Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 34: Unterschied zwischen den Versionen

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<center><big><big>'''''Die Weinprobe</big></big><br><br>
<center><big><big>'''''Mummenschanz in Peraines Garten</big></big><br><br>


''Wie Zaida die alte Xsarsa vor Domna Romina brachte. Wie diese der Mhanah gestattete, den Schönen Baron vor aller Augen zu untersuchen. Von den ungewöhnlichen Untersuchungsmethoden der Zahoris. Wie Domna Chaziani der Domna Fiona ihr Wirken in dieser Angelegenheit gestand und um Vergebung bat.</center><br>
''Wie ein einfacher Botenreiter, der keiner war, den Perainegeweihten zu Orondo aufsuchte. Wie er dort auf unerwarteten Widerstand traf. Wie eine Yaquirtaler Caballera mit Erzzwergen zechte. Wie ein Perainegeweihter, der keiner war, Orondo in Richtung Vivar verließ.</center>


==[[Baronie Taubental]], 4. Travia 1033 BF==
==[[Baronie Taubental]], 4. Travia 1033 BF==
===Im Rosentempel zu [[Santa Catalina im Taubental|Santa Catalina]] (1. Praiosstunde)===
===Im und um den Tempel Unserer Lieben Frau vom Paradiesgärtlein zu Orondo (1. Praiosstunde)===


'''Autorin:''' [[Benutzer:Nandra|beiras]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]
 
Als [[Amaros Desidero von Lindholz]] bemerkte, dass er Orondo erreicht hatte, befand er sich schon fast zwischen den ersten der einfachen Gehöfte, deren obere Stockwerke aus dunklem Holz bestanden. Der schwere Regen hatte eingesetzt, nachdem der zum Botendienst verdonnerte Magier [[Santa Catalina im Taubental|Santa Catalina]] knappe zwei Meilen hinter sich gelassen hatte. Die Wolkenfront schien auch Rahjas Einverständnis zu haben, hatte sie sich doch aus der Ihr zugewiesenen Himmelsrichtung über die dicht bewaldeten Hänge des Taubentales geschoben. Seitdem prasselte Efferds Segen allzu verschwenderisch auf den Lindholzer hernieder und nahm ihm die Sicht. Der dünne Überwurf aus schwarzer Wolle hatte schon lange kapituliert, das Hemd war mit Wasser durchtränkt und die Wildlederhose klebte unangenehm auf seiner Haut. Der versiegelte Brief des Leutnants, der wohlverwahrt in der ledernen Satteltasche ruhte, war als einziges vor den Unbillen des Wetters geschützt.
 
Notgedrungen hatte der Adept der arkanen Künste einen [[avwik:Flim Flam|Flim Flam]] gesprochen. Die Kugel aus bläulichem Licht erlaubte es ihm, weiterhin den schlammigen Pfad zu erkennen, der am Ufer der langsam anschwellenden Inoscha das Tal hinauf führte. In der Ferne konnte Amaros die Wolken unter der Kraft der Blitze hell erstrahlen sehen und das Donnern folgte in immer kürzeren Abständen.


Während der Niederschrift des ‚Verhörs’ hatte [[Franco de Beiras y Vivar]] das Wort nicht wieder ergriffen, sondern hatte sich beobachtend im Hintergrund gehalten. Nun aber schien die Zusammenfassung des Geschehens beendet und man konnte sich wieder der Gegenwart zuwenden. Sein Blick fiel auf seinen Vetter [[León Dhachmani de Vivar]], der blass auf seinem Diwan lag. Erstaunt hob er eine Augenbraue: Die Rose erschien ihm nicht mehr so strahlend frisch, wie sie gewesen war, als man sie ihm in die Hände gelegt hatte. Sollte ihre Kraft schwinden? Wie lange würde sie den Baron noch vor dem Gift bewahren, welches anscheinend mit zerstörerischer Macht durch seinen Körper pulsierte?
Amaros hatte Mühe, sich selbst dazu zu bringen, seinen duldsamen Falben Azúcar in jenem langsamen Gang zu halten, der dem Pferd nur geringe Anstrengung abverlangte und einen sicheren Tritt auf dem glitschigen Karrenweg ermöglichte. Nicht nur das stärker werdende Unwetter beunruhigte ihn; vielmehr war es der Ärger darüber, sich selbst in diese Situation gebracht zu haben, die ihm zu schaffen machte. Am Anfang war es noch ein nettes Spiel gewesen, doch nachdem der Leutnant angefangen hatte, seine zackigen Anweisungen zu geben, war Amaros wie von selbst wieder in die Unterwürfigkeit zurückgefallen, die er sich in [[lfwiki:Grangor|Grangor]] hatte angewöhnen müssen: Abgeschnitten von der väterlichen Geldbörse, war er gezwungen gewesen, sich als Schreiber für diese selbstherrlichen Pfeffersäcke zu verdingen. Auch wenn es ihn mit Zufriedenheit erfüllte, seinen eigenen Weg beschritten zu haben, so nagte es bis heute an seinem Stolz, Bürgerlichen zu Diensten gewesen zu sein.


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Von diesen düsteren Gedanken begleitet, erreichte er schließlich den zentralen Dorfplatz, an dem die steinernen Bauten von Vogtshaus und Perainetempel aufragten. Nur aus dem hier ebenfalls befindlichen Gasthaus drang noch das warme Gelbrot von Lampenlicht. Dunkle Stimmen grölten ein eingängiges Trinklied, das nur gedämpft durch den Regen drang. Ansonsten war von den einheimischen Orondini schon längst keiner mehr auf den Straßen. Mitternacht war bereits vorbei, das kräftigende Abendmahl eingenommen und in den Betten gaben sich Bauern, Hirten und alle anderen Borons, vielleicht auch Rahjas Segnungen hin.
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]
 
"Nur mir, der ich wohl das edelste Blut hier habe, bleibt dieser einfache Wunsch versagt", dachte Amaros indigniert, als er absaß und Azúcar unter dem schützenden Blätterdach eines Apfelbaumes anband. Dann nahm der junge Mann die Satteltasche an sich und trat eilig an das Portal des Göttinnenhauses. Das nachgedunkelte Pinienholz des Tores war mit Schnitzereien von Feldfrüchten, Äpfeln und Schafen verziert, doch weckten sie nicht die Aufmerksamkeit des Adligen. Der Magier verharrte kurz, griff einer Eingebung folgend nach einem hellen Kiesel, der sich warm in seine Handfläche schmiegte, während die Wassertropfen die Erde davon abwuschen. Dann ließ er das bleiche Licht seines Zaubers verlöschen und klopfte vernehmlich an.
 
Zweimal noch musste Amaros sein Klopfen mit gesteigerter Lautstärke wiederholen und war schon dabei abzuwägen, sich in der Gaststätte nach dem Priester zu erkundigen, als endlich das Tor aufschwang. Ein Mädchen von vielleicht vierzehn Lenzen blickte ihn aus müden Augen an, die sich vor Überraschung weiteten, als sie in das Antlitz eines Unbekannten blickten. Die Halbwüchsige trug eine grüne mit gelben Ähren bestickte Schürze über dem einfachen Wollkleid, welches sie sich übergeworfen hatte. Ein kleines Öllicht in ihrer Rechten spendete ihr Licht. Amaros vermutete, dass es sich um eine Novizin handelte, ließ sich davon aber nicht abhalten, ungeduldig in das Innere des Tempels zu drängen, während er erläuterte: "Mein Name ist Amando Monzo. Ich bin mit einem Schreiben höchster Dringlichkeit von Santa Catalina geschickt worden, um es dem hiesigen Geweihten der Gütigen Göttin zu überbringen. Die Angelegenheit duldet keinerlei Aufschub."
 
Die Novizin nickte beeindruckt: "Ich werde Hochwürden sofort wecken.“
 
Schon wollte sie davon eilen, als der junge Mann sie noch einmal zurückhielt: "Warte!" Er schlug seinen Umhang zurück, öffnete die darunter verborgene Satteltasche und entnahm ihr das Schreiben. "Nimm das hier besser gleich mit." Er kannte den Inhalt des versiegelten Briefes nicht und vielleicht war es besser, wenn es dabei blieb.
 
Die Novizin stellte das Licht ab und nahm das Schreiben entgegen: "Soll ich Euch ein Tuch mitbringen und sehen, ob wir vielleicht etwas Trockenes haben, was Euch passen könnte?"
 
Amaros hätte sich am liebsten geschüttelt bei dem Gedanken, solch ärmlichen, kratzigen Stoff anzuziehen, wie das Mädchen ihn trug. "Da ich sofort wieder mit der Antwort seiner Gnaden aufbrechen werde, wäre das wohl vergebliche Liebesmüh. Ich werde es also noch eine Zeit lang hinnehmen müssen, mehr Wasser als Faser auf der Haut zu tragen", antwortete er und setzte noch hinzu, als er bemerkte, dass der Blick der Heranwachsenden nicht zu seinem Gesicht zurückgekehrt war: "So der Anblick nicht zu unerträglich ist."


Wie immer, [[Romina von Ehrenstein-Streitzig]] nervös war, aber nichts zu tun hatte, gingen die Vorstellungen mit ihr durch. Was, wenn die Attentäter noch in der Nähe waren und die Heilung verhindern wollten? Dann war die kleine [[Zaida de las Dardas y Sangrín]] in großer Gefahr und sie hatte sie da hinein geschickt. Wegen des Lebens eines Mannes, den sie kaum kannte, ja bisher wegen ihrer Reputation gemieden hatte.
In Windeseile und mit hochrotem Kopf eilte die Novizin aus dem Gebetsraum des Tempels.


Unruhig schritt sie umher. Hoffentlich passte [[Ardan von Kündoch]] gut auf. Sie vertraute ihm; er war absolut treu und gewissenhaft. Doch gegen einen Bolzen aus dem Hinterhalt konnte auch er nichts ausrichten. Oder gegen einen Giftanschlag.
Amaros musste nicht lange warten. Ein in das grüne Ornat der Perainepriesterschaft gekleidete Mann trat durch die gleiche Tür ein, durch die das Mädchen geflüchtet war. Der Geweihte war zur Überraschung des Adeptus kaum älter als er selbst. Das glatte schwarze Haar trug er im Nacken gebunden und Augen von so smaragdenem Grün blickten Amaros entgegen, dass dieser sich sofort fragte, ob Elfenblut durch die Adern seines Gegenübers floss.


Sie seufzte. Gingen alle ihre ersten Feste in die Hose? Ihr erster Ball –  sie wurde selbst vergiftet. Ihr erstes Rahjafest – ihr Gastgeber wurde vergiftet. Was würde wohl auf ihrer eigenen Hochzeit geschehen? Nein, an so etwas durfte sie nicht einmal denken. Vielleicht würde sie ohnehin nie heiraten. Was für ein Unsinn! Natürlich würde sie heiraten. Sie hatte eine Pflicht der Familie gegenüber.
"Ich bin Maestro [[Perinyo Salpena]]. Ich werde Euch nach Santa Catalina begleiten", verkündete der Mann mit gefasster Stimme.


Ihr Blick glitt zu Dom Léon und sie schüttelte den Kopf. Verflucht, der schöne Baron lag im Sterben und sie dachte ans Heiraten. Urplötzlich kam ihr die Auseinandersetzung im Waldhaus in den Sinn. Dieser Mann würde niemals freiwillig heiraten, man musste ihn wie Onkel Gendahar dazu zwingen. Sie würde niemals einen Mann heiraten wollen, den man zur Ehe zwingen musste.
"Hochwürden", gab Amaros zur Antwort, um sein Einverständnis zu signalisieren und verbeugte sich. Darum ging es also. Was wohl im Tempel vorgefallen war? Er hoffte, dass weder seine Schwestern noch seine Mutter darin verstrickt waren.


Wieder schüttelte sie den Kopf und tat eine weitere Runde um den Sterbenden herum. Sie blieb stehen, als Dom Franco sich zu den still betenden Frauen um den Vergifteten gesellte.  
"Ich habe Loupe bereits losgeschickt, den Wirt zu bitten, mir sein Maultier zu leihen, damit wir ein wenig schneller vorankommen", ergänzte Perinyo, während er sich einen Mantel überwarf. Gemeinsam harrten sie der Rückkehr der Novizin.


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Nandra|beiras]]
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]


Vorsichtig trat der Magnat näher an den Diwan und beugte sich ein wenig über den 'Schlafenden'. "Womit auch immer man im helfen will, ich denke, es muss bald geschehen. Er wirkt nicht mehr so entspannt wie zuvor." Er blickte in die Runde der Anwesenden. "Was machen wir, wenn die Ausgesandten nicht in Bälde mit einem Heiler zurückkehren?"
Diese ließ, zu Amaros' stiller Freude, eine ganze Weile auf sich warten, so dass er die Zeit fand, an eine Feuerschale im Gebetsraum heran zu treten, die der barmherzige Meister Perinyo mit einem glimmenden Scheit entzündete, und sich ein wenig zu wärmen. Als die Novizin endlich wieder die Tempelhalle betrat, löste er sich nur unwillig von den Kohlen.


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Umso erstaunter hörte er, was Loupe zu sagen hatte: "Meister, Nazir sagt, es tue ihm furchtbar Leid, aber er habe sein Muli bereits verliehen."
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]
 
Der junge Geweihte runzelte die Stirn. "An wen den?"


Romina hob eine Augenbraue, sie rümpfte die kleine Nase und wandte sich Dom Franco zu. "Ich schätze, dann werden wir einen Borongeweihten bemühen müssen, Dom Franco. Denn dann wird Euer Vetter zu Rahja entschweben, um für den Rest der Ewigkeit in der Göttin Arme zu sinken. Ich bin mir sicher, er wäre erfreut, wenn er wüsste, was ihm bevorsteht. Schade nur, dass er niemals herausgefunden hat, ob er die schnellste Klinge Almadas werden konnte. Das wiederum wird ihn bestimmt ärgern."
Loupe blickte verlegen zu Boden. "An Väterchen Argmoschix, Meister."


Sie wandte sich ab und unterdrückte ein wildes Lächeln. Ihre Schwester [[Rahjada von Ehrenstein-Streitzig|Rahjada]] würde der Tod des Schönlings auch ärgern. Immerhin hatte sie beschlossen, alle ansehnlichen Männer des Raulschen Reiches in ihr Bett zu holen. Vielleicht sollte sie so tun als hätte sie...? Nein, das war nicht ihre Art. Immerhin hatte sie der Schwester einen Kuss voraus. Denn soweit sie wusste, hatte dieser Léon ihre Schwester ähnlich gemieden wie sie ihn. Warum nur? Sie sah wieder zum Baron und stellte zum wiederholten Male fest, dass es ihr schwer fiel, ihn sterben zu lassen.
Die Verwirrung auf dem Gesicht Meister Perinyos war komplett. "Väterchen Argmoschix? Wozu braucht er denn ein Maultier? Obendrein zu dieser nächtlichen Stunde? Väterchen Argmoschix ist der Sippenälteste der hier lebenden Zwergengemeinde, Herr Monzo."


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Die Novizin zuckte mit den Schultern. "Ich habe Nazir ausgerichtet, dass Ihr unbedingt nach Santa Catalina reiten müsst, weil der Baron vergiftet wurde, und er wollte schon mit mir zum Stall gehen, da sagte der alte Zwerg, der wohl auf einen Becher Wein heraufgestiegen war: 'Entsinnst du dich nicht, Söhnchen, dass du mir für heute Abend dein Maultier geben wolltet für den neuen Stollen, den wir treiben wollen.' Darauf erinnerte sich der Wirt mit einem Male seines Versprechens und sagte, er könne sein Tier nicht herausgeben."
'''Autorin:''' [[Benutzer:Simanca|lasdardas]]


Nur kurz hatte sich vor Zaidas innerem Auge die Bürde ihrer Begleitung aufgetan, als sie am Fuße der Stufen zum Rosentempel stand und die Treppe hinauf sah. Nun ja, in dem Fall blieb leider nur, die Zahori zum Tempel zu bringen, da der Tempel selbst wohl wenig geneigt war, sich hier herab zu begeben.
"Seltsam. Die Aurixim haben doch ihre guten Zwergenponies - wozu brauchen sie da Nazirs Rübenfresser? Ich rede besser selbst mit dem Alten. Nichts für ungut, Loupe, aber gewiss hat er dich aufgrund deines Alters nicht für voll genommen und den Ernst der Lage nicht begriffen. Kommt mit, Herr Monzo! Mit einem freundlichen Wort lässt sich auch ein Zwergenherz erweichen!"


"Du da!", herrschte sie den Nächststehenden an, ehe der wusste, wie ihm geschah. "Hilf mir, mein Großmutterchen hier zum Tempel zu geleiten..."
Nach allem, was Amaros von den Erzzwergen gehört hatte, bezweifelte er dies zwar, trat aber dennoch mit dem Geweihten vor das Portal des Kirchleins. Ihr Gang zur Taberna endete jedoch bereits nach wenigen Schritten. Der Apfelhain war voll von kleinwüchsigen Bartträgern in schlichter dunkler Gewandung. Einige trugen hohe schwarze Hüte mit breiter Krempe. Hier und dort blinkten Beile und andere Waffen. Im Hintergrund standen auch einige Menschen.


Der breitschultrige Mann starrte die verhutzelte Zahori erst verdutzt an, dann lachte er frei heraus und sein Atem verriet, dass er schon rahjagefällig dem Wein zugesprochen hatte. "Die Alte da soll ich zum Tempel hochtragen? Was will die denn, bei Rahja, ausgerechnet heut im Tempel? Die sieht ja aus, als würde sie eher jeden Moment Boron die Hand reichen."
"Väterchen Argmoschix!", rief der Geweihte verdutzt aus. "Welch seltener Besuch in meinem Hain! Ihr wollt Euch doch nicht etwa zur Herrin Peraine bekehren? Ein Scherz, nur ein Scherz, Väterchen. Gerade wollte ich mit Euch sprechen."  


Darum bemüht, rasch einem möglichen Ausbruch der Zahori zuvor zu kommen, griff Zaida erneut sofort ein und stellte sich so, dass sie den Blick des Mannes auf die Zahori nach Möglichkeit verdeckte. "Meine Schwester wird bei diesem Feste Akoluthin der Rahja und ich wurde ausgeschickt, mein Großmütterchen, das bisher krank darniederlag und jetzt wie von einem Rahjawunder geheilt genesen ist, rasch zum Tempel zu bringen, auf dass sie Zeugin dieses freudigen Ereignisses wird. Und du willst doch nicht einer hier ansässigen Familie einen solchen rahagefälligen Moment verderben? Sicher würde das auch der schönen Göttin nicht gefallen und wer weiß, wie ihr Ärger sich dieser Nacht wohl noch bei dir äußern möge?" Mit schwarzen Augen funkelte sie den Mann an, wobei sie schamlos dessen angetrunkenen Zustand ausnutzte. "Abgesehen davon, wenn du schon mal oben bist, da gibt's – so hab ich gehört – hübsche Rahjanis..."
Einer der Hutträger, mit silbernem Bart und schwarzem Mantel, hakte die Daumen in seinen Gürtel und sprach mit ernstem Gesicht: "Angrosch ungarim ka romdraschmox!<ref>[rog.: „(Nur) Angrosch ist der Baumeister, er ist alt und ehrwürdig.“]</ref> Auch wir müssen mit dir sprechen, Söhnchen. Wir haben gehört, dass du verreisen willst. Planst du etwa, zu diesem Sündenfest gehen, wo alle halbnackt und betrunken umhertanzen, Perinyo?"


Es mochte wohl vor allem letzteres Argument gewesen sein, dass der Mann die alte Mhanah die Treppen hinauf brachte und sie hoffte, dass die Alte ihr die Behandlung nicht übel nahm. Aber welche Frau konnte schon von sich behaupten, dass sie just in der Rahjanacht von einem hübschen, starken Mann die Treppen zum Rosentempel hinaufgetragen worden war?
Mit den Händen wehrte der Geweihte ab. "Der Herr von Vivar liegt vergiftet danieder. Die Comtessa von Ragath fordert mich auf, sofort nach Santa Catalina zu eilen. Sein Leben ist in Gefahr!"


Kaum droben angekommen, griff sie selbst wieder nach dem Arm der Greisin, ließ den Mann einfach stehen und zog sie mit sich.
Argmoschix stand im Regen und bewegte sich nicht. "Eile bringt den Tod. Deswegen sterbt ihr Gigrim auch so früh. Weil ihr immer rennt. Der Herr von Vivar hat mächtige Freunde. Er hat seit Hunderten von Jahren der Hilfe der Orondini nicht mehr bedurft. Warum sorgst du dich nicht um die Kranken hier, Söhnchen? Broschax Sohn des Bargrix' Grubenfieber ist nicht besser geworden."
"Komm, ich weiß, wo wir die Comtessa finden, wir sollten keine Zeit mehr verlieren!" Widerworte galten nicht. Sie schlängelte sich an den Wachen mit den Worten "im Auftrag der Comtessa" vorbei und betrat das Rund des Tempels. Verborgen von einem rosenroten Schleier, spähte sie hinein. Dort war Domna Romina und tigerte unruhig um das Lager des Sterbenden herum.


"Pst!" Vorsichtig winkte sie hinter dem Schleier hervor und suchte die Comtessa auf sich aufmerksam zu machen. Ach, was sollte es... Sie wandte sich der Zahori zu. "Warte einen Moment hier, ich bringe die Domna zu dir. Dann magst du mit ihr deinen Lohn bereden..." Sprach's, drehte sich um und hielt entschlossenen Schrittes auf die hübsche Ragatierin zu.
Meister Perinyo war die Ungeduld förmlich anzusehen. "Broschax' Leiden ist langwierig. Er kann für einige Tage auf meine Fürsorge verzichten."


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"Nein, nein", sagte der Sippenälteste bestimmt. "Er hatte erst vor zwei mal acht Tagen wieder einen Hustenanfall. Du solltest ihn dir unbedingt ansehen." Mit der Bestimmtheit eines bergab rollenden Felsbrockens fügte er hinzu. "Du kannst auf keinen Fall jetzt eine Reise antreten, Söhnchen."
'''Autorin:''' [[Benutzer:Nandra|beiras]]


Dom Franco hatte die ganze Zeit wie eine Statue da gestanden und abwesend weiter auf die Rose in den Händen Dom Leóns gestarrt. Nur seine Augen schienen sich ab und an zu bewegen, wenn sie von der Blume zum Gesicht des Vergifteten wanderten. Wie lange mochten sie nun hier schon verweilen und der Dinge harren, die da geschehen mochten? Was geschah unten im Dorf? Es war unheimlich still in dem Raum, nur die Schritte Domna Rominas, die im Gegensatz zu Dom Franco nicht still stehen konnte, waren zu hören und verdeutlichten, dass die Zeit nicht stillstand...
Der Geweihte zuckte hilflos mit den Schultern und wandte sich zu dem vermeintlichen Boten an seiner Seite. "Ich weiß nicht, welche Steinlaus ihnen über die Leber gelaufen ist", raunte er leise. "Für gewöhnlich sind die hiesigen Zwerge recht umgänglich."
Ruckartig blickte er zu einem Schleier, der die Tempelhalle vom Eingang separierte, als er ein Geräusch hörte. Dort hielt sich jemand auf, der auf sich aufmerksam zu machen suchte.


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]
 
"Werte Angroschim, hört mich an!", mischte sich Amaros daraufhin in das Gespräch ein und Argmoschix’ abweisender Blick heftete sich nun auf ihn. "Wollt Ihr tatsächlich jemandem, dem heimtückisch Gift verabreicht wurde, die Gnade der Gütigen verweigern? Sicherlich würde die Comtessa nicht um Euren Beistand bitten, wenn es nicht von Nöten wäre. Seine Hochgeboren könnte sterben!"


Die ruckartige Bewegung von Dom Francos Kopf fiel Romina sofort auf. Unwillkürlich sah sie in die selbst Richtung, aus der plötzlich Zaida auftauchte und schnell zu ihr kam. Endlich! Die Domnatella war zurück, bestimmt hatte sie Erfolg gehabt, sie musste einfach jemanden gefunden haben. Schnell ging sie ihr entgegen und nahm sie beiseite.
Abschätzig schnaubte der Zwerg und seine steingrauen Augen funkelten: "Und was ist mit Broschax? Ist sein Leben etwa weniger wert? Eins kann ich dir sagen, Jungelchen: Er hat zumindest noch viel mehr Jahre vor sich, die es zu bewahren gilt. Auch wenn er kein ach so edles Blut hat wie Seine Hochgeboren."


"Zaida, wo ist der Heiler und wo ist von Kündoch?" Sie schaute zu dem Schleier, aus dem Zaida getreten war und zog sie dahin.
Ein zustimmendes Raunen ging durch die Zwerge.  
Doch entgegen ihrer bisherigen Eile stemmte sich Zaida dem Zug der Comtessa verstohlen entgegen. "Wartet, Domna Romina, ich muss Euch erst noch etwas sagen, es ist wichtig!", zischte sie ihr eindringlich zu. "Ich habe eine Heilerin und von Kündoch... ach, das ist jetzt nicht wichtig. Bei Rahja, Tsa und Travia, wollt Ihr mir wohl zuhören?"


Zaida rammte die Hacken in den Boden und Domna Romina in ihrem Überschwang auf. Wozu hatte sie an Bruder und Zwillingsschwester sowie an ihrem Bären von Vater üben können? "Gefunden habe ich die alte Mhanah im Zahorilager und ja, sie wird versuchen dem Baron zu helfen. Vorausgesetzt, Ihr nehmt ihre Bedingungen an. Und die sind sicher auch rechtens, aber ich muss Euch dringlich vor dem zweiten Wunsch warnen. Ich bin sicher, sie will verlangen, was Tsa nach einer Rahjanacht zuweilen schenkt..."
Der Geweihte und Amaros blickten sich in einer Mischung aus Unglauben und Niedergeschlagenheit an, doch der Sippenälteste war noch nicht am Ende seiner Rede angekommen: "Außerdem ist diese Comtessa bestimmt völlig umsonst besorgt und lediglich auf eine List des Herrn von Vivar hereingefallen. Sicher hat er sich diese ganze Sache mit dem Gift nur ausgedacht, um sie auf sein Lager zu locken. Sogar bis in die Hallen von Aurom-Dûm“ – er deutete mit dem Daumen auf den Boden unter sich – „ist vorgedrungen, dass der Herr von Vivar hinter jedem Rock mit strammen Schenkeln her ist. Nur werden sich die dieser Comtessa nicht so einfach geöffnet haben.
Romina ließ sich nur widerwillig aufhalten, doch ihre Augen weiteten sich nach der Bemerkung des Mädchens.
"Was weißt du von den tsagefälligen Folgen einer Rahjanacht? Und von dem, was die Zahorihexe von mir fordern wird? Bist du für mich mit ihr in Verhandlung getreten? Zaida, das geht so nicht, ich bin die Knappherrin und du die Knappin, du machst gefälligst nur das, was ich dir auftrage und nicht mehr! Du kannst alles verderben, Zahoris sind eigen und sehr stolz. Wo ist die Frau?", stauchte sie das Mädchen zusammen.
Erst rollte Zaida ob der Standpauke mit den Augen, dann aber zog sie selbige düster zusammen und funkelte die Comtessa an. "Verhandlungen? Keine Sorge, die Entscheidung obliegt allein bei Euch, meine Knappherrin", die Anrede unterlegte sie mit einem wütenden Unterton, "aber nachsagen lasse ich mir nicht, dass ich mich mit dem Stolz der Zahoris oder den Folgen rahjanischer Nächte nicht auskenne."


Die Hände zu Fäusten geballt kämpfte sie die aufkommende Widerborstigkeit nieder. "Da drüben steht die Mhanah, ihr Name ist [[Xsarsa Espadín]]. Und wenn Ihr erlaubt, ich gehe nachsehen, wohin sich Dom von Kündoch verirrt hat." Und mit diesen Worten war sie drauf und dran sich abzuwenden und in anderer Richtung aus dem Tempelrund zu verschwinden.
Doch wie sie ihm um den Hals fallen wird, wenn er von der 'Schwelle des Todes' zu ihr zurückkehrt! Kann mir schon vorstellen, was da noch so schwellt." Dröhnend lachte Argmoschix und winkte ab: "Reite einfach nach Hause oder wo auch immer du hin willst, Junge. Unser Heiler bleibt in unserem Dorf. Dem Herrn von Vivar mag es egal sein, wenn seine Launen unser Leben kostet, aber uns sicher nicht."
Fast hätte sie den Eigenwillen und die Widerspenstigkeit ihrer Knappin vergessen. Romina schnaufte. "Zaida!" Ihr Ton war scharf.
Besagte zog den Kopf ein und wandte sich Domna Romina wieder zu. "Aber ich musste doch sicher gehen, dass am Ende nicht Euch etwas zustößt, da Ihr meinetwegen hier seid! Und ich musste Euch doch warnen!" Eindringlich bittend sah sie ihre Knappherrin an.
Die Comtessa überbrückte die Distanz mit zwei Schritten und sah zu Zaida hinunter. Sie sprach leise, aber hart:
"Das ehrt dich und nichts anderes habe ich von dir erwartet. Doch nicht du musst mich, sondern ich dich beschützen, denn ab jetzt dienst du mir. Und das bedeutet, du gehst nicht, wenn ich dich nicht entlassen oder geschickt habe! Egal, wie sehr dir das, was ich sage oder tue gegen den Strich geht. Das ist deine erste Lektion! Hast du das verstanden?" Rominas Gesicht war unbeweglich.
Lachen oder Weinen, so ganz war sich Zaida nicht sicher, was sie tun sollte. Jedenfalls nicht vor Romina die Augen rollen wegen der Erziehungsmaßnahme, dessen war sie sich bewusst. "Jawohl", gab sie artig zurück und stellte sich an Rominas Seite. Gut, dann mochte die Domna auf sie Acht geben. Aber sie würde sich ganz sicher nicht austreiben lassen, ihrerseits über das Wohl ihrer verehrten Comtessa zu wachen.
Etwas erstaunt, aber zufrieden mit dem Ergebnis, trat Domna Romina durch den Schleier auf die Zahori zu, die im Eingangsbereich des Tempels wartete.


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Der Lindholzer wollte etwas erwidern, doch Meister Perinyo hielt ihn zurück: "Es hat keinen Sinn, Herr Monzo. Wenn ein Erzzwerg etwas beschlossen hat, ist er unnachgiebig, wie das Erz, das er im Namen trägt. Gehen wir erst einmal wieder in die Halle der Göttin und überlegen, was nun zu tun ist."
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]


Xsarsa wurde von gerade von Schwester Eulalia zum wiederholten Male höflich, aber bestimmt dazu aufgefordert, den Tempel und das Kloster wieder zu verlassen. Mit ihrem verhutzelten Gesicht, ihrer ledrigen Haut, ihren vor Schmutz starrenden und gebrochenen Nägeln, ihren billigen Amuletten und ihren gewiss tausendfach geflickten Röcken sah die alte Zahori auch keinesfalls so aus, als wolle sie der Schönsten aller Göttinnen ihre Aufwartung machen.  
Amaros schätzte es überhaupt nicht, sich einem Höhlenkriecher beugen zu müssen, doch ihm wollte kein Weg einfallen, den Diener der Gütigen Göttin von diesem Ort wegzubekommen, der von den Angroschim quasi belagert wurde. "Nun gut", beugte er sich schließlich, "steht das Angebot Eurer Novizin noch? Wenn ich es recht überlege, hätte ich doch gerne etwas Trockenes."


Die Comtessa erstarrte in der Bewegung. Dieses dreckige alte Weib sollte Dom León helfen können? Ehe sie jedoch zu einer Entscheidung kommen konnte, hatte die Alte sie schon entdeckt und ihre braunen Klauenhände um Rominas weißen Arm gekrallt. „Ah, da ist ja mein Töchterchen! Hab ich dich schon überall gesucht!“, krächzte sie fröhlich. „Hurtig, hurtig, führe mich zu unserem dahinwelkenden Rosenkavalier!“
Geschlagen zogen sich die beiden in den Tempel zurück. „Einen Geheimgang hat dieser Tempel nicht zufällig zu bieten?, fragte der vermeintliche Bote mit wenig Hoffnung in der Stimme, als sie das Tor hinter sich geschlossen hatten.


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]
 
Geduckt saß [[Yppolita di Dalias y las Dardas]] auf der klapprigen Mähre, die ihr eigen war. Am Rande des Apfelhains harrte sie aus und verfolgte, was vor sich ging. Zwerge waren herangerückt – eine beachtliche Anzahl von ihnen – und hatten den kleinen Tempel umstellt, gerade als sie sich heranschleichen wollte. Ihr dumpfes Murren war kaum zu vernehmen. Zu dicht fiel der Regen herab. Das beständige Prasseln ertränkte die kaum zu hörenden Stimmen in seiner ewigen Gleichförmigkeit. Ihr Caldabreser und die ihn ansonsten schmückenden Federn hatten sich der Macht des Regens schon lange gebeugt. Nass bogen sie sich nach unten. Leise klapperten ihre Zähne. Enger schlang sie den nassen Umhang um sich. Doch Wärme vermochte er ihr schon lange nicht mehr zu geben. Sie fror. Sie, die sonst nie fror, die die [[avwik:Nivesen|Nivesenlande]] und [[avwik:Thorwal|Thorwal]] bereist hatte, bibberte. Kurz waren dieser merkwürdige Bote und der Geweihte aufgetaucht, das Licht aus der Tür des Tempels ließ Yppolita sie deutlich erkennen. Ein paar kurze, kaum verständliche Worte hatten sie mit den Zwergen gewechselt. Dann waren dieser Bote und der Geweihte auch wieder in das Warme und das Licht des Tempels zurückgekehrt. Ein warmer, trockener Raum – da wäre sie nun auch gerne. Wie war sie nur hierher gekommen?


Romina wandte alle Selbstbeherrschung auf, um die Alte nicht abzuschütteln. In ihrem Kopf raste es. Nicht, dass sie nicht auch an eine Zahorihexe gedacht hätte und nicht, dass sie nicht auch damit gerechnet hätte, dass diese Hexe etwas ungewöhnlich daher kam. Aber das war zu viel. Anderseits war es schon spät in der Nacht und sie hatte nicht allzu viele Heiler zu Auswahl. Sie holte tief Luft und sah zu der Alten hinunter. "Verzeiht, gute Frau, ich kenne Euch nicht, seid Ihr denn eine Heilerin? Außerdem sprach meine Knappin von Bedingungen, die Ihr stellen wolltet. Diese würde ich gerne erfahren."
Auf dem Markt in Santa Catalina hatte sich Yppolita treiben lassen – hatte natürlich alles genau im Auge und beobachtet… Dort war sie auch wieder mit ihrem versoffenen Vetter [[Lodovico di Dalias]] zusammengetroffen. Für den Weg vom Tempel herab hatte er eine geschlagene halbe Stunde gebraucht. In dieser Zeit war er dreimal von seinem Pferd gerutscht. Prustend vor Lachen hatte er verkündet, er wolle nun für Ruhe und Ordnung sorgen, was einiges an Unruhe und Argwohn bei den Feiernden um ihn herum ausgelöst hatte. Da Lodovico an seinem Plan festhielt, zunächst die strategisch essentiellen Weinstände zu sichern, hatten sie sich wieder getrennt: Yppolita wollte weiter nach Verdächtigen suchen. Unter den Feiernden war ihr zunächst keiner aufgefallen, doch dann war sie fündig geworden. Sie hatte einige höchst suspekte Gestalten ausgemacht: Ein Soldat hatte diesem Boten ein Schreiben gegeben und ihn losgeschickt. Und dieser zog gen Firun, in Richtung der Berge. ‚Warum’, so fragte sich Yppolita, ‚reitet ein Bote nachts in die Berge?’
 
Ihr Verdacht hatte sich bestätigt, als der fremde Bote einem unheimlichen bläulichen Licht zu folgen begann, das ihn schnurstracks weiter in das Dörfchen Orondo führte. Bald hatte es zu regnen begonnen, der Weg war rutschig geworden. Sie hatte ihr Pferd mehr geführt, als dass sie auf ihm ritt. Es war ein gefährlicher und weiter Weg des Nachts – doch ihre Intuition hatte sie nicht getrogen. Irgendetwas Merkwürdiges ging hier vor – und der Bote steckte, davon war sie nun überzeugt, in dieser ganzen Angelegenheit tief drin.  


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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]


Leutselig verstärkte die Mhanah den Druck ihrer Klauen auf den Arm der Comtessa und schenkte ihr ein Lächeln ihrer ruinösen Zähne. "Ah, eine Verruga nach Phexens Geschmack!", schnarrte sie anerkennend. "Auf kein Geschäft lässt sie sich ein, ohne vorher genau zu wissen, mit wem sie handelt. Nun denn, mein Kind. Ich bin Xsarsa, die Mhanah der Sippe der Espadín. Ich bin das Werkzeug der lebenslustigen Za, denn meine Hände haben bereits viele Kinder zur Welt gebracht, und das Werkzeug des Dunklen Gevatters, denn ich habe auch viele Frauen von ungewollter Bürde befreit - du verstehst, was ich meine.
Yppolita richtete den Blick wieder auf das Göttinnenhaus. Die Zwerge bildeten einen Kreis und schienen murmelnd und auf den Fußballen vor und zurück wippend einige Absprachen zu treffen, was eine ganze Weile in Anspruch nahm. Schließlich marschierte das Gros von ihnen wieder in Richtung der Taberna ab, während ein halbes Dutzend sich strategisch günstig im Hain Aufstellung nahm, um sowohl das Tempelportal als auch die Tür zu der angebauten Sakristei samt Geweihtenhaus im Auge behalten zu können. Ein weiterer Bartträger bewachte – wenn auch in respektvollem Abstand – den Gaul des Boten. Der Perainetempel stand unter Belagerung!
 
Ich bin zwar nur eine einfache Amme, aber ich weiß, wie man den menschlichen Leib dazu bringt, fremde, schädliche Stoffe - ja, auch Gift - auszuscheiden. Was meine Bedingungen betrifft, so sei beruhigt: die erste Untersuchung ist kostenlos. Dann werde ich dir sagen, ob ich deinem Baron helfen kann oder ob er verloren ist."


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Simanca|lasdardas]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]


Entschlossen hielt sich Zaida an der Seite ihrer frisch gebackenen Knappherrin und beäugte die alte Mhanah wachsam. Sie würde schon genau auf den Wortlaut achten, falls es zu einem Handel zwischen der Comtessa und der alten Xsarsa kommen sollte. Derweil diese mit Domna Romina sprach, sah sich die junge Waldwachterin aufmerksam unter ihren wilden Locken hervor um. Von ihrer Schwester war nichts zu sehen, doch das hatte sie auch nicht erwartet. [[Ludovigo de las Dardas|Ihr Vater]] war auffällig wie ein Bär in einem Wolfsrudel. Doch [[Fiona de las Dardas|ihre Mutter]] zu erspähen war schwieriger, hatte sie sich doch mit ihrer Puniner Bekanntschaft [[Melisandra Chaziani]] an den Rand des Tempelrunds zurückgezogen, um unter vier Augen mit der hübschen Frau zu sprechen. Schon daran, wie die [[Soberan]]a des [[Familia de las Dardas|Hauses las Dardas]] den Rücken hielt, konnte Zaida erkennen, dass sie ob des Inhalt des Gesprächs wenig erbaut war.
„Angroschim haben Geduld… die bleiben am Ende die ganze Nacht hier“, sprach Yppolita di Dalias y las Dardas leise zu sich selbst. Die ganze Nacht, frierend und durchnässt auf einem Pferd sitzend zuzubringen, schien der Caballera keine allzu verlockende Aussicht zu sein. Behutsam führte sie ihre rechte Pranke zum Griffkorb ihres Raufdegens und zog die Klinge kurz eine Handbreite aus der Scheide. Linkhand und Dolch waren auch an ihren Plätzen. Ihren Kopf legte sie an ihren Nacken und hob ihre Augen für ein kurzes Gebet gen Alveran. „Heiliger Oheim, San Lumino, halte Fürsprache für mich bei Dom Praios und Domna Rondra! Herz, Hand, Klinge!“


Neugierig spähte sie hinüber, riss sich aber von dem Gedanken los, Mäuschen zu spielen. Nein, sie würde hier an der Seite von Domna Romina bleiben, komme was da wolle. Und so duckte sie sich auch flink hinter selbiger weg, als der Blick ihres Vaters über sie strich. Ein bisschen tat ihr das Verhalten ja leid, aber Vater und Mutter waren hier wohlvertraut. Da richtete sie die Aufmerksamkeit lieber auf die verehrte Ragatherin.  
Sachte drückte Yppolita mit ihren Schenkeln in die Flanken ihres Pferdes. Gemächlich und müde trottete es voran auf den warmen Lichtschein des kleinen Kirchleins inmitten des Apfelhains zu. Yppolita schob ihr Kinn nach vorne und legte ihren Kopf leicht schief, um den Eindruck Yaquirtaler Verwegenheit zu erwecken. Sie setzte ein leicht spöttisches Lächeln auf. Einzig um ihr Pferd machte sie sich ernsthaft Sorgen, eine zerschundene, klapprige Mähre. Ein trächtiges Zwergenpony, rund wie ein Puniner Fass im Weinmond, strahlte mehr Anmut aus.  


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In die Reihen der Angroschim, die sich um den Tempel postiert hatten, kam Bewegung. Sie hatten Yppolita und ihr Pferd bemerkt. Zwei kamen ihr entgegen, um ihr den Weg zum Kirchlein zu verstellen. Taxierend wogen die beiden ihre Äxte in den Fäusten. Ihre durchnässten Hüte hingen schlapp herab. Dicke Tropfen perlten aus ihren geflochtenen Bärten auf den Boden. Mit tiefer, wie ein Steinschlag grollender Stimme rief ihr der Vorderste entgegen: „Angrosch ka kagrosch! Kagarax xanaschna, Xomaschna?“<ref>[rog.: „Angrosch zum Gruße! Was suchst Du, Menschenweib?“]</ref>
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]


Eine Hebamme und... nein, sie dachte lieber nicht daran, wie man so eine Frau nannte. Kurz warf sie Zaida einen wilden Blick zu. Wenigstens war die Alte auch die Manah der Sippe, was sagte sie nochmal, Espadín. Irgendwas läutete bei diesem Sippennamen. Sie wischte den Gedanken fort. Es war momentan reichlich egal; sie wusste von Zahoris es viel zu wenig, um eine Sippe einschätzen zu können.
Kurz vor den beiden Zwergen brachte Yppolita ihr Pferd zum stehen. Herablassend blickte sie auf die Angroschim herab. „Angrosch auch mit Euch und den Eurigen, ebenso Rondra und die anderen elf Zwölf, wenn’s Euch beliebt.“ Yppolita merkte, wie ihre Stimme leicht bebte; sie räusperte sich kurz und versuchte, sich zu beruhigen. Sie musste kühl sein wie Stahl. „Ich bin Alveranis Gloria Yppolita di Dalias y las Dardas, Erbjunkerin zu [[Junkergut Dalias|Dalias]], [[Sherbeth]] und [[Malkethoza]], Caballera zu Las Colinas. Die älteste Enkeltochter der Schwiegermutter des Bruders meiner Vaterschwester, eine tapfere und schier unbezwingbare Klingenjägerin, schickt mich nach Orondo. Sie“, Yppolita unterbrach ihren Wortschwall und machte eine kurze theatralische Pause, „sie hat mir aufgetragen, der hiesigen Geweihtenschaft der…“, Yppolita musterte den nur schemenhaft erkennbaren Tempel und Hain kurz, „der guten Göttin… Peraine…“, als sich kein Widerspruch in den Mienen der Angroschim regte, sprach sie weiter, „meine Reverenzen zu erweisen und dieselbe Geweihtenschaft gegen gute Opfermünzen zu ersuchen, zwölf Tage lang, zwölf Kerzen zu entzünden und unablässig, fest und fortgesetzt, für die Linderung des… kalten Fröstelns derselben, der hochgeehrten ältesten Enkeltochter der Schwiegermutter des Bruders meiner Vaterschwester zu beten.  


Sie schnaufte ungehalten. "Verzeih, gute Frau, aber der Dom ist nicht schwanger, sondern wurde vergiftet. Und ich glaube, Boron braucht bei ihm keine Unterstützung mehr. Ist dein Draht zu Tsa oder Peraine groß genug, um ihn von Borons Schwelle zurückzuholen? Kennst du dich mit Giften überhaupt aus?" Langsam entglitt ihr die Geduld. War die Alte so naiv oder tat sie nur so?
Denn, Ihr werten Herren Angroschim, Ihr mögt dies glauben oder nicht, oder gar zum Fundament Eures Glaubens erheben oder auch nicht, und darin Trost und Zuversicht schöpfen in dunklen und regnerischen Tagen oder auch nicht, dass das Entzünden von zwölf Kerzen an zwölf aufeinander folgenden Tagen und das überaus kraftvolle Beten dieser tadellos frommen Geweihtenschaft hier zu Orondo, auch in ferner davon gelegenen Regionen der Berggrafschaft und auch der Talgrafschaft, des Öfteren und stets sehr erfreulich, die Linderung üblen, manches mal gar niederhöllischen Fröstelns zur Folge hatte; wie dies auch und gerade meine liebe holde und überaus streitbare Base erstrebt, weswegen ich hier bin und die Passage zum Tempel hiermit erbeten haben will… Gehabt Euch…“ Mit diesen Worten drückte Yppolita – stolz und zufrieden mit sich – in die Flanken ihres Pferdes und nötigte es so zum Weitergehen.  


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'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Thallian|damotil]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]


In der Tat war das Gespräch kein erbauliches, welches die zwei Domnas da mit gedämpften Stimmen führten. Domna Melisandra mühte sich die Contenance zu wahren und zudem mit wohlfeilen Worten ihre Freundin Domna Fiona davon abzuhalten laut die Stimme zu erheben und ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Beschwichtigend und dabei durchaus mit den Händen gestikulierend, redete die Puniner Händlerin mit leiser Stimme auf die Caballera ein.
Es kratzte. Er hatte es ja gleich gewusst. Mit einem Seufzen strich Amaros von Lindholz über das grobe Gewebe. Aber es half nichts: Es würde noch eine Weile brauchen, bis das wärmende Feuer, welches den Tempel in sein flackerndes Licht tauchte, seine Kleider getrocknet hatte. Zu allem Überfluss hatte der Geweihte – im Gegensatz zu der verschüchterten Loupe – nicht einmal den Anstand, den Raum zu verlassen, während er sich umzog. Wieder einmal eine von diesen Sachen, die Amaros seit seiner Ausbildung in Grangor nicht mehr hatte hinnehmen müssen. Für einen Heiler wie Meister Perinyo war es wohl einfach nicht der Rede wert, wenn sich jemand vor ihm entblößte. Darüber hinaus konnte der Orondino kaum ahnen, dass er auf einen adliges Hinterteil schaute. Dementsprechend nahm der blonde Magier das Verhalten klaglos hin. Statt sich in Selbstmitleid zu ergehen, suchte Amaros nach einem Ausweg aus ihrer vertrackten Lage, während er zuerst das Lendentuch anlegte und sich dann die grobe Tunika aus Nesseltuch überstreifte.  


Inzwischen hatte Lessina, in einer Hand eine Tasche haltend, im Laufschritt ebenfalls wieder die Stufen zum Tempel erklommen. Aber den Zugang zum Tempel versperrten nun Wachen. Es kostete die junge Frau einige wertvolle Momente Zeit, wie sie fürchtet, bis sie eine Gelegenheit fand zwischen diesen hindurch zu schlüpfen und erneut den Tempel zu betreten. Sofort viel ihr die fast schon borongefällige Stille in dem Tempel der Freude auf, in dem man bis vor kurzem noch Heiterkeit, Lachen, Gesang und Musik vernommen hatte. Behutsam betrat sie den großen Tempelraum, in dem wenig zuvor das Unglück seinen Lauf genommen hatte und blickte sich ein wenig scheu, die Tasche wie einen Schild vor sich haltend um.
Für ihn selbst würde die Flucht keine große Herausforderung darstellen, falls man ihn überhaupt daran hinderte, alleine das Gotteshaus zu verlassen: Seine arkanen Kräfte würden ihn unerkannt an den Angroschim vorbeibringen. Eine zweite Person mit sich zu nehmen; das war allerdings schon ein kräfteraubendes Unterfangen und seine Tarnung wäre dahin. Ein Menschenleben sollte es jedoch durchaus wert sein, einen Vortrag seiner Mutter über Gehorsam und Pflichten über sich ergehen zu lassen. Auf der anderen Seite fragte sich der junge Adlige, ob das Überleben des [[León de Vivar]] überhaupt im Sinne ihrer Familie war. Gab es nicht einen Gegenbaron, der das Wohlwollen der Kaiserin in [[avwik:Gareth|Gareth]] besaß? Seine Schwester [[Alisea von Lindholz|Alisea]] hatte ihm von entsprechenden Gerüchten berichtet. War am Ende gar seine eigene Familie an diesem Anschlag beteiligt?


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‚Nein, soweit würde Mutter nicht gehen. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Und ich wäre ebenso wenig dazu bereit‘, grübelte Amaros vor sich hin, während er sich ein kurzes Seil um die Hüfte band, damit die beige Tunika nicht unförmig an ihm hinabhing. Indigniert blickte er an sich herab. ‚Von einem tumben Dörfler nicht mehr zu unterscheiden‘, konstatierte er innerlich, bevor ihn ein Gedanke wie ein Geistesblitz traf.
'''Autorin:''' [[Benutzer:Nandra|beiras]]


Langsam näherte sich Dom Franco dem Schleier, hinter dem Domna Romina verschwunden war. Er hörte die aufgebrachte, wütende Stimme einer jungen Frau, die ihm bekannt vor kam. Wer auch immer dort angekommen war, war ihm bereits über den Weg gelaufen. Seine Hand berührte den feinen Stoff des Schleiers und schob ihn beiseite. Sein Blick traf auf die Comtessa, die gerade eine kurze, aber heftige Diskussion mit Zaida führte. Ja, nun wusste er wieder, wem die jugendliche Stimme gehörte.
Mit einem Funkeln in den meergrauen Augen, drehte Amaros von Lindholz sich dem Diener der Göttin der Äcker zu: „Hochwürden, wenn wir hier die ganze Nacht verbleiben, wird Seine Hochgeboren vielleicht nicht mehr zu retten sein. Was hieltet Ihr davon, wenn ich mich als Euch ausgebe? Wenn eine Gestalt in Eure grüne Robe gekleidet versucht, von hier zu entkommen, werden die Zwerge sie zweifelsohne verfolgen. Währenddessen könntet ihr mein Pferd nehmen und gen Santa Catalina eilen.
Sollte doch ein Heiler gefunden worden sein, schoss es ihm durch den Kopf? Dann fiel sein Blick auf eine Gestalt im Hintergrund, die sich den versuchen, sie aus dem Tempel zu verbannen, erfolgreich widersetze. Franco runzelte die Stirn und schürzte angewidert die Lippen, als er das alte Zahoriweib genauer betrachtete. Ein kalter Schauer überfiel ihn. Wo auch immer man diese "Frau" gefunden hatte, es musste ein Ort in einer dreckigen, dunklen Gasse gewesen sein. Als hätte die Alte es gemerkt, dass sie beobachtet wurde, schaute sie zu dem Magnaten herrüber und ihre Blicke kreuzten sich. Einen ewig langen Moment starrten sie sich an.
Dann war der Moment zu Ende und der Greisin Aufmerksamkeit galt der Ehrensteinerin, in deren Arme sie sich buchstäblich verkrallte. Franco de Beiras wich einen Schritt vom Schleier zurück, blieb kurz stehen, als wüsste er nicht, was er machen sollte und betrachtete dabei den "schlafenden" Dom León. Langsam näherte er sich ihm und kniete sich neben den Diwan, auf dem dieser lag. "Was wird nur aus dir werden, Vetter?", murmelte er leise. Sein Blick fiel auf die Rose in dessen Händen.


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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]


Nun war es an Xsarsa, zu schnauben. "Mein Kind, ich hätte meine alten Knochen nicht hierher bemüht, wenn ich mich nicht mit den natürlichen und unnatürlichen Giften auskennte. Gewissheit der Heilung kann ich nicht versprechen - das wissen allein die Götter. Moment mal, Verruga - geht es denn gar nicht um Leben und Tod? Wenn wir nämlich hier noch weiter plauschen, könnt' ich ja wahrscheinlich Boron walten lassen. Dabei bin ich doch gekommen, um dem Gevatter seine Beute zu entringen!"
Meister Perinyo wirkte überrascht. Offensichtlich war ihm dieser Gedanke selbst nicht gekommen. Er trat an den Magier heran, legte ihm die Hand auf die Schulter und blickte ihn an. „Herr Monzo, ihr seid sehr tapfer. Euer Einsatz für das Leben eines anderen, eines hochgeborenen Herrn zumal, ehrt Euch vor Unserer Lieben Frau, die in dieser Stunde gewiss von Alveran auf uns hernieder blickt. Allein, Euer Ansinnen ist auch gefährlich! Was, wenn die Zwerge völlig außer Rand und Band sind und Euch ein Leid antun? Dann würde ich mich an Euch schuldig machen. Das ist gewiss nicht der Wille der –“
 
Er unterbrach sich, als das Portal sich öffnete, und eine durchnässte Caballera, einen dünnen Klepper am Zügel führend, das Tempelschiff betrat.


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]


Bei allen niederhöllischen Hörnern, das alte Weib hatte Recht. Die Zeit rannte davon und vielleicht auch diese Zahori, wenn sie zu lange zögerte. Zahoris waren stolze Wesen, wenn Domna Romina auch nicht so genau wusste, worauf diese alte Vettel stolz war. So gab die Grafentochter seufzend nach.
Die Yaquirtaler Caballera kniff ihre Augen zusammen. Im Inneren des Tempels war es hell. Gegen das Licht zeichneten sich zwei Männer ganz deutlich ab. Sie standen eng beisammen: Ein Mann in grüner, bodenlanger Kutte – offenkundig ein Geweihter Peraines und ein junger Mann in der einfachen erdfarbenen Tracht eines Bauernlümmels – dies war wohl der Bote, dem sie gefolgt war. Der Geweihte zog seine Hand sachte von der Schulter des Boten. Wie zwei ertappte Liebende standen sie da und blickten sie erschreckt an – oder wie zwei ertappte Verschwörer.  
Mit den Worten "Hier entlang, Mhanah der Espadín!" dirigierte sie die Alte, die sich immer noch am ihrem Arm festhielt, in den Tempel und zu dem Vergifteten. Woher nur war ihr dieser Sippenname geläufig?!


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Yppolita ließ ihr Pferd stehen und kam, ohne ein Wort zu sprechen, sporenklirrend näher an die beiden heran. In dicken Fäden tropfte das Wasser von ihrem Umhang und Hut auf den hölzernen Boden des Langhauses. Mit großer Geste warf Yppolita ihren Umhang zurück und gab den Blick auf ihr Wehrgehänge mitsamt Raufdegen und Dolch frei. Drei Schritt vor den beiden blieb sie schließlich stehen.
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]


Als die beiden durch den Vorhang in das Rund der Halle traten, stockte so manchem Gast der Atem ob Xsarsas Anblick. "Wie hässlich!", "Rahja hilf!", "Dass so etwas in den Tempel der Schönen Göttin hereingelassen wird!" wurde (hinter vorgehaltener Hand) dem Tischnachbarn zugeflüstert, und manch einen schüttelte es sichtlich. Die [[Catalinenser]] hatten ihr Mundwerk besser im Griff, doch auch einigen Priestern entglitten zunächst die Gesichtszüge. Hochwürden [[Rahjico von Brandelonde]] fielen Kinnlade und Weinpokal gleichermaßen herunter. Bruder [[Zafir Contador|Zafir]], annähernd perfekter Gastgeber, der er war, bewahrte freilich die Contenance und lächelte zurückhaltend.
„Die Zwölfe Euch zum Gruß entboten, Hochwürden. Gestattet, dass ich mich vorstelle?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Ich bin Alveranis Gloria Yppolita di Dalias y las Dardas, Erbin von Dalias und Caballera von Las Colinas aus dem schönen [[Baronie Artésa|Artésa]], Nichte der wohlgeborenen Dame [[Fiona de las Dardas|Fiona de las Dardas y las Dardas]], die Euch, Hochwürden, wohl bekannt sein dürfte. Und du, Strolch“, mit diesen Worten wandte sich Yppolita von Hochwürden Perinyo Salpena ab und Amando Monzo zu, den sie mit zusammengezogenen Augenbrauen und steiler Falte auf der Stirn strafend musterte, „bist einer jener, die sich gegen Leib und Leben des hochgeborenen und rahjageliebten Dom León verschworen haben! Welches dunkle Handlangergeschäft führt dich hier her? Warum hast du dich nachts heimlich aus Santa Catalina geschlichen? – Triffst du hier etwa den Drahtzieher dieses finsteren Komplotts?“


Domna [[Aisha von Franfeld]] löste sich von ihrem Rosenkavalier, und richtete als erste das Wort an die Comtessa. "Euer Hochwohlgeboren, pardonniert's mir vielmals, aber wie dürfen wir das verstehen, dass Ihr diese..., diese... ''Zahori'' in den Rosentempel bringt?" Ihre Frage war respektvoll, aber dennoch eine Spur zu hart gestellt, als dass sie aus reiner Neugierde auf den Neuankömmling geboren hätte sein können.
Yppolita reckte und streckte sich drohend zu ganzer Größe und Breite. Ihre grauen Augen funkelten die beiden Männer kampfeslustig an. Eine nasse, dunkle Haarsträhne hing ihr ins Gesicht. Ihr Kinn war platt, die große Nase angewidert hochgezogen. Fingerdick schwollen die Adern an ihrem Hals an. Ihre Rechte legte sich an den Griff ihres Raufdegens.  


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]


Damit hatte Domna Romina gerechnet. Sie wusste selbst nicht genau, warum sie dieses unansehliche Weib zu dem Baron ließ. Man sagt, Hexen wären entweder strahlend schön oder abgrundtief hässlich. Sollte die Vogelscheuche keine Hexe sein, würde sie dem Sterbenden nicht nützen, aber auch nicht schaden.  
Während die Caballera aus dem Haus di Dalias y las Dardas drohend ihre Anschuldigungen vorbrachte, hatte es Amaros von Lindholz zuerst die Sprache verschlagen, während sein Kopf im Folgenden zunehmend an Farbe gewonnen hatte. Selbst der [[avwik:Arange|arange]] Schein der Flammen konnte das Rot in seinem Gesicht nicht übertünchen, als es aus ihm herausbrach: „Was? Strolch? Handlangergeschäfte? Diese Anschuldigungen sind –“ begann er und wurde wohl nur vom Eingreifen des Perainegeweihten daran gehindert, einen handfesten Streit vom Zaun zu brechen.  


Romina wandte sich Domna Aisha zu. Das kühle Blau ihrer Augen wurde von dem Weißblau ihrer Junkertracht unterstützt. "Verehrte Domna von Franfeld, natürlich entschuldige ich Eure für die Sache bestimmt äußerst wertvolle Einmischung. Ich erkläre euch ausgesprochen gerne, warum ich tue, was ich tue." Die Comtessa blinzelte. "Da es nicht statthaft gewesen wäre, den Baron zu der Zahori zu bringen, die übrigens die einzigen Heilerin ist, derer wir bisher habhaft werden konnten", sie legte übertrieben kokett den Kopf schief, "und da ich aber auch den schönen Tempel um den Baron nicht abreißen lassen wollte, war es unerlässlich, die zugegeben nicht allzu ansehliche Frau Rahjas Domizil betreten zu lassen." Sie schenkte Domna Aisha ihr schönstes [[Familia von Streitzig ä.H.|Streitziglächeln]] und wartete ruhig auf eine Reaktion.
Mit einer beschwichtigenden Geste trat Perinyo Salpena zwischen die beiden: „Hier muss es sich um ein Missverständnis handeln, hochverehrte Caballera. Dieser Bote hat mir ein Schreiben überreicht, in dem mir von den schrecklichen Vorkommnissen in den heiligen Hallen des Klosters zu Santa Catalina berichtet wurde. Weiterhin werde ich gebeten, sofort zum Rosentempel zu eilen, um dem Herren dieser Lande beizustehen. Dieser Mann, Amando Monzo, hätte mir den Brief sicherlich nicht überstellt, wenn ihm daran gelegen wäre, dem Baron zu schaden, meint Ihr nicht auch, Euer Wohlgeboren?“


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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]


Domnatella [[Alisea von Lindholz|Alisea]] hatte sich neben dem Baron aufgerichtet, von dessen Seite sie bisher nicht gewichen war. Fast, als wollte sie ihn schützen, nahm die blonde Adlige vor der Liege des Vergifteten Aufstellung: "Aber woher kennt Ihr denn eine solche Person, Euer Hochwohlgeboren? Ist denn der Leumund der... Zahori... so unbescholten, dass man ihr das Leben Seiner Hochgeboren anvertrauen kann?" Sie warf einen besorgten Blick auf das bleiche Antlitz des schönen Vivar, bevor sie fortfuhr: "Seht ihn Euch an! Er scheint dem Tode schon näher als dem Diesseits. Wenn wir sein Wohlergehen in die Hände eines böswilligen oder unfähigen Menschen legen, könnte es sein Ende bedeuten."
„Oh!“ Betreten schlug Domna Yppolita ihre Augen nieder. Deutlich war zu erkennen, wie die Zornesröte in ihrem Gesicht der Schamesröte wich. Zerknirscht presste sie ein „Entschuldigt, Herr Emissario!“ zwischen schmalen Lippen hervor. Verlegen und etwas tapsig klopfte Yppolita Amando Monzo auf die Schulter. Rasch überflog die Caballera das Schreiben, das der Bote überbracht hatte und das Perinyo Salpena nun gewissermaßen wie zum Beweis des Gesagten vor die Nase der jungen Adligen hielt.  


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„Auch Euch, Hochwürden, bitte ich um Vergebung, ich wollte den Segen, der auf dem Heim der Gütigen liegt, mit meinen Worten nicht besudeln. Verzeiht, Hochwürden!“, sprach die Caballera immer noch sichtlich peinlich berührt zum Geweihten.
'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]


"Ihr habt vollkommen recht, Domnatella. Dank bösartiger Leute ist Euer angebeteter Baron dem Tode näher als dem Leben. Es ist sicher, dass er zur Morgenstunde in Borons Armen weilt und danach nie wieder in Euren oder denen einer anderen lebendigen Frau. Wir haben keine Zeit, jemanden mit dem passenden Leumund zu suchen. Die Zahori ist die Mhanah einer Sippe, deren Name mir geläufig ist und sie ist klug genug zu wissen, dass die Streitzigs ebenso dankbar wie nachtragend sein können." Die junge Caballera verlor langsam die Geduld. "Macht Platz, Domnatella Alisea, oder ich lasse Euch wegtragen."
Dieser nickte ihr gnädig zu und hauchte ein kaum verständliches „Es sei Euch vergeben!“


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'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]


"Was maßt Ihr Euch an, Domnatella Romina? Ihr seid hier nicht in Ragath und Gast wie ich...", brauste die Yaquirtaler Adlige auf, wurde aber von Ihrer Mutter scharf unterbrochen: "Alisea!" Der Blick der Neunzehnjährigen wanderte zu der Nische, in deren Schatten [[Siona von Lindholz]] Platz genommen hatte. Das Gesicht der in Albernia Geborenen war im schwachen Schein der Öllichter kaum zu erkennen, als sie fortfuhr: "Wenn die Comtessa mit ihrem guten Namen und dem ihrer Familia für diese Frau bürgt, dann sollte uns das genügen."
„Nur hindern uns leider diese zu kurz geratenen Sturköpfe daran, den Tempel zu verlassen. Sonst wären wir schon längst aufgebrochen“, ergänzte der noch immer verschnupfte Bote. „Ich bin deshalb auch der Meinung, dass wir meine Idee weiter verfolgen sollten, so es keinen besseren Vorschlag gibt. Sicherlich ist es nicht ungefährlich, doch sagtet Ihr ja selbst, Hochwürden, dass die Gütige Göttin auf uns herniedersieht. Ohne Zweifel wird sie unserer Tat Ihren Segen geben und uns Schutz gewähren.
 
Für einen Augenblick schien Alisea von Lindholz Widerworte geben zu wollen, doch dann senkte sie die Arme. Ein zorniges Funkeln lag in den Zügen der jungen Domnatella, als sie zur Seite trat und den Weg zum Baron freigab.


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Nandra|beiras]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]


Dom Franco erhob sich langsam von seinem Platz vor dem Diwan, wo er ausgeharrt hatte und der Rose dabei zusah, wie sie ihre strahlende Kraft verlor und zu welken begann. Doch nun lenkte er seine Aufmerksamkeit auf die alte Vettel und den Disput um ihren Leumund. "Mögen die jungen Damen doch an einem anderen Ort streiten als am Lager meines vergifteten Vetters. Wenn diese Zahori die einzige ist, die Santa Catalina aufweisen kann, um meinen Vetter zu retten, dann sollten wir unsere Gebete an Peraine und Rahja verstärken, dass er diesen Anschlag überleben möge." Ruhig blieb er vor dem Diwan stehen und blickte Xsarsa bei seinen Worten herausfordernd an.  
Nachdem Yppolita di Dalias y las Dardas auf ihre Nachfrage hin aufgeklärt worden war, dass der Plan Herrn Monzos aus einem gewagten Mummenschanz bestand, in dem der eine sich für den anderen und umgekehrt ausgab, nickte sie dem Pläneschmied anerkennend zu. „Welch‘ kluges Köpfchen sich unter diesem Haarschopf verbirgt. Phex selbst könnte keinen besseren Garadanzug ersinnen… und wir sollten nicht vergessen, es sind Angroschim: Für uns sieht einer von diesen Erdnuckeln wie der andere aus. Ich bin sicher ihnen ergeht es mit uns Xomaschim auch nicht eben anders. Wie kann ich Euch helfen?“


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Romina Alba|ehrenstein]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]


Sie bürgte mit ihrem guten Namen ''und'' dem ihrer Familia für eine Zahorihexe! Wie war sie da nochmal reingeraten?!
“Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr Hochwürden Eure Unterstützung angedeihen ließet, edle Domna. Selbst, wenn Hochwürden es sicher aus Orondo hinausschafft, steht ihm noch ein Ritt durch die finstere Nacht bis nach Santa Catalina bevor. Mit dem Wissen, dass Eure Klinge an seiner Seite ist, wäre mir wesentlich wohler“, antwortete der vorgebliche Amando Monzo, obwohl ein Teil von ihm wünschte, eben jene Klinge in seiner eigenen Nähe zu wissen. Doch ihm war klar, dass sie dort weit weniger nutzen, ihn möglicherweise sogar einschränken würde. Bedauerlich. Er hatte so wenig von einem Helden.


Romina nickte dankend in Richtung der Nische, in die sich Domna Siona zurückgezogen hatte und sah dann zu dem Baron hinunter, der todesweiß und flach atmend auf dem Diwan lag. Wenn es schief ging, würde sie sich hier, ja, vielleicht in ganz Almada nicht mehr sehen lassen können. Wenn es gut ging, stand der schönste Mann Almadas in ihrer Schuld. So oder so, Mutter würde sie... und Großvater erst... er hielt gar nichts von den [[Familia Vivar|Vivar]]. Allerdings, Dom Léon einfach sterben zu lassen, nur um ihre Weste rein zu halten, stand nicht zur Debatte. Damit würde sie nicht leben können. Mit einem ruinierten Ruf allerdings auch nicht!
„Es gibt einen Weg, der in die östlichen Berge führt, Herr Monzo. Ihr könnt ihn leicht ausmachen, wenn ihr den Wehrturm von [[Montevivar]] im Auge behaltet. Wenn ihr diesem Pfad durch den Höhenzug folgt, werdet Ihr in keine Sackgasse laufen. Zudem werden Euch die Vivarese gegen die Angroschim beistehen, so es nötig wird“, erläuterte Perinyo Salpena eine mögliche Fluchtroute.


Die Comtessa trat einen Schritt beiseite und ließ die Zahori zu Dom Léon. Sie sah die Alte eindringlich an.
„Wieso seid Ihr da so sicher, Meister Perinyo?“, fragte der blonde, junge Mann misstrauisch.


"Sollte Sie es sich nicht zutrauen, dem Baron zu helfen, sage Sie es gleich." Sie mochte diese Anrede nicht sonderlich, doch gerade jetzt galt es, der Alten ihren Stand vor Augen zu führen. "Niemand ist Ihr böse, wenn Ihre Fähigkeiten zu klein sind. Aber wenn Sie es versucht, sollte sie wissen, dass alles, was sie tut, aufgeschrieben und überprüft werden wird. Sollte Sie Seiner Hochgeboren Schaden zufügen, wird Sie sich zu verantworten haben."
„Oh, glaubt mir, es reicht völlig aus, dass sie Orondini sind und Ihr nicht“, seufzte der Geweihte schicksalsergeben.
 
"Aha...", antwortete Amaros lediglich und hatte das Gefühl, dass auch hier in der bergigeren Waldwacht das almadanische Temperament so heiß lodern konnte, wie in den Niederungen des Yaquirtals. "So will ich es auf jenem Pfad mit Peraines Segen und Phexens Beistand versuchen. Sobald alle Vorbereitungen getroffen sind, wäre ich Euch, hoch geschätzte Caballera, dankbar, wenn ihr für kurze Zeit vom vorderen Portal aus die Aufmerksamkeit der Zwerge auf Euch ziehen würdet, damit ich einen kleinen Vorsprung herausarbeiten kann. Schließlich soll die angebliche Flucht auch überzeugend wirken."


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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]
 
„Also gut, ich will’s wagen.“ Grübelnd kratzte sich die Caballera am Hinterkopf. In den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellte sie die Frage, wonach sie jetzt Verlangen tragen würde, wenn sie eine der Angroschim wäre und dort draußen im Regen stünde. Völlig durchnässt hing ihre Kleidung an ihr herab: Vom Hut bis zu den Stiefeln. Nun begann sie auch schon hier im Innern des Tempels, wo sie dicht am Feuer stand, zu frösteln. Sie mühte sich, die Gedanken an die Nässe, die Kälte und den ihr bevorstehenden Schnupfen abzuschütteln. Aber diese Gedanken waren hartgesottene Gesellen, die nicht aufhören wollten, sie zu plagen.


Die Alte hatte Domna Romina endlich losgelassen. Unbeirrt der bösen Worte und misstrauischen Blicke der Gäste, schlurfte sie an der Grafentochter vorbei und blieb vor dem in heiligem Schlummer ruhenden Taubentaler Baron stehen. Während sie ihn mit auf dem Rücken veschränkten Händen studierte, sprach sie mit reibeiserner Stimme: "Ob die alte Xsarsa diesem jungen Khabla helfen kann oder nicht, ist noch nicht gewiss. Aber das habe ich schon gesagt, nicht wahr? Zunächst wollen wir herausfinden, um was für ein Gift es sich handelt. Von dem, was Zaida auf dem Weg hierher erzählte, hat die alte Xsarsa da so einen Verdacht, aber wir brauchen Gewissheit, wenn wir einen Gegentrank brauen wollen! Sonst ist womöglich der ganze Aufwand für die Katz!"
„Meint Ihr, meine Herren, eine Dame könnte hier ein trockenes Hemd und Wams und vielleicht einen wärmenden Umhang erhalten? – Zumal die Herren sich ja auch ohnehin noch umziehen müssen, wäre dies kein zusätzlicher Zeitverlust, nicht wahr?“ Yppolita legte ihren Kopf leicht beiseite und lächelte die beiden Männer geistesabwesend an. Perinyo nickte ihr zu und rief die Novizin herbei, der er auftrug, die begehrten Kleidungsstücke heranzutragen.


Beim Wort "Katz" zuckte Bonaventura XXII., der entkräftet auf einem Diwan Platz genommen hatte, zusammen. Die Catalinenser warfen einander verstohlene Blicke zu.
„Ach, Hochwürden. Habt Ihr einen kleinen Vorrat an Speis und Trank, womöglich ein kleines Fässchen Bier? Ich bin sicher, dass unsere Wachen sich in ihrer misslichen und verregneten Lage über eine kleine barmherzige Gabe freuen würden und einem Schluck oder zwei nicht abgeneigt wären.


"Nun denn", fuhr Xsarsa fort, "der Hergang ist mir dank Zaidas Erzählungen bereits bekannt: Euer Baron ist den ganzen Abend lustig und froh, wie es Rahja gefällt, er trinkt Wein aus seinem Becher, den ihm ein Kind immer wieder auffüllt - Warum tun eigentlich bei Euch Verrugos die Kleinen so viel und die Großen so wenig? Habt ihr euch schon mal Gedanken darüber gemacht, wer dem Kind den Wein gegeben hat und diesen Ehrlosen gesucht? - Bestimmt habt ihr das, ihr seid ja alle so hochgeboren und -gescheit."
Der Perainegeweihte nickte ihr zu. „Ja, ich habe natürlich einen kleinen Vorrat im Haus. Dazu könnt ihr unseren kleinen sturen Freunden auch Orondischen Ziegenkäse reichen. Ein recht pikanter Vertreter seiner Art mit sehr ausgeprägter Duftnote“, bei diesen Worten rümpfte Perinyo milde lächelnd die Nase, „von den Angroschim wird dieser Käse wegen seiner Milde und dem feinen, zurückhaltenden Geschmack gelobt… nun ja.


"Hüte deine Zunge, Weib!", knurrte [[Nazir von Viryamun]] und ballte die Faust.
„Das klingt doch sehr gut. Welcher Zwerg, der bis auf die Knochen nass wird, würde sich nicht über etwas Feuchtes für seinen Gaumen freuen. Für Euch, Herr Monzo, sollte dies eine Möglichkeit geben, die vorgetäuschte Flucht zu wagen. Ist Euch dies Divertissement genug?“


"Ja, ja, gewiss. Er trinkt Wein, er verliert sein Augenlicht und schließlich brennt es in seinem Körper und er stürzt in Krämpfen zu Boden. Beizeichen des Feuers, hm, hm... Ist denn von diesem Todestrunk noch etwas vorhanden?"
Bei diesen Worten Yppolitas trug die Novizin Loupe die gewünschte trockene Kleidung heran, nickte der Caballera artig zu, überreichte Mantel, Hemd, Wams und Hose und ging gähnend zurück. Unversehens begann die Yaquirtaler Caballera vor den Augen der beiden Männer damit, Wams und Hemd aufzuknöpfen. „Ihr entschuldigt!“ 


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'''Autorin:''' [[Benutzer:Simanca|lasdardas]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Lindholz|lindholz]]


Wie auf Stichwort drückte sich Zaida an ihrer Comtessa vorbei und trat der Zahori entgegen. "Natürlich ist etwas von dem Todestrunk übrig. Meine Schwester und ich haben dafür gesorgt, dass er nicht auf mysteriöse Weise spurlos verschwinden kann." Ob dieser Worte warf sich Zaida stolz in die Brust. "Wenn meine Knappherrin erlaubt, hole ich ihn schnell?" Ein kurzer versichernder Blick zu Domna Romina hin; sie wollte trotz Aufregung zeigen, dass sie wusste, was sie tun musste. Dann drehte sie sich flink um und huschte hinüber, dorthin, wo sie in den Schatten schon längst [[Elena de las Dardas y Sangrín|ihre Schwester]] ausgemacht hatte.  
Mit einem anerkennenden Lächeln verfolgte Amaros von Lindholz, wie sich die Edeldame zu entkleiden begann. Ihre selbstbewusste, direkte Art imponierte ihm. Bevor er jedoch einen Blick auf ihren Körper werfen konnte, wiesen ihn ein deutliches Räuspern und der Zug einer Hand an seinem Arm darauf hin, dass ein weiterer Verbleib in der Nähe der Caballera nach Meinung Meister Perinyos nicht schicklich wäre. Widerstrebend folgte der junge, blonde Mann dem Diener der Peraine zu einer niedrigen Türe am linken Ende des Tempelschiffes. Nur schwach fiel der Schein des Feuers noch in diesen Winkel des Baus, doch aus dem wenigen, was er im Halbdunkel erahnen konnte, als der Geweihte die Tür öffnete, schlussfolgerte der ortsfremde Yaquirtaler, dass der dahinterliegende Raum als eine Art Sakristei diente.


Ihr Blick fiel auch kurz auf Lessina, die nahe dem Eingang stand. Doch erst der Trank. Leise flüsterte sie mit ihrer Schwester, die daraufhin nickte und nun ihrerseits rasch davon huschte. Zufrieden drehte sich Zaida um und beobachtete die Versammelten, von denen nicht wenige in ihre Richtung blickten. Ob einer von den Anwesenden wohl etwas mit dem Attentat zu tun haben mochte? Doch es war ihr nicht möglich, in den Gesichtern zu lesen. Allein vor dem bohrenden Blick ihrer Mutter schauderte ihr inwendig. Noch immer stand die Herrin von las Dardas bei Frau Chaziani und es schien Zaida, als würde dunkle Wut aus ihr hervor strahlen, wie sie es nur selten bisher erlebt hatte.  
Überrascht musste Amaros schmunzeln, als dem Geweihten vor ihm ein leiser Fluch entfuhr: „Bei der Gütigen! Ich habe die Öllampe am Feuer nicht mitgenommen!“
„Ich werde sie schnell holen“, schlug der junge Edle eilfertig vor und wollte sich schon umdrehen, als ihn erneut eine Hand des Geweihten am Oberarm umfasste.


Fast wäre sie zusammengezuckt, als Elena mit der Karaffe gefüllt mit dem Rest des vergifteten Weins zu ihr trat. Das Objekt wanderte wie zuvor von einer Schwester zur anderen, nur diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Noch einmal wisperte Zaida der Schwester leise etwas zu, dann eilte sie zurück an die Seite der Comtessa, sorgsam darauf achtend, nicht auf den letzten Metern etwa noch über irgend etwas zu stolpern und den sorgsam gehüteten Schatz zu zerschlagen.  
„Das lasst Ihr schön bleiben, Herr Monzo, in Travias Namen!“, entrüstete sich der junge Meister des Tempels, in einem Tonfall, der einer verknöcherten Anstandsdame gut zu Gesicht gestanden hätte.


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„Eigentlich sind dies eher die Tage der Rahja…“, wandte Amaros noch ein, während er weiter gezogen wurde.
'''Autorin:''' [[Benutzer:Nandra|beiras]]


Dom Franco ging langsam um den Diwan herum und blieb am Kopfende stehen. Er ließ die alte Zahori nicht aus den Augen. "Bedenke Sie immer, dass wir Ihr auf die Hände schauen und jede Ihrer Bewegungen verfolgen. Alle hier im Tempel. Und ich besonders, alte Vettel...", murmelte er leise, aber verständlich. Aus dem Augenwinkel sah er, wie Zaida sich mit der Karaffe und dem vergifteten Wein näherte. Seine Augen wurden kurz schmaler. Ob sich das Gift mittlerweile zersetzt oder verflüchtigt hatte? Er schien jedes Gefühl für Zeit verloren zu haben, aber es musste schon eine geraume Weile vergangen sein, dass Dom León von diesem Wein gekostet hatte. Und war es nicht möglich, dass sich nach dieser Zeit kein Gift mehr in der Karaffe befand?
„Und Ihr seht ja, was sie dem Baron eingebracht haben! Es wird auch so gehen“, erwiderte Perinyo Salpena zischend und beendete damit die Diskussion. Mit einem deutlich vernehmbaren Klacken schloss sich die hölzerne Tür hinter den beiden Männern.


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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]


Xsarsa Espadín nahm die Karaffe mit spitzen Fingern entgegen, winkte nach einem Becher, den ihr ein Novize auch sogleich überreichte, und schenkte einen winzigen Schluck des giftigen Roten hinein. Dann gab sie die Karaffe an Zaida zurück. In dem folgenden halben Stundenglas tat sie nichts weiter, als wieder und wieder an dem Becher zu riechen, den Finger auf reichlich unappetitliche Weise hineinzutauchen, wieder herauszuziehen und ihn aufmerksam auf mögliche Veränderungen zu untersuchen. Schließlich nippte sie zum allgemeinen Entsetzen der Gesellschaft sogar an dem Becher, ließ den Inhalt für einige Herzschläge im Munde umherwandern und spie ihn anschließend wieder dahin zurück, wo sie ihn entnommen hatte, was noch viel größeres Entsetzen (und bei Domnatella Alisea beinahe eine Ohnmacht) hervorrief.
Mit einem Vierzig-Maß-Fässchen auf der rechten Schulter und drei Krügen sowie einem Beutel mit Käse und Brot in der linken Hand trat Yppolita vor den Perainetempel von Orondo. Unablässig prasselte immer noch der Regen herab. Nass und bedröppelt standen die sieben Zwerge immer noch an den Aus- und Eingängen des Tempels. Unzufrieden und fröstelnd murrten sie über dieses für Angroschim unziemliche und nachgerade unnatürliche Wetter. Als zwei der Zwerge auf die Caballera aufmerksam wurden, kamen sie näher heran. „Kagarax xanaschna, Xomaschna?“<ref>[rog.: „Was suchst Du, Menschenweib?“]</ref>, rief einer von beiden. Er trug einen langen roten Bart und einen nass herab hängenden schwarzen Hut.


Die Augen aller Anwesenden waren wie gebannt auf die seltsame Prozedur gerichtet. Einzig die schöne Melisandra Chaziani und die Caballera Fiona de las Dardas waren in ein vertrauliches Gespräch vertieft.
„Hochwürden Perinyo Salpena hat mich zu Euch geschickt, während er seine Gebete für die Enkelin der Schwiegermutter des Bruders meiner Vaterschwester verrichtet, werte Herren Angroschim. Da sein Herz voll Gnade und Barmherzigkeit – kugraganax – für Euch erfüllt ist, konnte er nicht länger zusehen, wie Ihr hier bei diesem widerwärtigen Wetter nass werdet und friert.


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„Wer friert denn hier, Xomaschna? Hä, wer? – Ich bin [[Algrumix Sohn des Algrix]]. Ich friere nicht, bei Angrosch. Selbst im höchsten Norden oder in den tiefsten Höhlen. Stimmt es nicht, [[Algramix Sohn des Algrix|Algramix]]?“
'''Autorenn:''' [[Benutzer:Simanca|lasdardas]], [[Benutzer:Dom Thallian|damotil]]


Es hatte nicht lange gedauert, bis ein ungutes Gefühl an Domna Fiona genagt hatte. Sie kannte Melisandra schon ein Weilchen, auch wenn sie sich vor allem auf ihren ganz speziellen Feierlichkeiten sahen. Und ihr drängte sich der Eindruck auf, dass ihre Schwester vor Satuaria seit der Vergiftung Dom Leóns eigenartig betroffen reagierte. Sie wusste, mit was diese handelte, doch hatte sie bisher noch nicht den entsprechenden Schluss gezogen. Doch jetzt kam eine dunkle Vermutung in ihr auf. Als sie mit Melisandra endlich allein etwas abseits stand, fasste sie diese am Arm und sah den Moment gekommen, die schöne Puninerin mit der Anklage zu konfrontieren: "Sag mir, bei der Sumutochter, dass du nichts mit diesem Attentat zu tun hattest?!" Leise zischte sie diese Worte und sah ihr fest in die Augen, der Griff um den Arm der anderen war drängend.
Sein Kumpan, ein identisch aussehender Zwerg mit langem roten Bart und nass herab hängendem schwarzen Hut, nickte zustimmend.


Melisandra seufzte. "Schwester, bei der Göttin!", antwortete sie dann mit gedämpfter Stimme. "Ich habe nichts mit Attentaten zu tun und mit diesem auf keinen Fall. So ein hübscher Mann und so liebreizend wie man hört. Nein... damit habe ich nichts zu tun." Ihre Stimme war ruhig und fest als sie sprach. "Aber... ", ergänzte sie dann nach einem kurzen Augenblick, "aber Schwester, ich habe einen Verdacht, wer dahinter steckt und wehe dieser, wenn sie zu fassen bekomme!"
„Tja, dann, wenn es so ist, nehme ich das Bier, das mir Hochwürden Perinyo für Euch gegeben hat, wieder mit… glaubt nicht, dass ich nicht durstig bin.“ Yppolita fasste das Fässchen mit der rechten Pranke wieder fester und drückte es gegen ihre Schulter. Die Caballera drehte sich um. Der Regen prasselte ungnädig auf sie, das Fässchen und die schwarz behüteten Zwerge herab.


"Bei Satuaria", erwiderte Fiona leise, "ich gehe auch nicht davon aus, dass du den hübschen Baron selbst vergiftet hast, wofür hältst du mich? Ich habe nur das ungute Gefühl, dass du womöglich weißt, wie die Person an das dafür nötige Gift gekommen ist!" Aufmerksam sah sie sich um, auf dass niemand das Gespräch belauschen möge. "Also sag mir, was du weißt! Wenn es mir möglich ist, werde ich alles tun, die von dir verdächtigte Person sicher zu stellen."
„Ach, wenn du schon hier bist, Xomaschna. Stelle es ruhig ab, das Fässchen. Das muss doch schwer sein… Ich würde es nicht leiden können, wenn du das schwere Fass wieder in den Tempel schleppst und dich dabei… ähm, verletzt. Das könnte ich nicht leiden, Xomaschna. Komm schon, stell es lieber ab!, brummte Algrumix Sohn des Algrix.


Melisandra holte tief Luft, um etwas Zeit zu gewinnen, ihre durcheinander eilenden Gedanken und aufwallenden Gefühle zu kontrollieren und zu ordnen, bevor sie erneut ihrer Freundin antwortete. "Mein Verdacht ist, dass es sich um [[avwik:Omrais|Omrais]] handelt. Eine solche Tinktur habe ich unlängst ausgehändigt. Dieser Person gilt gerade mein ganzer Zorn." Obgleich sie weiter mit leise Stimme sprach, schwang deutlich die kochende Wut einer gereizten Tochter Satuarias darin mit. "Ich weiß nicht sicher, ob sie es getan hat. Sie ist hier auf dem Fest und haust in einem roten Zelt am Rande des Pilgerfelds. Und für ein paar Silber kann man bei ihr wohl rahjanische Freuden erkaufen. Aber es würde mich unter diesen Umständen überraschen, wenn sie es nicht gewesen wäre!"
Yppolita nickte lächelnd, reichte den beiden Zwergen die Krüge und den Beutel und setzte daraufhin das Fass auf eine Holzbank vor dem Tempel. „Aber nur, wenn Ihr mir auch einen Schluck lasst, oder? – Ach, in dem Beutel ist frisches Brot und ein Laib Orondischen Ziegenkäses – soll recht schmackhaft, zart und lieblich sein, habe ich gehört.


Sie senkte den Blick und für diesen Augenblick fiel ihre Fassade und in der Tat war Angst, Verzweiflung und echtes Bedauern darin zu lesen. "Sie sei verdammt. Wie ich dieses Geschäft mit dem Tod hasse! Aber von diesem Weg kommt man leider nicht so leicht wieder zurück. Es tut mir unendlich Leid, Fiona. Ich habe dies hier hier" – und sie deutete unauffällig mit der Hand in Richtung des schlafenden Barons – "nicht gewollt!" Noch einmal streifte ihr Blick Fiona, bevor sich ihre Rücken straffte und der kühle beherrschte Gesichtsausdruck zurückkehrte. "Aber wen man sie fängt, wird sie reden... Ich glaube, es wäre besser, wenn mein Vertrauter ihr eine Nachricht überbringen würde."
„Der Käse ist gut“, brummte der bisher stumme Algramix, zog den Beutel auf und sog den feinen Duft des Käses in seine Lungen.  


Düster hatte Fiona die Augenbrauen zusammengezogen, als sie Melisandras Worten gelauscht hatte. "Bei unserer Freundschaft, Melisandra, ich wünsche, dass du nie wieder eines deiner Mittelchen hier verkaufst, bei Boron und Satuaria! Und am allerwenigsten, wenn du auf eine Einladung meinerseits hier weilst! Das Zeug mag in Punin seinen richtigen Platz haben, aber hier in der Waldwacht hat es nichts verloren!" Das Zähneknirschen konnte sie gerade noch unterdrücken. Wenn man eine Katze einlud, dann bekam man eine Katze, da brachte es nichts, die Wut gegen die Schwester zu richten. Sie würde das nächste Mal besser aufpassen. Doch diese Gedanken änderten nichts an dem kalten Zorn, der an ihr zerrte und sich wie ein schwarzer Schleier über ihre Sicht legte.  
Mit ein paar gezielten Schlägen war das Fässchen angezapft, das Bier floss in einem feinen Strahl aus dem Fass aus altem Waldwachter Eichenholz und lief in einen der Krüge. Gierig führte Yppolita den Humpen zu ihrem Mund und nahm als Erste einen kräftigen Zug, mit dem sie den halben Krug auf einmal leerte.  


"Schick deinen Vertrauten, ich schicke meinen ebenso. Und wenn sie versucht, zu entkommen, dann wird sie spüren was es heißt, die Herrin von Las Dardas zu erzürnen!"
„Nicht schlecht, Xomaschna, aber so viel schaffst du nicht auf einmal…“ Algrumix stürzte das Bier in seinen Schlund und setzte nach nur wenigen Augenblicken den völlig geleerten Humpen wieder ab. Der Zwerg steckte seinen Zeigefinger in den Krug hinein und leckte diesen genießerisch ab: „Köstliches Bier… wirklich!


Melisandra senkte den Kopf und schluckte schwer. "Schwester... es tut mir so Leid. Ich würde jeden dieser Handel – gleich ob in Punin oder hier – am liebsten ablehnen und jenen, die danach verlangen zu fluchen. Aber wenn man einmal seine Hand in diese Richtung gestreckt hat, dann erpresst die Meute einen und verlangt mehr. Ich verachte von Herzen diese Geschäfte, aber noch bleibt mir manchmal keine Wahl. Oder es mangelt mir an Mut dem wahrscheinlich folgenden Sturm ins Auge zu blicken. Aber ich schwöre bei der Göttin und bei Rahja hier und heute, dass dies das letzte Mal gewesen sein soll! Satuaria und Rahja seien meine Zeugen." Sie holte erneut tief Luft. "Du hast allen Grund, mich für meine Involvierung zu hassen, aber dennoch bitte ich Dich, Schwester, um Vergebung. Und wenn Du Sühne verlangst... verlange und ich werde gehorchen. Aber lass uns diese rothaarige Hure zu Boron schicken. Soll sie ihre eigene Medizin zu schlucken bekommen." Zorn grollte in den letzten Worten der Puniner Hexe.
„Kagarax xanaschnox, Algrumix?“<ref>[rog.: „Was treibst du, Algrumix?“]</ref>, dröhnte eine tiefe Zwergenstimme. Drei Angroschim kamen mit grimmen Gesichtern heran. „Was glaubt ihr, was ihr treibt? Wir sollten darauf achten, dass die Grünrobe bleibt, wo sie ist, Algramix, Algrumix.


Ein dunkles Lachen stieg in Fionas Kehle empor. "Ach, Melisandra, wieso bist du nicht zu mir gekommen, als diese Verfehmten dich zu erpressen trachteten? Denkst du, ich kenne keine Wege, diese loszuwerden?" Gefährlich glitzerte es in den rabenschwarzen Augen der Soberana auf. Doch wie nicht ungewöhnlich für sie, stellte sie die kalte Wut zurück. "Was Sühne angeht, will ich erst sehen, wie sich diese Angelegenheit hier entwickelt und ob es gar keinen toten Baron zu beklagen gäbe." Oder war ihr hier Boron gerade gewogener als seinerseits Rahja? Gleichwohl, sie würde nicht diejenige sein, die diese Angelegenheit durch Untätigkeit entschied. "Suchen wir diese Omrais... und was die anderen angeht, du wirst mir helfen, sie zu finden und vor den allweisen Raben zu bringen!"
„Hochwürden Perinyo schickt Euch dieses Bier.“ Mit diesen Worten klopfte Caballera auf das Bierfässchen, ließ einen Humpen voll flüssigen Goldes laufen und streckte ihn den drei hinzugekommenen Angroschim entgegen. „Und diesen Käse hier. Es dauert ihn, dass Ihr seinetwegen bei diesem Hundewetter hier draußen ausharren müsst. Er will nicht, dass Ihr ihm grollt… eine Versöhnungsgeste, gewissermaßen. Hier, trinkt!


Melisandra nickte zustimmend und auch in ihren Augen loderte dunkler Zorn. "Senden wir unsere Vertrauten. Sie sollen nach dieser Frau Ausschau halten. Wie gesagt... sie wohnte gestern am Rande des Pilgerfelds, in einem auffällig roten Zelt. Sie selbst ist ebenfalls dank ihrer wilden roten Haarpracht durchaus auffällig. Ihr Zelt bewacht ihr Sohn, der kassiert scheinbar auch von den Freiern. Sie sollte nicht so schwierig aufzufinden zu sein. Wenn wir sie haben, dann sehen wir weiter. einverstanden?"
Diesem Angebot konnten die drei Angroschim nicht widerstehen. Yppolita genehmigte sich selbst einen Krug Bier und ein paar große Bissen Brot und Käse. Sie konnte es einfach nicht übers Herz bringen, die Angroschim beim Fressen und Saufen zu beobachten, ohne sich selbst etwas von Speis und Trank zu genehmigen. Das dröhnende Lachen, laute Schenkelklopfen und das ausgelassene Anstoßen von Bierkrügen lockten nach kurzer Zeit auch die letzten beiden zwergischen Wachen heran, die auf ihre Gefährten ausgesprochen wütend waren. Laut brüllten sie die anderen an, wie diese ohne sie trinken könnten. Es kam zu Gezeter und Geschrei. Die Yaquirtaler Caballera konnte die Lage mit geschickt verteiltem Bier und den letzten Stücken Käse wieder etwas beruhigen. Algramix klopfte ihr anerkennend auf den Rücken: „Für eine Xomaschna gar nicht so übel. Bist vielleicht etwas groß und ein wenig dürr, aber ansonsten ganz in Ordnung.


"Warte noch einen Moment... sag, ist diese Frau gar eine von uns?" Misstrauen flackerte in Fionas Blick, insbesondere, als sie sich an die Beschreibung der Frau erinnerte, welche die "Knappin" Dom Leóns magisch beherrscht hatte. Wenn ja, würde sie die Schwester an den Haaren packen und eigenhändig auf dem Festplatz den Flammen überantworten. Eine fremde Hexe hier? Und dann gleich noch eine, die den Baron des Taubentals töten wollte?
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Melisandra schaute überrascht zu Fiona auf. "Wie meinst Du das? Nein, oder?" Sie runzelte die Stirn nachdenklich. "Nein, ich glaube nicht. Jedenfalls wüsste ich es nicht. Aber wie kommst Du darauf?"
Amaros wartete geduldig in der kleinen Sakristei. Der angebaute, halbrunde Raum war nur wenige Schritte von dem Nebengebäude entfernt, welches den Bewohnern des Tempels als Unterkunft diente. Deshalb hatte man in die Sakristei eine kleine Pforte eingelassen, durch die man bequem aus und in den Tempel schlüpfen konnte. Von hier aus konnte Amaros die Stimme der Edlen di Dalias y las Dardas nur leise durch den strömenden Regen vernehmen, doch sie schien ihre Sache vortrefflich zu machen: Schon nach kurzer Zeit konnte er durch den schmalen Türschlitz sehen, wie die Zwerge, die den Tempel umstellt hielten, ihre Posten verließen und sich nach und nach am Hauptportal sammelten.


"Die kleine [[Leonora Karinor vom Berg|vom Berg]], die Dom León den vergifteten Becher gereicht hat! Sie beschrieb die Person, die sie damit beauftragt hat, genau so, wie du gerade diese Hure beschrieben hast. Und es ist klar, dass sie das Mädchen mittels Beherrschungsmagie gefügig gemacht hat. Da liegt der Verdacht doch nahe!" Unwillig zog Fiona an einer ihrer schwarzen Strähnen. "Wenn ich das Miststück erwische...!"
Auch Meister Perinyo Salpena, der nahe neben ihm stand, um ebenfalls etwas sehen zu können, entspannte sich deutlich und die beiden jungen Männer nickten sich mit einem verschmitzten Grinsen zu. Langsam und vorsichtig öffnete der Geweihte die Pforte, während sich Amaros von Lindholz die Kapuze des grünen Überwurfs tief ins Gesicht zog. Mit leisen Schritten huschte der als Diener der Peraine verkleidete, vorgebliche Botenreiter durch den schmalen Durchlass, als die dunklen Zwergenstimmen sich in einer Auseinandersetzung erhoben.


Die ansehnliche Puniner Händlerin verzog das Gesicht missmutig. "Das ist nicht gut. Das ist alles gar nicht gut!" Sie schnaubte leicht verächtlich. "Eine Hure und eine so teure Tinktur. Das konnte eigentlich gar nicht sein. Und nun auch noch magisch! Und sie hat die Kleine gezwungen, den Becher zu vergiften? Das ist ja unfassbar!" Dann hielt sie plötzlich in der Bewegung inne und fixierte nachdenklich Fionas Blick. "Ja, Rache kommt später. Aber da stellt sich mir doch noch eine Frage. Warum macht sie das mit dem Mädchen? Es war ja klar, dass herauskommt, wer sie ist. Ist es also wirklich ihre wahre Gestalt und Profession, die ich gesehen habe? Und warum hat sie das Gift nicht selbst verabreicht? Ich würde vermuten, dass Dom León sie kennt. Und nicht in guter Erinnerung. Daher brauchte sie das Mädchen als Mittelsmann. Bekommen wir heraus, ob Dom León Umgang mit einem solchen Rotschopf hatte? Wobei... " – sie rief sich nochmal das Gesicht der Frau in Einnerung: gut, sie war nicht hässlich gewesen, aber besonders von Rahja gesegnet? „Aber, nachdem was ich über Dom León weiß,  glaube ich nicht dass er ihr seine... Aufwartung gemacht hätte. Hmmm... Warum also hasst die den Dom?"
Sein Weg führte ihn an der Seite des Nebenbaus entlang und durch den Hain. Die Bäume waren auf einer Streuobstwiese zwischen dem eigentlichen Ort und dem Lauf der Inoscha gepflanzt worden. Mit einem beherzten Sprung könnte er über den Wildbach setzen, der für die Mitglieder des kleinwüchsigen Volkes eine größere Hürde darstellen würde. Dummerweise führte dieser Weg genau in die falsche Richtung, wie ihm der Perainegeweihte mitgeteilt hatte. Er musste in einem weiten Bogen durch den in tiefstem Dunkel liegenden Apfelhain und dann den gesamten Ort durchqueren.  


"Nun, da gibt es der möglichen Gründe drei: Entweder hat er sie zurückgewiesen und sie wurde darob wütend, oder er hatte sie und hat sie danach behandelt wie alle anderen auch: mit Höflichkeit, aber keinem Interesse daran, sie zu seiner Geliebten oder gar seinem Weib zu machen. Und drittens: Das alles hat gar nichts mit einer wie auch immer gescheiterten Liebesbeziehung zu Dom León zu tun, sondern hinter all dem steckt etwas anderes. Wie zum Beispiel auch die eigenartigen Visionen und das ungute Gefühl, das ich seit heute Abend habe. Irgendetwas geht hier vor sich – mag alles nur ein dummer Zufall sein, aber für meinen Geschmack sind das etwas zu viele Zufälle." Rasch sah sie sich um und entdeckte ihr wildes Töchterlein, das brav wie ein Lämmchen an Domna Rominas Seite stand. Kurz verspürte sie ein Gefühl der Befriedigung. Ja, so in etwa hatte sie das auch gesehen.
Inzwischen lag das Gewitter genau über Orondo. Regelmäßig zerrissen Blitze das Dunkel und beleuchteten Amaros Route durch das hoch stehende, nasse Gras. Mit seinen einfachen Lederschuhen sank der Magier tief in den Boden ein, doch wenigstens blieb es ihm erspart, über Wurzeln zu stolpern und die zahlreichen Stämme verbargen ihn vor den Angroschim, die er am Portal immer noch gemeinsam mit der hochgewachsenen Gestalt der Caballera plaudern hören konnte. Die Stimmung schien wieder bestens zu sein.  


Energisch wandte sie sich wieder an die Nachtschöne: "Pass auf. Sobald Dom Ardan zurück ist, werde ich dafür sorgen, dass er dich mit seinen Mannen zu dieser eigenartigen Rahjadienerin bringt. Kannst du dich notfalls gegen ihre Magie zur Wehr setzen? Wenn ja, dann nehmt sie gefangen. Ich denke mir schon etwas aus, wie wir diese Gefangennahme vor den anderen rechtfertigen können und ebenso werde ich durchsetzen, dass ich sie allein mit einigen engen Vertrauten verhören kann."
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er endlich die nordöstliche Ecke des Dorfplatzes erreicht. Hier war er den Zwergen bedrohlich nahe. Mit Bedacht wählte er seine Schritte, als er sich an der Fassade des Herrenhauses entlangdrückte. Dann nahm er Deckung hinter einem abgestellten Handkarren seitlich des angrenzenden Hauses. Erneut erstrahlte der Himmel für einen Herzschlag, dann setzte Amaros seinen Weg fort. Das Unwetter schien einfach nicht nachlassen zu wollen. Der junge Adept der arkanen Künste ahnte, dass er schon sehr bald wieder die Nässe auf seiner Haut fühlen würde.  


Sie nickte zustimmend. "Gut... dann machen wir es so. Ich werde nach Lucrandir rufen und ihm auftragen, sie ausfindig zu machen. Das mit der Festnahme – ja ich denke das geht. Jedenfalls wird sie mich nicht unvorbereitet erwischen. Auch wenn ich eine solche Aufgabe lieber an Shafirio übergeben hätte. Aber der hat sich ja bisher noch nicht hier blicken lassen."
Wenig später hatte der Yaquirtaler Adlige die Veranda der Taberna erreicht und lugte hinter dem hölzernen Pfosten hervor. Die Zwerge am Perainetempel schienen den Fassinhalt inzwischen in ihre Bäuche überführt zu haben und die ersten schlenderten schon in Richtung ihrer Posten zurück. Es wurde Zeit, dass er auf sich aufmerksam machte. Im goldenen Licht, welches zwischen den Läden des Schankraums nach außen drang, suchte er nach einem Stuhl oder Eimer, der sich mit großem Lärm umkippen ließ, doch er wurde nicht fündig. Was jetzt? Gehetzt blickte sich Amaros um. Es konnte doch nicht sein, dass ihr Plan daran scheiterte, dass er ''nicht'' entdeckt wurde!


"Bei der...", gerade noch konnte sich Fiona bremsen, ehe ihr in voller Lautstärke das nächste Wort entfuhr. Hastig senkte sie die Stimme: "Du hast Recht, er sollte längst hier sein! Ob sein Nichtauftauchen hier womöglich auch etwas mit diesen sonderbaren Dingen zu tun hat? Ich werde sofort meinen Vertrauten ausschicken, nach ihm zu suchen!"
Genau in diesem Augenblick kam ihm die Kameradschaft der Angroschim zu Hilfe: Die Tür mit dem breiten Rücken aufdrückend, schob sich ein jüngerer Zwerg mit dichtem, braunen Bart durch den Eingang der Taberna. In beiden Händen trug er ein Tablett, bestanden mit Deckelkrügen, deren Inhalt leicht zu erahnen war. Ein Blitz tauchte alles in weißes Licht und für einen paradox lange anhaltenden Moment starrten sich der Adeptus und der Erzzwerg in der Bewegung erstarrt an. Amaros war der erste, der wieder zu Handeln fähig war. In einer Aufwärtsbewegung stieß er dem Angroscho das Tablett gegen die breite Brust. Der Zwerg stolperte vor Überraschung gegen die Tür, während die Humpen ihren Inhalt über ihm verteilten und danach dumpf auf den Boden aufschlugen.


Melisandra winkte ab. "Ach, ich weiß nicht. Ich hatte ihn gebeten, her zu kommen, aber er schien nicht sonderlich begeistert davon. Zudem, weil ihm sein Darian wohl wieder in einen Floh ins Ohr gesetzt hat. Der Bruder und ich haben ein schwieriges Verhältnis..." sie verzog etwas missmutig das Gesicht. "Nun, wie dem auch sei. Es mag nicht schaden, nach ihm Ausschau zu halten. Möglicherweise kann er mir ... uns... in dieser Sache dienlich sein. Aber was für sonderbare Dinge meinst du eigentlich? Oder meinst du damit die Sache mit dem Gift?"
„Drakka! DRAKKA!“, dröhnte die tiefe Stimme durch die Nacht und selbst die Zwerge am Tempel drehten sich sofort um. Doch Amaros hatte längst die Beine in die Hand genommen. Er sprang auf der anderen Seite der Veranda angekommen auf den verschlammten Weg, glitt, lief, rutschte die Straße gen Rahja entlang auf die Berge zu. Dort, noch Meilen entfernt thronte der Turm von Montevivar, dessen dunkel aufragende Silhouette das schwärzliche Grau der brodelnden Wolkendecke noch unterbat. „Ihr Götter steht mir bei!“, keuchte der Yaquirtaler, während schwere Stiefel hinter ihm immer näher zu kommen schienen.


Abwesend schüttelte Fiona den Kopf. "Nein, diese eigenartige Vorsehung, die ich hatte, als mich die Nachwirkung des Giftes getroffen hat." Erneut schüttelte sie den Kopf. "Wie ich sagte: Irgendetwas Ungutes geht hier gerade vor und ich fürchte, wir wissen noch gar nicht, was da wirklich auf uns zukommt."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]]
Ihre Freundin fasste vorsichtig und sanft nach ihren Händen. "Du meinst, in der Zeit als du uns bewusstlos erschienst? Da hattest du einen Vision? Was hast du denn gesehen?", fragte sie dann mit gewecktem Interesse nach.
 
"Es war sehr verschwommen, fast dunkel. Katzen überall, dann die Eindringlinge. Sie haben die Dörfler auf dem Anger zusammengetrieben. Ein Berittener, der sich als Herr aufspielte, wieder die Katzen..." Kurz schüttelte sie sich. "Sie sind in Villanúa, verflucht, ich hatte es ob der Vorfälle hier ganz vergessen. Und ich habe zu wenig Bewaffnete hier, um einen Trupp zu schicken, der dort nach dem Rechten sieht. Vielleicht schicke ich meinen Gefährten erst dorthin und von da aus dann suchen..."


Wiederum runzelte ihre Puniner Freundin die Stirn. "Das klingt nach einer sehr konkreten Vision. Und es scheint mir wenig mit den Vorgängen im Tempel zu tun haben. Das klingt fast nach einem Angriff von außen. Auf Las Dardas vielleicht? Ein Söldnertrupp vielleicht, die sich hier etwas einverleiben wollen? Hmm..." sie schien einen Augenblick nachzusinnen. "Hmm.. So konkret wie diese Vision ist... es wäre wohl klug, der Sache auf den Grund zu gehen Schwester."
Dumpf klang ein lauter Ruf an [[Yppolita di Dalias y las Dardas|Yppolitas]] Ohr „Drakka! Drakka!“ Die Caballera, die gerade dabei war ihren Fuß auf die Tempelschwelle zu setzen, fuhr herum. Die Angroschim, die allesamt schon wieder ihre Posten eingenommen hatten, wandten sich ebenso wie die Yaquirtalerin zur Taberna hin. Fluchend warfen die Zwerge sich Befehle auf Rogolan zu, die so knapp und verschliffen waren, dass ein jemand, der kein Eisenwalder Erzzwerg war, sie unmöglich verstehen konnte. Unaufhaltsam kamen die Angorschim ins Rollen, wie ein Steinschlag. Mit den Äxten in ihren kräftigen Fäusten rannten sie los zur Taberna hinüber. Drei, vier, sechs, alle sieben Angroschim verließen den Apfelhain und stürzten ihrem angegriffenen Bruder zur Hilfe.  


"Ach was", kommentierte Fiona säuerlich, nahm sich aber dann zurück. "Natürlich hast du Recht. Nur wie? Wie gesagt: Ich habe zu wenig Mannen und Frauen, um sie dort hin zu schicken und nicht Gefahr zu laufen, dass sie vielleicht gar nicht mehr zurückkommen. Und um den siech darnieder liegenden Baron muss sich auch gekümmert werden."
Yppolita schüttelte es. Sie wollte nicht, dass ein Dutzend Zwerge ihr nachhetzten. Nur ein einziger Fehler, ein einzelnes Straucheln oder Stürzen würde genügen und die Zwerge würden über diesen tapferen Boten kommen. Nein, seinen Platz würde sie wahrhaft nicht haben wollen. Mit gefalteten Händen wandte sie sich an den alveranischen Fuchs: „Herr Phex leite ihn sicher. Ich bitte Dich. Wenn Du ihm hilfst, und nur dann, und nur wenn [[Amaros Desidero von Lindholz|Amando Monzo]] sicher in [[Baronie Taubental|Montevivar]] ankommt, ohne dass ihm auch nur ein Haar – also gut, ohne dass ihm ernsthafter Schaden an Leib und Gliedern widerfahren ist, dann und nur dann, Herr Phex, will ich Dir ein Fünftel… also gut ein Drittel… ja, ja, die Hälfte eines Monatssoldes für eine Leutnantin gemäß Khunchomer Kodex opfern… ich gelobt es. Ich bitte Dich, Herr Phex, hilf dem guten Amando Monzo!“


Melisandra zuckte mit den Schultern. "Ich weiß auch nicht, Fiona." Sie löste ihre Hände von denen ihrer Freundin, legte jene hinter ihrem Rücken zusammen und begann nachdenklich auf und ab zu gehen. "Wenn du meinen Rat hören willst: Lass deinen Vertrauten Ausschau halten nach Söldnern oder auch Shafirio. Möglicherweise hat er ja auf seiner Reise Dinge erfahren, die Licht auf die Fragen werfen könnten. Lucrandir wird derweil unsere Mörderin ausfindig machen. Dann setzen wir erstmal diese fest. Vorausgesetzt dies gelingt uns. Kannst du sicherstellen, dass nur du mir ihr sprechen wirst? Zu viele Frage wären nicht gut... ich würde gerne jedenfalls schnellstmöglich den Tempel verlassen. Und was deine Vision angeht – liegst Du mit einem Nachbar im Streit? Hat du eine [[Querella]] mit einer anderen Familia?"
Nach verrichtetem Stoßgebet blickte sich Yppolita angestrengt um, horchte in die Nacht und das Prasseln des Regens hinaus. Die Rufe der Zwerge und das Trampeln ihrer schweren genagelten Sohlen entfernten sich, wurden immer matter und waren schließlich hinter dem Schleier aus Dunkelheit und Efferdssegen kaum mehr zu vernehmen.  
„Pssst! Hochwürden, kommt, eilt Euch!“, zischte die Yaquirtaler Caballera in den Tempel hinein.  


Mit einem Schnauben schüttelte Domna Fiona den Kopf. "Keine Querella, die solche Maßnahmen nötig machen würde." Mit einem kaum merklichen Nicken deutete sie in Richtung Dom Leóns. "Aber ich könnte mein bestes Pferd drauf wetten, dass der Ärger mit unserem hübschen Baron zu tun hat." Fast hätte sie in die Hände geklatscht, besann sich dann aber noch einmal eines Besseren. Nicht hier an diesem Ort und nicht bei diesen Ereignissen, die Geste war einfach nicht angebracht.  
Schritte und Hufgetrappel waren zu hören. Wenig später trat ein unscheinbarer, junger Bauernbursche in grobem erdfarbenen Tuch aus dem Lichtschein des Tempels und führte den müden alten Kläpper der Caballera heraus. Knapp nickend reichte Perinyo Salpena ihr die Zügel ihres Reittieres. Gekonnt schwang sich die Yppolita in den Sattel und lenkte ihr Pferd neben das stattliche und kraftvolle Ross des Boten, einen schönen Falben, der laut dem Boten auf den Namen Azúcar hörte. Yppolita – die Stirn in Falten liegend – war sich mit ihr selbst einig, dass in Anbetracht dieses beschämenden Vergleichs ihr Ross, nein, ihr Gaul keinen Namen verdiene, der über just diese Bezeichnung Gaul oder Mähre hinausginge. Während Hochwürden Perinyo die Zügel Azúcars behutsam von einem Ast löste, streichelte er vertrauensvoll das Haupt des edlen Tieres und steckte ihm mit einem verschwörerischen Augenzwinkern ein kleines braunes Stück alanfanischen Zuckers zu. Yppolita, die der direkte und augenfällige Unterschied der beiden Pferde zu quälen schien, raunte dem Perainegeweihten zu: „Da fragt sich der Betrachter doch, wer hier der Rustical und wer die Noble ist… Señor Amando Monzo muss ein feiner Bote sein, wenn sein Herr oder seine Dame ihm ein derart kostbares Pferd geben…“ Prüfend warf die Caballera einen Blick nach dem Brandzeichen des Rosses.


"Absolut sicherstellen kann ich es nicht, aber vielleicht empfiehlt es sich auch, die Dame gar nicht erst bis hierher zu bringen. Unter all den Gästen hier bin ich eine der wenigen Einheimischen. Wenn wir sie in den Fingern haben, dann lass’ ich sie zu einer Jagdhütte im Wald bringen, die den Fremden hier sicher nicht bekannt ist. Dort ist es uns möglich, sie zu verhören, ohne dass Dritte mit lauschen können. Zumal ich auch nicht will – sollte sie eine Hexe sein – dass sie womöglich noch ganz anderes verrät, als nur, von wem sie das Gift hatte..."
Behutsam schwang sich Hochwürden Perinyo auf Azúcars Rücken. Nur widerwillig ließ sich das Tier von den etwas unbeholfenen Beinbewegungen des Perainegeweihten dirigieren. „Gebt gut acht, Hochwürden… wir brauchen Euren Nacken ohne Knick und in einem Stück in Santa Catalina“, flüsterte Yppolita dem Perainegweihten mit einem Lächeln leise zu.
„Wenn’s keine allzu großen Umstände macht, wäre ich darüber auch sehr erfreut.“
„Dann sollten wir los und keine Zeit mehr verlieren. Wenn Ihr den Halt verliert… oder… nun ja, Euch der Ritt zu gefährlich wird, gebt Bescheid!“
Im Schritt bewegten sich die Pferde mit ihren Reitern zwischen den Häusern Orondos hindurch in Richtung Santa Catalina im Taubental. Nachdem sie die letzten dunkel und stumm daliegenden Behausungen passiert hatten, fielen die Pferde in einen leichten Trab.  


Melisandra folgte wieder etwas ruhiger und besonnener wirkend den Worten ihrer Schwester. "Das klingt nach einem guten Plan in meinen Ohren. Dann lass es uns so tun." Ihr Blick wanderte in Richtung des siechenden Barons, wo neuerliche Aufregung herrschte.


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'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]]
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„Omrais!“, rief nämlich in diesem Augenblick Xsarsa triumphierend aus. Den triumphalen Beiklang ihrer Worte glaubte sie sich wohl erlauben zu können, weil ihre Untersuchung – wie so häufig bei exakter Wissenschaft, wie jener, derer sich die alte Mhanah befleißigt hatte – genau das Ergebnis gezeitigt hatte, das sie im Stillen bereits vermutet hatte. „Omrais!“, rief sie noch einmal.
 
Als sie die weitgehend verständnislosen Blicke der Verrugos bemerkte, ergänzte sie: „Das Gift des Geringelten Wüstenskorpions, wie Brannt in seiner Wirkung mehrfach verstärkt. Man findet dieses possierliche Tierchen lediglich südlich des [[Yaquir]]o – bei Beni Tulam und Beni Novad.“ Aufmerksam blickte sie sich um, ob solche hier vorhanden waren, und blieb mit den Augen an [[Yashima saba Dhachmani]] hängen.
 
„Worauf willst du hinaus, Zahoriweib?“, fauchte diese.
 
„Ich? Oh, auf gar nichts“, meckerte die Alte und ließ den Blick weiter wandern – über die aranischstämmige Aisha von Franfeld und ihren verschleierten Begleiter, den Rosenritter Shafirio ay Ankrabad, bis hin zur ausnehmend wundervollen Melisandra Chaziani.




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Aktuelle Version vom 15. Oktober 2013, 18:14 Uhr

Mummenschanz in Peraines Garten

Wie ein einfacher Botenreiter, der keiner war, den Perainegeweihten zu Orondo aufsuchte. Wie er dort auf unerwarteten Widerstand traf. Wie eine Yaquirtaler Caballera mit Erzzwergen zechte. Wie ein Perainegeweihter, der keiner war, Orondo in Richtung Vivar verließ.

Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Im und um den Tempel Unserer Lieben Frau vom Paradiesgärtlein zu Orondo (1. Praiosstunde)[Quelltext bearbeiten]

Autor: lindholz

Als Amaros Desidero von Lindholz bemerkte, dass er Orondo erreicht hatte, befand er sich schon fast zwischen den ersten der einfachen Gehöfte, deren obere Stockwerke aus dunklem Holz bestanden. Der schwere Regen hatte eingesetzt, nachdem der zum Botendienst verdonnerte Magier Santa Catalina knappe zwei Meilen hinter sich gelassen hatte. Die Wolkenfront schien auch Rahjas Einverständnis zu haben, hatte sie sich doch aus der Ihr zugewiesenen Himmelsrichtung über die dicht bewaldeten Hänge des Taubentales geschoben. Seitdem prasselte Efferds Segen allzu verschwenderisch auf den Lindholzer hernieder und nahm ihm die Sicht. Der dünne Überwurf aus schwarzer Wolle hatte schon lange kapituliert, das Hemd war mit Wasser durchtränkt und die Wildlederhose klebte unangenehm auf seiner Haut. Der versiegelte Brief des Leutnants, der wohlverwahrt in der ledernen Satteltasche ruhte, war als einziges vor den Unbillen des Wetters geschützt.

Notgedrungen hatte der Adept der arkanen Künste einen Flim Flam gesprochen. Die Kugel aus bläulichem Licht erlaubte es ihm, weiterhin den schlammigen Pfad zu erkennen, der am Ufer der langsam anschwellenden Inoscha das Tal hinauf führte. In der Ferne konnte Amaros die Wolken unter der Kraft der Blitze hell erstrahlen sehen und das Donnern folgte in immer kürzeren Abständen.

Amaros hatte Mühe, sich selbst dazu zu bringen, seinen duldsamen Falben Azúcar in jenem langsamen Gang zu halten, der dem Pferd nur geringe Anstrengung abverlangte und einen sicheren Tritt auf dem glitschigen Karrenweg ermöglichte. Nicht nur das stärker werdende Unwetter beunruhigte ihn; vielmehr war es der Ärger darüber, sich selbst in diese Situation gebracht zu haben, die ihm zu schaffen machte. Am Anfang war es noch ein nettes Spiel gewesen, doch nachdem der Leutnant angefangen hatte, seine zackigen Anweisungen zu geben, war Amaros wie von selbst wieder in die Unterwürfigkeit zurückgefallen, die er sich in Grangor hatte angewöhnen müssen: Abgeschnitten von der väterlichen Geldbörse, war er gezwungen gewesen, sich als Schreiber für diese selbstherrlichen Pfeffersäcke zu verdingen. Auch wenn es ihn mit Zufriedenheit erfüllte, seinen eigenen Weg beschritten zu haben, so nagte es bis heute an seinem Stolz, Bürgerlichen zu Diensten gewesen zu sein.

Von diesen düsteren Gedanken begleitet, erreichte er schließlich den zentralen Dorfplatz, an dem die steinernen Bauten von Vogtshaus und Perainetempel aufragten. Nur aus dem hier ebenfalls befindlichen Gasthaus drang noch das warme Gelbrot von Lampenlicht. Dunkle Stimmen grölten ein eingängiges Trinklied, das nur gedämpft durch den Regen drang. Ansonsten war von den einheimischen Orondini schon längst keiner mehr auf den Straßen. Mitternacht war bereits vorbei, das kräftigende Abendmahl eingenommen und in den Betten gaben sich Bauern, Hirten und alle anderen Borons, vielleicht auch Rahjas Segnungen hin.

"Nur mir, der ich wohl das edelste Blut hier habe, bleibt dieser einfache Wunsch versagt", dachte Amaros indigniert, als er absaß und Azúcar unter dem schützenden Blätterdach eines Apfelbaumes anband. Dann nahm der junge Mann die Satteltasche an sich und trat eilig an das Portal des Göttinnenhauses. Das nachgedunkelte Pinienholz des Tores war mit Schnitzereien von Feldfrüchten, Äpfeln und Schafen verziert, doch weckten sie nicht die Aufmerksamkeit des Adligen. Der Magier verharrte kurz, griff einer Eingebung folgend nach einem hellen Kiesel, der sich warm in seine Handfläche schmiegte, während die Wassertropfen die Erde davon abwuschen. Dann ließ er das bleiche Licht seines Zaubers verlöschen und klopfte vernehmlich an.

Zweimal noch musste Amaros sein Klopfen mit gesteigerter Lautstärke wiederholen und war schon dabei abzuwägen, sich in der Gaststätte nach dem Priester zu erkundigen, als endlich das Tor aufschwang. Ein Mädchen von vielleicht vierzehn Lenzen blickte ihn aus müden Augen an, die sich vor Überraschung weiteten, als sie in das Antlitz eines Unbekannten blickten. Die Halbwüchsige trug eine grüne mit gelben Ähren bestickte Schürze über dem einfachen Wollkleid, welches sie sich übergeworfen hatte. Ein kleines Öllicht in ihrer Rechten spendete ihr Licht. Amaros vermutete, dass es sich um eine Novizin handelte, ließ sich davon aber nicht abhalten, ungeduldig in das Innere des Tempels zu drängen, während er erläuterte: "Mein Name ist Amando Monzo. Ich bin mit einem Schreiben höchster Dringlichkeit von Santa Catalina geschickt worden, um es dem hiesigen Geweihten der Gütigen Göttin zu überbringen. Die Angelegenheit duldet keinerlei Aufschub."

Die Novizin nickte beeindruckt: "Ich werde Hochwürden sofort wecken.“

Schon wollte sie davon eilen, als der junge Mann sie noch einmal zurückhielt: "Warte!" Er schlug seinen Umhang zurück, öffnete die darunter verborgene Satteltasche und entnahm ihr das Schreiben. "Nimm das hier besser gleich mit." Er kannte den Inhalt des versiegelten Briefes nicht und vielleicht war es besser, wenn es dabei blieb.

Die Novizin stellte das Licht ab und nahm das Schreiben entgegen: "Soll ich Euch ein Tuch mitbringen und sehen, ob wir vielleicht etwas Trockenes haben, was Euch passen könnte?"

Amaros hätte sich am liebsten geschüttelt bei dem Gedanken, solch ärmlichen, kratzigen Stoff anzuziehen, wie das Mädchen ihn trug. "Da ich sofort wieder mit der Antwort seiner Gnaden aufbrechen werde, wäre das wohl vergebliche Liebesmüh. Ich werde es also noch eine Zeit lang hinnehmen müssen, mehr Wasser als Faser auf der Haut zu tragen", antwortete er und setzte noch hinzu, als er bemerkte, dass der Blick der Heranwachsenden nicht zu seinem Gesicht zurückgekehrt war: "So der Anblick nicht zu unerträglich ist."

In Windeseile und mit hochrotem Kopf eilte die Novizin aus dem Gebetsraum des Tempels.

Amaros musste nicht lange warten. Ein in das grüne Ornat der Perainepriesterschaft gekleidete Mann trat durch die gleiche Tür ein, durch die das Mädchen geflüchtet war. Der Geweihte war zur Überraschung des Adeptus kaum älter als er selbst. Das glatte schwarze Haar trug er im Nacken gebunden und Augen von so smaragdenem Grün blickten Amaros entgegen, dass dieser sich sofort fragte, ob Elfenblut durch die Adern seines Gegenübers floss.

"Ich bin Maestro Perinyo Salpena. Ich werde Euch nach Santa Catalina begleiten", verkündete der Mann mit gefasster Stimme.

"Hochwürden", gab Amaros zur Antwort, um sein Einverständnis zu signalisieren und verbeugte sich. Darum ging es also. Was wohl im Tempel vorgefallen war? Er hoffte, dass weder seine Schwestern noch seine Mutter darin verstrickt waren.

"Ich habe Loupe bereits losgeschickt, den Wirt zu bitten, mir sein Maultier zu leihen, damit wir ein wenig schneller vorankommen", ergänzte Perinyo, während er sich einen Mantel überwarf. Gemeinsam harrten sie der Rückkehr der Novizin.


Autor: vivar

Diese ließ, zu Amaros' stiller Freude, eine ganze Weile auf sich warten, so dass er die Zeit fand, an eine Feuerschale im Gebetsraum heran zu treten, die der barmherzige Meister Perinyo mit einem glimmenden Scheit entzündete, und sich ein wenig zu wärmen. Als die Novizin endlich wieder die Tempelhalle betrat, löste er sich nur unwillig von den Kohlen.

Umso erstaunter hörte er, was Loupe zu sagen hatte: "Meister, Nazir sagt, es tue ihm furchtbar Leid, aber er habe sein Muli bereits verliehen."

Der junge Geweihte runzelte die Stirn. "An wen den?"

Loupe blickte verlegen zu Boden. "An Väterchen Argmoschix, Meister."

Die Verwirrung auf dem Gesicht Meister Perinyos war komplett. "Väterchen Argmoschix? Wozu braucht er denn ein Maultier? Obendrein zu dieser nächtlichen Stunde? Väterchen Argmoschix ist der Sippenälteste der hier lebenden Zwergengemeinde, Herr Monzo."

Die Novizin zuckte mit den Schultern. "Ich habe Nazir ausgerichtet, dass Ihr unbedingt nach Santa Catalina reiten müsst, weil der Baron vergiftet wurde, und er wollte schon mit mir zum Stall gehen, da sagte der alte Zwerg, der wohl auf einen Becher Wein heraufgestiegen war: 'Entsinnst du dich nicht, Söhnchen, dass du mir für heute Abend dein Maultier geben wolltet für den neuen Stollen, den wir treiben wollen.' Darauf erinnerte sich der Wirt mit einem Male seines Versprechens und sagte, er könne sein Tier nicht herausgeben."

"Seltsam. Die Aurixim haben doch ihre guten Zwergenponies - wozu brauchen sie da Nazirs Rübenfresser? Ich rede besser selbst mit dem Alten. Nichts für ungut, Loupe, aber gewiss hat er dich aufgrund deines Alters nicht für voll genommen und den Ernst der Lage nicht begriffen. Kommt mit, Herr Monzo! Mit einem freundlichen Wort lässt sich auch ein Zwergenherz erweichen!"

Nach allem, was Amaros von den Erzzwergen gehört hatte, bezweifelte er dies zwar, trat aber dennoch mit dem Geweihten vor das Portal des Kirchleins. Ihr Gang zur Taberna endete jedoch bereits nach wenigen Schritten. Der Apfelhain war voll von kleinwüchsigen Bartträgern in schlichter dunkler Gewandung. Einige trugen hohe schwarze Hüte mit breiter Krempe. Hier und dort blinkten Beile und andere Waffen. Im Hintergrund standen auch einige Menschen.

"Väterchen Argmoschix!", rief der Geweihte verdutzt aus. "Welch seltener Besuch in meinem Hain! Ihr wollt Euch doch nicht etwa zur Herrin Peraine bekehren? Ein Scherz, nur ein Scherz, Väterchen. Gerade wollte ich mit Euch sprechen."

Einer der Hutträger, mit silbernem Bart und schwarzem Mantel, hakte die Daumen in seinen Gürtel und sprach mit ernstem Gesicht: "Angrosch ungarim ka romdraschmox![1] Auch wir müssen mit dir sprechen, Söhnchen. Wir haben gehört, dass du verreisen willst. Planst du etwa, zu diesem Sündenfest gehen, wo alle halbnackt und betrunken umhertanzen, Perinyo?"

Mit den Händen wehrte der Geweihte ab. "Der Herr von Vivar liegt vergiftet danieder. Die Comtessa von Ragath fordert mich auf, sofort nach Santa Catalina zu eilen. Sein Leben ist in Gefahr!"

Argmoschix stand im Regen und bewegte sich nicht. "Eile bringt den Tod. Deswegen sterbt ihr Gigrim auch so früh. Weil ihr immer rennt. Der Herr von Vivar hat mächtige Freunde. Er hat seit Hunderten von Jahren der Hilfe der Orondini nicht mehr bedurft. Warum sorgst du dich nicht um die Kranken hier, Söhnchen? Broschax Sohn des Bargrix' Grubenfieber ist nicht besser geworden."

Meister Perinyo war die Ungeduld förmlich anzusehen. "Broschax' Leiden ist langwierig. Er kann für einige Tage auf meine Fürsorge verzichten."

"Nein, nein", sagte der Sippenälteste bestimmt. "Er hatte erst vor zwei mal acht Tagen wieder einen Hustenanfall. Du solltest ihn dir unbedingt ansehen." Mit der Bestimmtheit eines bergab rollenden Felsbrockens fügte er hinzu. "Du kannst auf keinen Fall jetzt eine Reise antreten, Söhnchen."

Der Geweihte zuckte hilflos mit den Schultern und wandte sich zu dem vermeintlichen Boten an seiner Seite. "Ich weiß nicht, welche Steinlaus ihnen über die Leber gelaufen ist", raunte er leise. "Für gewöhnlich sind die hiesigen Zwerge recht umgänglich."


Autor: lindholz

"Werte Angroschim, hört mich an!", mischte sich Amaros daraufhin in das Gespräch ein und Argmoschix’ abweisender Blick heftete sich nun auf ihn. "Wollt Ihr tatsächlich jemandem, dem heimtückisch Gift verabreicht wurde, die Gnade der Gütigen verweigern? Sicherlich würde die Comtessa nicht um Euren Beistand bitten, wenn es nicht von Nöten wäre. Seine Hochgeboren könnte sterben!"

Abschätzig schnaubte der Zwerg und seine steingrauen Augen funkelten: "Und was ist mit Broschax? Ist sein Leben etwa weniger wert? Eins kann ich dir sagen, Jungelchen: Er hat zumindest noch viel mehr Jahre vor sich, die es zu bewahren gilt. Auch wenn er kein ach so edles Blut hat wie Seine Hochgeboren."

Ein zustimmendes Raunen ging durch die Zwerge.

Der Geweihte und Amaros blickten sich in einer Mischung aus Unglauben und Niedergeschlagenheit an, doch der Sippenälteste war noch nicht am Ende seiner Rede angekommen: "Außerdem ist diese Comtessa bestimmt völlig umsonst besorgt und lediglich auf eine List des Herrn von Vivar hereingefallen. Sicher hat er sich diese ganze Sache mit dem Gift nur ausgedacht, um sie auf sein Lager zu locken. Sogar bis in die Hallen von Aurom-Dûm“ – er deutete mit dem Daumen auf den Boden unter sich – „ist vorgedrungen, dass der Herr von Vivar hinter jedem Rock mit strammen Schenkeln her ist. Nur werden sich die dieser Comtessa nicht so einfach geöffnet haben.“

Doch wie sie ihm um den Hals fallen wird, wenn er von der 'Schwelle des Todes' zu ihr zurückkehrt! Kann mir schon vorstellen, was da noch so schwellt." Dröhnend lachte Argmoschix und winkte ab: "Reite einfach nach Hause oder wo auch immer du hin willst, Junge. Unser Heiler bleibt in unserem Dorf. Dem Herrn von Vivar mag es egal sein, wenn seine Launen unser Leben kostet, aber uns sicher nicht."

Der Lindholzer wollte etwas erwidern, doch Meister Perinyo hielt ihn zurück: "Es hat keinen Sinn, Herr Monzo. Wenn ein Erzzwerg etwas beschlossen hat, ist er unnachgiebig, wie das Erz, das er im Namen trägt. Gehen wir erst einmal wieder in die Halle der Göttin und überlegen, was nun zu tun ist."

Amaros schätzte es überhaupt nicht, sich einem Höhlenkriecher beugen zu müssen, doch ihm wollte kein Weg einfallen, den Diener der Gütigen Göttin von diesem Ort wegzubekommen, der von den Angroschim quasi belagert wurde. "Nun gut", beugte er sich schließlich, "steht das Angebot Eurer Novizin noch? Wenn ich es recht überlege, hätte ich doch gerne etwas Trockenes."

Geschlagen zogen sich die beiden in den Tempel zurück. „Einen Geheimgang hat dieser Tempel nicht zufällig zu bieten?“, fragte der vermeintliche Bote mit wenig Hoffnung in der Stimme, als sie das Tor hinter sich geschlossen hatten.


Autor: dalias

Geduckt saß Yppolita di Dalias y las Dardas auf der klapprigen Mähre, die ihr eigen war. Am Rande des Apfelhains harrte sie aus und verfolgte, was vor sich ging. Zwerge waren herangerückt – eine beachtliche Anzahl von ihnen – und hatten den kleinen Tempel umstellt, gerade als sie sich heranschleichen wollte. Ihr dumpfes Murren war kaum zu vernehmen. Zu dicht fiel der Regen herab. Das beständige Prasseln ertränkte die kaum zu hörenden Stimmen in seiner ewigen Gleichförmigkeit. Ihr Caldabreser und die ihn ansonsten schmückenden Federn hatten sich der Macht des Regens schon lange gebeugt. Nass bogen sie sich nach unten. Leise klapperten ihre Zähne. Enger schlang sie den nassen Umhang um sich. Doch Wärme vermochte er ihr schon lange nicht mehr zu geben. Sie fror. Sie, die sonst nie fror, die die Nivesenlande und Thorwal bereist hatte, bibberte. Kurz waren dieser merkwürdige Bote und der Geweihte aufgetaucht, das Licht aus der Tür des Tempels ließ Yppolita sie deutlich erkennen. Ein paar kurze, kaum verständliche Worte hatten sie mit den Zwergen gewechselt. Dann waren dieser Bote und der Geweihte auch wieder in das Warme und das Licht des Tempels zurückgekehrt. Ein warmer, trockener Raum – da wäre sie nun auch gerne. Wie war sie nur hierher gekommen?

Auf dem Markt in Santa Catalina hatte sich Yppolita treiben lassen – hatte natürlich alles genau im Auge und beobachtet… Dort war sie auch wieder mit ihrem versoffenen Vetter Lodovico di Dalias zusammengetroffen. Für den Weg vom Tempel herab hatte er eine geschlagene halbe Stunde gebraucht. In dieser Zeit war er dreimal von seinem Pferd gerutscht. Prustend vor Lachen hatte er verkündet, er wolle nun für Ruhe und Ordnung sorgen, was einiges an Unruhe und Argwohn bei den Feiernden um ihn herum ausgelöst hatte. Da Lodovico an seinem Plan festhielt, zunächst die strategisch essentiellen Weinstände zu sichern, hatten sie sich wieder getrennt: Yppolita wollte weiter nach Verdächtigen suchen. Unter den Feiernden war ihr zunächst keiner aufgefallen, doch dann war sie fündig geworden. Sie hatte einige höchst suspekte Gestalten ausgemacht: Ein Soldat hatte diesem Boten ein Schreiben gegeben und ihn losgeschickt. Und dieser zog gen Firun, in Richtung der Berge. ‚Warum’, so fragte sich Yppolita, ‚reitet ein Bote nachts in die Berge?’

Ihr Verdacht hatte sich bestätigt, als der fremde Bote einem unheimlichen bläulichen Licht zu folgen begann, das ihn schnurstracks weiter in das Dörfchen Orondo führte. Bald hatte es zu regnen begonnen, der Weg war rutschig geworden. Sie hatte ihr Pferd mehr geführt, als dass sie auf ihm ritt. Es war ein gefährlicher und weiter Weg des Nachts – doch ihre Intuition hatte sie nicht getrogen. Irgendetwas Merkwürdiges ging hier vor – und der Bote steckte, davon war sie nun überzeugt, in dieser ganzen Angelegenheit tief drin.


Autor: vivar

Yppolita richtete den Blick wieder auf das Göttinnenhaus. Die Zwerge bildeten einen Kreis und schienen murmelnd und auf den Fußballen vor und zurück wippend einige Absprachen zu treffen, was eine ganze Weile in Anspruch nahm. Schließlich marschierte das Gros von ihnen wieder in Richtung der Taberna ab, während ein halbes Dutzend sich strategisch günstig im Hain Aufstellung nahm, um sowohl das Tempelportal als auch die Tür zu der angebauten Sakristei samt Geweihtenhaus im Auge behalten zu können. Ein weiterer Bartträger bewachte – wenn auch in respektvollem Abstand – den Gaul des Boten. Der Perainetempel stand unter Belagerung!


Autor: dalias

„Angroschim haben Geduld… die bleiben am Ende die ganze Nacht hier“, sprach Yppolita di Dalias y las Dardas leise zu sich selbst. Die ganze Nacht, frierend und durchnässt auf einem Pferd sitzend zuzubringen, schien der Caballera keine allzu verlockende Aussicht zu sein. Behutsam führte sie ihre rechte Pranke zum Griffkorb ihres Raufdegens und zog die Klinge kurz eine Handbreite aus der Scheide. Linkhand und Dolch waren auch an ihren Plätzen. Ihren Kopf legte sie an ihren Nacken und hob ihre Augen für ein kurzes Gebet gen Alveran. „Heiliger Oheim, San Lumino, halte Fürsprache für mich bei Dom Praios und Domna Rondra! Herz, Hand, Klinge!“

Sachte drückte Yppolita mit ihren Schenkeln in die Flanken ihres Pferdes. Gemächlich und müde trottete es voran auf den warmen Lichtschein des kleinen Kirchleins inmitten des Apfelhains zu. Yppolita schob ihr Kinn nach vorne und legte ihren Kopf leicht schief, um den Eindruck Yaquirtaler Verwegenheit zu erwecken. Sie setzte ein leicht spöttisches Lächeln auf. Einzig um ihr Pferd machte sie sich ernsthaft Sorgen, eine zerschundene, klapprige Mähre. Ein trächtiges Zwergenpony, rund wie ein Puniner Fass im Weinmond, strahlte mehr Anmut aus.

In die Reihen der Angroschim, die sich um den Tempel postiert hatten, kam Bewegung. Sie hatten Yppolita und ihr Pferd bemerkt. Zwei kamen ihr entgegen, um ihr den Weg zum Kirchlein zu verstellen. Taxierend wogen die beiden ihre Äxte in den Fäusten. Ihre durchnässten Hüte hingen schlapp herab. Dicke Tropfen perlten aus ihren geflochtenen Bärten auf den Boden. Mit tiefer, wie ein Steinschlag grollender Stimme rief ihr der Vorderste entgegen: „Angrosch ka kagrosch! Kagarax xanaschna, Xomaschna?“[2]

Kurz vor den beiden Zwergen brachte Yppolita ihr Pferd zum stehen. Herablassend blickte sie auf die Angroschim herab. „Angrosch auch mit Euch und den Eurigen, ebenso Rondra und die anderen elf Zwölf, wenn’s Euch beliebt.“ Yppolita merkte, wie ihre Stimme leicht bebte; sie räusperte sich kurz und versuchte, sich zu beruhigen. Sie musste kühl sein wie Stahl. „Ich bin Alveranis Gloria Yppolita di Dalias y las Dardas, Erbjunkerin zu Dalias, Sherbeth und Malkethoza, Caballera zu Las Colinas. Die älteste Enkeltochter der Schwiegermutter des Bruders meiner Vaterschwester, eine tapfere und schier unbezwingbare Klingenjägerin, schickt mich nach Orondo. Sie“, Yppolita unterbrach ihren Wortschwall und machte eine kurze theatralische Pause, „sie hat mir aufgetragen, der hiesigen Geweihtenschaft der…“, Yppolita musterte den nur schemenhaft erkennbaren Tempel und Hain kurz, „der guten Göttin… Peraine…“, als sich kein Widerspruch in den Mienen der Angroschim regte, sprach sie weiter, „meine Reverenzen zu erweisen und dieselbe Geweihtenschaft gegen gute Opfermünzen zu ersuchen, zwölf Tage lang, zwölf Kerzen zu entzünden und unablässig, fest und fortgesetzt, für die Linderung des… kalten Fröstelns derselben, der hochgeehrten ältesten Enkeltochter der Schwiegermutter des Bruders meiner Vaterschwester zu beten.

Denn, Ihr werten Herren Angroschim, Ihr mögt dies glauben oder nicht, oder gar zum Fundament Eures Glaubens erheben oder auch nicht, und darin Trost und Zuversicht schöpfen in dunklen und regnerischen Tagen oder auch nicht, dass das Entzünden von zwölf Kerzen an zwölf aufeinander folgenden Tagen und das überaus kraftvolle Beten dieser tadellos frommen Geweihtenschaft hier zu Orondo, auch in ferner davon gelegenen Regionen der Berggrafschaft und auch der Talgrafschaft, des Öfteren und stets sehr erfreulich, die Linderung üblen, manches mal gar niederhöllischen Fröstelns zur Folge hatte; wie dies auch und gerade meine liebe holde und überaus streitbare Base erstrebt, weswegen ich hier bin und die Passage zum Tempel hiermit erbeten haben will… Gehabt Euch…“ Mit diesen Worten drückte Yppolita – stolz und zufrieden mit sich – in die Flanken ihres Pferdes und nötigte es so zum Weitergehen.


Autor: lindholz

Es kratzte. Er hatte es ja gleich gewusst. Mit einem Seufzen strich Amaros von Lindholz über das grobe Gewebe. Aber es half nichts: Es würde noch eine Weile brauchen, bis das wärmende Feuer, welches den Tempel in sein flackerndes Licht tauchte, seine Kleider getrocknet hatte. Zu allem Überfluss hatte der Geweihte – im Gegensatz zu der verschüchterten Loupe – nicht einmal den Anstand, den Raum zu verlassen, während er sich umzog. Wieder einmal eine von diesen Sachen, die Amaros seit seiner Ausbildung in Grangor nicht mehr hatte hinnehmen müssen. Für einen Heiler wie Meister Perinyo war es wohl einfach nicht der Rede wert, wenn sich jemand vor ihm entblößte. Darüber hinaus konnte der Orondino kaum ahnen, dass er auf einen adliges Hinterteil schaute. Dementsprechend nahm der blonde Magier das Verhalten klaglos hin. Statt sich in Selbstmitleid zu ergehen, suchte Amaros nach einem Ausweg aus ihrer vertrackten Lage, während er zuerst das Lendentuch anlegte und sich dann die grobe Tunika aus Nesseltuch überstreifte.

Für ihn selbst würde die Flucht keine große Herausforderung darstellen, falls man ihn überhaupt daran hinderte, alleine das Gotteshaus zu verlassen: Seine arkanen Kräfte würden ihn unerkannt an den Angroschim vorbeibringen. Eine zweite Person mit sich zu nehmen; das war allerdings schon ein kräfteraubendes Unterfangen und seine Tarnung wäre dahin. Ein Menschenleben sollte es jedoch durchaus wert sein, einen Vortrag seiner Mutter über Gehorsam und Pflichten über sich ergehen zu lassen. Auf der anderen Seite fragte sich der junge Adlige, ob das Überleben des León de Vivar überhaupt im Sinne ihrer Familie war. Gab es nicht einen Gegenbaron, der das Wohlwollen der Kaiserin in Gareth besaß? Seine Schwester Alisea hatte ihm von entsprechenden Gerüchten berichtet. War am Ende gar seine eigene Familie an diesem Anschlag beteiligt?

‚Nein, soweit würde Mutter nicht gehen. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Und ich wäre ebenso wenig dazu bereit‘, grübelte Amaros vor sich hin, während er sich ein kurzes Seil um die Hüfte band, damit die beige Tunika nicht unförmig an ihm hinabhing. Indigniert blickte er an sich herab. ‚Von einem tumben Dörfler nicht mehr zu unterscheiden‘, konstatierte er innerlich, bevor ihn ein Gedanke wie ein Geistesblitz traf.

Mit einem Funkeln in den meergrauen Augen, drehte Amaros von Lindholz sich dem Diener der Göttin der Äcker zu: „Hochwürden, wenn wir hier die ganze Nacht verbleiben, wird Seine Hochgeboren vielleicht nicht mehr zu retten sein. Was hieltet Ihr davon, wenn ich mich als Euch ausgebe? Wenn eine Gestalt in Eure grüne Robe gekleidet versucht, von hier zu entkommen, werden die Zwerge sie zweifelsohne verfolgen. Währenddessen könntet ihr mein Pferd nehmen und gen Santa Catalina eilen.“


Autor: vivar

Meister Perinyo wirkte überrascht. Offensichtlich war ihm dieser Gedanke selbst nicht gekommen. Er trat an den Magier heran, legte ihm die Hand auf die Schulter und blickte ihn an. „Herr Monzo, ihr seid sehr tapfer. Euer Einsatz für das Leben eines anderen, eines hochgeborenen Herrn zumal, ehrt Euch vor Unserer Lieben Frau, die in dieser Stunde gewiss von Alveran auf uns hernieder blickt. Allein, Euer Ansinnen ist auch gefährlich! Was, wenn die Zwerge völlig außer Rand und Band sind und Euch ein Leid antun? Dann würde ich mich an Euch schuldig machen. Das ist gewiss nicht der Wille der –“

Er unterbrach sich, als das Portal sich öffnete, und eine durchnässte Caballera, einen dünnen Klepper am Zügel führend, das Tempelschiff betrat.


Autor: dalias

Die Yaquirtaler Caballera kniff ihre Augen zusammen. Im Inneren des Tempels war es hell. Gegen das Licht zeichneten sich zwei Männer ganz deutlich ab. Sie standen eng beisammen: Ein Mann in grüner, bodenlanger Kutte – offenkundig ein Geweihter Peraines und ein junger Mann in der einfachen erdfarbenen Tracht eines Bauernlümmels – dies war wohl der Bote, dem sie gefolgt war. Der Geweihte zog seine Hand sachte von der Schulter des Boten. Wie zwei ertappte Liebende standen sie da und blickten sie erschreckt an – oder wie zwei ertappte Verschwörer.

Yppolita ließ ihr Pferd stehen und kam, ohne ein Wort zu sprechen, sporenklirrend näher an die beiden heran. In dicken Fäden tropfte das Wasser von ihrem Umhang und Hut auf den hölzernen Boden des Langhauses. Mit großer Geste warf Yppolita ihren Umhang zurück und gab den Blick auf ihr Wehrgehänge mitsamt Raufdegen und Dolch frei. Drei Schritt vor den beiden blieb sie schließlich stehen.

„Die Zwölfe Euch zum Gruß entboten, Hochwürden. Gestattet, dass ich mich vorstelle?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Ich bin Alveranis Gloria Yppolita di Dalias y las Dardas, Erbin von Dalias und Caballera von Las Colinas aus dem schönen Artésa, Nichte der wohlgeborenen Dame Fiona de las Dardas y las Dardas, die Euch, Hochwürden, wohl bekannt sein dürfte. Und du, Strolch“, mit diesen Worten wandte sich Yppolita von Hochwürden Perinyo Salpena ab und Amando Monzo zu, den sie mit zusammengezogenen Augenbrauen und steiler Falte auf der Stirn strafend musterte, „bist einer jener, die sich gegen Leib und Leben des hochgeborenen und rahjageliebten Dom León verschworen haben! Welches dunkle Handlangergeschäft führt dich hier her? Warum hast du dich nachts heimlich aus Santa Catalina geschlichen? – Triffst du hier etwa den Drahtzieher dieses finsteren Komplotts?“

Yppolita reckte und streckte sich drohend zu ganzer Größe und Breite. Ihre grauen Augen funkelten die beiden Männer kampfeslustig an. Eine nasse, dunkle Haarsträhne hing ihr ins Gesicht. Ihr Kinn war platt, die große Nase angewidert hochgezogen. Fingerdick schwollen die Adern an ihrem Hals an. Ihre Rechte legte sich an den Griff ihres Raufdegens.


Autor: lindholz

Während die Caballera aus dem Haus di Dalias y las Dardas drohend ihre Anschuldigungen vorbrachte, hatte es Amaros von Lindholz zuerst die Sprache verschlagen, während sein Kopf im Folgenden zunehmend an Farbe gewonnen hatte. Selbst der arange Schein der Flammen konnte das Rot in seinem Gesicht nicht übertünchen, als es aus ihm herausbrach: „Was? Strolch? Handlangergeschäfte? Diese Anschuldigungen sind –“ begann er und wurde wohl nur vom Eingreifen des Perainegeweihten daran gehindert, einen handfesten Streit vom Zaun zu brechen.

Mit einer beschwichtigenden Geste trat Perinyo Salpena zwischen die beiden: „Hier muss es sich um ein Missverständnis handeln, hochverehrte Caballera. Dieser Bote hat mir ein Schreiben überreicht, in dem mir von den schrecklichen Vorkommnissen in den heiligen Hallen des Klosters zu Santa Catalina berichtet wurde. Weiterhin werde ich gebeten, sofort zum Rosentempel zu eilen, um dem Herren dieser Lande beizustehen. Dieser Mann, Amando Monzo, hätte mir den Brief sicherlich nicht überstellt, wenn ihm daran gelegen wäre, dem Baron zu schaden, meint Ihr nicht auch, Euer Wohlgeboren?“


Autor: dalias

„Oh!“ Betreten schlug Domna Yppolita ihre Augen nieder. Deutlich war zu erkennen, wie die Zornesröte in ihrem Gesicht der Schamesröte wich. Zerknirscht presste sie ein „Entschuldigt, Herr Emissario!“ zwischen schmalen Lippen hervor. Verlegen und etwas tapsig klopfte Yppolita Amando Monzo auf die Schulter. Rasch überflog die Caballera das Schreiben, das der Bote überbracht hatte und das Perinyo Salpena nun gewissermaßen wie zum Beweis des Gesagten vor die Nase der jungen Adligen hielt.

„Auch Euch, Hochwürden, bitte ich um Vergebung, ich wollte den Segen, der auf dem Heim der Gütigen liegt, mit meinen Worten nicht besudeln. Verzeiht, Hochwürden!“, sprach die Caballera immer noch sichtlich peinlich berührt zum Geweihten.

Dieser nickte ihr gnädig zu und hauchte ein kaum verständliches „Es sei Euch vergeben!“


Autor: lindholz

„Nur hindern uns leider diese zu kurz geratenen Sturköpfe daran, den Tempel zu verlassen. Sonst wären wir schon längst aufgebrochen“, ergänzte der noch immer verschnupfte Bote. „Ich bin deshalb auch der Meinung, dass wir meine Idee weiter verfolgen sollten, so es keinen besseren Vorschlag gibt. Sicherlich ist es nicht ungefährlich, doch sagtet Ihr ja selbst, Hochwürden, dass die Gütige Göttin auf uns herniedersieht. Ohne Zweifel wird sie unserer Tat Ihren Segen geben und uns Schutz gewähren.“


Autor: dalias

Nachdem Yppolita di Dalias y las Dardas auf ihre Nachfrage hin aufgeklärt worden war, dass der Plan Herrn Monzos aus einem gewagten Mummenschanz bestand, in dem der eine sich für den anderen und umgekehrt ausgab, nickte sie dem Pläneschmied anerkennend zu. „Welch‘ kluges Köpfchen sich unter diesem Haarschopf verbirgt. Phex selbst könnte keinen besseren Garadanzug ersinnen… und wir sollten nicht vergessen, es sind Angroschim: Für uns sieht einer von diesen Erdnuckeln wie der andere aus. Ich bin sicher ihnen ergeht es mit uns Xomaschim auch nicht eben anders. Wie kann ich Euch helfen?“


Autor: lindholz

“Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr Hochwürden Eure Unterstützung angedeihen ließet, edle Domna. Selbst, wenn Hochwürden es sicher aus Orondo hinausschafft, steht ihm noch ein Ritt durch die finstere Nacht bis nach Santa Catalina bevor. Mit dem Wissen, dass Eure Klinge an seiner Seite ist, wäre mir wesentlich wohler“, antwortete der vorgebliche Amando Monzo, obwohl ein Teil von ihm wünschte, eben jene Klinge in seiner eigenen Nähe zu wissen. Doch ihm war klar, dass sie dort weit weniger nutzen, ihn möglicherweise sogar einschränken würde. Bedauerlich. Er hatte so wenig von einem Helden.

„Es gibt einen Weg, der in die östlichen Berge führt, Herr Monzo. Ihr könnt ihn leicht ausmachen, wenn ihr den Wehrturm von Montevivar im Auge behaltet. Wenn ihr diesem Pfad durch den Höhenzug folgt, werdet Ihr in keine Sackgasse laufen. Zudem werden Euch die Vivarese gegen die Angroschim beistehen, so es nötig wird“, erläuterte Perinyo Salpena eine mögliche Fluchtroute.

„Wieso seid Ihr da so sicher, Meister Perinyo?“, fragte der blonde, junge Mann misstrauisch.

„Oh, glaubt mir, es reicht völlig aus, dass sie Orondini sind und Ihr nicht“, seufzte der Geweihte schicksalsergeben.

"Aha...", antwortete Amaros lediglich und hatte das Gefühl, dass auch hier in der bergigeren Waldwacht das almadanische Temperament so heiß lodern konnte, wie in den Niederungen des Yaquirtals. "So will ich es auf jenem Pfad mit Peraines Segen und Phexens Beistand versuchen. Sobald alle Vorbereitungen getroffen sind, wäre ich Euch, hoch geschätzte Caballera, dankbar, wenn ihr für kurze Zeit vom vorderen Portal aus die Aufmerksamkeit der Zwerge auf Euch ziehen würdet, damit ich einen kleinen Vorsprung herausarbeiten kann. Schließlich soll die angebliche Flucht auch überzeugend wirken."


Autor: dalias

„Also gut, ich will’s wagen.“ Grübelnd kratzte sich die Caballera am Hinterkopf. In den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellte sie die Frage, wonach sie jetzt Verlangen tragen würde, wenn sie eine der Angroschim wäre und dort draußen im Regen stünde. Völlig durchnässt hing ihre Kleidung an ihr herab: Vom Hut bis zu den Stiefeln. Nun begann sie auch schon hier im Innern des Tempels, wo sie dicht am Feuer stand, zu frösteln. Sie mühte sich, die Gedanken an die Nässe, die Kälte und den ihr bevorstehenden Schnupfen abzuschütteln. Aber diese Gedanken waren hartgesottene Gesellen, die nicht aufhören wollten, sie zu plagen.

„Meint Ihr, meine Herren, eine Dame könnte hier ein trockenes Hemd und Wams und vielleicht einen wärmenden Umhang erhalten? – Zumal die Herren sich ja auch ohnehin noch umziehen müssen, wäre dies kein zusätzlicher Zeitverlust, nicht wahr?“ Yppolita legte ihren Kopf leicht beiseite und lächelte die beiden Männer geistesabwesend an. Perinyo nickte ihr zu und rief die Novizin herbei, der er auftrug, die begehrten Kleidungsstücke heranzutragen.

„Ach, Hochwürden. Habt Ihr einen kleinen Vorrat an Speis und Trank, womöglich ein kleines Fässchen Bier? Ich bin sicher, dass unsere Wachen sich in ihrer misslichen und verregneten Lage über eine kleine barmherzige Gabe freuen würden und einem Schluck oder zwei nicht abgeneigt wären.“

Der Perainegeweihte nickte ihr zu. „Ja, ich habe natürlich einen kleinen Vorrat im Haus. Dazu könnt ihr unseren kleinen sturen Freunden auch Orondischen Ziegenkäse reichen. Ein recht pikanter Vertreter seiner Art mit sehr ausgeprägter Duftnote“, bei diesen Worten rümpfte Perinyo milde lächelnd die Nase, „von den Angroschim wird dieser Käse wegen seiner Milde und dem feinen, zurückhaltenden Geschmack gelobt… nun ja.“

„Das klingt doch sehr gut. Welcher Zwerg, der bis auf die Knochen nass wird, würde sich nicht über etwas Feuchtes für seinen Gaumen freuen. Für Euch, Herr Monzo, sollte dies eine Möglichkeit geben, die vorgetäuschte Flucht zu wagen. Ist Euch dies Divertissement genug?“

Bei diesen Worten Yppolitas trug die Novizin Loupe die gewünschte trockene Kleidung heran, nickte der Caballera artig zu, überreichte Mantel, Hemd, Wams und Hose und ging gähnend zurück. Unversehens begann die Yaquirtaler Caballera vor den Augen der beiden Männer damit, Wams und Hemd aufzuknöpfen. „Ihr entschuldigt!“


Autor: lindholz

Mit einem anerkennenden Lächeln verfolgte Amaros von Lindholz, wie sich die Edeldame zu entkleiden begann. Ihre selbstbewusste, direkte Art imponierte ihm. Bevor er jedoch einen Blick auf ihren Körper werfen konnte, wiesen ihn ein deutliches Räuspern und der Zug einer Hand an seinem Arm darauf hin, dass ein weiterer Verbleib in der Nähe der Caballera nach Meinung Meister Perinyos nicht schicklich wäre. Widerstrebend folgte der junge, blonde Mann dem Diener der Peraine zu einer niedrigen Türe am linken Ende des Tempelschiffes. Nur schwach fiel der Schein des Feuers noch in diesen Winkel des Baus, doch aus dem wenigen, was er im Halbdunkel erahnen konnte, als der Geweihte die Tür öffnete, schlussfolgerte der ortsfremde Yaquirtaler, dass der dahinterliegende Raum als eine Art Sakristei diente.

Überrascht musste Amaros schmunzeln, als dem Geweihten vor ihm ein leiser Fluch entfuhr: „Bei der Gütigen! Ich habe die Öllampe am Feuer nicht mitgenommen!“ „Ich werde sie schnell holen“, schlug der junge Edle eilfertig vor und wollte sich schon umdrehen, als ihn erneut eine Hand des Geweihten am Oberarm umfasste.

„Das lasst Ihr schön bleiben, Herr Monzo, in Travias Namen!“, entrüstete sich der junge Meister des Tempels, in einem Tonfall, der einer verknöcherten Anstandsdame gut zu Gesicht gestanden hätte.

„Eigentlich sind dies eher die Tage der Rahja…“, wandte Amaros noch ein, während er weiter gezogen wurde.

„Und Ihr seht ja, was sie dem Baron eingebracht haben! Es wird auch so gehen“, erwiderte Perinyo Salpena zischend und beendete damit die Diskussion. Mit einem deutlich vernehmbaren Klacken schloss sich die hölzerne Tür hinter den beiden Männern.


Autor: dalias

Mit einem Vierzig-Maß-Fässchen auf der rechten Schulter und drei Krügen sowie einem Beutel mit Käse und Brot in der linken Hand trat Yppolita vor den Perainetempel von Orondo. Unablässig prasselte immer noch der Regen herab. Nass und bedröppelt standen die sieben Zwerge immer noch an den Aus- und Eingängen des Tempels. Unzufrieden und fröstelnd murrten sie über dieses für Angroschim unziemliche und nachgerade unnatürliche Wetter. Als zwei der Zwerge auf die Caballera aufmerksam wurden, kamen sie näher heran. „Kagarax xanaschna, Xomaschna?“[3], rief einer von beiden. Er trug einen langen roten Bart und einen nass herab hängenden schwarzen Hut.

„Hochwürden Perinyo Salpena hat mich zu Euch geschickt, während er seine Gebete für die Enkelin der Schwiegermutter des Bruders meiner Vaterschwester verrichtet, werte Herren Angroschim. Da sein Herz voll Gnade und Barmherzigkeit – kugraganax – für Euch erfüllt ist, konnte er nicht länger zusehen, wie Ihr hier bei diesem widerwärtigen Wetter nass werdet und friert.“

„Wer friert denn hier, Xomaschna? Hä, wer? – Ich bin Algrumix Sohn des Algrix. Ich friere nicht, bei Angrosch. Selbst im höchsten Norden oder in den tiefsten Höhlen. Stimmt es nicht, Algramix?“

Sein Kumpan, ein identisch aussehender Zwerg mit langem roten Bart und nass herab hängendem schwarzen Hut, nickte zustimmend.

„Tja, dann, wenn es so ist, nehme ich das Bier, das mir Hochwürden Perinyo für Euch gegeben hat, wieder mit… glaubt nicht, dass ich nicht durstig bin.“ Yppolita fasste das Fässchen mit der rechten Pranke wieder fester und drückte es gegen ihre Schulter. Die Caballera drehte sich um. Der Regen prasselte ungnädig auf sie, das Fässchen und die schwarz behüteten Zwerge herab.

„Ach, wenn du schon hier bist, Xomaschna. Stelle es ruhig ab, das Fässchen. Das muss doch schwer sein… Ich würde es nicht leiden können, wenn du das schwere Fass wieder in den Tempel schleppst und dich dabei… ähm, verletzt. Das könnte ich nicht leiden, Xomaschna. Komm schon, stell es lieber ab!“, brummte Algrumix Sohn des Algrix.

Yppolita nickte lächelnd, reichte den beiden Zwergen die Krüge und den Beutel und setzte daraufhin das Fass auf eine Holzbank vor dem Tempel. „Aber nur, wenn Ihr mir auch einen Schluck lasst, oder? – Ach, in dem Beutel ist frisches Brot und ein Laib Orondischen Ziegenkäses – soll recht schmackhaft, zart und lieblich sein, habe ich gehört.“

„Der Käse ist gut“, brummte der bisher stumme Algramix, zog den Beutel auf und sog den feinen Duft des Käses in seine Lungen.

Mit ein paar gezielten Schlägen war das Fässchen angezapft, das Bier floss in einem feinen Strahl aus dem Fass aus altem Waldwachter Eichenholz und lief in einen der Krüge. Gierig führte Yppolita den Humpen zu ihrem Mund und nahm als Erste einen kräftigen Zug, mit dem sie den halben Krug auf einmal leerte.

„Nicht schlecht, Xomaschna, aber so viel schaffst du nicht auf einmal…“ Algrumix stürzte das Bier in seinen Schlund und setzte nach nur wenigen Augenblicken den völlig geleerten Humpen wieder ab. Der Zwerg steckte seinen Zeigefinger in den Krug hinein und leckte diesen genießerisch ab: „Köstliches Bier… wirklich!“

„Kagarax xanaschnox, Algrumix?“[4], dröhnte eine tiefe Zwergenstimme. Drei Angroschim kamen mit grimmen Gesichtern heran. „Was glaubt ihr, was ihr treibt? Wir sollten darauf achten, dass die Grünrobe bleibt, wo sie ist, Algramix, Algrumix.“

„Hochwürden Perinyo schickt Euch dieses Bier.“ Mit diesen Worten klopfte Caballera auf das Bierfässchen, ließ einen Humpen voll flüssigen Goldes laufen und streckte ihn den drei hinzugekommenen Angroschim entgegen. „Und diesen Käse hier. Es dauert ihn, dass Ihr seinetwegen bei diesem Hundewetter hier draußen ausharren müsst. Er will nicht, dass Ihr ihm grollt… eine Versöhnungsgeste, gewissermaßen. Hier, trinkt!“

Diesem Angebot konnten die drei Angroschim nicht widerstehen. Yppolita genehmigte sich selbst einen Krug Bier und ein paar große Bissen Brot und Käse. Sie konnte es einfach nicht übers Herz bringen, die Angroschim beim Fressen und Saufen zu beobachten, ohne sich selbst etwas von Speis und Trank zu genehmigen. Das dröhnende Lachen, laute Schenkelklopfen und das ausgelassene Anstoßen von Bierkrügen lockten nach kurzer Zeit auch die letzten beiden zwergischen Wachen heran, die auf ihre Gefährten ausgesprochen wütend waren. Laut brüllten sie die anderen an, wie diese ohne sie trinken könnten. Es kam zu Gezeter und Geschrei. Die Yaquirtaler Caballera konnte die Lage mit geschickt verteiltem Bier und den letzten Stücken Käse wieder etwas beruhigen. Algramix klopfte ihr anerkennend auf den Rücken: „Für eine Xomaschna gar nicht so übel. Bist vielleicht etwas groß und ein wenig dürr, aber ansonsten ganz in Ordnung.“


Autor: lindholz

Amaros wartete geduldig in der kleinen Sakristei. Der angebaute, halbrunde Raum war nur wenige Schritte von dem Nebengebäude entfernt, welches den Bewohnern des Tempels als Unterkunft diente. Deshalb hatte man in die Sakristei eine kleine Pforte eingelassen, durch die man bequem aus und in den Tempel schlüpfen konnte. Von hier aus konnte Amaros die Stimme der Edlen di Dalias y las Dardas nur leise durch den strömenden Regen vernehmen, doch sie schien ihre Sache vortrefflich zu machen: Schon nach kurzer Zeit konnte er durch den schmalen Türschlitz sehen, wie die Zwerge, die den Tempel umstellt hielten, ihre Posten verließen und sich nach und nach am Hauptportal sammelten.

Auch Meister Perinyo Salpena, der nahe neben ihm stand, um ebenfalls etwas sehen zu können, entspannte sich deutlich und die beiden jungen Männer nickten sich mit einem verschmitzten Grinsen zu. Langsam und vorsichtig öffnete der Geweihte die Pforte, während sich Amaros von Lindholz die Kapuze des grünen Überwurfs tief ins Gesicht zog. Mit leisen Schritten huschte der als Diener der Peraine verkleidete, vorgebliche Botenreiter durch den schmalen Durchlass, als die dunklen Zwergenstimmen sich in einer Auseinandersetzung erhoben.

Sein Weg führte ihn an der Seite des Nebenbaus entlang und durch den Hain. Die Bäume waren auf einer Streuobstwiese zwischen dem eigentlichen Ort und dem Lauf der Inoscha gepflanzt worden. Mit einem beherzten Sprung könnte er über den Wildbach setzen, der für die Mitglieder des kleinwüchsigen Volkes eine größere Hürde darstellen würde. Dummerweise führte dieser Weg genau in die falsche Richtung, wie ihm der Perainegeweihte mitgeteilt hatte. Er musste in einem weiten Bogen durch den in tiefstem Dunkel liegenden Apfelhain und dann den gesamten Ort durchqueren.

Inzwischen lag das Gewitter genau über Orondo. Regelmäßig zerrissen Blitze das Dunkel und beleuchteten Amaros Route durch das hoch stehende, nasse Gras. Mit seinen einfachen Lederschuhen sank der Magier tief in den Boden ein, doch wenigstens blieb es ihm erspart, über Wurzeln zu stolpern und die zahlreichen Stämme verbargen ihn vor den Angroschim, die er am Portal immer noch gemeinsam mit der hochgewachsenen Gestalt der Caballera plaudern hören konnte. Die Stimmung schien wieder bestens zu sein.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er endlich die nordöstliche Ecke des Dorfplatzes erreicht. Hier war er den Zwergen bedrohlich nahe. Mit Bedacht wählte er seine Schritte, als er sich an der Fassade des Herrenhauses entlangdrückte. Dann nahm er Deckung hinter einem abgestellten Handkarren seitlich des angrenzenden Hauses. Erneut erstrahlte der Himmel für einen Herzschlag, dann setzte Amaros seinen Weg fort. Das Unwetter schien einfach nicht nachlassen zu wollen. Der junge Adept der arkanen Künste ahnte, dass er schon sehr bald wieder die Nässe auf seiner Haut fühlen würde.

Wenig später hatte der Yaquirtaler Adlige die Veranda der Taberna erreicht und lugte hinter dem hölzernen Pfosten hervor. Die Zwerge am Perainetempel schienen den Fassinhalt inzwischen in ihre Bäuche überführt zu haben und die ersten schlenderten schon in Richtung ihrer Posten zurück. Es wurde Zeit, dass er auf sich aufmerksam machte. Im goldenen Licht, welches zwischen den Läden des Schankraums nach außen drang, suchte er nach einem Stuhl oder Eimer, der sich mit großem Lärm umkippen ließ, doch er wurde nicht fündig. Was jetzt? Gehetzt blickte sich Amaros um. Es konnte doch nicht sein, dass ihr Plan daran scheiterte, dass er nicht entdeckt wurde!

Genau in diesem Augenblick kam ihm die Kameradschaft der Angroschim zu Hilfe: Die Tür mit dem breiten Rücken aufdrückend, schob sich ein jüngerer Zwerg mit dichtem, braunen Bart durch den Eingang der Taberna. In beiden Händen trug er ein Tablett, bestanden mit Deckelkrügen, deren Inhalt leicht zu erahnen war. Ein Blitz tauchte alles in weißes Licht und für einen paradox lange anhaltenden Moment starrten sich der Adeptus und der Erzzwerg in der Bewegung erstarrt an. Amaros war der erste, der wieder zu Handeln fähig war. In einer Aufwärtsbewegung stieß er dem Angroscho das Tablett gegen die breite Brust. Der Zwerg stolperte vor Überraschung gegen die Tür, während die Humpen ihren Inhalt über ihm verteilten und danach dumpf auf den Boden aufschlugen.

„Drakka! DRAKKA!“, dröhnte die tiefe Stimme durch die Nacht und selbst die Zwerge am Tempel drehten sich sofort um. Doch Amaros hatte längst die Beine in die Hand genommen. Er sprang auf der anderen Seite der Veranda angekommen auf den verschlammten Weg, glitt, lief, rutschte die Straße gen Rahja entlang auf die Berge zu. Dort, noch Meilen entfernt thronte der Turm von Montevivar, dessen dunkel aufragende Silhouette das schwärzliche Grau der brodelnden Wolkendecke noch unterbat. „Ihr Götter steht mir bei!“, keuchte der Yaquirtaler, während schwere Stiefel hinter ihm immer näher zu kommen schienen.


Autor: dalias

Dumpf klang ein lauter Ruf an Yppolitas Ohr „Drakka! Drakka!“ Die Caballera, die gerade dabei war ihren Fuß auf die Tempelschwelle zu setzen, fuhr herum. Die Angroschim, die allesamt schon wieder ihre Posten eingenommen hatten, wandten sich ebenso wie die Yaquirtalerin zur Taberna hin. Fluchend warfen die Zwerge sich Befehle auf Rogolan zu, die so knapp und verschliffen waren, dass ein jemand, der kein Eisenwalder Erzzwerg war, sie unmöglich verstehen konnte. Unaufhaltsam kamen die Angorschim ins Rollen, wie ein Steinschlag. Mit den Äxten in ihren kräftigen Fäusten rannten sie los zur Taberna hinüber. Drei, vier, sechs, alle sieben Angroschim verließen den Apfelhain und stürzten ihrem angegriffenen Bruder zur Hilfe.

Yppolita schüttelte es. Sie wollte nicht, dass ein Dutzend Zwerge ihr nachhetzten. Nur ein einziger Fehler, ein einzelnes Straucheln oder Stürzen würde genügen und die Zwerge würden über diesen tapferen Boten kommen. Nein, seinen Platz würde sie wahrhaft nicht haben wollen. Mit gefalteten Händen wandte sie sich an den alveranischen Fuchs: „Herr Phex leite ihn sicher. Ich bitte Dich. Wenn Du ihm hilfst, und nur dann, und nur wenn Amando Monzo sicher in Montevivar ankommt, ohne dass ihm auch nur ein Haar – also gut, ohne dass ihm ernsthafter Schaden an Leib und Gliedern widerfahren ist, dann und nur dann, Herr Phex, will ich Dir ein Fünftel… also gut ein Drittel… ja, ja, die Hälfte eines Monatssoldes für eine Leutnantin gemäß Khunchomer Kodex opfern… ich gelobt es. Ich bitte Dich, Herr Phex, hilf dem guten Amando Monzo!“

Nach verrichtetem Stoßgebet blickte sich Yppolita angestrengt um, horchte in die Nacht und das Prasseln des Regens hinaus. Die Rufe der Zwerge und das Trampeln ihrer schweren genagelten Sohlen entfernten sich, wurden immer matter und waren schließlich hinter dem Schleier aus Dunkelheit und Efferdssegen kaum mehr zu vernehmen. „Pssst! Hochwürden, kommt, eilt Euch!“, zischte die Yaquirtaler Caballera in den Tempel hinein.

Schritte und Hufgetrappel waren zu hören. Wenig später trat ein unscheinbarer, junger Bauernbursche in grobem erdfarbenen Tuch aus dem Lichtschein des Tempels und führte den müden alten Kläpper der Caballera heraus. Knapp nickend reichte Perinyo Salpena ihr die Zügel ihres Reittieres. Gekonnt schwang sich die Yppolita in den Sattel und lenkte ihr Pferd neben das stattliche und kraftvolle Ross des Boten, einen schönen Falben, der laut dem Boten auf den Namen Azúcar hörte. Yppolita – die Stirn in Falten liegend – war sich mit ihr selbst einig, dass in Anbetracht dieses beschämenden Vergleichs ihr Ross, nein, ihr Gaul keinen Namen verdiene, der über just diese Bezeichnung Gaul oder Mähre hinausginge. Während Hochwürden Perinyo die Zügel Azúcars behutsam von einem Ast löste, streichelte er vertrauensvoll das Haupt des edlen Tieres und steckte ihm mit einem verschwörerischen Augenzwinkern ein kleines braunes Stück alanfanischen Zuckers zu. Yppolita, die der direkte und augenfällige Unterschied der beiden Pferde zu quälen schien, raunte dem Perainegeweihten zu: „Da fragt sich der Betrachter doch, wer hier der Rustical und wer die Noble ist… Señor Amando Monzo muss ein feiner Bote sein, wenn sein Herr oder seine Dame ihm ein derart kostbares Pferd geben…“ Prüfend warf die Caballera einen Blick nach dem Brandzeichen des Rosses.

Behutsam schwang sich Hochwürden Perinyo auf Azúcars Rücken. Nur widerwillig ließ sich das Tier von den etwas unbeholfenen Beinbewegungen des Perainegeweihten dirigieren. „Gebt gut acht, Hochwürden… wir brauchen Euren Nacken ohne Knick und in einem Stück in Santa Catalina“, flüsterte Yppolita dem Perainegweihten mit einem Lächeln leise zu. „Wenn’s keine allzu großen Umstände macht, wäre ich darüber auch sehr erfreut.“ „Dann sollten wir los und keine Zeit mehr verlieren. Wenn Ihr den Halt verliert… oder… nun ja, Euch der Ritt zu gefährlich wird, gebt Bescheid!“ Im Schritt bewegten sich die Pferde mit ihren Reitern zwischen den Häusern Orondos hindurch in Richtung Santa Catalina im Taubental. Nachdem sie die letzten dunkel und stumm daliegenden Behausungen passiert hatten, fielen die Pferde in einen leichten Trab.



  1. [rog.: „(Nur) Angrosch ist der Baumeister, er ist alt und ehrwürdig.“]
  2. [rog.: „Angrosch zum Gruße! Was suchst Du, Menschenweib?“]
  3. [rog.: „Was suchst Du, Menschenweib?“]
  4. [rog.: „Was treibst du, Algrumix?“]