Chronik.Ereignis1044 Ein vergnüglicher Abend 08

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Punin, Peraine 1044 BF[Quelltext bearbeiten]

Autoren: BBB

Es klopfte. „Sanza?“

Gerio, mein Lieber!“ Die Blondine, die eben noch am Fenster gestanden und gedankenverloren auf die Straßen Punins geschaut hatte, eilte durch das Zimmer und fiel ihrem großen Bruder in die Arme. „Es ist ewig her, dass du mich besucht hast – wie schön dich zu sehen!“

Der Edle vom Selkethal erwiderte die herzliche Umarmung. „Ich freue mich auch.“ Einen kurzen Moment standen sie wie angewurzelt im Eingang des Hotelzimmers, welches Usanza zu mieten pflegte, wenn sie in der Capitale verweilte, ehe sie die innige Umarmung lösten. Algerio zuckte grinsend mit den Schultern: „Manchmal muss eben erst ein hochrangiger Inquisitor sterben…“

„Du bist unmöglich!“, beschwerte sich seine Schwester lachend, während sie ihm mit der Hand spielerisch empört auf die Schulter schlug. Dann ging sie wieder in Richtung des Fensters und Algerio folgte ihr.

„Ist es also die Beisetzung, die dich herführt? Oder sind es wie üblich Geschäfte?“, fragte Usanza neugierig und etwas neckend.

„Vielleicht von beidem ein wenig“, erwiderte Algerio schulterzuckend. Er trat neben seine Schwester, folgte ihrem Blick über die Straßen der Capitale. Sanza liebte es hier, liebte die Kultur, die Punin ihr bot, die vielen Ablenkungen und Lustbarkeiten. Wann immer es ihr möglich war, kam sie her und verbrachte ein paar Tage hier, in der gehobenen Gesellschaft. Fernab von Blumenau, von ihrer beider großen Schwester, von der Provinz.

Fernab von potenzielles Querellas der Familia. Was ihn zu seinem Anliegen führte.

„Spaß beiseite. Du weißt, dass es mich immer freut dich zu sehen.“ Brüderlich legte er seinen Arm um die Schultern seiner kleinen Schwester, die ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Er küsste ihren Schopf, blickte dann wieder aus dem Fenster. Irgendwo in dieser Richtung musste das Theater liegen, das sie so liebte. Hatte sie sich deshalb für diese, durchaus bescheidene Unterkunft entschieden? Wegen der Nähe zu den Yaquirbühnen? „Und deswegen habe ich vielleicht eine Möglichkeit gefunden, die dir eine Ausrede gibt, öfter nach Punin zu kommen. Und vielleicht sogar zu mir; in die Provinz“, fügte er nach einer kurzen Pause schelmisch hinzu.

Usanza, ohne den Kopf zu heben, schaute zu Algerio auf.

„Wie meinst du das?“

„Sagt dir die Familia Al’Morsqueta etwas?“

Usanza überlegte einen Augenblick. Anders als ihrer beiden größere Schwester, Madalena, hatte Usanza ein durchaus ausgeprägtes Interesse an den großen Familias und der almadanischen Politik, weshalb es Algerio auch nicht wirklich überraschte, als sie schließlich antwortete: „Nicht viel, aber ich meine sie gehören zu den alten Magnatengeschlechtern der Waldwacht, nicht? Bekannte von dir?“

„Könnte man so sagen“, erwiderte Algerio grinsend. „Wenngleich bislang nur… flüchtig bekannt.“ In Gedanken schweifte er für einen kurzen Augenblick zurück zum vorgestrigen Abend, an dem er Domna Selea zum ersten Mal getroffen hatte. „Die neue Soberana der Familia hat erst kürzlich das Junkergut Mestera übernommen, und soweit ich weiß, hat sie zwei Schwestern in einem Alter, in dem der Rat und die Führung einer Domna von Welt höchst willkommen wären. Ich habe überlegt, ob du die Familia vielleicht kennenlernen wollen würdest? Und, so ihr ein gutes Verhältnis zueinander entwickelt, du dich ihrer wohl eventuell annehmen wollen würdest?“

Etwas überrascht löste sich Usanza aus der Umarmung, schaute ihren großen Bruder von schräg unten an. „Und jetzt möchtest du mit mir nach Mestera reisen, damit ich sie kennenlerne?“, fragte sie etwas argwöhnisch.

„Entweder das… oder wir gehen sie hier besuchen. Heute Nachmittag, zum Beispiel – sofern du nicht schon etwas vorhast. Domna Selea und ihre Schwestern sind meines Wissens ebenfalls bei den Trauerfeierlichkeiten anwesend gewesen… und noch in der Stadt.“ Usanza hob misstrauisch eine Augenbraue.

„Algerio… wie stellst du dir das vor? Wir können doch nicht einfach, ohne Einladung und ohne akzeptablen Grund, bei einer dir nur ‘flüchtig Bekannten’ und ihren Schwestern vorstellig werden? Du bist nicht Ta'iro, es gibt Regeln, Gerio“, tadelte sie.

„Wer sagt, dass ich keinen akzeptablen Grund habe?“, erwiderte Algerio schelmisch grinsend. Er hatte seine Schwester genau da, wo er sie haben wollte.

Diese musterte ihn einmal abschätzend. „Und was, liebster Bruder, könnte ein solcher sein? Magst du mir das verraten?“

Wie auf das Stichwort zog Algerio den Fächer, den Domna Selea ihm bei ihrem Abschied überreicht hatte, hervor, und präsentierte ihn seiner Schwester. „Ich muss doch wieder zusammenführen, was zusammengehört. Ihr ihren Fächer zurückgeben“, grinste er.

Usanza schien aus allen Wolken zu fallen. „Das ist ihr Fächer?“, fragte sie. Algerio nickte breit grinsend. „Woher hast du den?“, kam sofort die vorwurfsvolle Nachfrage.

Algerio konnte sich nunmehr das Lachen kaum noch verkneifen. „Vielleicht…“, setzte er zu einer Antwort an, „hat sie ihn irgendwo vergessen und ich habe ihn gefunden? Oder vielleicht hat sie ihn mir sogar gegeben? Wer weiß das schon so genau.“ Das Lachen brach aus ihm heraus, er konnte die ernste Fassade nicht mehr aufrecht erhalten.

Mit weit geöffnetem Mund und aufgerissenen Augen starrte Usanza ihren großen Bruder ungläubig an.

“Gerio!”, setzte sie vorwurfsvoll an. “Du… DU!”, wiederholte sie, mit dem Zeigefinger auf ihren lachenden Bruder deutend. “Keine Domna ‘vergisst’ ihren Fächer einfach so! Nicht aus Versehen, nicht…” Sie stockte kurz. “Du machst dich lustig über mich!”, stellte sie vorwurfsvoll fest.

“Nur ein kleines bisschen”, gab Algerio zu, herzhaft lachend und sich den Bauch haltend.

Wütend griff Usanza nach dem Fächer, entriss ihn Algerio, um, nach einem kurzen, irritierten Blick auf den Fächer in ihrer Hand, in Richtung der Tür zu stapfen.

“Wohin gehst du?”, fragte Algerio, noch immer lachend vor dem Fenster.

“Na was glaubst du? Ich gehe mir diese Junkerin von Mestera aus nächster Nähe ansehen, um mich ihrer Absichten zu vergewissern! Kommst du mit?” Usanza blickte ihrem Bruder herausfordernd entgegen, der sich, noch immer breit grinsend, aufmachte, ihr zu folgen. “Und außerdem habe ich gehört, sie hätte zwei reizende junge Schwestern, die meines Vorbilds bedürfen…”, fuhr sie fort, als Algerio zu ihr aufgeschlossen hatte. “Damit sie nicht an solche Tunichtgute wie dich geraten!”