Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 17: Unterschied zwischen den Versionen
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Leutnant von Kündoch jedoch hatte sich pflichtbewusst an die Gefangene gewandt und löste ihre Fesseln mit dem Dolch. Flavia Fröhling war eine Maid von vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahren, von magerer Gestalt – ein Verehrer hätte das Wort „zierlich“ verwendet – und mit hellbraunem, etwas zerzaustem Haar. Aus einem Gesicht voller Sommersprossen blickten zwei blaue Augen furchtsam zu ihm hoch. „Mein Bruder…“, begann sie mit zitternder Stimme. | Leutnant von Kündoch jedoch hatte sich pflichtbewusst an die Gefangene gewandt und löste ihre Fesseln mit dem Dolch. Flavia Fröhling war eine Maid von vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahren, von magerer Gestalt – ein Verehrer hätte das Wort „zierlich“ verwendet – und mit hellbraunem, etwas zerzaustem Haar. Aus einem Gesicht voller Sommersprossen blickten zwei blaue Augen furchtsam zu ihm hoch. „Mein Bruder…“, begann sie mit zitternder Stimme. | ||
„Nur ruhig, Domnatella Flavia. Seine Hochwürden [[Bonaventura | „Nur ruhig, Domnatella Flavia. Seine Hochwürden [[Bonaventura XXV. Colombi|Bonaventura]] aus Santa Catalina hat uns geschickt. Und dort unten bei den Bäumen wartet eine Domna, die Ihr wohl kennt, die Herrin von las Dardas. Ihr seid in Sicherheit.“ Vorsichtig half ihr der Leutnant auf die Beine. Als sie strauchelte, fasste von Kündoch sie rasch um die Hüfte und stützte sie. Er spürte, wie sie am ganzen Leibe zitterte. Es wäre besser, wenn er führte sie schnell zu den Domnas brachte. Die würden besser wissen, wie man sich um das Kind zu kümmern hatte. | ||
Indes kamen diese beiden auch schon über die Lichtung geschritten. Domna Romina musterte die Koscher Waffenknechte, die gerade entwaffnet und gebunden wurden. Mit besorgtem Blick eilte indes Domna Fiona an der Comtessa vorbei auf den von Kündoch zu, um die Domnatella entgegen zu nehmen. Das Mädchen war bleich wie ein Laken und hing jetzt mehr an dem Leutnant, als dass er sie stützte. „Seid bedankt, Dom Ardan“, murmelte Domna Fiona ihm leise zu. Ihre Hände umfassten sanft die Schultern des Mädchens. „Kommt, wir setzen uns dort drüben erst einmal nieder“, deutete sie zu einem Baumstumpf und führte Flavia außer Sichtweite der gefangenen Koscher. | Indes kamen diese beiden auch schon über die Lichtung geschritten. Domna Romina musterte die Koscher Waffenknechte, die gerade entwaffnet und gebunden wurden. Mit besorgtem Blick eilte indes Domna Fiona an der Comtessa vorbei auf den von Kündoch zu, um die Domnatella entgegen zu nehmen. Das Mädchen war bleich wie ein Laken und hing jetzt mehr an dem Leutnant, als dass er sie stützte. „Seid bedankt, Dom Ardan“, murmelte Domna Fiona ihm leise zu. Ihre Hände umfassten sanft die Schultern des Mädchens. „Kommt, wir setzen uns dort drüben erst einmal nieder“, deutete sie zu einem Baumstumpf und führte Flavia außer Sichtweite der gefangenen Koscher. |
Aktuelle Version vom 9. März 2014, 22:58 Uhr
Wie die Comtessa und Domna Fiona Waldhaus befreiten. Wie sie sich auf die Suche nach Flavia Fröhling begaben. Wie sie die Spur im Wald verloren und wieder fanden. Wie sie nebenher über den Vivar, den Alstinger und die hohe Politik sprachen. Wie sie das Mädchen, ein gebratenes Wildschwein und einen Beutel Datteln aus den Klauen der Koscher befreiten und zurück auf das Gut brachten.
Baronie Taubental, 2. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf dem Weg von Santa Catalina nach Kellfall (2. Efferdstunde)[Quelltext bearbeiten]
Autorin: ehrenstein
Ein halbes Stundenglas später saß Domna Romina endlich wieder auf ihrem heiß geliebten Orgello und ritt neben Fiona de las Dardas den Klosterhügel hinab, um sich bald darauf nach links, in Richtung des bergigen Eichenwalds, zu wenden. Auf dem steinigen Karrenweg war keine Menschenseele unterwegs; so kam man gut voran. Die frische Waldluft tat Romina gut und sie merkte, wie ihr Kopf zunehmend freier wurde.
Düsteren Blickes ritt dagegen Ardan von Kündoch vor den beiden Domnas auf dem uneinsichtigen Waldweg – wer wusste, was sich in dem Dickicht hier noch verbergen mochte? Fehlte nur noch, dass sich zu den Besatzern in diesem Waldwachter Nest – Waldhaus, sehr einfallsreich – noch irgendwelche verrückte Räuber einfanden, die versuchten die Pilger hier auszunehmen.
Nun gut, mit den sechs Mann Bedeckung an Garde, dazu drei Waffenknechte der Domna von Las Dardas, sollte dem Gesindel die Lust vergehen, sich mit ihnen anzulegen. Und das bezog er nicht nur auf einfache Wegelagerer, sondern auch auf diese Raubritter in dem lauschigen Ort, zu dem sie jetzt zogen.
Nichtsdestotrotz war er froh, Santa Catalina hinter sich gelassen zu haben, war er doch überzeugt davon, dass der Aufenthalt in einem Rahjakloster unmöglich gut für die Moral seiner Männer sein konnte. Er unterdrückte ein Knurren und warf einen kurzen Blick zurück über die Schulter zu seiner Herrin, die gedankenverloren wirkte.
Dafür stutzte er, als er den versonnenen Blick bemerkte, mit dem Frau von Las Dardas ihn musterte. Da bekam man ja das Gefühl, mit einem Mal ohne Rüstung oder gar in noch weniger auf dem Schlachtross zu sitzen! Hastig wandte er sich nach vorne, darum bemüht, die Hitze in seinen Wangen vor seinen Männern zu verbergen. „Schafsmist auch!“, murmelte er und verwünschte im Stillen sein Schicksal, dass ihn zu einem Rahjafest hierher geführt hatte.
Auf Edlengut Waldhaus (2. Traviastunde)[Quelltext bearbeiten]
Autor: vivar
Nachdem sie einen weiteres Stundenglas lang bergan durch den dichten Wald geritten waren, erreichten sie, vorbei an einigen Kohlenmeilern am Wegesrand, eine weite Rodung. In ihrer Mitte erhob sich das Edlengut Waldhaus: mehrere schlichte, mit Schiefer gedeckte Steingebäude, von denen nur eines mehr als ein Erdgeschoss hatte, und die von hohen angespitzten Pfählen umgeben waren. Bis auf das Gurren der allgegenwärtigen Wildtauben war kein Laut zu hören. Das Tor in den Palisaden war zugezogen, so dass wohl jemand auf dem Gut sein musste, doch kein Rauch stieg aus den Kaminen auf. Fragend blickte Ardan von Kündoch seine Herrin an.
Autorin: ehrenstein
Domna Romina zog die Augenbrauen hoch und betrachtete erst das Tor, dann ihren Leutnant. Sie hatte sich die letzte Stunde mit Domna Fiona über das weitere Vorgehen in diversen Fällen ausgetauscht. „Nun gut, Leutnant von Kündoch, würdet Ihr bitte anklopfen, irgendeine Menschenseele muss doch daheim sein!“
Der Leutnant nickte, trieb sein Pferd an das Tor, zog einen Dolch und hämmerte mit dem Griff gegen das Holz. „Öffnet das Tor, bei Praios, Rondra und Travia“, rief er bestimmend und laut. „Öffnet das Tor für die Comtessa Romina Alba von Ragath und ihr Gefolge!“
Diese schmunzelte und wechselte einen Blick mit ihrer Begleiterin. „Auf meinen Leutnant ist Verlass!“, lachte sie. „Wenn wir drin sind, seid Ihr dran. Ich werde mich offiziell nur für die Wägen interessieren.“
Autorin: lasdardas
Fiona de las Dardas musste nicht erst den Blick heben, um nach ihrem schwarzgefiederten Gefährten Ausschau zu halten. Das Gurren der Tauben verriet ihr seine Abwesenheit. Was nur bedeuten konnte, dass auch Dom León nicht hier war, denn eben jenem hatte sie den Raben entgegen geschickt. Jetzt hätte sie ihn als unauffälligen Spion gut hier gebrauchen können. Doch sei es drum, so würde wenigstens nicht dieser appetitlich aussehende, aber sicher furchtbar abergläubische tobrische Leutnant misstrauisch werden.
Nur kurz war sie abgelenkt, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder ganz auf die hübsche Ragatherin. „Macht Euch keine Sorgen, Domna Romina. Wenn wir erst einmal hinter den Palisaden sind, werden wir schon sehen, wer mich anzugreifen gedenkt, so ich mich als Vasallin von Dom León zu erkennen gebe.“ Sie lächelte grimmig. Man hatte sich auf dem Weg hierher hinreichend darüber verständigt. Zuerst einmal galt es den Auftrag der Rahjakirche zu erfüllen, derweil die Comtessa sich auf ihre Neutralität in diesem Zwiste berufen würde. So man jedoch die Mutter ihrer Knappin angriffe... das wäre natürlich ein Grund einzugreifen. Doch erst einmal galt es, ins Anwesen zu gelangen.
Autor: vivar
Von jenseits der Palisaden ertönte eine zitternde Männerstimme: "Bitte, zieht weiter, Domna Comtessa, zieht weiter in der Götter Namen! Der neue Dom hat uns untersagt, das Tor für andere als ihn selbst zu öffnen! Und er kann sehr zornig werden!"
Autorin: ehrenstein
Romina von Ragath verzog unwillig den schönen Mund und kam ihrem Leutnant zuvor, der gerade zornig zu einer Erwiderung ansetzen wollte. "'In der Götter Namen'?!", rief sie laut. "Es wurden Waren gestohlen, die der Rahjakirche gehören und die ich wieder ihrer Bestimmung zuführen werde, Bursche. "Ihr stolzer Schimmel begann zu tänzeln, sie fing ihn mit einem gekonnten Schenkeldruck wieder ein. "Öffne dieses Tor oder der Rote Hahn wird es für dich tun!"
Währenddessen schickte Leutnant von Kündoch je zwei Gardisten zu beiden Seiten um das Gut und ließ nachsehen, wie gut es um die Palisade bestellt war.
Autor: vivar
"Haltet ein!", rief der Mann, wohl noch verängstigter als zuvor. "Mit den Taubentaler Pfaffen wünschen wir keine Querella! Und... und auch mit Euch nicht! Wir sind nur arme Knechte und Bauern, Mägde und Köhlerinnen! Wir tragen keine Waffen und tun nur, wie unser Dom uns befohlen hat! Doch Ihr kommt mit gerüsteten Streitern und ruft uns an im Namen Praios', Rondrens und Traviens, und droht gar mit dem Roten Hahn! Woher können wir wissen, dass Ihr wirklich der Rahjakirche dient, Domna? Dass Ihr nicht seid wie der Dom Halmdahl, der uns mit Waffengewalt überfiel?" Noch immer war niemand zu sehen, doch die Stimme schien von den Palisaden rechts oberhalb des Tores zu kommen.
Derweil waren die zwei Gardisten zurückgekehrt. Sie hatten das kleine Gehöft schnell umrundet und nirgendwo eine durchlässige Stelle gefunden. Die spitzen Pfähle waren dicht an dicht in den Boden gerammt, und wohl nur von großen Männern vom Pferderücken aus zu überklettern. Doch sie hatten auf den Äckern, die Waldhaus mit ihrer schwarzen Erde umgaben, die Fußspuren zweier Menschen entdeckt, die in Richtung des Waldrandes führten. Eilfertig machten sie ihrem Leutnant Meldung.
Autorin: ehrenstein
Die Comtessa unterdrückte einen Fluch. Sie war nervös und viel zu unbeherrscht. Der Mann hatte Recht; warum sollte er ihr trauen? Sie atmete tief durch und schaute zu der Stelle an der Palisade, wo sie den Sprecher vermutete. "Natürlich bin ich mit Gardisten unterwegs, Bursche, ich bin ein Kind des Grafen von Ragath, denkst du, ich reite alleine durch die Waldwacht?" Sie sprach langsam, als redete sie mit einem Kind. "Und ebenso natürlich komme ich von der Rahjakirche, schau nach, was auf den Wagen ist, selbst du solltest wissen, dass das Fest der Santa Catalina vor der Tür steht und ich bei allen Göttern Besseres zu tun habe, als mich einem Bauer oder Köhler zu erklären." Hatte er sie nicht gerade auch mit dem Koscher Hinterwäldler in einen Topf geworfen? Sie überlegte und verwarf die Bemerkung dazu, die ihr auf den Lippen hing. Der Mann war jetzt schon gänzlich überfordert.
So atmete sie nur ungehalten durch und ihre Augen glitzerten wild. Ardan von Kündoch trieb sein Pferd an ihre Seite und flüsterte ihr leise seinen Wunsch zu, die Spur in den Wald verfolgen zu dürfen. Sie nickte, ohne den Blick von der Stelle zu nehmen, an der sie den Sprecher des Weilers vermutete.
Autorin: lasdardas
Bei den Worten des unsichtbaren Sprechers entkam auch Domna Fiona ein undamenhaftes Schnauben. Sie lenkte ihren Rappen etwas näher an Domna Romina und den Leutnant heran. Der Comtessa schenkte sie ein zustimmendes Nicken. Dann richtete sie sich zur Unterstützung deren Worte ebenfalls an den Unhöfling hinter der Palisade. „Müssen wir uns, nur weil wir aus der Waldwacht kommen, gleich wie die Hinterwäldler benehmen? Und das gleich noch vor einer Ragather Hochadligen?“, erhob sie weithin hörbar die Stimme. „Irgendwer von euch wird doch wohl bezeugen können, für wen die Wägen mit tulamidischen Datteln bestimmt waren. Und vielleicht genug von Hesindes Gaben im Kopf haben sich ausrechnen zu können, dass eben jene tulamidischen Datteln ob ihrer Abwesenheit in Santa Catalina vermisst werden? Und eben jener von Hesinde gesegnete Tropf wird doch sicher auch einsehen mögen, dass die Rahjakirche ob des bevorstehenden Festes zu Ehren eben jener Santa Catalina womöglich nach dem Verbleib der Datteln schickt?“
Sie lenkte den schwarzen Hengst so, dass er seitlich stand. „Und wenn die Gaben Hesindes irgendwo unterwegs bei dem Gedankengang versagen, so mag es euch zu denken geben, wenn ich mich als Fiona de las Dardas zu erkennen gebe und euch versichere, dass die Comtessa samt ihrer Bedeckung und meine Wenigkeit von Ihro Hochwürden Bonaventura persönlich mit der Wiederbeschaffung der rahjanischen Genüsse beauftragt wurden.“
Irgend einer der Waldhauser Bauern würde sie doch wohl auf einem der reichlich vorhandenen Taubentaler Feste gesehen haben und bezeugen können, dass sie praoisgefällig die Wahrheit sagte. Energisch musste sie den aufsteigenden Zorn niederkämpfen. „So gewährt uns jetzt Zutritt zur Siedlung und den Wägen mit den Datteln des Rahjaklosters. Um alles andere mag man sich danach gerne noch kümmern.“
Autor: vivar
Hinter der Palisade war aufgeregtes Geflüster zu vernehmen. Nach einer Weile wurde laut vernehmbar der Balken, der das Holztor verriegelte, fortgeschoben und dieses öffnete sich weit. Die Comtessa und die Caballera erblickten dahinter eine Gruppe von etwa drei Dutzend ungeschlachten Rustikalen, Weiber, Kerle und Kinder, die, mit den Mützen und Hüten in den Händen, recht verlegen zu Boden starrten. Als die Herrschaften in langsamem Schritt auf sie zukamen, bildeten sie eilig ein Spalier und ein sehniger Mann mittleren Alters trat vor. Auf seiner Halbglatze spiegelte sich der Schweiß. "Pardonniert's uns vielmals, ehrenwerte Domnas, dass wir so misstrauisch waren", sprach er zitternd – der Stimme nach war es der gleiche Kerl wie zuvor – "aber die Ereignisse der vergangenen Nacht haben uns gezeigt, dass wir nicht vorsichtig genug sein können, Domnas. Die Wägen der Händlerin Dhachmani, die Ihr wohl meint, haben wir nicht angerührt, Domnas! Wohl aber der Dom Halmdahl, Domnas. Hat sich ordentlich am Sandwein bedient, an den Knackwürsten und an den Honigspeisen. Und an den Datteln auch. Sind aber noch welche da, Domnas. Die edle Seide hat er allerdings mitgenommen, und das Silberbesteck auch, Domnas. Wisst Ihr, was mit ihm geschehen ist, Domnas?"
Autorin: ehrenstein
Domna Romina hatte ihren prachtvollen Schimmel gezügelt, ließ den Mann mit unbeweglichem Gesichtsausdruck ausreden, und saß dann behände ab. Sie zog die Augen zusammen, gab die Zügel dem Gardisten, der schnell neben ihr aufgetaucht war und wandte sich wieder dem Sprecher zu. Sie ließ den Blick einschätzend über ihn gleiten und hob ihre wohlgeformte Augenbraue: "Es sei dir angesichts des Überfalls durch diesen Koscher Barbaren verziehen, dass du uns warten ließest!" Sie hob die behandschuhte Rechte. "Mich interessieren die Waren für die Rahjakirche. Du sagtest, der Barbar habe sich den Wanst voll gestopft und sich an Stoff und Silber bedient." Sie machte mit emotionsloser Miene eine gekonnte Pause. Dem Sprachführer wurde deutlich unwohl, er knetete seine Mütze, als wolle er ihr eine neue Form geben.
Sie sah in die Runde und begegnete den ebenso furchtsamen und erwartungsvollen Blicken der Bewohner des kleinen Edlenguts. Sie waren sauber gekleidet und schienen nicht ausgehungert; der verstorbene Edle war wohl ein guter Herr gewesen. Ihr Blick wurde düster. Sie wollte wissen, was hier passiert war, sich kümmern, doch es ging sie nichts an und würde nur falsch verstanden werden. "Geht wieder an die Arbeit, Fellachen, es ist eurem Baron bestimmt nicht recht, wenn ihr Maulaffen feil haltet!"
Die Männer und Frauen sahen nur den düsteren Blick und machten sich wie geschlagene Hunde davon.
"Wie heißt du, Bursche?", wandte sich die junge Ragatherin dann wieder dem Sprecher zu. Doch es schien sie nur mäßig zu interessieren, denn sie schaute dabei zu Domna Fiona, die neben ihr ebenfalls abgestiegen war. "Domna Fiona, ich sehe mir die Wägen mal an, tut, was immer Ihr tun müsst und sagt Bescheid, wenn Ihr fertig seid!"
Ihr Leutnant hatte sich derweil mit leisen Worten um das Versorgen der Pferde und das Schließen des Tores gekümmert. Die verbliebenen Gardisten blickten sich um, während er persönlich Domna Romina bewachte.
Autorin: lasdardas
Mit einem kurzen Blick beschied Domna Fiona dem Gardisten, dass er nicht versuchen sollte, ihr die Zügel für den Rapphengst aus den Händen zu nehmen, oder sie würde ihm zeigen, wo er ihre Stiefelspitze sicher nicht fühlen wollte. Sie nickte der schneidigen Ragatherin zu, zum Zeichen, dass sie sich um die Angelegenheit kümmern würde und die Comtessa sich derweil über den Zustand der Wagen versichern konnte.
„Nun, guter Mann, verzeih’ der Comtessa ihr streitzigsches Temperament“, wandte sie sich an den Sprecher und schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. „Doch sie nimmt – wie auch ich selbst – die Angelegenheiten der Rahjakirche sehr ernst.“ Sie stellte sich näher zu ihm und tätschelte ihrem Ross beruhigend den Hals.
„Doch zuvörderst interessiert mich jetzt einmal, was genau geschehen ist und wann dieser neuhal’sche Raubritter sich hier verzogen hat – und vor allen Dingen auch: In welche Richtung? Und das Allerwichtigste: Was ist mit Domnatella Flavia geschehen? Hat dieser Lump sie etwa noch in seiner Gewalt?“ Bei diesen Worten verdüsterte sich ihr edel geschnittenes Gesicht, dass einem angst und bange werden konnte.
Autor: vivar
Der Mann hatte die schneidige Comtessa gerade noch mit offenem Mund angestaunt, da war sie auch schon wieder in Richtung der Planwägen an ihm vorbeigeschritten. "Eulalio ist mein Name, Domnas, wenn Ihr gestattet, Domnas", verneigte er sich, als er sich wieder einigermaßen gefasst hatte, tief zunächst in Richtung der hübschen Ragatherin, dann in Richtung der nicht weniger ansehnlichen Waldwachter Caballera. "Ich bin – ich war der Majordomus des Edlen Falk Fröhling. Unser guter Dom! Ach, er war schon hochbetagt und dem Wein sehr zugeneigt! Als vergangene Nacht der Dom Halmdahl und seine Caballeros und Knechten über uns herfielen als wie ein Dutzend Levthane, da ist ihm wohl vor Schreck das Herz gesprungen. Er liegt im Backhaus aufgebahrt, Domna" – seine Hand wies auf ein niedriges Gebäude mit mächtigem Schornstein zu seiner Rechten – ", gemeinsam mit dem Domnito Falkino, den die Mercenarios erschossen, als er sich wehren wollte."
"Boron sei ihrer Seele gnädig. Ist sonst noch jemand getötet worden?", wollte Domna Fiona wissen.
Eulalio schüttelte den Kopf. "Nein. Das heißt, niemand aus Waldhaus. Einer der wickelköpfigen Mercenarios der Domna Yashima Dhachmani, die vergangene Nacht bei Dom Falk zu Gast war, wurde von einem Speer durchbohrt. Die Domna Dhachmani ist eine Tante des Barons, Domna. Sie hat die Planwägen nach Santa Catalina bringen wollen; es waren wohl ihre eigenen Waren. Aber der Dom Halmdahl hat sie zurück nach Kellfall geschickt. Die Dhachmanis sind ja große Fürsten in Tulamidistan, und denkt nur, eine solche Fürstin hier, in unserem kleinen Waldhaus! Und dann..."
"Was, dann?"
"Dann kam der Dom Halmdahl und hat das Fest zerstört. Sagte, er wär' jetzt der Edle hier, und dass ihn der Dom Remigius dazu gemacht hat. Dabei ist der Dom Remigius doch nur der Administrador von Orondo, Domna?"
"Dieser Schurke Remigius ist gar nichts mehr, Eulalio. Der Baron hat ihn schon letztes Jahr seines Amtes enthoben, weil er ihm keine Treue geschworen hat!"
"Verzeiht, Domna, dass ich das nicht wusste. Aber diese Dinge gelangen nur selten nach Waldhaus..."
"Was ist nun mit diesem Halmdahl?"
"Nun, gestern Nacht hat er noch gesagt, er wär' der Dom, aber heut morgen kamen zwei Reiter des Barons, die dem Dom Halmdahl wohl sagten, er solle verschwinden. Da wurde er wütend und hat ihnen gedroht, aber hinterher ist er ganz nachdenklich geworden, Domna. Und vor wenigen Stunden ist er mit all seinen Leuten abgezogen, Richtung Kellfall. Vorher hat er aber noch alles, was nicht niet- und nagelfest war, mitgenommen, und zweien seiner Leute mitgegeben. Die sind nach Norden gezogen, in den Wald hinein, den Berg rauf. Und die haben auch die Domnatella Flavia mitgenommen!"
Autorin: lasdardas
„Also zwei seiner Leute, die nach Norden gezogen sind und die junge Domnatella als Geisel bei sich haben?“, hakte Domna Fiona noch einmal nach. Auf ein nervöses Nicken des Mannes hin wandte sie sich ab und hielt eilig auf Domna Romina zu.
„Auf ein Wort, Domna Romina?“ Sie wartete, bis sich die Comtessa ihr zugewandt hatte. „Offenbar ist dieser neuhal'sche Besatzer auf und davon mit seinen Mannen gen Kellfall. Na, soll er ruhig schauen, in dieser Richtung wird ihm nichts außer Dom Leóns gezogenem Stahl entgegen kommen.“ Sie ballte die Faust um die Worte zu unterstreichen. „Aber der Bursche konnte mir sagen, dass zwei von den Leuten dieses Strauchdiebs mit den Kleinodien – und damit meine ich auch die Domnatella Flavia – in Richtung der Berge aufgebrochen sind. Daher also die Spuren, die Eure Gardisten gefunden haben.“ Erneut hielt sie kurz inne und sah sich auf dem Gut um. „Wenn ich mir die Situation vor Augen halte: Dom León weiß, was ihn von Richtung Waldhaus erwartet. Und Domnatella Flavia ist mit den Männern des Mörders von Bruder und Vater allein da im Wald. Mir scheint, als würden die Zwölfe uns einen deutlichen Wink geben, wem wir zu Hilfe kommen sollen. Bliebe nur die Frage, was wir mit den Wägen machen. Ich würde sie mit zwei Mann Bedeckung nach Santa Catalina schicken. Es finden sich sicher drei Fellachen, die sie lenken können.“
Autorin: ehrenstein
Domna Romina nickte: "Ich denke auch, dass Baron Vivar alleine mit ein paar Raubrittern fertig wird." Und falls nicht, musste sie ihn nicht mehr kennen lernen. "Ich weiß, wie es ist, von Barbaren entführt zu werden! Wenigstens sind die Koscher keine Ungläubigen – obwohl", grinste sie, "man es bei ihrem Angrosch fast glauben könnte." Sie schaute kurz zu ihrem Leutnant, dem ob der wilden Pläne der Domnas gerade mulmig wurde. "Was machen wir mit den Pferden? Ich lasse meines nur ungern alleine."
Autorin: lasdardas
„Hier lassen. Die Waldhauser sollen die Palisaden wieder schließen und sie erst aufmachen, wenn der Herr Baron sich hier blicken lässt. Also der echte, nicht dieses halbkoschere Schwein von einem Alstinger. Ansonsten bliebe nur, die Rösser mit etwas Bedeckung am Waldrand zurücklassen, aber dabei ist mir auch nicht ganz wohl. Wer weiß, wer sich noch hier in der Gegend an Gestrüppschnüfflern herumtreibt.“
Irgendwie wäre jetzt eine Knappin sehr praktisch gewesen, befand Fiona und wunderte sich, dass ihr Töchterchen nicht schon längst aus irgendeinem Busch gesprungen kam, um die Nase tief in diese Angelegenheit zu stecken.
Autorin: ehrenstein
Romina von Ehrenstein-Streitzig seufzte tief. "Na gut, ich hoffe nur, dass ich dann nach des Edelmannes Töchterchen nicht auch nach meinem besten Pferd suchen muss."
Leutnant von Kündoch wandte sich ihr zu: "Das ist wirklich Euer Ernst, Hochwohlgeboren? Ihr wollt durch den Wald laufen und ein Mädchen suchen?"
Die Comtessa nickte belustigt. "Denkt Ihr, Vater gab mir Euch mit, weil Ihr schmückend’ Beiwerk seid? Nein, ich hörte, Ihr wärt einer der besten, wenn es ums Improvisieren geht. Na, dann sorgt dafür, dass wir alles dabeihaben, falls wir im Wald übernachten müssen." Sie ließ den verblüfften Offizier einfach stehen und nahm sich noch ein paar Datteln aus dem Fass auf dem Planwagen, bevor sie in ihren Satteltaschen zu kramen begann, um noch das eine oder andere Nützliche einzustecken.
Autorin: lasdardas
Domna Fiona hatte sich derweil wieder an Eulalio gewandt: „Wir brauchen drei Knechte, die befähigt sind die Wägen sicher nach Santa Catalina zu lenken. Ich werde ihnen zwei von meinen Männern mitschicken als Bedeckung. Wobei ich nicht davon ausgehe, dass sie unterwegs aus Richtung Santa Catalina auf Probleme stoßen werden.“
„Ist recht, Domna“, verneigte sich Eulalio.
Sie sah sich kurz nach Domna Romina und von Kündoch um, ehe sie weiter sprach. „Wir werden uns auf die Suche nach Domnatella Flavia machen. Dafür müssen wir die Pferde hier lassen. Allesamt edle Tiere aus der hiesigen und der Ragather Zucht. Du bist mir persönlich dafür verantwortlich, dass die Tiere gut versorgt werden. Und wir sie bei unserer Rückkehr unversehrt hier wieder antreffen werden. Hast du das verstanden?“
Auf die erneute Verneigung des Majordomus hin wandte sie sich ab, nur um noch einmal kurz inne zu halten. „Du wirst niemandem außer Dom León oder einem Untertan von Dom León davon berichten, wohin wir aufgebrochen sind, verstanden? Ich möchte nicht, dass uns irgendwelche Leute von diesem Halmdahl in den Rücken fallen, weil ihr sie womöglich auf unsere Spur gesetzt habt!“
„Jawohl, Domna.“
Jetzt konnte man aufbrechen. Blieb nur zu schauen, ob Domna Romina und von Kündoch bereit waren. Energischen Schrittes hielt sie auf die beiden Ragather zu.
„Wir wären so weit, Domna Romina. Um den Verbleib von Wägen und Pferden habe ich mich gekümmert. Wenn Ihr und Euer werter Leutnant so weit wärt, könnten wir aufbrechen. Ich habe das ungute Gefühl, dass wir uns nicht zu lange Zeit lassen sollten, diese beiden Schergen des Strohkopfs Halmdahl zu verfolgen.“
Autorinnen: ehrenstein, lasdardas
Diese nickte. "Das ist auch mein Gefühl." Den Leutnant und sieben Waffenknechte im Schlepptau, umrundeten die beiden Domnas zunächst die Palisaden und die Palisade und stapften der gut sichtbaren Spur folgend in den Wald hinein.
In den Bergwäldern um Waldhaus (gleich darauf)[Quelltext bearbeiten]
Dieser folgten sie schweigend etwa ein halbes Stundenglas lang schräg bergan. Der Bergwald wurde dichter und dunkler, ließ sich jedoch bis auf das Knacken der Zweige unter ihren Füßen kein Geräusch entlocken. An einem kleinen Wasserlauf endete sie abrupt.
Domna Romina besah sich das Ende der Spur am Bachufer und den kleinen Wasserlauf, der vielleicht einen halben Schritt breit und an seinen tiefsten Stellen einen Spann tief war. "Sie versuchen ihre Spur zu verwischen, indem sie im Bachlauf weitergehen; die Frage ist jetzt nur – bergan oder bergab?" Sie sah in beide Richtungen und soweit einsehbar konnte man sowohl in die eine, als auch die andere Richtung im Bachbett weiterlaufen.
Aufmerksam betrachtete Fiona de las Dardas die Spuren und folgte dann mit dem Blick dem Bachlauf bergan. „Dom Ardan wird mir darin zustimmen, dass es am sinnvollsten wäre, sich aufzuteilen, um den Bachlauf in beide Richtungen abzusuchen. Ich gehe nicht davon aus, dass dieses Koscher Geschmeiß lange mit den Füßen im Wasser laufen will, sonst fängt es sich noch den Rotz und das Zipperlein dazu.“ Sie schnaufte abfällig und besah sich die versammelte Schar. „Ich würde sagen, dass ich mit Euch, Comtessa und dreien der Männer bergan weitersuche, von Kündoch, mein Waffenknecht Ysidoro und die anderen drei Männer sollen bergab suchen.“
Von Kündoch sah unwillig auf, als Domna Fiona ihn bei ihrer Aufteilung von seiner Schutzbefohlenen abziehen wollte. „Verzeiht, Wohlgeboren“, er räusperte sich vernehmlich. „Eure Aufteilung in allen Ehren, aber Ihre Hochwohlgeboren sollte in meiner Gruppe bleiben. Ich bin für ihre Sicherh –“
Weiter kam der Recke nicht, denn Domna Fiona winkte genervt ab. „Schon gut, schon gut, werter von Kündoch, ich will doch nicht schuld sein, wenn etwas passiert.“
Die Comtessa verzog den schönen Mund. "Leutnant, wir nehmen die von der Caballera vorgeschlagene Aufteilung! Wir sind mitten in der Waldwacht und suchen einige Koscher Briganten. Ich habe diese Leibwächterei langsam dick! Ich bin des Grafen drittes Töchterlein und nicht die Prinzessin von Hintervordermadaland!" Sie nickte der Waldwachter Domna entschlossen zu und machte sich auf, den Bachlauf bergan zu erobern.
Diese verschluckte sich fast an einem unterdrückten Lachen und suchte noch höflich es mit einem Husten zu kaschieren. Von Kündochs entsetzter Blick war einfach phexisch gut. Sie warf ihm einen tröstlichen Blick zu: „Keine Sorge, stattlicher Recke, ich werde die holde Maid beschützen, bis wir uns wieder treffen werden. Ich will doch nicht, dass der Knappenherrin meiner Tochter etwas zustößt.“ Garniert von einem füchsischen Grinsen wandte sie sich ab und folgte Romina trittsicher den Bachlauf entlang.
Unentschlossen sahen die Mannen zu Ardan von Kündoch, dessen Gesicht von weiß zu rot, wieder zu weiß wechselte. „Hintervordermadaland?!“, knurrte er und atmete bemüht ruhig bleibend durch. „Du, du und du, ihr folgt ihnen. Und wehe einer der beiden Domnas passiert etwas! Dann passiert mit euch auch etwas und das wird sicher nicht spaßig! Los, ihr seid ja immer noch da?“
Eilig liefen, ja rannten drei der Gardisten los, um die beiden unternehmungslustigen Domnas rasch einzuholen.
Ardan von Kündoch sah nochmal kurz zurück. Er schnaufte, als die junge Ehrensteinerin im Dickicht des Waldes verschwand. Seine Aufgabe hatte er sich nicht einfach vorgestellt, doch damit, dass sie es ihm noch schwerer machen würde, hatte er nicht gerechnet. Er wandte sich ab und konnte nur hoffen, dass sie die Spur bald wieder fanden. Vielleicht hätte er ... nein, diese Tochter war ihm dann doch lieber; der Hof hatte andere Gefahren, denen man nicht mit dem Schwert begegnen konnte. Nachdenklich stapfte er weiter durch das Wasser des Gebirgslaufs, den Schlamm mit seinen Füßen aufwirbelnd. „Muss an der Waldwacht liegen, irgendein Fluch oder was im Wasser oder in der Luft oder… was weiß ich denn? …dass die… Frauen auf einmal alle so halsstarrig werden… die kleine Zaida ist ganz die Frau Mama…“, schimpfte er halblaut vor sich hin, derweil er dem einigermaßen ortskundigen Ysidoro und den drei anderen Knechten auf den Weg bergab folgte.
Sicher das Viertel einer Stunde waren sie jetzt schon bergan unterwegs, den Blick immer zu Boden gerichtet, um auch ja nicht den Punkt zu verpassen, an dem die Koscher den Bachlauf verlassen und sich wieder in die Büsche geschlagen hatten. Da endlich kam der erlösende Ruf eines der Gardisten. Eilig winkte er die anderen herbei.
Zufrieden schaute Domna Fiona auf die Spuren, die der Gardist am rechten Bachufer entdeckt hatte. „Sieht aus, als sei hier eine Rotte Wildschweine in festem Schuhwerk durch das Unterholz getobt. Nun, so weit von den Tatsachen liegt das ja gar nicht entfernt“, fügte sie heiter hinzu. „Wohlan, dann können wir ja dem besorgten Leutnant Bescheid geben. Ich hoffe, er hat sich nicht selbst in irgendwelche Schwierigkeiten gebracht.“ Sie schmunzelte und nickte Domna Romina zu, die mit einem Wink einen der Gardisten bergab losschickte.
Mit einem leisen Seufzer ging die Caballera hinüber zu einem umgestürzten Baumstumpf und fegte Ästchen und Nadeln von der Oberseite, um sich dann darauf niederzulassen. Bequem streckte sie die Beine aus und lehnte sich etwas zurück. Ihr Blick war auf die hübsche Ragatherin gerichtet.
„Wollt Ihr Euch ein wenig zu mir setzen, Comtessa? Es wird sicher etwas dauern, bis von Kündoch hier ist. Und danach geht es weiter bergan. Ich frage mich, wo diese Koscher Hornochsen wohl hinwollen. Kennen sich hier nicht aus und machen sich durch’s Unterholz davon, das haben wir gerne."
Romina lachte und gesellte sich zu der Waldwachterin. "Wenn ich die Orientierung nicht gänzlich verloren habe, schlagen sie einen Haken um Waldhaus, das dort liegt", deutete sie in Richtung Süden. "Also wollen sie wohl nicht einfach nur weg von hier. Pfff, wer kann schon einem Koscher Gedankengang folgen?"
„Wenn sie dem eingeschlagenen Weg folgen, dann werden sie aber nicht einfach nur einen Bogen um Waldhaus schlagen, sondern sich gänzlich im Vorgebirge verlaufen. Und da oben… gibt’s nicht nur Wildschweine und Gebirgsböcke.“ Mit düsterem Blick überkreuzte Fiona de las Dardas die Arme vor der Brust und wiegte bedächtig den Kopf. „Was machen wir mit diesen Halunken, wenn wir sie haben? Wenn sie dem Mädel was getan haben, dann Gnade ihnen…“
„Das hängt von deren Verhalten ab.“ Romina seufzte. Eine seltsame Situation. Sie saß hier mit der Mutter ihrer Knappin. „Euer edler Herr Baron hat hier das letzte Wort. Wir werden versuchen, die Burschen lebend und möglichst unverletzt zu fangen und ihm zuzuführen.“ Ihre Gedanken schweiften zu dem schönen Mann, den sie erstmalig bei der letzten Landesständeversammlung ausgiebiger betrachtet hatte. Sie hätte es nicht tun sollen, Onkelchen hatte sie gewarnt. Seitdem war soviel passiert. Sie unterdrückte ein Seufzen, verdammt, diese Seufzerei war was für Hofschranzen wie Rahjada. Sie nahm sich vor, diesmal nicht so genau hinzuschauen und zwang sich zurück in die Gegenwart.
Ein leises Lachen kam von Domna Fiona. „Ja, der edle und gute und schöne Baron, unser werter León de Vivar. Hübsch und stattlich, fast wie Khabla selbst.“ Sie schmunzelte und wippte mit den Zehenspitzen, als sie Domna Romina von der Seite her ansah. „Seid vorsichtig, dass er Euch nicht gefangen nimmt. Dazu braucht man nicht unbedingt Raubritter und Entführer“, erklärte sie der Comtessa mit einem gewitzten Zwinkern. „Und was das Verhalten dieser Koscher angeht: Wenn sie mir Grund dazu geben, dann werd ich sie mit einigen Handspann Stahl in den Leib begrüßen. Am besten halten wir’s wie mit Waldhaus: Im Zweifelsfall schaut ihr und von Kündoch im richtigen Moment beiseite.“
Domna Romina errötete leicht. Konnte die Waldwachterin Gedanken lesen? Wieder hatte sie das Bedürfnis kindisch zu seufzen, sie rief sich innerlich zur Ordnung, wie sie es in der Knappschaft gelernt hatte. „Ich glaube nicht, dass Dom de Vivar mich einfangen will, es sei denn, er gedenkt zu heiraten, und mit Verlaub: Man traut ihm viel zu, doch der Traviabund gehört nicht dazu. Und mich gibt es nicht einfach so, zumindest jetzt noch nicht!“ Sie lachte ausgelassen. „Vielleicht später, wenn ich eine gelangweilte Ehefrau bin – ich habe gehört, die wären ihm besonders hold.“
Überrascht wölbte Domna Fiona die Augenbrauen. „Ich wusste ja, dass Ihr wisst, was ihr wollt. Mit so etwas hätte ich jetzt aber nicht gerechnet. Ihr wollt uns doch nicht den stolzesten Waldwachter Hengst wegfangen und ins Ragatische entführen? Oder wo auch immer Ihr dereinst Herrin sein werdet.“ Sie wackelte mit dem Kopf und strich sich eine Strähne des schwarzen Haars aus dem Gesicht. „Heiraten, ja, das kann ich mir bei diesem Rahjajünger auch schwer vorstellen. Vielleicht irgendwann einmal, ein Baron braucht ja auch eine Baronin… die für ihn die Baronie verwaltet, derweil er sich in diversen Betten herumtreibt und die ihm wenigstens das ein oder andere Kind auf der richtigen Seite eines eben solchen Bettes zur Welt bringt.“ Bei den letzten Worten war ihre Stimme dann doch etwas verdrießlich geworden. „Nun, manche brauchen eben etwas länger, bis sie in ihre Hosen hineinwachsen, wobei der Herr Baron ja bevorzugt aus eben jenen herausschlüpft.“
„Ah… pardonniert’s mir, dass ich mich etwas über den fidelen Lebensstil des Barons ärgere. Wie ich nicht müde werde zu bezeugen: Wir hätten es hier auch deutlich schlechter treffen können. Vor allem, wenn dieses halbkoschere Wildschwein hier einfällt.“ Die Caballera machte eine viel sagende Geste mit der Hand. „Ich habe nur das ungute Gefühl, dass wir es mit der Besetzung von Waldhaus noch nicht ausgestanden haben. Wir sollten schleunigst herausfinden, wo sich dieser Alstinger herumtreibt. Wenn wir Domnatella Flavia sicher bei uns wissen, müssen wir so schnell es geht nach Santa Catalina reiten und dann sehen, ob wir eine Patrouille losschicken können. Vielleicht ist bis dahin auch der werte Herr Baron mit seinen Mannen vor Ort. Der kann das dann gleich in Auftrag geben. Wenn er nicht sowieso schon einen Plan hat“, nahm sie ihre eigene Planung wieder zurück. Das kam davon, dass sich dieser Baron immer wer weiß wo herumtrieb.
Romina schüttelte lachend den Kopf. „Keine Angst, ich will den Hengst nicht, abgesehen davon, dass Vater aus allen Wolken fallen und Onkelchen Gendahar ihn erstmal fordern würde, in der Annahme, er hätte mich geschwängert oder anderweitig meine Ehre beschnitten. Und ich glaube nicht, dass ich mich zum Stillhalten eigne, wenn mein Mann so ungeniert durch die Betten hüpfen würde, während ich daheim sein Lehen verwalte und seine Brut großziehe.“ Sie legte nachdenklich den Kopf zur Seite und schmunzelte. „Obwohl, dann könnte Onkelchen endlich herausfinden, ob der schöne Händlerbaron besser als er ist. Ich habe Dom León niemals kämpfen sehen, doch Gendahar scheint viel von ihm als Duellant zu halten. Na, es wird wegen mir nie dazu kommen.“ Sie zuckte mit den Schultern ab.“
In einer freundlichen Geste hatte Domna Fiona der Jüngeren die Hand auf die Schulter gelegt. „Oh ja, Euer Onkel Gendahar von Streitzig. Zaida hat ihn schon in den höchsten Tönen gelobt und ist wohl schwer vom größten Fechter unserer Zeit beeindruckt. Seid vorsichtig, sie will’s ihm bestimmt gleich tun. Aber ich bin sicher, Ihr werdet sie schon bremsen, wenn sie über das Ziel hinausschießen will.“
„Zaida und mein Onkelchen...“ Die Comtessa schüttelte den Kopf. „Keine Angst, ich werde tun, was ich kann, um Eure Tochter in die richtige Bahn zu lenken. Sollte sie begabt genug sein, soll sie ruhig Duelle fechten, wenn sie denn Caballera ist. Mein Onkel hat sich schon angeboten, sie zu prüfen. Das tat er mit mir auch immer wieder, doch ich bin nicht ehrgeizig genug. Ich mag den Degen nicht sonderlich, ein Duell zu Pferd mit dem Reitersäbel ist die höhere Kunst, finde ich.“ Sie machte eine unbestimmte Handbewegung und wechselte das Thema. „Dieser Alstinger scheint Euch auf der Seele zu liegen, Domna Fiona. Denkt Ihr, der Mann wird wirklich versuchen, sich die Baronie anzueignen? Vielleicht hat er ja mit den Koschern nur ein wenig im Trüben gefischt und geschaut, ob er etwas an Land ziehen kann. Das kann bei einem rahjanischen Baron ja gut sein, so einer denkt an alles, nur nicht an Weltliches! Ich denke, der Tunichtgut von Alstinger sitzt irgendwo im Hintergrund und zieht an den Fäden.“
Sacht drückte Domna Fiona ihre Schulter, ehe sie die Hand sinken ließ. „Er und seine Schwester sind Rescendientes. Weiß der Ferkina, was den alten Kaiser Bardo da geritten hat, diese Fellachin von seiner Großmutter zu adligen! Und dann stammt Dom Remigius zur Hälfte aus einem Koscher Geschlecht. Gleich doppelt neuhal'sch, also. Hätten sie wirklich etwas auf Land und Leute gehalten, hätten sie sich unter uns Almadanis nach passenden Eheleuten umgesehen!“ Sie hielt kurz inne und sortierte sich. „Worauf ich mit diesen ausschweifenden Worten eigentlich hinaus will: Mir deucht, als hätten wir es hier mit einem Streit zu tun, der besser in Punin oder Gareth ausgefochten werden würde. Die Alstinger wurden vom Haus Gareth eingesetzt, Dom León von unserer almadanischen oder vielmehr zwergischen Gräfin in seinem Amt bestätigt und der Kaiser in Punin hat’s ihm nicht abgesprochen. Ich möchte wetten, der fette Alstinger ist im Schweinsgalopp direkt bis Gareth geritten, um sich bei der Kaiserin Unterstützung zu holen, da er nicht Manns genug war, sich selbst an die Sache heranzutrauen.“
Die Caballera gab einen unwilligen Laut von sich. „Das würde jedenfalls passen – die in Gareth hat's doch noch nie interessiert, wie's Land und Leuten hier geht. Nur irgendwelche gierigen Adligen uns vor die Nase setzen, die dann den Fellachen hier noch das letzte Korn wegfressen, das können sie.“ Sie schimpfte wie eine Elster, besann sich dann aber. „Nun gut, mit dem Creser haben sie einen eingesetzt, der was taugt und die Ehrensteins vertretet Ihr selbst mit höchsten Ehren. Aber was den Rest angeht, so sind sie in Gareth nur zufrieden, wenn sie uns Almadanis an der harten Kandare führen können.“
Domna Romina räusperte sich. „Diesbezüglich halte ich es mit meinem Vater und übe mich in Neutralität. Auch wenn ich mich eher als eine von Streitzig fühle und Almada meine geliebte Heimat ist...“, sie brach ab und setzte wieder neu an. „Aber in Einem habt ihr Recht: In Gareth hat es noch nie jemanden interessiert, was im fernen Almada geschieht. Auch unserem geliebten Kaiser in Punin scheint so manches herzlich egal.“ Sie wurde leise und schaute weg. Direkt in die Augen ihres Leutnants, der zackig Haltung annahm und Meldung machte.
„Ihr seid schneller, als ich dachte, mein lieber von Kündoch“, säuselte Domna Fiona und zwinkerte dem ehrbaren Leutnant aufmunternd zu, was diesem einen nervösen Blick entlockte. Doch die Caballera beschloss, es für den Moment gut sein zu lassen und den armen Ragather nicht weiter zu ärgern. Immerhin hatte er gerade den „Alleingang“ seiner Schutzbefohlenen zu verdauen gehabt, da musste sie ihn nicht noch aufziehen.
Mit einem leisen Ächzen erhob sie sich von dem Baumstamm. „Man wird nicht jünger“, erklärte sie Domna Romina entschuldigend. Gedämpft fügte sie hinzu: „Und was das mit Punin angeht, da stimme ich Euch ganz und gar zu. Lasst uns aufbrechen!“
Sie folgten im Gänsemarsch, Domna Romina brav in der Mitte, dem Wildwechsel, den die Koscher Raubritter zu einem gut gangbaren Pfad ausgetreten und hier und dort mit dem Schwert freigeschlagen hatten. Leutnant von Kündoch hatte Ysidoro, den Waffenknecht der Domna Fiona vorgehen lassen, und seinen Weibel gleich hinter selbigem platziert. Mit einem Mal hielt der Waffenknecht an. „Still!“, zischte er. Vor ihnen öffnete sich der Wildwechsel zu einer lang gezogenen Lichtung voll grün leuchtenden Grases, an deren oberen Ende sich eine kleine Hütte zwischen den Büschen zu ducken schien.
Vor der Kate, kaum mehr als ein Hirtenunterstand, flackerte munter ein kleines Lagerfeuer, über dem ein Überläufer knusprig brutzelte. Rundherum, fast in behaglicher Runde, saßen die Gesuchten beisammen: Ein Mann und zwei Frauen, eine älter, die andere jünger. Die beiden älteren trugen Lederwämser und Schwerter, die junge Frau ein schlichtes Kleid. Allein die Tatsache, dass die junge Frau oberhalb der Hüfte mit einem Seil sicher verschnürt war, konnte das Bild der Jagdidylle trüben, obschon auch die Bekleidung der „Jäger“ stutzig machte und sehr den Verdacht aufkommen ließ, das junge Wildschwein sei von einem Schwerthieb niedergestreckt und nicht fachkundig von einem Bolzen erlegt worden.
Nicht minder verdutzt als der von Kündoch, hatte Domna Fiona bei diesem Bild neben Domna Romina und ihrer versammelter Schar Recken am Waldrand innegehalten. Der Leutnant rieb sich den militärisch kurz geschorenen Schädel und warf den Domnas einen fragenden Blick zu. „Einkreisen, Flucht verhindern und gefangen nehmen?“, raunte er militärisch knapp. Domna Fiona überließ es der Comtessa, die Vorgehensweise mit dem Tobrier abzusprechen.
Diese hatte den Kopf schief gelegt, schaute bei der Frage zu ihrem Leutnant und nickte. „Der Domnatella darf nichts geschehen; das ist das Wichtigste. Wie folgen Euch, sobald Ihr die beiden in Gewahrsam habt, Leutnant.“
Ardan von Kündoch atmete auf. Die Comtessa wollte hier wohl nicht in erster Linie vorstürmen. Schnell, leise und effizient teilte er seine Leute ein und schickte sie los. Nur keine Langeweile aufkommen lassen. Er ließ Ysidoro und eine Gardistin bei den Damen und machte sich selbst auf, den Einsatz zu leiten.
Amüsiert lehnte sich Domna Fiona an einen Baum. „Es ist gut, dass Ihr den Leutnant vorgeschickt habt. Ich hatte langsam schon den Eindruck, er finge an, sich zu langweilen“, kommentierte sie dessen raschen Vorstoß auf das Lager der Koscher.
Die beiden Bewaffneten oben an der Feuerstelle waren wenig wachsam, und so konnten von Kündochs Mannen sie unbemerkt umzingeln, obschon sie nicht unbedingt die Phexischsten waren. Gerade bot der Mann dem Mädchen etwas von dem Wildschwein an, ein Stück Fleisch, das er mit dem Dolch abgesäbelt hatte. Der Lohn war ein eisiger Blick und ein spitzzüngiger Kommentar darüber, wie sie das Fleisch mit gebundenen Händen denn wohl verzehren solle. Da traten rings um das Lagerfeuer die Männer in den grünen Rücken der Ehrensteiner hervor. Überrascht fuhren die beiden Waffenknechte auf, die Hände legten sich auf die Waffengriffe, doch ein Blick in jede Richtung genügte, dass sie sich ihrer ungünstigen Lage bewusst wurden.
Von Kündoch trat mitten unter seine Gardisten und warf den Koschern einen durchdringenden Blick zu. „Ergebt euch! Wie ihr seht, haben wir euer Lager umstellt und sind in der Überzahl. Überhändigt uns die Domnatella und das der Rahjakirche entwendete Gut.“ Seine Stimme klang in bestem Kasernenhofton über die Lichtung, bis hinunter zu den Domnas.
Der Mann und die Frau warfen sich einen zögernden Blick zu. „Domnawas? Teller? Rahjakirche? So schaut Ihr aber nich' grad aus“, wagte die Frau die Stimme zu erheben. Ein finsterer Blick traf sie, doch der Mann versuchte es tapfer weiter: „Hört, guter Mann, Ihr müsst Euch irr’n. Wir sin’ einfache Jägersleut’ und –“
Mit einer wütenden Bewegung wischte von Kündoch die Worte der Koscherin beiseite. „Wir sind im Auftrag der Rahjakirche hier, die ihr Lumpen bestohlen habt“, bellte er sie an. „Und auch genau vor dieser werdet ihr euch auch noch zu verantworten haben. Ebenso wie für die Entführung einer jungen Edeldame!“ Langsam verfärbte sich das Gesicht des Leutnants zu einem hitzigen Rot, als er seinen Untergebenen winkte. „Festnehmen – und wenn sie die Waffen nicht freiwillig strecken, dann…“ Er ließ seine letzten Worte unvollendet und warf den Koschern einen herausfordernden Blick zu.
Es war nicht mehr nötig die Koscher davon zu überzeugen, dass sie sich aus dieser Situation mit keiner Rede mehr herauswinden konnten, zu stark die erdrückende Beweislast. Denn gerade kehrte einer der Männer aus der Hütte zurück, einen Seidenballen und eine silberne Schale in Händen.
„Ach, den Teller meinte er“, brummelte der Mann. Mit gesenkten Häuptern gürteten die beiden Koscher ihre Waffen ab und übergaben sie den Gardisten.
Leutnant von Kündoch jedoch hatte sich pflichtbewusst an die Gefangene gewandt und löste ihre Fesseln mit dem Dolch. Flavia Fröhling war eine Maid von vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahren, von magerer Gestalt – ein Verehrer hätte das Wort „zierlich“ verwendet – und mit hellbraunem, etwas zerzaustem Haar. Aus einem Gesicht voller Sommersprossen blickten zwei blaue Augen furchtsam zu ihm hoch. „Mein Bruder…“, begann sie mit zitternder Stimme.
„Nur ruhig, Domnatella Flavia. Seine Hochwürden Bonaventura aus Santa Catalina hat uns geschickt. Und dort unten bei den Bäumen wartet eine Domna, die Ihr wohl kennt, die Herrin von las Dardas. Ihr seid in Sicherheit.“ Vorsichtig half ihr der Leutnant auf die Beine. Als sie strauchelte, fasste von Kündoch sie rasch um die Hüfte und stützte sie. Er spürte, wie sie am ganzen Leibe zitterte. Es wäre besser, wenn er führte sie schnell zu den Domnas brachte. Die würden besser wissen, wie man sich um das Kind zu kümmern hatte.
Indes kamen diese beiden auch schon über die Lichtung geschritten. Domna Romina musterte die Koscher Waffenknechte, die gerade entwaffnet und gebunden wurden. Mit besorgtem Blick eilte indes Domna Fiona an der Comtessa vorbei auf den von Kündoch zu, um die Domnatella entgegen zu nehmen. Das Mädchen war bleich wie ein Laken und hing jetzt mehr an dem Leutnant, als dass er sie stützte. „Seid bedankt, Dom Ardan“, murmelte Domna Fiona ihm leise zu. Ihre Hände umfassten sanft die Schultern des Mädchens. „Kommt, wir setzen uns dort drüben erst einmal nieder“, deutete sie zu einem Baumstumpf und führte Flavia außer Sichtweite der gefangenen Koscher.
„Lass sehen, du bist doch unverletzt?“ Fürsorglich besah sich Domna Fiona die Domnatella, die sich, den Blick scheu gesenkt, neben ihr niederließ und sich die Handgelenke rieb. „Sie haben dir nichts getan?“ Ein heftiges Kopfschütteln war die Antwort.
Nun trat Domna Romina trat zu den beiden. „Ich bin Romina Alba von Ehrenstein und Streitzig, Domnatella Flavia“, stellte sie sich knapp vor. „Ihr seid jetzt in Sicherheit und wir werden Euch nach Waldhaus zurückbringen. Bestimmt ist der Baron dann auch anwesend und wird Euch in seine“, sie räusperte sich kurz, „Obhut nehmen.“
Sie überließ es Fiona, sich weiter um das zarte Mädchen zu kümmern und wandte sich ihrem Leutnant zu, der mit auf dem Rücken verschränkten Armen einem der Gardisten dabei zusah, wie dieser das Wildschwein fachgerecht zersäbelte und an seine Kameraden verteilte. „Gute Arbeit, Leutnant von Kündoch..“
„Hochwohlgeboren“, erwiderte er unsicher und nahm Haltung an. „Ich dachte mir, dass der Aufstieg gewiss alle hungrig gemacht hat – und außerdem wäre es schade um die Sau. Wollt Ihr auch, Hochwohlgeboren?“
„Ich meinte eigentlich die Befreiung des Kindes, Leutnant. Die habt Ihr sehr professionell gelöst. Das mit dem Wildschwein ist allerdings auch eine gute Idee. Ich werde zusehen, ob ich in der Hütte etwas Brot und Wein auftreiben für unsere Leute auftreiben kann. Ich selbst habe keinen Hunger.“
„Wie Ihr wünscht, Hochwohlgeboren“, nickte Ardan von Kündoch und begleitete sie zum Eingang des einfachen Unterstands. „Wann werden wir wieder aufbrechen?“
„Sobald sich das Kind beruhigt hat, Leutnant“, deutete Domna Romina auf Fiona und das immer noch bebende Mädchen in ihrem Arm, dann machte sie sich daran, durch den niedrigen hölzernen Türsturz ins Dunkel zu treten, aber der Leutnant schlüpfte geschickt vor Ihr hinein.
„Mit Eurer Erlaubnis, Hochwohlgeboren.“
Domna Romina seufzte. Sie fühlte sich plötzlich müde und zerschlagen. Während Ardan sorgfältig das Innere der Hirtenstelle untersuchte und Ihr nach einem Augenblick winkte, dass keine Gefahr bestehe, beobachtete sie ihn, an den Türrahmen gelehnt, und ließ ihren eigenen Augen Zeit, sich ans Halbdunkel zu gewöhnen. „Wärt Ihr nicht lieber in Ragath geblieben, bei unseren Vätern?“
Ardan von Kündoch drehte sich um. Ihre anmutige Silhouette im Türrahmen war reiner Schattern, doch ihre Augen glitzerten. Sie glitzerten oft, fiel ihm plötzlich auf. Er dachte an seinen Vater, der in der persönlichen Leibgarde des Grafen diente. Er schüttelte den Kopf. „Nein, Hochwohlgeboren, ich wäre nicht lieber in Ragath geblieben.“ Er wusste nicht, worauf sie hinaus wollte. Er konnte ihr kaum sagen, dass er sich ihre Bewachung viel schlimmer vorgestellt hatte. Graf Brandil höchstpersönlich hatte ihm das Wenige erzählt, was man über die Entführung der jungen Grafentochter wusste und er hatte auch erwähnt, was er nur befürchtete. Zu den Noioniten wollte die Comtessa nicht und die Geweihten, mit denen sie gesprochen hatte, bestätigten ihre seelische Stärke. Er atmete draussen durch. Sie schien wirklich stabiler, als alle annahmen und doch, hin und wieder war da eine Melancholie, die nicht so recht zu ihrem Wesen zu passen schien. Doch es war nicht seine Aufgabe, das zu bewerten, er war hier, um auf sie zu achten und sie gesund und munter zu ihrem Vater zurück zu bringen. „Es ist sicher, Hochwohlgeboren“, sagte er schließlich überflüssigerweise. „Brot und Wein habe ich auch gefunden. Und dies hier.“ Er deutete auf einen einfach gezimmerten Holztisch. Darauf türmten sich brokatverzierte Satteldecken, kunstvoll gewebte Aranierteppiche, bunt bedruckte Tücher maraskanischer Art, nach rahjanischer Art geschnittene Seidengewänder und ein offenes Kistchen voll feiner Perlen und einigen blinkenden Goldmünzen. Ganz oben lag ein schlichter Lederbeutel.
Domna Romina sagte bestimmt: „Das nehmen wir ebenfalls alles mit.“ Von Kündoch nickte und verließ die Hütte, um seine Leute zum Transport einzuteilen. Neugierig trat die Comtessa näher, öffnete mit der behandschuhten Rechten den Beutel und blickte hinein. Er war bis zum Rand mit verschrumpelten, fingerförmigen Früchten von bräunlicher Farbe gefüllt. Domna Romina nahm eine Dattel heraus, drehte sie nachdenklich zwischen den Fingern, roch daran und begann sie genüsslich zu verspeisen. Den Kern steckte sie ein. Dann kehrte sie zurück zu Domna Fiona, die noch immer das Mädchen im Arm hielt und ihm sanft über das Haar strich. „Domnatella Flavia, Ihr solltet etwas Wein trinken, das beruhigt. Wenn Ihr dann soweit seid, werden wir aufbrechen.“
Bald darauf setzte sich das kleine Trüppchen wieder in Bewegung. Die gefangen genommenen Koscher Waffenknechte hatte man dazu verdonnert, die entwendeten Dinge – tulamidische Seidenballen, brokatverzierte Satteldecken und rahjanisch geschnittene Kleider, Waldhauser Tafelsilber und Münzen – höchstselbst wieder zurück nach Waldhaus zu tragen, als ersten Schritt zu einer umfassenden Wiedergutmachung. So mussten sie sich entwaffnet und entrüstet – in zweierlei Hinsicht – als Packesel betätigen, was Ysidoro einen frechen Kommentar über Koscher Lastochsen entlockte. Das brachte selbst des von Kündochs Mundwinkel verräterisch zum Zucken.
Domna Fiona blieb die ganze Zeit an der Seite der jungen Domnatella, die bis auf „mein Bruder“ immer noch kein Wort gesprochen hatte, aber immerhin schon mit scheuer Neugier die Comtessa in ihrem blinkenden Panzer und deren grüngewandete Gardisten betrachtete. Und wie sich die alte Weisheit wieder einmal bewies, ging es bergab weit zügiger voran, so dass man in der Abendsonne wieder auf die Palisade von Waldhaus zuhielt.
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