Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 22: Unterschied zwischen den Versionen
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Amaros nutzte das Zögern der Wachen, um sich zu der Ohnmächtigen herabzubeugen. Er wollte sehen, ob sich die Reichsvögtin an dem Dolch verletzt hatte, auf den sie gestürzt war, und gleichzeitig nach dem Schlüssel zu dem Praioskragen suchen, den diese sicher niemandem sonst anvertraut hatte. | Amaros nutzte das Zögern der Wachen, um sich zu der Ohnmächtigen herabzubeugen. Er wollte sehen, ob sich die Reichsvögtin an dem Dolch verletzt hatte, auf den sie gestürzt war, und gleichzeitig nach dem Schlüssel zu dem Praioskragen suchen, den diese sicher niemandem sonst anvertraut hatte. | ||
'''Nahe Burg Albacim, nachts''' | |||
In dem Augenblick als seine Mutter im Kerker zusammenbrach, ihr Geist nachgebend unter dem Widerstreit arkaner und göttlicher Einflüsse, hatte Aureolus bereits die Tore des Castillos hinter sich gelassen, zwei Packesel mit sich führend, schwer beladen mit den wertvollsten Werken aus dem Nachlass seines Vaters und einigen Vorräten für die Reise ohne festes Ziel, die ihm bevorstand. Wohin sollte er sich wenden? Gen Raschtulswall mit seinen wilden Völkern der Berge, deren Stolz nach Rache für verlorene Schlachten schrie? Oder in das Tal des Yaquir mit seinen aufstrebenden Bürgern? Wie man hörte, verkehrte selbst Alara Paligan nun in jenen Kreisen. Mochte vielleicht gar sie, die sich verzweifelt dagegen auflehnte, wie die Fäden der Macht und des Lebens ihr entglitten, für ihn greifbar sein? So oder so brauchte er neue Verbündete - Verbündete deren Geist zu manipulieren ihm weniger Gewissensbisse bereitete. | |||
Von einer Anhöhe aus blickte er ein letztes Mal auf Castillo Albacim hinab. Irgendwo hinter diesen Mauern verbrannten in einer geheimen Kammer alles, was seine Mutter mit Rakolus von Schrotenstein verband oder sie hätte diffamieren können; zumindest alles, was ihm bekannt war. Der Vorteil der steinernen, fensterlosen Kammer war zweifellos, dass kaum die Gefahr bestand, dass die Flammen übergreifen und zur Gefahr für die mächtige Festung werden konnte. Dennoch war nun der einzige Ort, den er vielleicht als Zuhause hätte bezeichnen können, für ihn verloren. Ob nun seine Mutter zu ihrem einstmals so wachen Verstand zurückfinden und die Chance erkennen würde, die sich ihr bot, oder der Wahn der letzten Stunden sie endgültig verschlingen würde: Hierher konnte er nicht hoffen zurückkehren. "Lebe wohl, Mutter", flüsterte Aureolus von Elenta, und die Silben stiegen in kleinen Wolken zwischen seinen Lippen hervor, bevor sie sich in Nichtigkeit auflösten. | |||
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Aktuelle Version vom 11. Oktober 2015, 21:42 Uhr
Kaiserlich Selaque, 5. Tsa 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Burg Albacim, nachmittags[Quelltext bearbeiten]
Autor: von Scheffelstein
Praiosmin von Elenta drehte die winzige Papierrolle zwischen ihren Fingern und lächelte böse. Welch' überraschende Wendung in der anhaltend unerfreulichen Geschichte mit ihrer untreuen Vasallin aus dem Vanyadâl. Und welch' überraschender Beistand von unerwarteter Seite.
Noch einmal überflog die Reichsvogtin die wenigen Zeilen der Harmamunder Junkerin, die unter ihren schwitzenden Fingern bereits zu verlaufen begannen. Die da Vanyas wurden also verdächtigt, das Kloster La Dimenzia angezündet zu haben. Die greise Wildenfesterin und die unverschämte kleine Scheffelstein waren in sicherem Gewahrsam, aber ausgerechnet Rifada da Vanya befand sich auf freiem Fuß, die mutmaßlich die Anstifterin dieses Frevels war. Morena von Harmamund bat um Unterstützung bei der Gefangennahme und Überführung der Vanyadâlerin an ein Gericht. Ha, nichts lieber wollte Praiosmin tun, wenngleich ihr Ärger auf die Vasallin mittlerweile so groß war, dass es ihr durchaus recht wäre, wenn dieser bei der Gefangennahme aufgrund des zu erwartenden Widerstands ein kaum bedauerlicher Unfall widerführe.
Doch noch während Praiosmin von Elenta darüber nachdachte, wie sie die zuletzt gewonnenen Erkenntnisse zum größtmöglichen Schaden der unliebsamen Junkerin zu nutzen vermochte und wie sie ihren Gefangenen hierzu einsetzen konnte, nahm die Geschichte eine neuerliche Wendung, als einer ihrer Bediensteten sich verneigend eintrat und niemand anderen ankündigte als den Großinquisitor der Heiligen Reichskirche und Soberan der da Vanyas, Amando Laconda da Vanya, in Begleitung einiger Reisiger und ausgerechnet der Tochter ihrer Vasallin, der nicht minder unerfreulichen Gujadanya da Vanya.
Autor: SteveT
"Es ist Narretei, dass wir uns sozusagen geradewegs in die Kate der Hexe begeben, die uns alle umbringen will!", zischte Gujadanya da Vanya ihrem Soberan zum x-ten Mal an diesem Tage zu. Wenngleich sie hier als persona civil im purpur-goldenen Wappenrock ihrer Familia und nicht im Platten-Torso der Achmad'sunni unterwegs war, schien es ihr von Anfang an Unrecht und wider ihre eigene Überzeugung, in Begleitung eines Praioten durch die Lande zu reisen - selbst wenn es der eigene Großonkel war, dem sie natürlich - leider! - Respekt schuldete.
"Ich weiß, dass die Elenterin einst Eure Scholarin war - aber die Zeiten haben sich geändert, Oheim! Das Weib ist unser geschworener Feind und hasst uns wie die Zorgan-Pocken! Und ich hasse sie ebenso!"
Amando Laconda da Vanya drehte sich kurz zu ihr um und legte einen Finger auf die Lippen, während er die Treppenstufen zu Praiosmins Gemächern emporstieg. Gujadanya folgte ihm widerwillig, eine Hand am Säbelknauf. Da sie sich ihre Waffe nicht hatte abnehmen lassen, folgten ihr - neben zwei Bannstrahl-Ordensrittern ihres Großonkels - auch fünf in grün und weiß livrierte Büttel der Elenterin - einer hässlicher als der andere und damit schon äußerlich hervorragend an diesen bedrückenden Hof passend. Kalte Schauer liefen Gujadanya über den Rücken bei der Vorstellung, dass der zwölfmal verfluchte Schwarze Rakolus wahrscheinlich auch oft dieselben Treppenstufen wie sie nun emporgestiegen war, wenn er seiner Buhlschaft beiwohnen wollte. Es war eigentlich ungeheuerlich, dass eine solche Frevlerin und Dämonenbuhle noch immer in Amt und Würden war und ihnen nach wie vor Scherereien bereitete. Endlich gelangten sie zu einer doppelflügeligen Tür, vor der ein weiterer Büttel Wache stand. Der Soberan gebot ihr zu warten und trat dann nur ganz alleine zu seiner ehemaligen Schülerin in deren Gemächer ein.
Autor: von Scheffelstein
"Eure Eminenz!", begrüßte Praiosmin von Elenta den Großinquisitor mit einer beinahe überschwänglichen, aber alles andere als praiosgefälligen Freundlichkeit, kam sie doch weder von Herzen noch aus tiefster Seele. Der Ringkuss, den sie dem einstigen Mentor zukommen ließ, wirkte schon distanzierter, die kleinen Schweinsäuglein in dem aufgedunsenen Gesicht taxierten den Greis wachsam.
"Welch eine Ehre, Euch hier auf Albacim begrüßen zu dürfen." Praiosmin von Elenta winkte einer Magd, dem hohen Gast und ihr selbst aus dem Weinkurg einzuschenken, der zwischen zwei Kerzenleuchtern auf einem Nussbaumtischchen stand. Doch weder ließ sie ihrem Gast die übliche Bewirtung zuteil werden – am allerwenigsten das traditionelle Salzbrot, welches als Zeichen wohlwollender Gastlichkeit geteilt wurde –, noch bot sie dem da Vanya einen Platz auf einem der mit rosa Samt bezogenen Sesseln an. Stattdessen hob sie nur kurz den Pokal, als die Dienerin dem alten Mann einen zweiten reichte, setzte den ihren ohne Trinkspruch an die Lippen und nahm einen tiefen Zug.
"Was führt Euch nach all der Zeit hierher, Eminenz?"
Autor: Der Sinnreiche Junker
„Domna! Domna!“, schallte es lauter werdend von der Treppe zum Gemach der Reichsvogtin hinauf, gerade als der hochgestellte Gast zur Antwort ansetzte. Praiosmin von Elentas Äuglein weiteten sich sichtbar, stand doch ob Ton und Eile zu befürchten, dass derjenige schlechte Kunde überbrachte. Und das vor den Augen (und Ohren) des Großinquisitors. Für einen Moment schien die Elenterin mit dem Gedanken zu spielen zur Türe zu stürzen, und den Boten abzuwimmeln. Dies freilich, einmal vorausgesetzt es wäre ihr trotz ihrer Körperfülle rechtzeitig gelungen, mochte Dom Amando erst recht Verdacht schöpfen lassen. So holte Praiosmin von Elenta tief Luft, ehe im nächsten Augenblick Azzato von San Owilmar ohne anzuklopfen herein stürzte.
Die Reichsvogtin versuchte noch ihn mit einem vielsagenden Blick zu warnen, doch verschwanden derartige Nuancen unter einem von mehreren Doppelkinnen, sodass der japsende Caballero prompt und zur wachsenden Bestürzung der Hausherrin einfach drauf los plapperte: „Domna! Der Magier! Etwas stimmt nicht! Die Wachen haben ihm sein Essen unter der Türe hindurch geschoben, doch er rührt es nicht an. Sie wagen es nicht hinein…oh!“ Erst jetzt hatte er im Augenwinkel die unerwarteten Gäste bemerkt. „Oh!“, entfuhr es ihm ein weiteres Mal erschrocken, als er gewahr wurde, um wen es sich bei den Anwesenden handelte. „Ver…verzeiht, Ex…Eure Exzellenz. Ich wollte…äh…nicht…ich wollte nicht stören. Es ist nicht so wichtig. Kann warten. Ja, keine Eile. Verzeiht.“
Rasch neigte er das Haupt vor Amando Laconda da Vanya und dann vor seiner Lehnsherrin, wobei einem aufmerksamen Beobachter auffallen mochte, dass seine Gesichtszüge bei beiden ungefähr den gleichen Grad an Unwohlsein offenbarten. „Eure Exzellenz. Domna.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und machte Anstalten den Raum ebenso hastig wieder zu verlassen, wie er ihn betreten hatte...
Autor: von Scheffelstein
"Der Magier?", horchte der Großinquisitor auf und befahl dem Caballero mit einem Wink zu bleiben, ehe dieser wieder durch die Seitentür des Gemachs verschwinden konnte. Sein Blick suchte den der Reichsvogtin.
"Wegen eines Magiers suche ich Euch in der Tat auf, meine Tochter", erklärte er mit jenem durch Mark und Bein gehenden Ucurisblick seiner schwarzen Glutaugen, für den er im ganzen Reich bekannt war. "Das Kloster La Dimenzia der Heiligen Noiona zu Ragathsquell ist von einem solchen verheert worden. Ein Frevler wider die Zwölfe hat Tote zu widernatürlichem Leben erweckt und ist mit diesen vor die heiligen Hallen gezogen. Abt Marbodano ist tot, das Kloster niedergebrannt. Gegenwärtig sieht dort Amando von Harmamund nach dem Rechten. Der Frevler aber ist auf freiem Fuße. Mein Neffe, der Baron zu Schrotenstein, konnte die Spur des Unglückseligen bis nach Selaque hinein verfolgen. Aus diesem Grund bin ich hier: Um Euch zu warnen und um Euch aufzufordern, der Heiligen Reichskirche Eure Unterstützung zukommen zu lassen bei der Suche, Festnahme und Überführung des Frevlers an die Suprema."
Ohne die Reichsvogtin aus seinem strengen Blick zu entlassen, wies er auf den jungen Caballero. "Aber sagt: Seid Ihr meinem Neffen vielleicht bereits zuvor gekommen? Oder was für ein Magier ist es, den Ihr hier gefangen haltet?"
Autor:SteveT
Praiosmin war beim dummen Hereinplatzen ihres jugendlichen Liebhabers der kalte Schweiß ausgebrochen, der ihr tröpfchenweise die Stirn herabzurinnen begann, als ihr einstiger Mentor seinen stechenden Blick bekam, den er normalerweise nur bei kirchlichen Verhören aufsetzte. Aber vielleicht war genau ein solches der Grund seines Besuchs? Aber letztlich war das ihre Feste, er war Gast in ihrem Hause, und Gäste drangen nicht mit Verhörfragen in die Gastgeberin, wenn dieser nicht danach war. "Oh, Ihr sucht gewiss jemand anderen, Euer Eminenz!", winkte sie den Vorfall nonchalant ab. "Der Zauberer in meinem Kerker ist nur ein kleiner Aufrührer gegen meine praiosgewollte Herrschaft, der auf frischer Tat ertappt wurde, als er mit meinen Feinden umstürzlerische Pläne schmiedete." Dass es sich bei den 'Feinden' um die Nichte und Großnichte ihres Gastes handelte, verschwieg sie geflissentlich und hoffte, dass er es auch nicht aus ihren Gedanken lesen konnte, wie es dem Großinquisitor von einigen nachgesagt wurde.
Wenn Amando Laconda da Vanya Verdacht geschöpft hatte, so ließ er es sich zumindest äußerlich nicht anmerken. Nur als Praiosmin ihre Herrschaft als praiosgewollt bezeichnet hatte, waren kurz Falten auf seine Stirn getreten. Seiner Schülerin war landauf, landab eine Amorette mit Rakolus dem Schwarzen nachgesagt worden, und das Volk Selaques war unzufrieden mit ihrer Herrschaft. Trotz gewiss gewaltiger Einnahmen aus dem Marmorbruch galt das Kaisergut selbst im kargen Bosquirtal als Armenhaus der Region, und der Zehnt war seit Jahren rückläufig. Hier auf Albacim aber war absolut nichts ärmlich - ganz im Gegenteil!
"Bringt mich zu Eurem Gefangenen, meine Tochter", befahl Amando in strengem Ton. "Ich werde den Missetäter selbst in Augenschein nehmen und schnell aus ihm herausbekommen, ob er etwas mit der Freveltat zu schaffen hat oder nicht!"
"Wie Ihr wünscht, Eminenz!", nickte Praiosmin mit einem nur angedeuteten Knicks, zu dem sie bei ihrer Leibesfülle ohnehin kaum mehr in der Lage wäre. Sie verfluchte Azzato im Stillen und nahm sich vor, den Trottel auf eine Mission zu schicken, die gefährlich war und ihn erst einmal eine Weile von ihrem Hof fernhielt – zum Beispiel auf Da-Vanya-Land. "Aber Ihr verschwendet nur Eure Zeit, Eminenz – mein Gefangener kann Euch nichts verraten, denn er ist nur ein Rebell und Unruhestifter, der zaubern kann. Davon haben sich leider so einige hier im mir anvertrauten Kaisergut verkrochen." Sie ging ihrem Gast voran, um ihn hinab in den Kerkertrakt von Castillo Albacim zu führen, blieb jedoch wie angewurzelt stehen, als sie auf der Treppe Gujadanya da Vanya sah, die Tochter ihrer Erzfeindin, die sie vom unteren Treppenabsatz herauf hasserfüllt anstarrte.
"Was denn? Die ist auch hier in meinem Haus?", wandte sie sich entsetzt und angewidert flüsternd zum Großinquisitor um. "Schickt sie hinaus in den Hof - ich bringe alleine Euch zu dem Gefangenen!"
Autor: Lindholz
"Meine Großnichte", der Großinquisitor der Heiligen Reichskirche betonte das Wort, um die Vögtin an seine Verwandschaft mit dem Subjekt ihres Anstoßes zu erinnern, "gehört zu meiner persönlichen Bedeckung. Es wäre äußerst nachlässig von mir, sie nicht an meiner Seite zu haben, wenn ich mich der vielleicht gefährlichsten Konfrontation meiner Reise stelle."
Praiosmin von Elenta quälte sich ein Lächeln auf das feiste Gesicht: "Ich kann Euch versichern, dass alle nötigen Maßnahmen zur Sicherung des aufrührerischen Zauberers ergriffen wurden, Euer Eminenz. Wie Ihr Euch sicher erinnert, bin ich durchaus vertraut mit den üblichen Prozeduren."
"Und es liegt mir fern, Eure Fähigkeiten in Frage zu stellen, Domna Praiosmin, doch müssen wir bei dem Frevler, dem mein Besuch gilt, mit äußerster Heimtücke rechnen. Euch, mehr als den meisten, dürfte ja bewusst sein, wie schwer es sein kann, die wahren Tiefen eines solch verdorbenen Charakters zu durchschauen." Die schwarzen Augen des Illuminatus hefteten sich wie eine dräuende Anklage der Götter auf Praiosmin von Elenta. Erbleichend konnte sich die gestandene Vögtin nur mit Mühe davon abhalten, zurück zu weichen, und ihr blieb keine andere Wahl, als das Haupt ehrerbietig zu senken, bevor der unnachgiebige Blick ihres Gegenübers sich all zu weit in die dunklen Wahrheiten ihrer Seele bohren konnte.
Amando Laconda da Vanya setzte daraufhin den eingeschlagenen Weg fort. Mechanisch verblieb die Hausherrin an seiner Seite und feuerte die sich aufstauende Wut stattdessen mit ihren Schweinsäuglein auf die drahtig gewachsene da Vanya, die sich ihnen anschloss. Alleine schon der Gedanke, dass sie eine Feindin ihrer Person in ihrem Rücken dulden musste, trieb Praiosmin von Elenta fast zur Weißglut.
Während sie den Weg hinab in den Kerker antraten, begann die beleibte Adlige abzuwägen, in wieweit die ungewollten Entwicklungen ihr zum Nachteil gereichen konnten. Es war zu befürchten, dass seine Eminenz erfuhr, mit wem der Magier auf Reisen gewesen war, doch war dem Großinquisitor durchaus bekannt, dass es gewisse Differenzen zwischen ihr und dieser ungehobelten Rifada da Vanya gab und so würde sie sich im schlimmsten Fall eine Entschuldigung für ihr Vorgehen abpressen lassen müssen. Im Gegenzug musste ihr Gefangener jedoch, ob er nun war, wer er zu sein behauptete, oder auch nicht, alle Karten auf den Tisch legen, so er auf das Wohlwollen des Illuminatus bauen wollte. Vielleicht konnte sie also endlich in Erfahrung bringen, was diese Landplage von einer Junkerin ausgeheckt hatte. Nachdem die ersten Antworten des angeblichen Magiers von Stand nicht dem entsprochen hatten, was sie zu hören wünschte, hatte sie es ihren Untergebenen überlassen, die Wahrheit aus dem zwielichtigen Kerl herauszuholen. Doch mit Drohungen hatte man den jungen Mann bisher nicht dazu bringen können, von seinen Behauptungen abzulassen. Wie man ihr zugetragen hatte, war der Möchtegern-Aufrührer jedoch verweichlicht - was zumindest dafür sprach, dass er wirklich aus dem Yaquirtal stammte - und würde einer peinlichen Befragung nicht lange Widerstand entgegen bringen. Bisher hatte die Reichsvögtin jedoch aufgrund der geschwächten Gesundheit ihres Gefangenen keine entsprechenden Anweisungen erteilt. Doch nun würde es keine Geheimnisse mehr geben; schon öffnete sich die Tür zur Zelle des Verräters.
Der junge Magus war weiterhin an das Bett gefesselt, den schweren Eisenkragen mit den praiosgefälligen Zeichen erdrückend eng um den Hals. Er wirkte noch geschwächt, die Gesichtszüge blass unter dem ungleichmäßig gewachsenem Bart der letzten Tage, doch die Augen waren klarer als bei ihrem letzten Aufenthalt in der kleinen, jedoch weder feuchten noch lichtlosen Kerkerzelle und weiteten sich vor Überraschung als der Großinquisitor der Hausherrin in den Raum folgte.
"Welche dunklen Mächte Ihr auch immer auf Eurer Seite wähntet, sie haben Euch nun endgültig verlassen", verkündete die Reichsvögtin dem Gefangenen voll Zuversicht, "Seine Eminenz höchstselbst ist hier, um Eure Machenschaften aufzudecken."
"Ich habe keine Verbrechen zu gestehen, Euer Hochgeboren. Ihr seid es, die gegen geltendes Gildenrecht verstößt. Ich bin Amaros Desidero von Lindholz, anerkannter Adeptus der Großen Grauen Gilde des Geistes, erstgeborener Sohn des Barons von Artésa und Mitglied des Cabildo zu Ratzingen. Wie könnt Ihr es wagen, mich hier festzuhalten?" fuhr der Gefesselte scheinbar erbost auf, doch dem Illuminatus entging nicht, dass die zum Ausdruck gebracht Wut nicht mehr als eine Maske war, die Erleichterung und Hoffnung verbarg; Gefühle, die sich auf ihn, Amando Laconda da Vanya, richteten, ebenso wie die Aufzählung der Titel weniger der Reichsvögtin als vielmehr ihm zugedacht war.
"Wenn dies der Wahrheit entspricht", mischte sich daher der Großinquisitor in das aufkommende Wortgefecht ein, "So seid doch so gut und erklärt mir, was Euch in diese kaiserlichen Lande geführt hat, die von der edlen Reichsvögtin verwaltet werden."
Nachdem sich Gefangener und Hausherrin noch einen Augenblick angestarrt hatten, wandte sich der Yaquirtaler dem Großinquisitor zu. "Das werde ich sehr gerne tun, Euer Eminenz. Habt dank, dass Ihr mir Gehör schenkt", begann er schmeichelnd seine Ausführung, "Ich habe mich nach Castillo da Vanya begeben, um einen Brief meiner Schwester Alisea an Domna Richeza von Scheffelstein zu überreichen, die dort weilte, und um Einsicht in einige Unterlagen von Euch zu erbitten. Zweiteres gelang mir freilich nicht und das nicht nur, weil Ihr zu meinem Bedauern nicht zugegen wart, sondern auch, weil mir Domna Belisetha da Vanya berichten musste, dass sich die einst auf Castillo da Vanya verwahrten Dokumente derzeit im Besitz der Reichsvögtin befinden." Amaros von Lindholz warf Praoismin von Elenta einen kurzen Seitenblick zu, bevor er fortfuhr: "Ich machte mich daraufhin auf meinen Rückweg, auf dem ich von den Domna Belisetha, Domna Rifada und Domna Richeza begleitet wurde, die ebenfalls eine Reise anzutreten gedachten. Doch auf jenem Weg wurde ich des nächtens von einem Halunken angegriffen und schwer verletzt. Kurz darauf fand ich mich in der Obhut ihrer Hochgeboren wieder und wurde mit Vorwürfen eines angeblichen Verrates konfrontiert, die ich reinen Gewissens bestritt, was jedoch meine Lage nicht veränderte."
Autor: SteveT
"Was wagt Ihr Euch?", fauchte Praiosmin den gefesselten Amaros an und war mit zwei Schritten neben seiner Liege, wo sie ihm drohend ihren ausgestreckten Zeigefinger vor die Nase hielt. "Er sagt es ja selbst und gibt es freimütig zu: Er machte gemeinsame Sache mit Eurer Nichte Rifada, Eminenz, die mir seit vielen Jahren den Gehorsam verweigert und die nachweislich der verderbte Plan umtreibt, meine praiosgewollte Herrschaft zu stürzen! Auch deren Nichte Richeza ist eine gefährliche Aufrührerin und Rebellin, die mir erklärtermaßen nach dem Leben trachtet!"
"Praiosgewollte Herrschaft ... Pah!", spuckte Gujadanya mitten in der Kammer vor Praiosmin auf den Boden. "Das Volk hasst Euch, fettgefressene Dämonenbuhle! Es ist höchste Zeit, Eurem schändlichen Treiben ein Ende zu bereiten!" Ihre Hand lag auf ihrem Säbelknauf.
"Da! Hört Ihr das, Eminenz, wie mich Euer eigen Fleisch und Blut bedroht? Wache! Wache!", rief Praiosmin hysterisch. "Die Weiber Eurer Sippe wollen hier wieder eine Amazonenherrschaft einführen, wie es früher schon einmal war! Lasst das nicht zu, Euer Eminenz. Selaque muss unter Kontrolle eines frommen Dieners der Reichskirche bleiben. Darum habt Ihr Euch damals für meinen guten Oheim Radmon stark gemacht."
"Euer Oheim war genauso falsch und hinterlistig wie Ihr!", giftete Gujadanya, ehe ihr Amando mit einer herrischen Armbewegung Einhalt gebot. Tatsächlich kamen vom Gang her zwei mit Schwertern bewaffnete Büttel in den Selaquiner Farben in die Kammer gestürmt.
"Silentio!", befahl Amando Laconda da Vanya und warf seiner Großnichte einen warnenden Blick zu, die sich sichtlich nur mit Mühe auf die Zunge beißen konnte. "Wir sind hier zu Gast, Gujadanya! Verhalte dich entsprechend!" Zu Praiosmin gewandt sagte er in nur unwesentlich freundlicherem Tonfall: "Ich wünsche einen Moment mit dem Gefangenen allein zu sprechen! Bittet nehmt Eure Leute und wartet draußen auf dem Gang auf mich!"
Die beiden Wachen postierten sich links und rechts von Gujadanya, die selbst nach wie vor die Faust um den Griff ihrer Waffe hatte, und eskortierten sie aus der Zelle. Praiosmin ging den Dreien stirnrunzelnd und mit gesenktem Kopf hinterher, blieb jedoch zwischen Tür und Angel stehen, sodass ihre Füße zwar schon draußen auf dem halbdunklen Korridor standen, sie aber trotzdem jedes Wort mitbekam, das in der Zelle gesprochen wurde.
Autor: Lindholz
"Ich kenne den Inhalt des Briefes meiner Schwester nicht, Euer Eminenz, doch bezweifle ich stark, dass sie Ambitionen hegt, sich an irgendwelchen Intrigen oder handfesten Auseinandersetzungen hier in Selaque zu beteiligen - einem Landstrich, der so fern von unserer Heimat im Yaquital liegt und den sie meines Wissens nach noch nicht ein einziges Mal in ihrem Leben auch nur betreten hat", versuchte Amaros von Lindholz seine Position zu verteidigen. "Und auch mein Anliegen richtete sich allein an Euch und hat nichts mit den ... Befindlichkeiten der hiesigen Familias zu tun. Domna Rifada war lediglich so gütig, mir ihre Gastfreundschaft auf Castillo da Vanya anzubieten; ein Ausdruck von Freundlichkeit, den ich gerne annahm, denn ich, so muss ich gestehen, hatte die Unbill des Winters unterschätzt. Dieser Vorgang ist jedoch aus meiner Sicht nichts, was man als 'gemeinsame Sache machen' bezeichnen kann", wenn ich damals schon gewusst hätte, wie sich die Reichvögtin mir gegenüber aufführen würde, wäre ich entsprechenden Vorschlägen allerdings weniger abgeneigt gewesen, dachte der junge Zauberer währenddessen bei sich, die hat doch nicht mehr alle Füllung in der Madilla. Er atmete kurz durch und fuhr dann fort: "Solch Verhalten kann einzig und allein als traviagefällig bezeichnet werden und rechtfertigt keinesfalls ..."
Verwundert musterte der Großinquisitor sein Gegenüber, als dieser seinen Redeschwall mitten im Satz unterbrach und folgte dann seinem Blick zur Tür der kleinen Kammer.
"Gibt es noch etwas, Reichsvögtin?", fragte Amando Laconda da Vanya die noch immer dort verharrende Praiosmin von Elenta.
Autor:SteveT
"Nein, nichts!", schüttelte die Reichsvogtin den Kopf. "Fahrt nur mit Eurer Interrogatio fort - Ihr habt alle Zeit Deres ..."
Mit diesen Worten schloss sie die Tür sacht von Außen, schob wieder den massiven Riegel vor und drehte den Schlüssel zweimal im Schloss herum, den sie danach mit pervalischem Lächeln abzog und in ihr Rahjasfenster plumpsen ließ.
"He, he! Was wird das?", begehrte Gujadanya zu wissen. "Der Gefangene ist doch gefesselt! Schließt sofort die Tür wieder auf!"
Praiosmin nickte ihren beiden Wachen zu: "Packt sie!"
Gujadanya zog ihren Säbel. Eine Falle! Wie sie es von Anfang geahnt hatte - weg mit der Gutgläubigkeit ihres Soberans, der überall auf seine Aura und Autorität vertraute - aber dieses Weib war ein leibhaftiger Dämon in Menschengestalt!
Sie spürte, wie sie die zwei Arme des Gardisten umklammerten, der hinter ihr stand. Sofort beugte Gujadanya ihren Oberkörper, soweit wie es ging, nach vorne und ließ ihn dann in einer ruckartigen Bewegung zurückschnellen.
Ihr Hinterkopf prallte knallhart in das Gesicht des hinter ihr stehenden Mannes, so hart, dass sie selbst kurz Sterne sah und vorwärts taumelte. Aber der Mann hatte sie zumindest losgelassen und hielt sich fluchend und stöhnend die Hände vors Gesicht. Die Amazone riss benommen ihren Säbel nach oben und lingierte so gerade noch das Schwert des anderen Büttels, der ihr offenbar seine Klinge an die Kehle hatte setzen wollen. Während sie beide ihre Waffen in Über-Kopf-Höhe gegeneinander pressten und der Selaquiner Gardist mit einem Blick auf die hervortretenden Muskeln an den Armen der jungen Frau feststellte, dass er sie selbst beidhändig nicht so einfach würde niederpressen können, verpasste ihm Gujadanya mit der Linken einen Kinnhaken unter den Waffen hindurch, der sich gewaschen hatte.
Mit einem wütenden Schrei griff sie nun wieder der andere Gardist an, aber sein Stich war so vorhersehbar wie der eines Dorfjungens, sodass ihm Gujadanya auswich, anstatt ihn zu parieren und dem Angreifer selbst einen Säbelhieb in die Flanke verpasste. Sie wollte sofort nachsetzen und dem Mistkerl mit einem gezielten Hieb den Garaus machen, aber sie kam nicht dazu, denn ein plötzlicher stechender Schmerz im Rücken ließ sie innehalten und sich langsam herumdrehen. Hinter ihr stand der gutaussehende junge Stenz, der vorhin so unbeholfen in das Gespräch ihres Großonkels mit der Elenterin geplatzt war. Er grinste sie hämisch mit gebleckten Zähnen an - er hatte ihr feige in den Rücken gestochen und die Länge, auf der sein Rapierschaft blutbesudelt war - mit ihrem Blut! -. machte ihr sofort klar, dass es ein ziemlich tiefer Einstich gewesen sein musste, auch wenn sie bislang keinen allzu großen Schmerzen verspürte.
Gujadanya ging entschlossen auf ihn zu, trieb ihn mit drei schnell hintereinander folgenden Hieben ins Dunkel des Korridors, die er nur mit äußerster Müh und Not parieren konnte.
"Azzato!", schrie Praiosmin angsterfüllt. Ihr Geliebter sah zwar blendend aus und war im Schlafgemach durchaus zu etwas zu gebrauchen - aber sie hatte schon öfters vermutet, dass seine theatralischen Schwertübungen, die er jeden Morgen im Burghof zelebrierte, eher dem Beeindrucken junger Mägde diente, als dass er tatsächlich ein fähiger Fechter war. Dieser Da-Vanya-Furie war er nicht lange gewachsen. Praiosmin griff sich eine schwere gusseiserne Zange von einem Regalbrett vor der Zellentüre, mit der bei der hochnotpeinlichen Befragung Delinquenten die Fußzehen oder andere Gliedmaßen zerquetscht wurden, und eilte den beiden Kämpfenden ins Dunkel des Ganges hinterher, gefolgt von ihren beiden Bütteln, die stöhnten und sie zur Vorsicht gemahnten.
Praiosmin sah die beiden Kämpfenden im Halbdunkel nur als huschende Schatten, aber der näher zu ihr stehende Schatten war kleiner, und so holte sie mit der Eisenzange aus und schlug so fest zu, wie sie nur konnte.
Es gab einen dumpfen Schlag, und mit einem Ächzen ging einer der zwei Schatten unsanft zu Boden. "Die Fackel! Holt die Fackel hierher!", blaffte Praiosmin ihre Büttel an, die gehorchten und kurz danach die ganze Szenerie in rötliches Licht tauchten. Azzato von San Owilmar stand schweratmend an der Wand. Von seinem einstmals schrittlangen Rapier hielt er nur noch einen abgebrochenen kümmerlichen Klingenstumpf in der Hand. "Das war im letzten Augenblick - habt Dank, Herrin!", nickte er Praiosmin dankbar zu und drehte den am Boden liegenden Leib Gujadanyas mit einem rüden Fußtritt auf den Rücken. Unter ihr breitete sich eine Pfütze von Blut aus.
"Die ist hin!", stellte er lakonisch fest. "Der habt Ihr mit einem sauberen Hieb den Schädel eingeschlagen!" Plötzlich aber wurde ihm sichtlich die Gesamtsituation bewusst, was sich in seinen ratlos wirkenden Gesichtszügen widerspiegelte.
"Äh, Herrin? Der alte Mann dort in der Zelle ... war das nicht ... ist das nicht der Großinquisitor der Suprema?"
"Nein!", schüttelte Praiosmin kühl den Kopf. "Dieser alte Mann ist der Soberan unserer Feinde!" Sie packte Azzato an beiden Armen, wie eine Mutter, die ihrem begriffsstutzigen Jungen einen komplizierten Sachverhalt erklärt: "Amando Laconda ist alt ... uralt! In seinem Alter sollte man nicht mehr solche langen fährnisvollen Reisen unternehmen - mitten im Winter, bei Eis, Glätte und Schnee, bis hinauf auf den Gipfel eines wolkenverhangenen hohen Berges. Da sind schon sehr viele Junge verunglückt, und wie leicht kann das einem so alten Mann widerfahren? Es ist ein Jammer, dass er nie hier oben angekommen ist und ausgerechnet auf dem Weg zu uns verunglückt ist. Im Frühjahr, wenn der Schnee geschmolzen ist, wird man einige Ausrüstungsteile seiner Begleiter finden, vielleicht mit ein paar von wilden Tieren zernagten Knochen. Ob sie abgestürzt sind, von einem Firunschlag verschüttet wurden oder den Wilden in die Hände fielen - wer kann das im Nachhinein wissen?"
Azzato begann zu grinsen. "Hehe - ich verstehe!"
"Gut!", tätschelte ihn Praiosmin. "Dann lauf jetzt in mein Schreibzimmer. In der Schublade meines Pultes findest Du eine Phiole mit einer wasserklaren Flüssigkeit. Drunten im Gesindehaus sitzen drei Ritter des Bannstrahl-Ordens. Kipp die komplette Phiole in einen Weinkrug und lass ihn den Dreien zusammen mit etwas Brot, Schinken und Käse kredenzen. Sie werden nach dem Wein sehr gut schlafen können. Lass ihnen dann ihre Rüstungen und Wappenröcke ausziehen und dann dort hinein mit ihnen!"
Die Reichsvogtin deutete auf die Tür einer anderen Zelle, die der des Großinquisitors und des Magiers schräg gegenüber lag.
"Und lasse meinen Sohn wissen, dass ich ihn dringend hier unten brauche! Der Magus trägt zwar immer noch die Praioskrause, und ich alleine habe den Schlüssel, um sie zu lösen. Aber ich will nicht, dass er die Tür aufhext, sofern der Großinquisitor so etwas überhaupt in seiner Gegenwart zulässt. Ich verstehe nichts von Zauberei - aber mein Sohn wird wissen, wie wir diesen Jahrmarktzauberer dort drinnen halten."
Azzato wollte schon loslaufen, um das auszuführen, was ihm aufgetragen wurde. Plötzlich blieb er aber doch stehen und drehte sie noch einmal zu seiner Gönnerin um. Er war kalkweiß: "Verzeiht die Frage, Herrin - aber Ihr wollt doch nicht, dass ich den den Großinquisitor und seine Mannen ..." Er fuhr sich mit einem Finger über den Hals. "Ich meine, so ein kleines Miststück hier kalt zu machen, ist eine Sache ... aber das sind Geweihte! Ich ... ich fürchte, Herrin, wir werden dafür in die Niederhöllen kommen und von Dämonen zerrissen werden."
"Tz, tz ... nicht doch!", beschwichtigte ihn Praiosmin. "Sie bleiben einfach nur in ihrer Zelle, die Tür bleibt die ganze Zeit zu, und nach drei vier Tagen ohne Wasser und Brot hat sich die Sache ohnehin von alleine erledigt. Wir krümmen ihnen kein Haar und begraben ihre Leiber dann einfach auf dem Anger der Gehenkten, wo auch der Schlehener liegt. Nur ihre Gewandung heben wir auf, damit sie im Frühjahr gefunden werden kann. Wenn es stimmt, dass Morena von Harmamund die Scheffelsteinerin und die Schwester des Alten in ihrer Gewalt hat, dann sind nur noch die zwölfmal verfluchte Rifada und der Herumtreiber Lucrann auf freiem Fuß, der meinem Sohn sein rechtmäßiges Land vorenthält. Unser endgültiger Sieg in dieser Fehde ist nun zum Greifen nah! Und die guten Götter wollen ihn, Praios voran - ansonsten hätte sich der alte Narr nicht aus freien Stücken in meine Gefangenschaft begeben."
Autor: Lindholz
Amaros blickte Amando Laconda da Vanya verblüfft an, als die Reichsvögtin mit einem selbstgefälligen Lächeln die Tür schloss, woraufhin man das Schaben des Riegels und das Klacken des Schlosses vernahm. Sein Gegenüber hingegen seufzte lediglich mit traurigen Augen: "Ich habe die Reise nach Castillo Albacim angetreten, um jemanden ausfindig zu machen, der den Pfad verlassen hat, den uns die Zwölfe vorgeben - und wie es scheint, ist dies mir auch gelungen. Ich wünschte nur, es wäre anders gekommen."
"Falls Eure Eminenz damit meint, dass Ihr lieber mich als Ketzer entlavft hättet, so kann ich mich diesem Wunsche leider nicht anschließen", kommentierte der Magier die Bemerkung des Großinquisiors trocken und zerrte an seinen Fesseln, "Eure Eminenz wäre nicht zufällig willens und in der Lage, diese Stricke zu lösen? Das würde meine Lage schon erheblich verbessern."
"Die bedauerliche Tatsache, dass Ihre Hochgeboren auf einen Irrweg geraten scheint, entlastet Euch nicht vom Vorwurf, gegen die Gebote der Götter verstoßen und die Toten aus Ihren Gräbern erhoben zu haben. Ich kann Euch nicht diese Erleichterung verschaffen, Dom Amaros, solange diese Anklage noch im Raum steht, auch wenn ich in Euren Worten bisher keine Lüge erkennen konnte", widersprach der Illuminatus.
"Nekromantie?", fragte der junge Zauberer erstaunt, "Wie kommt denn... ach, das spielt ja keine Rolle. Ich kann Euch versichern, dass ich mich nicht darauf verstehe, solch widernatürliches Werk zu vollbringen, wie Ihr es eben beschrieben hat. Ich habe mein Studium in Grangor abgeschlossen, beschäftige mich daher vor allem mit der Magica Phantasmagorica und weiß wenig von Beschwörungen aller Art. Ich kann diese Aussagen gerne unter Eid wiederholen, so Ihr darauf besteht. Hier, bitte, prüft auch mein Siegel." Sogleich öffnete Amaros von Lindholz seine Hand, in deren Fläche das Zeichen der Akademie klar zu erkennen war.
Der alternde Illuminatus der Lichtei Almada nahm sich die Zeit, das Siegel gründlich zu inspizieren, obwohl er schon zuvor ein recht gutes Bild vom Charakter des jungen Mannes gewonnen hatte. Nach kurzem Abwägen entschloss er sich dementsprechend auch, die Knoten zu lösen, die den Zauberer an die Schlafstatt banden. Dieser richtete sich mühsam auf. "Meine Zauberei kann uns zwar diese Tür nicht öffnen", merkte Amaros von Lindholz an, während er sich die schmerzenden Gelenke massierte, "Jedoch werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um uns aus dieser misslichen Lage zu befreien, Euer Eminenz."
Doch der Großinquisitor schüttelte energisch das Haupt und seine Augen blitzten vor Stolz: "Ein solch nichtiger Rückschlag wird mich sicherlich nicht an dem Licht des Götterfürsten zweifeln lassen, das mich hierher geführt hat. Seid völlig unbesorgt, Dom Amaros."
Die beeindruckende Gestalt des Großinquisitors nahm neben dem zweifelnd dreinschauenden yaquirtaler Magier Platz und schloss die Augen: "Ich werde die Kirche über unsere Lage in Kenntnis setzen." Ein Ausdruck des Friedens breitete sich auf den Zügen des alten Mannes aus, die von einem sanften Licht erhellt wurden, obwohl der schwache Schein von Draußen durch das winzige Gitterfenster nur bis zu ihren Füßen drang. Dann öffnete Amando Laconda da Vanya wieder die Augen und verkündete voller Ruhe: "Es ist geschehen."
"Seid bedankt, Euer Eminenz", erwiderte Amaros von Lindholz. Falls wir dies nicht überleben, wird es dieser Wahnsinnigen wenigstens nicht besser ergehen. Er hatte die Zeit genutzt, sich seine verletzte Schulter etwas genauer anzusehen, die der Medicus der Reichsvögtin versorgt und mit einigen Stichen genäht hatte. Er verstand sich nicht groß auf diese Dinge, doch erschien ihm die Entzündung, die ihn ins Fieber gestürzt hatte, langsam abzuklingen und die Heilung der Wunde den Umständen entsprechend gut vorangeschritten zu sein. Ob wohl eine Narbe zurückbleiben würde? Es wäre seine erste; bisher hatte er Unschönheiten dieser Art mit Heilzauberei verhindern können. Vielleicht war ein solches Andenken jedoch gar keine schlechte Lehre - es anzusprechen, seine Kräfte für eine solche Lappalie nutzen zu wollen - und das auch noch in Gegenwart eines Mitglieds des Rats des Heiligen Lichts, kam ihm ohnehin reichlich unwürdig vor. Er würde sich unter dem gestrengen Blick des Älteren nur wie ein gescholtener Scholar im ersten Jahr fühlen! So schwieg er und überlegte, was nun zu tun war.
Vor der Kerkertüre
"Seid Ihr von Sinnen, Mutter?" Aureolus von Elenta hätte sich die Haare raufen können, doch er beließ es dabei, sich einmal mit der Rechten über den blonden Schopf zu fahren. Die goldenen Augen verrieten jedoch seinen Zorn und schienen regelrecht in Flammen zu stehen. Das Vermögen seiner Mutter war ihm stets willkommen, doch sie selbst entwickelte sich immer mehr zu einer Last, die den Schutz und die Förderung, die sie ihm angedeihen ließ, zunehmend weniger auszugleichen vermochte.
"Nicht den Zauberer solltet ihr fürchten, sondern diesen greisen da Vanya! Sein Körper mag durch das Alter geschwächt sein, doch die Macht seines Gottes wird ihm Fähigkeiten eröffnet haben, die die eines profanen Menschen bei Weitem überschreiten. Wie könnt Ihr nur glauben, ein so ranghohes Mitglied der Reichskirche einfach gefangen nehmen zu können?" Aufgeregt schritt der Mann, der sich trotz seiner zwanzig Lenze in diesem Augenblick eher wie der vernünftige Vater, denn der jugendliche Sohn der Reichsvögtin vorkam, den Kerkergang auf und ab. "Niemals werde ich diese Zelle betreten und mich diesem Mann stellen... Ihr hättet ihn töten sollen! Schnell und ohne Warnung. Bevor der Alte wissen konnte, wie ihm geschieht, wäre es vorüber gewesen, doch diese Gelegenheit ist vertan. Jetzt ist er vorbereitet und selbst wenn ein ganzer Trupp Soldaten in die Zelle passen würde, würde ich nicht darauf wetten, dass sie die beiden Insassen noch ausschalten können. Wenn ihr meinen Rat hören wollt: Fallt vor diesem elenden da Vanya auf die Knie und bettelt um Vergebung. Vielleicht könnt Ihr so Euer Amt retten... oder wenigstens Euer Leben."
Autor: SteveT
"Nicht in diesem Ton, mein Junge!", wies Praiosmin von Elenta ihren Filius mit drohendem Zeigefinger zurecht. "Bedenke, dass du zu deiner Mutter sprichst!" Zufrieden nahm sie zur Kenntnis, dass hinter ihrem schmollenden Sprössling die regungslosen Leiber dreier ohnmächtiger Männer vorbeigetragen wurden, die nur noch ihre Unterkleidung trugen und von ihren Lakaien in die Zelle gegenüber vom Magier und Großinquisitor geworfen wurden. Das Schlafgift, dass ihr einst Aureolus' Vater zum Willfährig-Machen ungebetener Gäste überlassen hatte, war also immer noch zu gebrauchen.
"Ich falle vor niemandem auf die Knie, merk' dir das!", fuhr sie fort. "Nicht vorm Grafen, nicht vorm Fürsten, nicht einmal vor der Kaiserin! Und ganz sicher nicht vor einem da Vanya! Drei, vielleicht vier Tage - und die beiden werden verhungert und verdurstet sein! Anstatt deiner guten Mutter Vorwürfe zu machen, wirst du dich jetzt mit deinen Zauberkräften nützlich machen, mein Sohn!" Sie hakte sich bei Aureolus ein und führte ihn die Kerkertreppe hinauf, wieder zurück ans Tageslicht. Zwei ihrer Büttel hatten befehlsgemäß vor den Kerkerzellen Stellung bezogen.
"Ich will, dass du die magischen Bücher deines Vaters nach einem Zauber durchforstest, der dir den derzeitigen Aufenthaltsort von Personen verrät. Und wenn du dazu einen Geist oder Dschinn befragen musst - oder meinetwegen die tote Amazone! Wenn es wahr ist, dass Morena von Harmamund die alte Belisetha und die verfluchte Scheffelsteinerin in ihrer Gewalt hat - und ich habe den Alten höchstselbst gefangen - dann fehlen uns nur noch das Pestweib Rifada und Lucrann von Schrotenstein - der dir das Erbe deines Vaters gestohlen hat - um diese Fehde zu gewinnen und den Stammbaum dieser Hunderasse ein für allemal abzuhacken! Also frisch ans Werk! Ich will so schnell wie möglich wissen, wo sich die beiden letzten noch fehlenden da Vanyas herumtreiben!"
Autor: Lindholz
Burg Albacim, nachts
"Ich hoffe, du hast gute Nachrichten, mein Sohn", setzte Praiosmin von Elenta schon an, als sie gerade erst den Fuß über die Schwelle der Turmkammer setzte, in der sie alles verwahrte, was ihr von ihrem Geliebten geblieben war, "Es ist schon spät und es gibt wichtige Dinge, die meiner harren." Genau genommen waren die wichtigen Dinge ein Bett und der Schlaf, den sie dringend benötigte. Es war schließlich ein ereignisreicher Tag gewesen und sie war keine Zwanzig mehr. Doch das würde sie ihrem Sohn sicher nicht auf die Nase binden. Er benahm sich ihr gegenüber jetzt schon ungebührlich - da würde sie ihm das Futter nicht auch noch zuwerfen, das seinen Hochmut nährte. Hinter dem von einer Öllampe beschienen Sekretär richtete sich ihr Sohn auf und lächelte ihr zu.
"Wie schön, dass ihr so schnell gekommen seid, Mutter. Ohne Euch kann ich die nächsten Schritte nicht in die Wege leiten", verkündete er.
"Was hast du hier nur angestellt?" Die Reichvögtin blickte sich pikiert um. Die Kammer war ein einziges Durcheinander! Überall lagen Bücher zu Stapeln aufgetürmt auf dem Boden, Tinkturen und Gerätschaften standen im Raum verteilt.
"Oh das?", fragte Aureolus und ließ den Blick umherschweifen, als würde ihm erst jetzt auffallen, in welchen Zustand er das Zimmer versetzt hatte, "Ich bitte Euch, das Chaos zu entschuldigen, aber ich musste einige Werke im Nachlass meines Vaters ausfindig machen, die sich sicher als nützlich erweisen werden. Kommt doch, liebe Mutter, kommt her und setzt Euch zu mir."
Die Reichsvögtin trat an den Schreibtisch herran, nahm jedoch davon abstand, sich auf dem Stuhl niederzulassen, der davor stand: "Wie ich bereits erwähnte, habe ich nicht viel Zeit, also kommen wir doch gleich zur Sache: Deinen Äußerungen entnehme ich, dass du in den Büchern einen Weg gefunden habt, Rifada da Vanya und Lucrann von Schrotenstein ausfindig zu machen?"
"Wenn es möglich wäre, so einfach einen Geist oder Dämon zu rufen , um ihn zu einem solchen Dienst heranzuziehen, liebe Mutter, glaubt Ihr wirklich, ich hätte damals meine ehemalige Meisterin, Mordaza Maraneta, aufgesucht, als Euch der Briefwechsel mit meinen Vater abhanden gekommen ist?"
Schon wieder dieser herablassende Tonfall! Drohend hob die Reichsvögtin den beringten Zeigefinger, als ihr Sohn beschwichtigend die Arme hob.
"Dennoch habe ich einen Weg gefunden, uns aus dieser vertrakten Lage zu befreien Mutter."
"Vertrakt?", erwiderte seine Mutter verwirrt und verdrehte dann die Augen, als sie zu verstehen begann, "Du machst Dir doch nicht immer noch Gedanken darum, dass mir die Lage aus den Händen gleiten könnte?" Tatsächlich glaubte sie Sorge in den sonst so stolzen Augen ihres Kindes erkennen zu können. Eilig trat sie um den Sekretär herum, wodurch ein Bücherstapel aus dem Gleichgewicht geriet. Zärtlich umschloss Praiosmin das Gesicht ihres Sohnes mit ihren fleischigen Händen. "Deine Bedenken sind nur ein Phantasiegebilde, mein Kind: Deine liebe Mutter hat die Zügel fest im Griff. Schon bald werden wir endgültig über unsere Feinde triumphieren."
"Ich fürchte, Ihr irrt Euch, liebste Mutter, die Fäden sind Euch schon längst entglitten", entgegenete Aureolus und konnte in den Zügen seines Gegenübers sehen, wie die mütterliche Liebe von ebensolcher Strenge abgelöst wurde.
Bevor Praiosmin jedoch zu einer angemessenen Schelte ansetzen konnte, griff Aureolus nach etwas, was sich im Schatten der Stapel auf dem Sekretär verborgen hatte. Die Reichsvögtin erbleichte als sie die Klinge eines Dolches im Schein der Öllampe aufblitzen sah.
"Bei den Göttern, was hast Du vor?" brachte Praiosmin von Elenta entsetzt hervor.
"Verzeiht mir Mutter, ich wünschte, ihr würdet verstehen, dass dies der einzige noch mögliche Weg ist."
Im Kerker der Burg, wenig später
Es musste schon nach Mitternacht sein, doch Boron wollte ihm einfach keinen Schlaf schenken. Verärgert drehte sich Amaros von Lindholz auf die Seite, obwohl er wusste, dass er auch in dieser Lage keine Ruhe finden würde. Er hatte dem Großinquistor die Bettstatt angeboten, doch dieser hatte abgelehnt; er wolle noch etwas meditieren. Amaros selbst hatte dennoch kein Auge zugetan und konnte nun sehen, wie sich die Umrisse des Praiosgeweihten bewegten und der ältere Mann sich erhob. Wie lange hatte der seine Eminenz in innerer Einkehr zugebracht? Vielleicht schien ihm die Zeit nur so lang, weil das Gefühl des Eingesperrtseins seine Gedanken endlos kreisen ließ, ohne ihm eine Lösung zu eröffnen.
"Nun, Euer Eminenz? Hat Euer Gebet Euch einen Ausweg aus unserer Lage eröffnet?" fragte der yaquirtaler Magier, nachdem er sich aufgesetzt hatte.
"Ihr seid ungeduldig, mein junger Freund. Der rechte Weg wird sich zeigen, sobald die Zeit gekommen ist", antwortete Amando Laconda da Vanya gelassen.
Ich hoffe, er zeigt sich bald. Sonst werden nur unsere aufsteigenden Seelen dieser Gefangenschaft entkommen, ging es Amaros von Lindholz durch den Kopf, doch sprach er seine Gedanken nicht aus. Ihm klebte die Zunge am Gaumen, er war erschöpft, aber dennoch verdiente sein Mitgefangener mehr Respekt als solch eine Bemerkung.
Erneut bot er dem Illuminatus die Bettstatt an und dieses Mal nahm der Ältere die Offerte dankend an. Er selbst ließ sich daraufhin an der Wand, die am weitesten von dem Eimer entfernt war, der ihnen für ihre Notdurft diente, nieder. Trotz allem sollte er sich glücklich schätzen, dass seine Eminenz nun bei ihm weilte. Zwar verweigerte man ihm seitdem jegliche Verpflegung, doch war ihm wohl so wenigstens die Folter erspart geblieben. Und ob die Reichsvögtin ihn, den sie als Verräter und Ketzer sah, danach hätte ziehen lassen, stand ebenso zu bezweifeln. Sicherlich war er nicht der erste Zauberkundige, der von einem Großinquistor in einer Zelle besucht wird, aber ob er gar der erste war, der sich eine Zelle mit einem solch hohen Gesandten der Reichskirche teilte? Das würde auf Dere eine ebenso gute Geschichte abgeben wie im Jenseits - davon war er überzeugt! Schon wollte er Dom Amando fragen, ob seine Eminenz von einem solchen Fall gehört hatte, als das Geräusch des sich mit einem Klacken öffnenden Schlosses seinen Kopf in Richtung der Tür herumfahren ließ. Als die Pforte aufschwang, konnte er im hellen Licht der Fackel nur die Umrisse einer massiven Person erkennen und musste einige Male blinzeln, bis er seinen Verdacht bestätigten konnte.
"Domna Praiosmin?" brachte er entgeistert hervor, doch die Reichsvögtin beachtete ihn nicht. Mit starrem Blick wandte sie sich dem Großinquistor zu, der schon auf den Beinen war, was Amaros von Lindholz dazu brachte, sich ebenfalls aufzurichten.
"Lasst sofort den Dolch fallen, Euer Hochgeboren", gebot der Illuminatus und erst jetzt bemerkte Amaros die blanken Klinge in der Hand der Domna. Diese zeigte jedoch keinerlei Drang, der Aufforderung nachzukommen und bewegte sich einen weiteren Schritt auf den gestreng dreinschauenden Geweihten zu. Der Großinquisitor erhob daraufhin noch einmal die Stimme, doch dieses Mal schienen seine Worte durch Mark und Bein zu fahren: "Im Namen des Herren Praios. Lasst Eure sinistren Pläne fahren und tretet in das heilige Licht."
Mit Entsetzen beobachtete der junge Magier, wie sich das Gesicht der Reichsvögtin zu einer Maske des Schmerzes verzog. Der Dolch in ihrer Hand zitterte, als würde sie gegen einen ungeheuren Drang ankämpfen!
"Lasst den Dolch sofort fallen, Domna Praiosmin! Praios will es!" donnerte nun der Großinquistor und mit einem gellenden Schrei fiel zuerst der Dolch und dann die Reichsvögtin selbst zu Boden.
"Was... was hat das zu bedeuten?" Im Gang erschienen die verängstigten Gesichter zweier Wachmänner.
"Ihre Hochgeboren stand unter dem Einfluss eines finsteren Zaubers." eröffnete ihnen der Illuminatus, dessen Antlitz tiefe Sorge zeigte.
"Bedeutet das, Domna Praiosmin war nicht Herrin ihres Willen, als sie uns hier festsetzen ließ?" mischte sich Amaros von Lindholz ein.
"Das ist... möglich", antwortete Amando Laconda da Vanya zurückhaltend, "Wir werden sie befragen, sobald ihre Hochgeboren wieder bei Bewusstsein ist. Einstweilen werde ich die Reichsvögtin vertreten, bis die Schuld Domna Praiosmins geklärt ist und entsprechende Schritte eingeleitet werden konnten."
Amaros nutzte das Zögern der Wachen, um sich zu der Ohnmächtigen herabzubeugen. Er wollte sehen, ob sich die Reichsvögtin an dem Dolch verletzt hatte, auf den sie gestürzt war, und gleichzeitig nach dem Schlüssel zu dem Praioskragen suchen, den diese sicher niemandem sonst anvertraut hatte.
Nahe Burg Albacim, nachts
In dem Augenblick als seine Mutter im Kerker zusammenbrach, ihr Geist nachgebend unter dem Widerstreit arkaner und göttlicher Einflüsse, hatte Aureolus bereits die Tore des Castillos hinter sich gelassen, zwei Packesel mit sich führend, schwer beladen mit den wertvollsten Werken aus dem Nachlass seines Vaters und einigen Vorräten für die Reise ohne festes Ziel, die ihm bevorstand. Wohin sollte er sich wenden? Gen Raschtulswall mit seinen wilden Völkern der Berge, deren Stolz nach Rache für verlorene Schlachten schrie? Oder in das Tal des Yaquir mit seinen aufstrebenden Bürgern? Wie man hörte, verkehrte selbst Alara Paligan nun in jenen Kreisen. Mochte vielleicht gar sie, die sich verzweifelt dagegen auflehnte, wie die Fäden der Macht und des Lebens ihr entglitten, für ihn greifbar sein? So oder so brauchte er neue Verbündete - Verbündete deren Geist zu manipulieren ihm weniger Gewissensbisse bereitete.
Von einer Anhöhe aus blickte er ein letztes Mal auf Castillo Albacim hinab. Irgendwo hinter diesen Mauern verbrannten in einer geheimen Kammer alles, was seine Mutter mit Rakolus von Schrotenstein verband oder sie hätte diffamieren können; zumindest alles, was ihm bekannt war. Der Vorteil der steinernen, fensterlosen Kammer war zweifellos, dass kaum die Gefahr bestand, dass die Flammen übergreifen und zur Gefahr für die mächtige Festung werden konnte. Dennoch war nun der einzige Ort, den er vielleicht als Zuhause hätte bezeichnen können, für ihn verloren. Ob nun seine Mutter zu ihrem einstmals so wachen Verstand zurückfinden und die Chance erkennen würde, die sich ihr bot, oder der Wahn der letzten Stunden sie endgültig verschlingen würde: Hierher konnte er nicht hoffen zurückkehren. "Lebe wohl, Mutter", flüsterte Aureolus von Elenta, und die Silben stiegen in kleinen Wolken zwischen seinen Lippen hervor, bevor sie sich in Nichtigkeit auflösten.
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