gehört.”

Usanza nickte. “Oh ja, davon konnte ich in der Tat schon probieren.”

„Die sind so lecker.”, strahlte Nandorito, während Sarkyoza verschämt errötete. „Nando, nicht doch… Das ist unangemessen…” „Aber sie sind lecker! Das sind andere Dinge, die der Schönen Göttin zugeordnet werden, doch auch!”, erhob der Junge Einspruch. Fabiola räusperte sich, mühsam ein Lachen unterdrückend. „In den Wäldern des Grenzgebietes lebt eine wilde Elfensippe! Und bei Tôrzîlba überwintern sogar Zahori!”, versuchte Ordonya die Situation zu retten, was ihr einen entsetzten Blick ihrer älteren Schwester einbrachte, die dann bangend zu den Gästen sah. Fabiola warf Algerio unauffällig einen Blick zu. Ob Usanza wohl der kleine Teil der Familie war, der seinen Freund missbilligte? Vermutlich nicht, sie wirkte sehr offen und freundlich.

Usanza schmunzelte. “Es klingt jedenfalls nach einem sehr schönen Ort, Eure Heimat. Wenn sich sogar Zahoris dort niederlassen. Und Elfen lassen sich sowieso nur an schönen Orten nieder, das ist ja allgemein bekannt! Zumindest die wilden Elfen.” Sie lächelte den Kindern freundlich zu und es war offensichtlich, dass sie die drei bereits ins Herz geschlossen hatte.

„Zahori lassen sich nirgends nieder, sie sind frei wie der Wind! Aber sie sind bei uns gern gesehen Gäste.“, erklärte Nandorito altklug, bevor er aufjaulte. „Das war mein Fuß!“ „Hast du dich am Tisch gestoßen? Wie ungeschickt.“, erkundigte sich Sarkyoza, merklich zufrieden, dass ihr heimlicher Tritt sein Ziel gefunden hatte, gleichzeitig um eine gelassene Haltung und einen guten Eindruck bemüht.


“Mir war gar nicht bewusst, wie groß Eure Ländereien sind, Domna Selea”, bemerkte auch Algerio, sichtbar bemüht nicht allzu offensichtlich zu grinsen. “Eine große Verantwortung für Euch. Aber auch eine Ehre.” Er fragte sich immernoch, ob mehr war als nur Neugier und Reiselust, die Fabiola dazu getrieben hatten, ihre Heimat zu verlassen und auf Reisen zu gehen. Aber er war sich sicher hier ein paar der Gründe dafür zu sehen, wegen derer sie zurückgekommen war.

„Es klingt größer, als es ist.“, wiegelte Fabiola verlegen ab. Mit einem Blick versicherte sie sich, dass die Tassen ihrer Gäste leer waren. Schwungvoll goß sie zunächst Usanza, dann Algerio und schließlich der Familie aus der gläsernen Kanne ein. Der Tee schimmerte golden. „Ich würde empfehlen, ihn erst ungesüßt zu probieren. Eine hervorragende Sorte. Es heißt, diese oder ähnliche werden angeblich auch an den Höfen in Zorgan, Rashdul und Khunchom getrunken.“


“Herzlichen Dank!” Usanza roch zunächst am Tee, nahm dann vorsichtig einen Schluck des heißen Getränks. Ein Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen. “Wie mein Bruder vorhin schon andeutete, bin ich mit den tulamidischen Gepflogenheiten nicht allzu vertraut - aber dieser Tee ist köstlich. Ein wahrer Genuss. Vielleicht muss ich Algerio doch noch auf seinen Reisen jenseits der Kohm begleiten.” “Du weißt, du wärst mir jederzeit willkommen”, erklärte Algerio augenzwinkernd.

„Wenn Ihr vor Eurer Reise eine weibliche Sicht auf die dortigen Gepflogenheiten, ein wenig Rat und hilfreiche Kontakte wollt, stehe ich Euch gerne zur Verfügung. Die Tulamiden sind in manchen Dingen doch recht… anders. Selbst die Aranier, denen man das mittelreichische Erbe gelegentlich noch anmerkt.“, bot Fabiola an.

Usanza überlegte kurz. “Ich weiß nicht, was mich mehr sorgt… die fremden Gepflogenheiten der Tulamiden oder das ungehobelte Gehabe von Algerios Männern auf seinen Handelsreisen”, scherzte sie, und Algerio musste lachen.

“Für dich würde ich selbstverständlich immer ein Zimmer in der besten Taberna der Ortschaft reservieren”, versicherte er, und Usanza entgegnete: “Falls es denn eine solche gibt und ich nicht im Stall eines Bauern übernachten muss, nicht wahr?” Sie zwinkerte ihm wissend zu, wandte sich dann wieder an ihre Gastgeberin: “Vielen Dank, ich weiß Euer Angebot sehr zu schätzen und werde bei Bedarf darauf zurück kommen.”

Fabiola schmunzelte über das Geplänkel der beiden Geschwister. „Tut das gerne, Domna Usanza. Jederzeit.“


Dann fuhr sie fort: „Bevor ich mich unhöflicher Weise in einem langweiligen Monolog verliere… ich muss gestehen, dass ich viel zu wenig über Blumenau oder die Südpforte weiß. Es ist ebenfalls ein Junkergut, nicht wahr? Teil des Culminger Landes?“ Sarkyoza und Nandorito setzten an, etwas zu sagen, schwiegen dann aber, um den Gästen nicht vorzugreifen.

“Ja, das stimmt”, bestätigte Usanza, “es ist ein Junkergut, das unserer Mutter vor unserer Geburt von der damaligen Baronin verliehen wurde und das mittlerweile von unserer Schwester Madalena verwaltet wird. Es liegt in der Baronie Culming, den Stammlanden unserer Familia, nahe der horasischen Grenze.”

Sie nahm einen weiteren Schluck des Tees, ehe sie fortfuhr: “Die Nähe zu den Horasiern hat dafür gesorgt, dass die eigentlich sehr liebliche und unberührte Naturlandschaft in der Region schon viele kleinere und größere Auseinandersetzungen erlebt hat. Castillo Culming, der Stammsitz unseres Hauses, beispielsweise, wurde als Bollwerk wider die Horasier geschaffen.” Sie schaute einen Moment auf ihren Tee, fuhr dann etwas weniger fröhlich fort: “Unser Soberan, Dom Stordan, hat sich meines Wissens viel Mühe gegeben, die Region wieder zu altem Glanz zu führen. Aber leider ist es ein schwieriges Unterfangen. Wir hatten in der Region eine Weile sehr mit Taifados zu kämpfen, die das Land für sich beanspruchten, und auch wenn diese erfolgreich zurückgeschlagen werden konnten, wird es wohl noch eine ganze Weile brauchen, ehe die Schäden, die sie angerichtet haben, vollends beseitigt sind. Zudem führt die Hitze bisweilen zu unkontrollierbaren Waldbränden, die schon manches Leben gefordert haben.”

Sie seufzte kurz. Dann kehrte das Lächeln zurück. “Aber Blumenau ist auch eine schöne Heimat. Ich bin dort geboren und aufgewachsen, habe mein ganzes Leben dort verbracht. Das heißt, wenn ich nicht für einen Theaterbesuch in Punin weilte”, fügte sie lächelnd und an Domnatella Sarkyoza gewandt hinzu. “Die Menschen dort jedenfalls haben sich die Freude am Leben nicht nehmen lassen. Es ist eine kleine Ortschaft umgeben von Wiesen und vielen wilden Blumen, mit denen man wunderschöne Dinge machen kann. Düfte gewinnen zum Beispiel, oder Stoffe färben. Wir lieben es, Feste zu feiern, wenn es einen Anlass dafür gibt. Und wenn nicht, versuchen wir einen zu erfinden”, fügte sie hell lachend hinzu.


„Das hört sich wunderbar an.“, seufzte Sarkyoza, die an Domna Usanzas Lippen gehangen hatte. „Kämpfe mit Taifados? Wie aufregend! Habt Ihr die alle vernichtet?“, erkundigte sich Ordonya interessiert. „Denicio ist im Kampf mit Taifados gefallen. Das war unser großer Bruder, der dem Ver…“ „… der sich viel am Hof Selindian Hals aufgehalten hat.“, fiel Fabiola ein. „Und wir vermuten, dass er bei Kämpfen gefallen ist, hat doch seit Jahren keiner von ihm gehört.“

“Die Südpforte ist mittlerweile von den Taifados befreit, ja, dank so tapferer Recken wie Eurem Bruder”, erklärte Usanza. “Es gibt zwar immernoch irgendwo in der Baronie einen kleinen Haufen verstreuter Goblins, aber in Blumenau selbst haben wir seit einigen Jahren keinerlei Probleme mehr damit.”


Algerio hingegen hörte still zu. Die Politik rund um den Mondenkaiser hatte das Land schon einmal entzweit und er wusste, dass die Familia von Culming zu jenen Vertretern gehörte, die sich zu den engeren Unterstützern des Almadaner Königs gezählt hatte. Einige der Ansichten seiner königlichen Hoheit teilte ihr Soberan noch heute, und auch Algerio konnte nicht verhehlen, dass er mit der Novadi-Politik der Kaiserin nicht gerade einverstanden war.

Aber all das waren Themen für ein andermal und er war seiner Schwester sehr dankbar, dass sie in diesen Belangen eine bemerkenswert unpolitische Person war.


Fabiola schenkte Tee nach. „Die beständige Bedrohung durch Horasier, Feuer und Taifados muss bedrückend sein. Wie schön, dass Ihr und die Euren den Blick für die Schönheit der Schöpfung und den Spaß am Leben nicht verloren habt. Welche Festivität empfehlt Ihr zu besuchen? Vielleicht lässt es sich einrichten, Blumenau dann zu besuchen. Mestera hat durch die recht geschützte, zentrale Lage wenig Probleme mit diesen Dingen. Trotzdem hat die Familia stets versucht, ihren Beitrag zu leisten und sich nicht nur auf Turnieren zu beweisen. Meine Mutter fiel für die Kaiserin, im Jahr des Feuers. Meine Eltern waren bei der Rückeroberung Omlads beteiligt. Denicio bei den Taifados involviert. Und wenn es nach Ordonya geht, wird sie die neue größte Reckin des Reiches.“, schmunzelte Fabiola. „Feiern können wir allerdings auch auf Mestera.“

“Na, dann bin ich umso glücklicher Eure Bekanntschaft gemacht zu haben und hoffe, dass Ihr Euch dann noch meiner erinnert, sollte ich mal Bedarf haben nach einer echten Heldin!”, entgegnete Usanza an Domnatella Ordonya gewandt. “Und mir scheint fast, als hätten unsere Familias mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Auch unsere Mutter fiel im Jahr des Feuers, und Algerio hier hat sich bei den Kämpfen wider die Taifados einen Namen gemacht.”

Dieser winkte jedoch ab. “Viel wichtiger, beide Familias verwalten ein Lehen in der Waldwacht”, ergänzte er augenzwinkernd die Liste.

“Stimmt!”, entfuhr es Usanza. “Und beide scheinen gern zu feiern”, lachte sie. “Die schönste Zeit bei uns ist sicherlich die Zeit des Blumenfestes. Dann sind die Straßen bunt geschmückt mit all den in voller Blüte stehenden bunten Blumen der Region und es gibt einen großen Umzug und viel Tanz und Musik. Das ist auch meine liebste Zeit des Jahres.”


Gerade als Fabiola zu einer Antwort ansetzten wollte, erklangen aus den Schatten der Arkaden rasche Schritte fester Stiefel. Irritiert erhob sich Fabiola mit einer geschmeidigen Bewegung. Augenblicklich spürte sie Anspannung in sich, hatte doch kein Bediensteter weitere Besucher angekündigt. Und Leute, die unangekündigt in eine private Runde stürmten, bedeuteten nichts Gutes.


„Fabilea, du bist zurück!“, scholl eine angenehme, tiefe Stimme durch den Innenhof, noch bevor sie sich zu dem Ankömmling drehen konnte. „Entschuldige meine…“ Die Schritte verstummten abrupt.

Fabiola erstarrte in ihrer Drehung. Für einen Moment verschlug es ihr den Atem. Sie hatte vergessen, wie umwerfend Tarillo aussah. Sein Ornat verlieh ihm Würde, die interessant mit seiner ansonsten lässigen Haltung kontrastierte. Der Staub seiner Reise, der Caldabreser in der Hand verliehen ihm etwas Verwegenes. Kein Wunder, dass seine Entscheidung für die Gütige Göttin damals zu… Unverständnis… bei der Kirche der Schönen Göttin geführt hatte, hätte er doch hervorragend in die Reihen Ihrer Geweihtenschaft gepasst.

Seine Gnaden Tariano Al’Morsqueta hatte für einen kurzen Moment mitten in der Bewegung innegehalten, bevor er sie nahtlos mit einer formvollendeten Verbeugung gegenüber der Tischgesellschaft beendete.

Offensichtlich an Domna Usanza und Dom Algerio gewandt, erklärte er: „Domnatella, Dom, bitte entschuldigt meinen überstürzten, formlosen Auftritt. Der neue Bedienstete vergaß zu erwähnen, dass Gäste anwesend sind.“

Auf Fabiolas Gesicht breitete sich ein strahlendes Lächeln aus, während ihr Blick in die Richtung schnellte, aus ihr Bruder gekommen war. Wenn sie Keshlan in die Finger bekam, konnte er was erleben. Das war kein Versehen gewesen.


„Domna Usanza, Dom Algerio, darf ich vorstellen, seine Gnaden Tariano Al’Morsqueta, der mittlere meiner älteren Brüder, Diener der Gebenden. Ein zu lang vermisstes Familienmitglied.“ Leichter Tadel lag in Ihrer Stimme. „Tariano, Domna Usanza de Selaque von Culming aus Blumenau, und ihr Bruder Dom Algerio de Selaque von Culming, Edler des Selkethals.“

Der Geweihte trat auf die Gäste zu. Er griff nach Domna Usanzas Hand, verbeugte sich und begrüßte sie, mühelos den komplizierten feineren Regeln der Cortezza folgend. „Domnatella, es ist mir eine Ehre. Hätte ich gewusst, dass ich auf solchen Liebreiz treffen würde, ich hätte es nie gewagt, Euch in dermaßen verlottertem Zustand unter die Augen zu treten. Ich hoffe, Ihr seht mir diesen Fehltritt nach. Die Freude, meine Schwester zurück zu wissen, sie endlich persönlich begrüßen zu können, ließ mich meiner Ungeduld nachgeben.“ Dann wandte er sich an Algerio. „Dom Algerio, es ist mir ein Vergnügen. Gratulation zu Belehnung, und vor allem zu diesem famos erfolgreichen Rennen, das Ihr auf Euren Ländereien ausgerichtet habt. Ich hoffe sehr, bis zum nächsten Mal über ein geeignetes Pferd und die Zeit zu verfügen, um teilnehmen zu können.“

Erst dann drehte er sich zu Fabiola. Einen winzigen Moment zögerte er, bevor er sie doch in seine Arme zog. „Schön, dass du gekommen bist. Wirst du bleiben?“ Sie erwiderte die Umarmung, ging dann ein wenig auf Abstand. Mit hochgezogener Augenbraue erwiderte sie: „Ich bin nicht die Letzte der Familia, auf die alle anderen warten. Es kommt auf deine Sicht an. Sag, möchtest du uns hier Gesellschaft leisten oder dich zunächst erfrischen?“

Tariano begrüßte zunächst auch die jüngeren Geschwister herzlich. Als er Sarkyoza an sich zog, schwankte diese sichtlich zwischen der Freude, ihn zu sehen und dem Verlangen, auf Domna Usanza kultiviert und erwachsen zu wirken. Die anderen beiden hatte keinerlei Bedenken. „Ich würde liebend gerne zu dieser Runde hinzustoßen, bei dieser reizenden Gesellschaft.“ Sein freundliches Lächeln traf Usanza einen Moment länger als Algerio. „Aber ich möchte niemand mit meinem Aufzug zu nahe treten.“

“Euer Aufzug stört uns in keinster Weise, Euer Gnaden”, erwiderte Algerio, der von allen Anwesenden am wenigsten emotional angefasst schien. Anders als im Falle der Al’Morsquetas war der unerwartete Gast für ihn ein vollkommen Fremder, und anders als seine Schwester, auf die die imposante Erscheinung des jungen Mannes einen sichtbaren Effekt hatte, auch wenn sie sich große Mühe gab, dies nicht allzu offensichtlich werden zu lassen, war er es mehr als gewohnt, mit Würdenträgern zu interagieren. “Im Gegenteil, wir würden es uns nicht verzeihen, würden wir eine lang ersehnte familiäre Zusammenkunft unnötig weiter hinauszögern, nicht wahr, liebe Schwester?” Noch war er sich nicht sicher, ob Usanzas Reaktion am Stand Dom Tarianos als Geweihter lag, denn manchmal zeigte sie Autoritätspersonen gegenüber eine gewisse Nervosität, oder ob da noch… mehr war. Aber seine Neugier war geweckt.

“Nicht läge uns ferner, Euer Gnaden”, bestätigte auch Usanza. Sie hatte ein strahlendes Lächeln aufgesetzt, die Augen fest auf den neuen Gast gerichtet und ihre Finger suchten nach etwas, an dem sie sich festhalten konnte, vorzugsweise einen Fächer, um die sich anbahnende Wärme auf ihren Wangen zurück zu treiben. Doch leider fanden sie außer einem Becher Tee nicht viel. “Ich nehme an, Ihr seid nicht zufällig in Punin?”, ergriff Algerio erneut das Wort, in dem Versuch seiner Schwester einen Moment außerhalb der Aufmerksamkeit zu verschaffen.


„Sehr großzügig, vielen Dank.“ Tariano setzte sich. Die Hunde, zu denen sich ein weiteres großes Exemplar gesellt hatten, drängten heran, Aufmerksamkeit des Neuankömmlings fordernd. Der Geweihte kraulte jedes der Tiere einen Moment, bevor er sie mit einer Geste wegschickte und von Fabiola einen Tee entgegen nahm.

Er wandte sich an Algerio: „Ihr habt natürlich Recht, Dom Algerio. Es ist nicht der Zufall, sondern die Rückkehr meiner Schwester, die mich hierher führte. Wie Ihr vielleicht wisst, soll sie die Nachfolge unseres Vaters antreten. Angesichts der Komplikationen, die unklare Erbregelungen nach sich ziehen können, bat sie die Familia nach Punin, um die Vereinbarungen vor Zeugen festzuhalten. Zudem wollte ich Dom Amando bereits bei seinem Einzug die letzte Ehre erweisen, doch wurde ich aufgehalten, und werde es nachholen.“ Er nahm ein wenig Zucker und trank einen Schluck Tee. „Hervorragende Wahl.“, lächelte er seiner Schwester zu. „Was führt Euch, Dom Algerio, und Eure entzückende Schwester, nach Punin? Die Beisetzung? Ich freue mich, dass Selea bereits Anschluß an die Gesellschaft gefunden hat. Woher kennt Ihr Euch?“ Die letzte Frage galt beiden Gästen.

Erleichtert folgte Fabiola dem Gespräch. Sie bemerkte Sarkyozas Enttäuschung, als das Mädchen Usanzas Aufmerksamkeit verlor. Und die Nervosität ihres Gastes. Erinnerungen kamen hoch, wie nackt sie sich früher gefühlt hatte, wenn sie sich ohne ihren Fächer irgendwo wiederfand. Unauffällig schob sie Usanza den ihren hin, es als den Versuch tarnend, dem Gast nachzuschenken.


Algerio ergriff als erster das Wort. “In meinem Fall ist es tatsächlich die Beisetzung, die mich nach Punin führte. Auch wenn ich nie das Privileg hatte, Dom Amando persönlich kennen zu lernen, bin ich doch ein großer Freund der Kirchen und fühle mich ihnen sehr verbunden. Insofern bewundere ich auch, dass Ihr diesen Weg eingeschlagen habt.” Er nickte seinem Gegenüber anerkennend zu. “Eure Schwester habe ich beim Totenzug das erste Mal gesehen und mir erlaubt, ihr eine Einladung auszusprechen, die sie großmütig angenommen hat. Daher kennen wir uns.”

Usanza schaute überrascht zu ihrem Bruder. Das waren Details, die sie so noch nicht gehört hatte. Und wenngleich sie ins Gesamtbild passten, wunderte sie sich, was tatsächlich noch vorgefallen war. So kannte sie ihren Gerio gar nicht. Aber zugleich freute es sie ihn so zu sehen.

Tariano war seiner Schwester einen verwunderten Blick zu. „Wie du schon so richtig feststelltest, mein Lieber, sind meine Bekanntschaften recht überschaubar. Dom Algerios Einladung war sehr förmlich, an einem unverfänglichen Ort. Daher habe ich angenommen, und es nicht bereut. Sonst fänden wir uns heute nicht hier, in dieser Runde.” Der Geweihte schüttelte schmunzelnd den Kopf. „Das wäre sehr schade, da stimme ich dir zu.”


“Anders als mein lieber Bruder hier”, ergriff Usanza dann das Wort, “bin ich tatsächlich recht häufig in Punin, auch unabhängig von Trauerzügen. Ich war hier, um die Aufführung eines neuen Stückes am den Yaquirbühnen zu bewundern, als mich die Nachricht des Ablebens seiner Eminenz erreichte. Ein Stück, das ich nur wärmstens empfehlen kann”, fügte sie mit einem freundlichen Lächeln in Richtung Domnatella Sarkyozas hinzu. Das Mädchen strahlte sie an. “Wie steht Ihr zum Theater?”, schob sie eine weitere Frage hinterher.

„Wenn es sich ergibt und ich passende Begleitung finde, nutze ich die Gelegenheit, es zu besuchen. Leider passiert das für meinen Geschmack viel zu selten. Habt Ihr das neue Stück schon sehen können, Domnatella?”, erwiderte Tariano. „Domna Usanza hat uns ins Theater eingeladen.”, platzte es aus Sarkyoza heraus. „Wie großzügig von Euch. In nächster Zeit?” “Sobald die Familia Al’Morsqueta es einrichten kann”, erwiderte Usanza mit einem warmen Lächeln, das Algerio zum Schmunzeln brachte. Ihre Wortwahl umfasste eindeutig auch den Geweihten, ohne jedoch direkt eine Einladung auszusprechen.

“Ich konnte das Stück schon in einer frühen Aufführung sehen, und es ist wirklich sehr gelungen”, schwärmte sie. “Ich freue mich schon sehr auf einen weiteren Besuch.” „Wenn es Euch recht ist, schlagt doch einen Termin vor, Domna Usanza. Die nächsten drei, vier Tage werden recht geschäftig werden, aber danach sind wir frei. Tariano, du bleibst doch sicherlich, oder willst du Nandorito zumuten, allein mit so vielen Damen unterwegs zu sein? Dom Algerio, schließt Ihr Euch uns an?”, schlug Fabiola vor.

“Wenn ich es einrichten kann, sehr gern”, bestätigte dieser Augenzwinkernd. “Es ist eine Weile her, dass ich mit meiner lieben Schwester im Theater gewesen bin.” “Was nicht an mangelnden Gelegenheiten oder fehlenden Einladungen gelegen hat, liebster Bruder”, entgegnete diese. Algerio zuckte die Schultern. “Leider wahr, das nehme ich auf mich”, gab er zu. “Dann werde ich mich beim Theater melden und nachfragen, wann sie noch eine Loge für uns frei haben. Ich lasse dann alsbald Nachricht senden.”


Fabiola erhob sich. „Entschuldigt mich einen Augenblick, ich will nur kurz sicherstellen, dass das Abendessen unsere Gäste nicht entäuscht.” Sie verschwand im Schatten der Arkaden, blieb kurz stehen, um mit jemand ein paar gedämpfte Worte zu wechseln, bevor sie ihren Weg fortsetze.