Chronik.Ereignis1033 Feldzug Epilog 02: Unterschied zwischen den Versionen

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Es war ein geschickter Garadanszug von [[Brandil von Ehrenstein ä. H.|Brandil von Ehrenstein]] gewesen, die Anhörung auf den letzten Tag des Hesindemondes zu terminieren. Am nächsten Tag feierte man den firunheiligen Tag der Jagd, und zahlreiche [[Magnat]]en hatten bereits vor Wochen ihre Teilnahme an der gräflichen Jagdgesellschaft zugesagt. Die Festivitäten des [[:avwik:Tobrien|Tobriers]] hatten ihren festen Platz im Kalender eines jeden Edlen, der im östlichen Teil des [[Königreich Almada|Königreiches]] etwas auf sich hielt, und so konnte man der teilweise erst vor wenigen Tagen überbrachten Einladung zu dieser Anhörung kaum nicht Folge leisten. ''‚Euer Hochwohlgeboren mögen verzeihen, aber am 30. halten mich wichtige Geschäfte vom Kommen ab. Doch am nächsten Tag werde ich mit Vergnügen an Euer Hochwohlgeboren Hatz teilnehmen, wie bereits vor drei Monden zugesagt.‘'' Nein, wer zum Waidwerk erschienen war, der musste sich auch heute zeigen, auch wenn sich gewiss so mancher Magnat nur allzu gerne davor gedrückt hätte, die nicht unbedingt ruhmreiche Leistung der gräflichen Wehr im Angesichte der [[Ferkina]]-Bedrohung zu erörtern.  
Es war ein geschickter Garadanszug von [[Brandil von Ehrenstein ä. H.|Brandil von Ehrenstein]] gewesen, die Anhörung auf den letzten Tag des Hesindemondes zu terminieren. Am nächsten Tag feierte man den firunheiligen Tag der Jagd, und zahlreiche [[Magnat]]en hatten bereits vor Wochen ihre Teilnahme an der gräflichen Jagdgesellschaft zugesagt. Die Festivitäten des [[:avwik:Tobrien|Tobriers]] hatten ihren festen Platz im Kalender eines jeden Edlen, der im östlichen Teil des [[Königreich Almada|Königreiches]] etwas auf sich hielt, und so konnte man der teilweise erst vor wenigen Tagen überbrachten Einladung zu dieser Anhörung kaum nicht Folge leisten. ''‚Euer Hochwohlgeboren mögen verzeihen, aber am 30. halten mich wichtige Geschäfte vom Kommen ab. Doch am nächsten Tag werde ich mit Vergnügen an Euer Hochwohlgeboren Hatz teilnehmen, wie bereits vor drei Monden zugesagt.‘'' Nein, wer zum Waidwerk erschienen war, der musste sich auch heute zeigen, auch wenn sich gewiss so mancher Magnat nur allzu gerne davor gedrückt hätte, die nicht unbedingt ruhmreiche Leistung der gräflichen Wehr im Angesichte der [[Ferkina]]-Bedrohung zu erörtern.  


Immerhin hatten die Wilden weite Teile der östlichen Landstriche der Grafschaft Ragath in Schutt und Asche gelegt, in einem Maße geraubt, geschändet und gemordet wie man sich seit Menschengedenken nicht erinnern konnte. Und die Magnaten hatten, sofern nicht selbst betroffen, recht wenig dagegen getan. Ein wohlmeinender Entsatzversuch von [[Königlich Kornhammer|Kornhammer]], direkt nach der [[Landständeversammlung]] (→ ''[[YB35 Almada, kühn und furchtlos ist Dein Adel!|Almada, kühn und furchtlos ist Dein Adel!]]'') wo man sich ansonsten allzu sehr blamiert hätte, aber sonst? Diverse [[Kategorie:Barone|Barone]] – sofern sie überhaupt im Lande weilten – hatten Hilferufe einfach ignoriert, von Eigeninitiative einmal ganz zu schweigen, und in Ksl. Selaque war man sich gar gegenseitig an die Gurgel gegangen. Dazu war der [[Rossbannerorden]], immerhin nicht weniger als der Hausorden der Grafen von Ragath, in den Bergen ausgemordet worden, und Graf Brandils Tochter, Comtessa [[Romina von Ehrenstein-Streitzig|Romina]], entführt worden (→ ''[[YB35 Grafentochter von Wilden entführt!|Grafentochter von Wilden entführt!]]''). In den Märchen und Sagen, den Liedern und Gedichten hätte alleine dies ausgereicht, um [[Caballera]]s und Caballeros massenhaft gen Süden und Osten strömen zu lassen. Zwar gab es keinen Drachen zu erschlagen, doch immerhin eine holde Jungfrau von Stand zu erretten. In diesem Leben aber hatten sich die entsprechenden Adligen, wenn überhaupt, nur widerstrebend auf die Suche gemacht. So zumindest der Eindruck, der auf Castillo Ragath durch diverse Berichte entstanden war.  
Immerhin hatten die Wilden weite Teile der östlichen Landstriche der Grafschaft Ragath in Schutt und Asche gelegt, in einem Maße geraubt, geschändet und gemordet wie man sich seit Menschengedenken nicht erinnern konnte. Und die Magnaten hatten, sofern nicht selbst betroffen, recht wenig dagegen getan. Ein wohlmeinender Entsatzversuch von [[Königlich Kornhammer|Kornhammer]], direkt nach der [[Landständeversammlung]] (→ ''[[YB35 Almada, kühn und furchtlos ist Dein Adel!|Almada, kühn und furchtlos ist Dein Adel!]]'') wo man sich ansonsten allzu sehr blamiert hätte, aber sonst? Diverse Barone – sofern sie überhaupt im Lande weilten – hatten Hilferufe einfach ignoriert, von Eigeninitiative einmal ganz zu schweigen, und in Ksl. Selaque war man sich gar gegenseitig an die Gurgel gegangen. Dazu war der [[Rossbannerorden]], immerhin nicht weniger als der Hausorden der Grafen von Ragath, in den Bergen ausgemordet worden, und Graf Brandils Tochter, Comtessa [[Romina von Ehrenstein-Streitzig|Romina]], entführt worden (→ ''[[YB35 Grafentochter von Wilden entführt!|Grafentochter von Wilden entführt!]]''). In den Märchen und Sagen, den Liedern und Gedichten hätte alleine dies ausgereicht, um [[Caballera]]s und Caballeros massenhaft gen Süden und Osten strömen zu lassen. Zwar gab es keinen Drachen zu erschlagen, doch immerhin eine holde Jungfrau von Stand zu erretten. In diesem Leben aber hatten sich die entsprechenden Adligen, wenn überhaupt, nur widerstrebend auf die Suche gemacht. So zumindest der Eindruck, der auf Castillo Ragath durch diverse Berichte entstanden war.  


Über all dies sollte heute gesprochen werden, wiewohl die kurzfristigen Einladungen selbiges teilweise nur erahnen ließen. Immerhin war der Zugriff des Ragather Grafen auf die königlichen und kaiserlichen Vasallen in seiner Grafschaft recht beschränkt. So mir nichts dir nichts konnte er sie nicht nach [[Ragath]] zitieren, zumal allzu deutliche Formulierungen sie gewiss auch verschreckt hätten. So hatten nicht wenige Betroffene höfliche, um nicht gar zu sagen freundliche Einladungen erhalten, sich doch bereits am Vortag der Jagdfestivität auf Castillo Ragath einzufinden, um darüber zu parlieren, wie man sich in Zukunft besser vor derlei Ungemach aus den Bergen würde wappnen können. Andere wiederum, direkte Vasallen des [[Marmorthron]]es, hatten durchaus Schreiben mit bestimmteren Formulierungen erhalten, bis hin zum Baron von [[Baronie Dubios|Dubios]], der explizit vorgeladen worden war, genau wie es [[Rondrigo vom Eisenwalde]], der gräfliche Castellan ihm seinerzeit bereits angekündigt hatte.  
Über all dies sollte heute gesprochen werden, wiewohl die kurzfristigen Einladungen selbiges teilweise nur erahnen ließen. Immerhin war der Zugriff des Ragather Grafen auf die königlichen und kaiserlichen Vasallen in seiner Grafschaft recht beschränkt. So mir nichts dir nichts konnte er sie nicht nach [[Ragath]] zitieren, zumal allzu deutliche Formulierungen sie gewiss auch verschreckt hätten. So hatten nicht wenige Betroffene höfliche, um nicht gar zu sagen freundliche Einladungen erhalten, sich doch bereits am Vortag der Jagdfestivität auf Castillo Ragath einzufinden, um darüber zu parlieren, wie man sich in Zukunft besser vor derlei Ungemach aus den Bergen würde wappnen können. Andere wiederum, direkte Vasallen des [[Marmorthron]]es, hatten durchaus Schreiben mit bestimmteren Formulierungen erhalten, bis hin zum Baron von [[Baronie Dubios|Dubios]], der explizit vorgeladen worden war, genau wie es [[Rondrigo vom Eisenwalde]], der gräfliche Castellan ihm seinerzeit bereits angekündigt hatte.  

Version vom 25. Januar 2013, 20:34 Uhr

Auf Castillo Ragath, 30. Hesinde 1033 BF

Im Rittersaal, später Vormittag


Autor: von Scheffelstein, Der Sinnreiche Junker

Die Flügeltüren des Saales hatten sich geöffnet, und mit einem Mal waren die gerade eben noch lauten Gespräche zu nur noch leisem Getuschel geworden, bis sie schließlich ganz verstummten, und die hohe Halle nur noch vom Klingeln seiner versilberten Sporen erfüllt war, das jedes seiner gemessenen Schritte begleitete. Wobei, ein wenig holprig klang der Takt dann doch, und das lag nur teilweise an dem <Tock> des Stockes, auf welchen sich der Condottiere beim Gehen stützte. Die Wunde aus den Bergen von Selaque machte ihm noch immer zu schaffen. Entsprechend lange dauerte es, bis er den Raum durchschritten hatte, zu beiden Seiten gesäumt von Höflingen und so manchem Großen der Grafschaft, die nun neugierig auf den Neuankömmling blickten.

Es war ein geschickter Garadanszug von Brandil von Ehrenstein gewesen, die Anhörung auf den letzten Tag des Hesindemondes zu terminieren. Am nächsten Tag feierte man den firunheiligen Tag der Jagd, und zahlreiche Magnaten hatten bereits vor Wochen ihre Teilnahme an der gräflichen Jagdgesellschaft zugesagt. Die Festivitäten des Tobriers hatten ihren festen Platz im Kalender eines jeden Edlen, der im östlichen Teil des Königreiches etwas auf sich hielt, und so konnte man der teilweise erst vor wenigen Tagen überbrachten Einladung zu dieser Anhörung kaum nicht Folge leisten. ‚Euer Hochwohlgeboren mögen verzeihen, aber am 30. halten mich wichtige Geschäfte vom Kommen ab. Doch am nächsten Tag werde ich mit Vergnügen an Euer Hochwohlgeboren Hatz teilnehmen, wie bereits vor drei Monden zugesagt.‘ Nein, wer zum Waidwerk erschienen war, der musste sich auch heute zeigen, auch wenn sich gewiss so mancher Magnat nur allzu gerne davor gedrückt hätte, die nicht unbedingt ruhmreiche Leistung der gräflichen Wehr im Angesichte der Ferkina-Bedrohung zu erörtern.

Immerhin hatten die Wilden weite Teile der östlichen Landstriche der Grafschaft Ragath in Schutt und Asche gelegt, in einem Maße geraubt, geschändet und gemordet wie man sich seit Menschengedenken nicht erinnern konnte. Und die Magnaten hatten, sofern nicht selbst betroffen, recht wenig dagegen getan. Ein wohlmeinender Entsatzversuch von Kornhammer, direkt nach der Landständeversammlung (→ Almada, kühn und furchtlos ist Dein Adel!) wo man sich ansonsten allzu sehr blamiert hätte, aber sonst? Diverse Barone – sofern sie überhaupt im Lande weilten – hatten Hilferufe einfach ignoriert, von Eigeninitiative einmal ganz zu schweigen, und in Ksl. Selaque war man sich gar gegenseitig an die Gurgel gegangen. Dazu war der Rossbannerorden, immerhin nicht weniger als der Hausorden der Grafen von Ragath, in den Bergen ausgemordet worden, und Graf Brandils Tochter, Comtessa Romina, entführt worden (→ Grafentochter von Wilden entführt!). In den Märchen und Sagen, den Liedern und Gedichten hätte alleine dies ausgereicht, um Caballeras und Caballeros massenhaft gen Süden und Osten strömen zu lassen. Zwar gab es keinen Drachen zu erschlagen, doch immerhin eine holde Jungfrau von Stand zu erretten. In diesem Leben aber hatten sich die entsprechenden Adligen, wenn überhaupt, nur widerstrebend auf die Suche gemacht. So zumindest der Eindruck, der auf Castillo Ragath durch diverse Berichte entstanden war.

Über all dies sollte heute gesprochen werden, wiewohl die kurzfristigen Einladungen selbiges teilweise nur erahnen ließen. Immerhin war der Zugriff des Ragather Grafen auf die königlichen und kaiserlichen Vasallen in seiner Grafschaft recht beschränkt. So mir nichts dir nichts konnte er sie nicht nach Ragath zitieren, zumal allzu deutliche Formulierungen sie gewiss auch verschreckt hätten. So hatten nicht wenige Betroffene höfliche, um nicht gar zu sagen freundliche Einladungen erhalten, sich doch bereits am Vortag der Jagdfestivität auf Castillo Ragath einzufinden, um darüber zu parlieren, wie man sich in Zukunft besser vor derlei Ungemach aus den Bergen würde wappnen können. Andere wiederum, direkte Vasallen des Marmorthrones, hatten durchaus Schreiben mit bestimmteren Formulierungen erhalten, bis hin zum Baron von Dubios, der explizit vorgeladen worden war, genau wie es Rondrigo vom Eisenwalde, der gräfliche Castellan ihm seinerzeit bereits angekündigt hatte.

Umso überraschender für manchen, dass Hernán von Aranjuez gerade in Richtung des Marmorthrons nach vorne humpelte. Immerhin hatte er nach seinen beiden answinistischen Eskapaden jeweils das Weite gesucht, und auch im Yaquirbruch war er lieber mit voller Rüstung in die Fluten Väterchen Yaquirs gesprungen, als sich in die Hände der siegreichen Horasier zu geben. Führte er etwas im Schilde, nun da er sich dieser für ihn zweifellos wenig erfreulichen Veranstaltung stellte?

Vorne – was immer noch beinahe zehn Schritte vom Podest, auf welchem der Marmorthron stand, entfernt war – hatte man eine einfache, schmucklose Querstange aufgestellt. Ein gerades Stück Rundholz auf etwa halber Höhe der Oberschenkel, ganz wie bei einem Gerichtsverfahren. „Hernán von Aranjuez, Baron von Dubios“, verkündete für jeden hörbar der Majordomus, nachdem er mit dem Ende seines Stabes auf den Boden geschlagen hatte. Der solchermaßen Vorgestellte vollführte einen ob der Beinwunde leidlich vorzeigbaren Kratzfuß – und setzte den mit ungleich eleganterer Geste gelüfteten Caldabreser wieder aufs Haupt. Ein Raunen ging darob durch die Anwesenden, war es doch gemeinhin zumindest bei Audienzen und derlei Veranstaltungen üblich, seinem Lehnsherrn barhäuptig gegenüber zu treten.

Wieder ertönte das Stabende des Majordomus im Rittersaal zu Ragath, die Anwesenden zur Ruhe aufzufordern. „Der Baron hat die Vorhut des Kaiserlichen Heeres geführt. Seine Majestät hat ihm dafür in Seiner Weisheit und Seinem Großmut das Privileg gewährt, sein Haupt in Seiner Majestät Gegenwart zu bedecken“, wussten einige der Feldzugsteilnehmer ihren Nachbarn zu berichten, sodass das Getuschel nach und nach erstarb.

„Wir danken Euch für Euer Kommen, Hernán von Aranjuez. Trotz Eurer Verwundung“, hob schließlich Graf Brandil auf dem Grafenthron an, der zur Rechten von seiner Gemahlin, Domna Rohalija von Streitzig ä. H., auf einem hohen, kunstvoll geschnitzten Holzstuhl und von seinem in voller Rüstung zu seiner Linken stehenden Castellan flankiert wurde. Sodann gab er einem der Bediensteten einen Wink: „Einen Stuhl für den Baron von Dubios.“

„Mit Euer Hochwohlgeboren Erlaubnis würde ich es vorziehen zu stehen.“, erwiderte der wie stets bei solcher Gelegenheit gänzlich in silberdurchwirktes, schwarzes Brokat Gewandete.

Der Graf ließ sich nichts anmerken, doch sein Castellan verzog missmutig das Gesicht über so viel Sturheit. „Da will man ihm mit einer Geste des guten Willens die Hand reichen…“, knirschte er leise, und nur für die Umstehenden hörbar, ehe es wieder an seinem Dienstherrn war: „Domna Praiosmin von Elenta lässt sich entschuldigen. Bedauerlicherweise erfordern die Wiederaufbaumaßnahmen in Kaiserlich Selaque ihre gesamte Aufmerksamkeit, sodass sie sich außer Stande sieht, dem heutigen…Treffen…beizuwohnen. Ihr Schreiben, welches einen ausführlichen Bericht beinhaltet, wird sodann verlesen werden. Jedoch…ich vermisse Domna Rifada da Vanya…? Nicht zuletzt auch auf ihre Meinung und ihren Rat als erfahrene Ferkinakämpferin hatte ich in dieser Angelegenheit gehofft.“ Suchend wanderten die Augen des Ehrensteiners über die Anwesenden, so als hoffe er die abwesende Junkerin doch noch irgendwo zu entdecken. Schließlich blieben sie zur geringen Überraschung aller an Hernán von Aranjuez hängen. „Ihr wisst nicht zufällig etwas hinsichtlich ihres Wohlbefindens?“

Der Baron und Junker, der wie schon vor einigen Monden jene Haltung nachlässiger Selbstsicherheit eingenommen hatte, mit dem einen Bein leicht vorgeschoben, das Gewicht auf dem Gesunden, den vor dem Bauchnabel verschränkten Händen, und dem durchgestreckten, beinahe ein wenig nach hinten gelehnten Oberkörper, sodass das ohnehin nicht gerade tief getragene Kinn noch eine Nuance weiter oben schien, zuckte nur mit den Schultern: „Ich hörte die Junkerin ringe noch immer schwerverwundet mit dem Tode.“ Eine Entschuldigung, warum sie oder die ihren nicht einmal geantwortet hatten, war dies freilich nicht.

Es war das knappste aller Nicken, welches Graf Brandil von Ehrenstein seinem Vasallen gönnte. Ein kurzer Wink an seinen Majordomus, dann begann dieser laut und wohlakzentuiert das ermüdend lange Schreiben der Elenterin vorzulesen. Im Kern war ihrem Bericht zu entnehmen, dass sie alleine es gewesen sei, welche die Stellung gehalten habe, und ihr Verdienst nicht weniger sei, als dass die Wilden nur die Grenzlande verheert hätten. Ohne ihre Standhaftigkeit wäre es der Grafschaft noch weit schlimmer ergangen, und das trotz der zahlreichen Aufsässigkeiten der da Vanyas – welche noch dazu Unterstützung von auswärtigen Magnaten erhalten hatten, über deren genaue Identität sich die Cronvogtin freilich nicht weiter ausließ. Auch sei sie erfreut so sie doch zwar nicht den Untergang des Rossbannerordens hatte verhindern können, wenigstens mit zahlreichen Mannen zum erfolgreichen Gelingen der Suche nach Domna Romina so tatkräftig beigetragen zu haben. An dieser Stelle musste der Majordomus seinen Vortrag kurz unterbrechen, weil hier und da Gelächter ausbrach. Die Spaßvögel freilich verstummten rasch, nicht zuletzt auch wegen der gestrengen Blicke, welche Rondrigo vom Eisenwalde ihnen vom Podest aus zuwarf.

"Ihre Wohlgeboren Rifada da Vanya war in der Tat schwer verletzt, da sich in dieser Grafschaft, wie es scheint, Kreaturen der Niederhöllen ungehindert herumtreiben konnten. Ich will keine Mutmaßungen darüber anstellen, wer dafür verantwortlich ist, dass ein Mitglied unseres ehrbaren Hauses von einem solchen Wesen angegriffen wurde." Eine Gestalt trat aus dem Publikum.

Der Majordomus ließ wieder das Ende seines Stabes erklingen: „Richeza von Scheffelstein, Landedle zu Eslamsstolz.“

Die nunmehr Vorgestellte blickte finster in die Runde. "Fest steht, dass allein das Eingreifen eines hohen Dieners der Ewigjungen den Tod meiner Tante verhindern konnte. Ihr Fehlen bei diesem ... Anlass ... ist also mehr als verständlich, will ich meinen. Dass mein Vetter ermordet wurde und der Gemahl meiner Tante seit Monden vermisst wird, sind ebenfalls Angelegenheiten, deren Aufklärung von hoher Dringlichkeit sind. Darüber hinaus scheint die abtrünnige Reichsvogtin eine Vorliebe dafür zu haben, in Abwesenheit meiner Familia unseren Familienbesitz an sich zu reißen. Ein weiterer Grund, weshalb unser Land nicht ungeschützt zurückbleiben darf."

Die Augen der Domna wanderten grimmig über die Anwesenden und blieben einen Moment lang an Hernán von Aranjuez hängen, ehe sie sich mit unbewegter Miene dem Grafen und seinem Castellan zuwandte. Ersterer nickte der schönen Scheffelsteinerin zu, und bedeutete ihr mit einer Geste, doch nach vorne an die Barre zu treten, sofern sie die Sache der da Vanyas zu vertreten gedachte.

Wenn Hernán von Aranjuez über die hanebüchende Geschichte der Cronvogtin verärgert war, so ließ er es sich zumindest nicht anmerken. Die gräfliche Wehr hatte weitestgehend versagt, die Magnaten sich teilweise untereinander befehdet, der Rossbannerorden war vernichtet und schlussendlich sogar die Tochter Graf Brandils entführt worden. Sollte dies alles nicht mehr oder weniger an Graf Brandil hängen bleiben, musste ein Schuldiger gefunden werden. Oder zumindest ein Dummer. Die Cronvogtin hatte dahingehend zumindest vorerst offenbar ihren Kopf aus der Schlinge gezogen, sodass er sich auf seine eigene Verteidigung konzentrieren musste. „Auch wenn jene Schilderungen nicht vollständig mit dem Rapport meines Castellans überein stimmen…“, wieder Gelächter unter den Anwesenden ob dieser reichlich untertriebenen Formulierung des Grafen „…so habe ich doch von einigen besorgniserregenden Vorkommnissen Kenntnis erlangt. Ich kann nicht leugnen, dass Euer Name wiederholt im Zusammenhang mit diesen fiel, Dom Hernán.“

„Was wirft man mir vor?“, erkundigte sich der Baron und Junker kühl.

Rondrigo vom Eisenwalde wollte bereits einen Schritt nach vorne treten, doch hob sein Graf leicht die Hand. „Vielleicht sollten wir uns zunächst einmal den…Meinungsverschiedenheiten…in Kaiserliche Selaque widmen, wenn Domna Richeza schon einmal hier ist. Was könnt Ihr uns davon berichten, Baron?“

„Nicht viel mehr als dass es Praiosmin von Elenta war, die uns bei unserer Rückkehr nach Castillo da Vanya angegriffen hat.“

„Domna Praiosmin berichtet es genau anders herum. Sie schreibt…?“ Fragend richtete der Tobrier den Blick zu seinem Majordomus. Dieser entrollte das Schreiben der Cronvogtin, überflog eilig die Zeilen bis er die entsprechende Passage gefunden hatte, und rezitierte dann, dass es die Junkerin Rifada da Vanya gewesen war, die den Hauptmann der Garde, Giordan Schlehwein, attackiert hatte.

„Nachdem einer meiner Leute vom Fallgatter erschlagen, und ein Pfeil auf ihren Sohn gefeuert wurde.“

„Ein Warnschuss?“

„Der getroffen hat. Außerdem vergaß die Cronvogtin zu betonen, dass sie sich zuvor in den Besitz des Castillos gebracht hat.“

„Kennt Ihr den Anlass dafür?“, erkundigte sich der Graf.

„Die Fehde…“, begann der Baron, doch ließ sein Lehnsherr ihn nicht ausreden: „Kennt ihr den Anlass für die Fehde?“

„Nein“, musste Hernán von Aranjuez einräumen.

„Würdet Ihr mir also zustimmen, dass es durchaus denkbare Szenarien gäbe, in welchem Praiosmin von Elenta kein großer Vorwurf zu machen wäre, dass sie sich in den Besitz des Castillos gebracht hatte? Und bedenkt bei Eurer Antwort wie Ihr Eurerseits in…?“ Ein kurzer Blick zu Rondrigo vom Eisenwalde, der nur ein Wort sagte: „Alina.“ – „Ah ja, wie Ihr also Eurerseits in Alina verfahren seid.“, endete Graf Brandil.

Die Lippen des Condottiere verzogen sich zu einem schmalen Strich, ehe er zähneknirschend hervorstieß: „Das wäre möglich. Meiner Einschätzung nach allerdings…“

Wiederum ließ der Ehrensteiner auf dem Marmorthron ihn nicht ausreden: „Wir haben Eure Einschätzung vernommen, Baron.“ Mit ungleich freundlicherer Miene wandte er sich an die Scheffelsteinerin: „Domna Richeza?“

Die Angesprochene runzelte die Stirn. "Was sind das für Unterstellungen, Dom Brandil? '... dass es Szenarien gäbe, in welchen der Elenterin kein Vorwurf zu machen wäre, dass sie das Castillo besetzt hat?' Sie hat sich des Castillos in Abwesenheit Domna Rifadas bemächtigt und zwar, indem sie den Burgwachen falsche Tatsachen vorspielte, sie hat die Einrichtung verwüsten lassen und schließlich unsere Familienerbgüter gestohlen – sämtliche wohlgemerkt, auch heilige Artefakte meines Großonkels, Seiner Eminenz Amando Laconda da Vanya. Darüber hinaus hat sie uns angegriffen, den Gemahl meiner Tante als Geisel genommen und den Tod auch Eures Schwagers in Kauf genommen", sie wies in Richtung des Thangolforster Vogtes, "der zu dem Zeitpunkt verletzt und zudem gänzlich unbeteiligt war. Mal davon abgesehen, dass sie mir ihr Leben und ihre Freiheit und die ihres verdammten Sohnes schuldete und mich dennoch in Sippenhaft nahm."

Richeza von Scheffelstein y da Vanya schüttelte unwillig den Kopf. "Sie nennt sich Reichsvogtin, aber wie kam sie ihren Pflichten nach? Hat sie Euren Rossbanner-Orden etwa zu schützen vermocht? Nein, sie bequemte sich nicht einmal, deren in sengender Sonne verrottende Leichen zu bestatten. Aber sie hatte offenbar genug Soldaten übrig, um unseren Familienbesitz zu plündern! Was soll ich sagen?" Sie zuckte mit den Schultern. "Wenn es nicht Gier und Feigheit waren, die ihr Handeln bestimmten, dann wohl der Versuch, ein weiteres Mal von ihrer schändlichen Buhlschaft mit dem Schwarzen Schrotensteiner abzulenken!"

"Keine Unterstellungen, Domna Richeza", hob Graf Brandil beschwichtigend die Hände von den Marmorlehnen. "Vielleicht wusstet Ihr es ja nicht, aber der Baron von Dubios hat das Junkergut Alina niedergebrannt. Mir will scheinen, dass es folglich ein Szenario gegeben haben muss, in welchem er sich dazu berechtigt erachtete. Von ihm nun wollte ich wissen, ob er ausschließen könne, dass ein solches Szenario auch für die Übergriffe Domna Praiosmins auf die Güter Eurer Familia vorstellbar wäre. Nun, er konnte es nicht. Mehr ist an dieser Stelle nicht festzuhalten."

"Was nun zumindest meinen Schwager angeht ..." Kurz streifte des Grafen Blick Gendahar von Streitzig. "Was nun zumindest meinen Schwager angeht, so behauptet Domna Praiosmin, sie hätte ihm und dem Baron von Dubios freien Abzug sowie eine Eskorte angeboten. Dom Gendahar hat dies bestätigt."

Die Landedle von Eslamsstolz warf Dom Gendahar einen Blick zu. Vernehmbar wandte sie ein: "Freies Geleit für einen schwer Verwundeten, der sich allein kaum auf dem Ross zu halten vermochte. Durch ein von Ferkinas überranntes Gebiet. Begleitet von einer Eskorte bewaffneter Bauern, wo selbst ein Banner schwer bewaffneter Veteranen versagte. Aha. Was für ein Angebot ..."

"Nicht viel mehr als eine Mutmaßung Eurerseits", zuckte der Graf mit den Schultern, und wandte sich an den Aranjuezer: "Dom Hernán?"

Dem Condottiere blieb nicht viel mehr übrig, als mit zusammengepressten Lippen zu nicken, was wiederum dem Ehrensteiner ein zufriedenes Lächeln entlockte. Dann fuhr er, ernster wieder, an die Landedle gewandt fort: "Das Schicksal des Rossbannerordens werden wir noch an anderer Stelle thematisieren. Es sei nur so viel gesagt, dass Domna Praiosmin, die im Übrigen soweit mir bekannt auch von Seiner Majestät dem Kaiser als Reichsvogtin anerkannt wird, nicht mehr und nicht weniger getan hat, als viele andere meiner Vasallen. Wo war beispielsweise Dom Lucrann da Vanya? Doch wie gesagt, wir werden uns dem Rossbannerorden zu gegebener Zeit widmen. Bleiben wir zunächst bei der Reichsvogtin. Könnt Ihr, Domna Richeza, unter allen Umständen ausschließen, dass Domna Praiosmin Unrecht von Seiten Eurer Familia geschah? Dass der Übergriff auf Hab und Gut und Leib und Leben nicht etwa nur eine Antwort war?"

"Der Rossbanner-Orden wurde in Selaque und nicht in Schrotenstein niedergemetzelt", warf die Scheffelsteinerin ein. "Kaiserlich Selaque war es auch, in das die Ferkinas einfielen, nicht Schrotenstein. Folglich war Domna Praiosmin für den Schutz ihres Lehens und ihrer Leute verantwortlich, nicht Dom Lucrann. Und was das Unrecht angeht, das ihr vermeintlich widerfuhr – so bin wohl eher ich es und ist es meine Familia als sie, die ein Recht hat, sich über ungerechte Behandlung zu beklagen."

"Die Wilden sind in sämtliche Grenzlande eingefallen, Domna Richeza", korrigierte Brandil von Ehrenstein sie sanft. "In manche in größerer Zahl als in andere, gewiss. Dennoch will mir scheinen, dass in einem solchen Moment alle Magnaten zusammen stehen sollten, und sämtlich für den Schutz aller Untertanen verantwortlich sind, welche selbst nicht oder nur ungenügend in der Lage sind, sich zu verteidigen. Gleich wie die Grenzen der Baronien verlaufen." Letzteres war durchaus in die große Runde gesprochen, immerhin war mangelnde Kooperation, ja mangelnder Einsatz diverser Magnaten auch ein Grund dieses Treffens, bei welchem freilich der angesprochene Dom Lucrann ebenfalls durch Abwesenheit glänzte.

Richeza von Scheffelstein indes lenkte das Thema mit einem scharfen Blick für den Grafen wieder zurück nach Selaque: "Ihr werdet Euch wohl erinnern, Dom Brandil, dass Domna Praiosmin vor Jahren die Landständeversammlung in Begleitung keines anderen als des Schwarzen Schrotensteiners verließ und hernach Jahre lang nicht mehr gesehen wurde. Es ist allein der Fürsprache meines Großvaters Dom Hesindian zu verdanken, dass sie ihren Lehnseid nach ungebührlich langer Abwesenheit und Vernachlässigung ihrer Schutzbefohlenen erneuern durfte. Darüber hinaus war ich es – ich sage es gerne noch einmal – die sie und ihren sauberen Bastard aus den Händen der Ferkinas befreite. Ich – und Dom Boraccio, wenn Ihr genau sein wollt. Als Dank ließ sie ihre Leute einen Pfeil auf mich abschießen, im Castillo meiner Familie!, einen Pfeil, der mich möglicherweise getötet hätte, wäre mein Vetter nicht dazwischen gesprungen. Wenn dies die ‘Antwort‘ der Elenterin war auf ihre Behandlung durch meine Familia – bei den Göttern, dann will ich nicht wissen, wie sie mit jenen verfährt, die ihr weniger freundlich begegnen", sagte die Edle grimmig.

"Der Fürsprache Eures geschätzten Großvaters wie auch der Gnade und Weisheit unseres Herrn, des Kaisers", erlaubte sich Graf Brandil zu gemahnen. Schließlich war dies nicht seine Entscheidung gewesen, und wenn ihm schon nichts andere übrig blieb als dies zu akzeptieren, so galt das für die Scheffelsteinerin umso mehr. "Darüber hinaus bezweifelt niemand die Übergriffe und Angriffe Domna Praiosmins auf Euch und die Euren, ja, die Reichsvogtin räumt sie ja selbst ein. Allein, die Frage ist, wer dies Ganze begonnen hat. Und dabei helfen uns Verweise auf mögliche anderweitige Missetaten der Vergangenheit ebenso wenig wie dereinst erbrachte Gefälligkeiten und Dienste. Letztlich, Domna Richeza, ist es doch so, dass auch Ihr keinen Beweis denn Eure Aussage liefern könnt, ob die Feindseligkeiten nun von Domna Praiosmin oder von Eurer Familia ausgingen. Immerhin wart Ihr, sofern ich recht informiert bin, zuvor in Kornhammer und davor wiederum hier, als in just diesem Saale die Landständeversammlung tagte. Somit steht, sofern Ihr nicht unwiderlegbaren Beweis vorbringen könnt, am Ende Aussage gegen Aussage. Nur dass Domna Praiosmin im Gegensatz zu Euch in den Wochen vor jenen Vorfällen vor Ort war..."

"Wen also wollt Ihr wessen beschuldigen, Dom Brandil, wenn ihr mir keinen Glauben schenken wollt?", fragte die Scheffelsteinerin ungehalten. "Meine Tante jedenfalls zog mit uns von Ragath nach Kornhammer und weiter nach Selaque, um wider die Wilden zu streiten und mich auf die Suche nach Praiodor von Culming-Alcorta zu begleiten. Im Gegensatz zu Domna Praiosmin ist ihr das Leben ihrer Untergebenen sehr wohl etwas wert!"

"Ich beschuldige niemanden, Domna Richeza." Wozu auch, das taten ja bereits seine Vasallen überreichlich untereinander. "Mir wurden diverse Vorfälle zugetragen, und nun höre ich mir an, was die verschiedenen Parteiungen dazu vorzutragen haben. Eure Aussage ist zur Kenntnis genommen, doch solange Ihr keinen stichhaltigen, keinen gerichtsfesten Beweis vorlegt, steht Eure Aussage gegen die Domna Praiosmins. Dom Gendahar wie auch der Baron von Dubios ...", kurz wechselte des Grafen Blick zwischen den beiden gewiss nicht zufällig so unterschiedlich Titulierten "... haben eingeräumt, dass sie nichts darüber wissen können, was zuvor in Selaque geschehen sein mag. Darf ich also annehmen, dass Ihr Euch dieser Auffassung nicht anschließen wollt?"

Richeza von Scheffelstein biss die Zähne aufeinander. Der Verlauf des Gesprächs gefiel ihr gar nicht, das war ihr anzusehen. "Ich habe in den letzten fünfundzwanzig Jahren wenig Zeit in Selaque verbracht", räumte sie ein. "Was auch immer Domna Praiosmin Euch ein... berichtet hat, bedenkt bitte, bevor Ihr Euer Urteil fällt, dass diese Frau es mit der Wahrheit nicht allzu genau nimmt!"

"Hört! Hört!", war mancherorts aus den Reihen den Anwesenden zu vernehmen, war die Reichsvogtin allgemein doch als dem Götterfürsten sehr zugewandt bekannt, der Lüge und Verrat unter seinen wachsamen Augen nicht duldete.

Die Landedle ignorierte die Zwischenrufe. "Domna Praiosmin hat einen Sohn. Und zwar von niemand anderem als Rakolus dem Schwarzen. Genau dieser Buhlschaft bezichtigte man sie vor langer Zeit. Angeblich zu Unrecht. Doch inzwischen hat sich anderes herausgestellt. Für die Existenz ihres Sohnes gibt es Beweise und hinreichend viele Zeugen. Nicht zuletzt ... Eure jüngste Tochter." Herausfordernd blickte die Edle den Grafen an. "Überlegt also, wem Ihr Glauben schenkt und ob ausgerechnet Domna Praiosmin Euer Vertrauen verdient, die in dieser so empfindlichen Affäre von landesweiter Bedeutung seit mehr als einem Dutzend Jahren gelogen hat und deretwegen gar unser geschätzter Sprecher der Landstände ein Jahr in Al'Mukturs Verliesen verbrachte."

"Ihr könnt ganz beruhigt sein, Domna Richeza. Dies ist eine Anhörung, keine Gerichtsverhandlung", versicherte ihr Graf Brandil wohlwollend. Was freilich nicht hieß, dass sich aus dieser Anhörung keine Konsequenzen ergeben würden. Dann wandte sich sein Blick zu seiner Tochter Romina. "Meine Tochter hat mir durchaus von jenem Jüngling berichtet, auch dass Ihr ihn für den Sohn des Schwarzen Rakolus haltet. Sie hingegen ist sich dessen nicht so sicher." Nachdem die Grafentochter keine Anstalten machte, ihrem Bericht ihrem Vater gegenüber etwas hinzuzufügen, wandte Brandil von Ehrenstein sich mit lauter Stimme an die Versammelten: "Ist hier sonst jemand anwesend, der eine Buhlschaft zwischen der Reichsvogtin und dem Reichsverräter Rakolus bezeugen kann? Der einen Beweis sein Eigen nennt?"

Der Blick des Gafen schweifte im Saal nach links, dann nach rechts, blieb schließlich beim in der Mitte alleine stehenden Aranjuezer hängen. Scheinbar fühlte sich dieser angesprochen und räusperte sich: "Domna Rifada übergab mir einige Briefe, die ihrer Meinung nach aus der Feder der Elenterin stammten, gerichtet an den Reichsverräter...nun ja...an jemanden namens Rahe...Culo...?"

"Wer soll das sein?", unterbrach ihn der Ehrensteiner sogleich, woraufhin er nur ein Schulterzucken des Condottiere erntete: "Domna Rifada schien der festen Überzeugung, dass es sich dabei um Rakolus den Schwarzen handeln würde."

"Also könnt IHR es nicht mit Bestimmtheit sagen? Nicht einmal, ob die Briefe überhaupt von Domna Praiosmin geschrieben wurden?", hakte der Graf weiter nach.

"Nein", schüttelte Hernán von Aranjuez schließlich sein Haupt. "Doch bedenkt man Domna Rifadas Beziehung zur Reichsvogtin, so sehe ich wenig Grund an ihrem Schluss zu zweifeln."

"Vielleicht wollte sie Euch gegen Domna Praiosmin aufhetzen?", mutmaßte der Graf.

"Domna Rifada handelt und spricht frei heraus. Derlei Winkelzüge scheinen mir nicht ihre Art zu sein."

"Aber möglich wäre es doch?"

"Es wäre möglich, ja", räumte der Baron und Junker ein.

"Gewiss habt Ihr die Briefe heute hier mitgebracht, damit wir uns alle selbst überzeugen können?"

Hernán von Aranjuez presste die Lippen aufeinander. "Sie wurden meinem Vetter, dem ich sie zur Aufbewahrung anvertraut hatte, in Punin geraubt. Während eines Zwischenfalles...nun ja...die Heilige Inquisition schließt hierbei dämonische Umtriebe nicht aus."

Wiederum lachten einige Spaßvögel, erschien das Ganze doch als ein so unglücklicher Zufall unter dermaßen dubiosen Umständen, dass man durchaus glauben mochte, die ganze Geschichte wäre erfunden. "Wie...bedauerlich", lächelte auch der Graf auf dem Marmorthron, und sah dann wieder zu Richeza von Scheffelstein, ob sie wohl noch etwas dazu beizutragen hatte.

Diese starrte den Baron von Dubios entgeistert an. "Geraubt? Was soll das heißen: Die Briefe wurden Euch oder Eurem Vetter geraubt?" Ihr Gesicht verdüsterte sich zunehmend. "Meine Tante hat Euch die Briefe anvertraut und Ihr habt versprochen, sie nach Punin zu bringen, in die Hofkanzlei oder zum Kaiser, oder etwa nicht? Was soll das Gefasel von dämonischen Umtrieben mitten in Punin? Das glaubt Ihr wohl selbst nicht!"

Sie stockte kurz und runzelte die Stirn. "Meine Tante wurde von sehr wohl von einem Dämon angegriffen und tödlich verwundet. Wenn Euer Vetter noch lebt, wird er wohl kaum einem Dämon begegnet sein, denn ich bezweifle, dass er im Kampf auch nur halb so geschult ist wie Domna Rifada, wer er auch sein mag. Und überhaupt", fügte sie düster hinzu, "Wie könnt Ihr zu behaupten wagen, es bestünde die Möglichkeit, meine Tante habe Euch nur gegen die Elenterin aufhetzen wollen? Das hat sie überhaupt nicht nötig! Und eine Lügnerin ist sie nun wahrlich nicht, bei allen Göttern!"

Wutschnaubend wandte sie sich wieder dem Grafen zu. "Aureolus von Elenta IST Domna Praiosmins Bastard. Und mit wie vielen Halbelfen mit blondem Haar hat sie wohl ge... ihr Bett geteilt, dass der Junge eben so aussieht wie sein Vater? Die Briefe, die dem Aranjuezer bedauerlicherweise gestohlen wurden, haben wir im Turm der Inquisition in Elenta gefunden, zusammen mit anderen Dokumenten und Gegenständen aus Domna Praiosmins Besitz, welche die Inquisition verwahrte! In einer Kiste, die den Namen der Elenterin trug. Zweifelt an meinen Worten, wenn Ihr wollt, aber Dom Amando Laconda und seinen Inquisitionsräten wollt Ihr wohl kaum Intrigantentum und Heuchelei vorwerfen, oder?"

Wenn es an diesem unerfreulichen Tage einen Moment gab, zu welchem Hernán von Aranjuez drohte die Beherrschung zu verlieren, so war es offensichtlich nun so weit. "Zwei meiner besten Leute wurden geradezu in Fetzen gerissen, also schweigt still! Mein Vetter ist nur am Leben, weil er sich zu nämlichem Zeitpunkt nicht dort aufhielt. Kann man sogar im Yaquirblick (→ Dämonische Umtriebe im Vorfeld der kaiserlichen Hochzeit?) nachlesen", knurrte er mit einem Seitenblick zur Scheffelsteinerin. Dann rief er sich freilich wieder in Erinnerung was ihm nämlicher Vetter Rafik wieder und wieder eingeschärft hatte: keine Nebenkriegsschauplätze eröffnen - es sei denn er könne irgendwelche Vorwürfe gegen ihn jemand anderem ans Bein binden. Verdient hätte es die Landedle und ihre ganze Sippe gewiss, dass er sie hier auflaufen ließ. Dann aber schloss er die Augen, atmete einige Male tief durch, und blickte dann wieder hinauf zum Marmorthron und sprach ruhig: "Ich bitte Euer Hochwohlgeboren zu berücksichtigen, dass es sich wohl kaum um einen Zufall handeln kann, dass die mutmaßlich die Reichsvogtin belastenden Briefe in Punin in einem von der Heiligen Inquisition bezeugten Vorfalle höchstwahrscheinlich unheiliger Natur entwendet wurden. Und beinahe zeitgleich die erbittertste Feindin der Reichsvogtin, Domna Rifada da Vanya, im Vanyadâl das Opfer eines Angriffs eines Dämons wurde."

Brandil von Ehrenstein nickte knapp. Der Vorfall ließ sich immerhin nachprüfen, im Gegensatz zu so vielem, was bislang vorgebracht wurde. "Könnt Ihr die Worte Domna Richezas bestätigen, was den Fund der Briefe angeht?"

Der Condottiere atmete hörbar ein und aus. "Ich...habe den Inquisitionsturm in Elenta nie betreten."

"Nun ja, dies lässt sich gewiss bei der Heiligen Inquisition nachprüfen. Ich lasse ein dementsprechendes Schreiben aufsetzen. An wen darf ich adressieren lassen?"

Ein guter Moment um verlegen von einem Bein aufs andere zu treten, wäre da nicht der Schmerz der Wunde, der Hernán von Aranjuez sogleich daran gemahnte, dies doch besser bleiben zu lassen. "Elenta wurde von Ferkinas überfallen. Die Inquisitorin ist tot", sprach er leise mit verkniffenem Antlitz.

"Wie...ungünstig." Beinahe könnte man meinen, einen Hauch von Spott in der Stimme des Grafen zu vernehmen, doch ob der dann seinem ungeliebten Vasallen, oder der Landedlen stellvertretend für eine Familia, die seine Grafenwürde nicht anerkannte galt, musste dahingestellt bleiben. Ebenso musste dahingestellt bleiben, wie es der Heiligen Inquisition gefallen würde zu erfahren, dass man sich einfach Zutritt zu einem ihrer Türme verschafft hatte. "Was nun Domna Praiosmins rahjagefälligen Umgang angeht..." Wieder Gelächter im Saal. "...und etwaige Früchte daraus..." Mehr Gelächter. War es nicht León de Vivar gewesen, der einmal hatte verlauten lassen, die Reichsvogtin müsse wohl einer geschlechtlichen Zusammenkunft von Mensch und Zwerg entstammen? "...so fürchte ich, dass Halbelfen mit blondem Haar nicht allzu selten sind." Ein kurzer Rundblick im Saal bestätigte, dass die Kaiser Hals Lehnspolitik sei Dank anwesenden Elfen und Halbelfen tatsächlich mehrheitlich blonde Haare hatten.

Richeza von Scheffelstein stöhnte leise und rieb sich die Nasenwurzel. Sie blickte von Hernán von Aranjuez zum Grafen, ließ ihre Augen über dessen Tochter und Schwager gleiten, ehe sie erneut seufzte und sich dem Ehrensteiner zuwandte.

"Ich weiß nicht, was IHR an Domna Praiosmin findet, Dom Brandil", sagte sie leise, "aber mir scheint, als suchtet Ihr nach jedem erdenklichen Grund, Ihr mehr Glauben zu schenken als meinen Worten oder denen … Dom Hernáns. Man sagt Domna Praiosmin eine Affäre mit Rakolus dem Schwarzen nach, nicht mit jedem Halbelfen, den man in dieser Grafschaft findet."

Sie schüttelte missgestimmt den Kopf und konnte sich nicht entscheiden, ob ihre Wut mehr dem Dubianer Baron galt oder dem Grafen. Beide jedenfalls schienen ihrer Familia nicht zugetan, weder der Harmamund-Knecht, noch der Graf, den ihre Tante niemals anerkennen würde. Ihr Blick wanderte über die im Saal versammelten Adligen und sie musste an ihre Großmutter denken. Trotz ihrer niederen Geburt hatte Richeza die Ältere von Scheffelstein, der sie so ähnlich sah, es verstanden, die Herzen der Magnaten im Flug zu erobern. Wie leicht es wäre, zumindest die männlichen Anwesenden für sich zu gewinnen, gleich, was der Dubianer Baron oder auch der Graf noch sagen würden. Doch sie hasste dieses Spiel, sie würde sich nicht verbiegen, nur um zu gefallen! Sie war im Recht, ihre Familie war im Recht – reichte das etwa nicht? Und so schwieg sie und blickte den Grafen herausfordernd an.

"Seid versichert, Domna Richeza, dass ich Domna Praiosmins Aussagen mit der gleichen Sorgfalt prüfe und prüfen werde wie die Euren. Bedenkt man die Natur derselben, solltet Ihr dahingehend womöglich etwas mehr Zurückhaltung an den Tag legen, immerhin belasten jene Euch und die Euren kaum minder schwer denn umgekehrt. Würde ich jedem Worte unbesehen Glauben schenken, welches an mich von dieser oder jener Seite heran getragen wird, wäre der Rahmen dieser Versammlung gewisslich ein anderer. Noch aber gilt in dieser Grafschaft der praiosgefällige Beweis mehr denn Indizien oder gar üble Nachrede. Und zwar in allen Richtungen."

Alle Richtungen. Dies schien dann auch das Stichwort zu sein, sich wieder Hernán von Aranjuez zuzuwenden. „Doch kommen wir nun wieder zu Euch, Dom Hernán. Wobei…“ Des Grafen Blick ging zu den hohen Fenstern des Rittersaales, welche erstaunlicherweise die jüngste Landständeversammlung ohne irgendwelche Defenstrierungen überstanden hatten. „Wobei mir scheinen will, dass die Praiosscheibe ihren höchsten Stand bereits erreicht hatte. Fahren wir fort, oder unterbrechen wir, um an dieser Stelle zu Tische zu bitten?“ Fragend sah er von seinem Majordomus zu seinem Castellan, welcher sich schließlich mit kirrender Rüstung zu Dom Brandil herabbeugte, und leise einige Worte mit ihm wechselte. „Wir fahren noch ein wenig fort“, nickte der Ehrensteiner.

Die Augen des Condottieres hingegen funkelten alles andere als begeistert über diese Entscheidung in Richtung der beiden. Sie konnten nicht ernstlich hoffen ihn wegen eines knurrenden Magens zu zermürben, wohl aber nahmen sie damit Einfluss auf die Anwesenden. Je länger diese nämlich mit leeren Bäuchen herumstehen mussten, desto unwilliger dürften sie weiteren Verzögerungen gegenüber stehen. Und da er mutmaßlich dem Grafen desöfteren würde widersprechen müssen, würde sich der Unmut auf denjenigen fokussieren, der die Sache scheinbar in die Länge zog. Ihn.

„Wo also waren wir stehen geblieben? Ah ja, Ihr wolltet wissen, was man Euch vorwirft. Dom Rondrigo?“ Der alte Castellan trat nach dieser Aufforderung Graf Brandils einen Schritt nach vorne, sodass er sogar ein wenig weiter vorne stand als der Ehrensteiner, in voller Rüstung einem lebendig gewordenen Bild eines greisen Helden aus alter Sage gleich. Dennoch mochte dies ein Fehler gewesen sein. Es wäre übertrieben zu sagen, es breitete sich ein Lächeln in den unrasierten Zügen des Aranjuezers aus, doch entspannte sich das zuvor verkniffen wirkende Antlitz sichtlich. Zweifellos hatte sich Rondrigo vom Eisenwalde ausbedungen, ihn hier persönlich in die Mangel nehmen zu dürfen. Was an sich ja auch naheliegend war, immerhin war er Zeuge der meisten Dinge gewesen, die man ihm hier vorwerfen würde. Doch war der Castellan ein Ritter vom alten Schlag, und konnte weder in Sachen der Jurisprudenz noch rhetorisch mit seinem Lehnsherrn mithalten. Gewiss kein Nachteil für Hernán von Aranjuez.

Die tiefe Stimme des Castellans erfüllte den ganzen Rittersaal bis in den letzten Winkel: „Ich beschuldige Euch, Hernán von Aranjuez, von Beginn an die Suche nach Domna Romina, Eures eigenen Grafen Tochter, zugunsten eurer eigenen Machenschaften hintertrieben zu haben.“

Verständnislos blickte der Aranjuezer zwischen seinem Grafen und dem Castellan hin und her. Kam da noch etwas? Etwas mehr als solch eine höchst allgemein gehaltene Anschuldigung. Als er sicher war, dass man eine Antwort von ihm verlangte, zuckte er schließlich nur mit den Schultern: „Ich leugne das.“

„Wollt Ihr also leugnen, dass wir viel schneller vor Ort hätten sein können, wenn Ihr nicht für eure selbstischen Zwecke Söldner angeheuert hättet, Fußsoldaten?“

„Nein, dem wäre gewiss so gewesen. Freilich, der berittene Rossbannerorden war auch schnell vor Ort.“

Rondrigo vom Eisenwalde sog hörbar die Luft ein. „Was wollt Ihr damit sagen, Baron? Und ich warne Euch das Andenken der gefallenen Helden vom Orden vom wundersamen Rossbanner der Heiligen Hadjinsunni zu Blutfels in den Schmutz zu ziehen.“

Der Condottiere hob die Schultern. „Nichts läge mir ferner. Ich gebe nur zu bedenken, dass rasch vor Ort zu sein, nur dann ein Vorteil ist, wenn man am Ende nicht tot ist.“

Der Castellan atmete bereits nach wenigen Augenblicken schwer. Direkt hatte der Baron und Junker nichts anderes angerissen als die Fakten jener unglücklichen Unternehmung. Indirekt freilich… Rasch fuhr er fort: „Ihr fandet es also akzeptabel die Tochter Eures Lehnsherrn noch wenig in der Gefangenschaft der Wi…unserer Feinde darben zu lassen?“

Kurz schweifte der Blick des Aranjuezer zu Romina von Ehrenstein-Streitzig, vielleicht in Erinnerung an jene Momente im Garten kurz vor Beginn dieser Anhörung. Dann wandte er sich wieder an ihren Vater und Dom Rondrigo auf dem Podium: „Es gibt gewisslich keinen hier, der jeden Augenblick Domna Rominas Gefangenschaft mehr bedauert als ich. Doch war ich der Ansicht, dass es ihrer Rettung wenig zuträglich wäre, wenn wir allzu überstürzt vorgingen.“

„Hatte ich Euch nicht mehrfach bereits kurz nach unserem Aufbruche hier in unzweifelhaft noch sicheren Gefilden aufgefordert schneller zu marschieren?“

„Das hattet Ihr“, räumte Hernán von Aranjuez ein.

„Und habt Ihr Euch nicht beständig meinen Anweisungen widersetzt.“

„Mehr als einmal“, gestand der Baron und Junker.

„Vielleicht…“ schaltete sich Graf Brandil sanft ein „…möchtet Ihr Eure Antworten etwas umfänglicher ausführen. Es würde unser aller Verständnis und gewiss auch dem Zwecke dieser Zusammenkunft in höchstem Maße dienlich sein.“

Entschuldigend neigte Hernán von Aranjuez sein Haupt. „Euer Hochwohlgeboren haben mir den Herrn Castellan samt Bedeckung zur Seite gestellt.“ Die Betonung lag auf den letzten Worten. Beinahe alle im Saal wussten, dass die eigentliche Intention eine ganz andere gewesen war, nämlich den Condottiere zu einem besseren ortskundigen Führer für die gräfliche Truppe zu machen. Doch am Ende bestimmte derjenige, der über die meisten Klingen gebot, und das war schließlich Hernán von Aranjuez gewesen. „Ich sah somit keinen Grund Dom Rondrigos Befehle zu befolgen, insbesondere da ich sie als falsch erachtete.“

„Wie könnt Ihr es wagen!?“, fuhr der alte Castellan auf, doch gebot sein Graf ihm mit leicht erhobener Hand Mäßigung. „Dom Rondrigo ist ein allseits anerkannter Kämpe und Veteran zahlreicher Kämpfe“, stellte der Ehrensteiner klar.

„Nicht wider den Ferkinas. Hätte ich mich ihm gebeugt, würde dort draußen jetzt womöglich ein zweiter Rossbannerorden liegen.“ Und Eure Tochter wäre noch immer in der Hand der Wilden.

„Wie könnt Ihr da so sicher sein?“, erkundigte sich nun Domna Rohalija.

„Dom Rondrigo trieb wie gehört zu stetiger Eile an. Ein unzweifelhaft nobles Ansinnen hinsichtlich des Schicksales der Tochter Eurer Hochgeboren, jedoch wären wir mit unseren Schweren Reitern gleich in den nächsten Hinterhalt gelaufen. So führt man nicht Krieg in den Bergen, und so führt man nicht Krieg wider die Ferkinas“, zuckte der Baron und Junker mit den Schultern.

„Dom Rondrigo hat sich bereits vielfach mit den Ferkinas gemessen, und stets dabei den Sieg davon getrage.“, gab der Ehrensteiner zu bedenken.

„Nicht im Gebirge“, beharrte der Condottiere.

„Haltet Ihr mich etwa für einen Narren!?“, platze es nun doch erbost aus dem alten Castellan heraus.

„Ich halte Euch für jemanden, der dereinst meinem in Sachen Strategie gewiss nicht überreich von Hesinde und Nandus bedachten Bruder Tego auf den Leim gegangen ist.“

Abermals brach im Saal Gelächter aus. Tatsächlich hatte Rondrigo vom Eisenwalde mit den Loyalisten während der Answinkrise eine schmähliche Niederlage in unübersichtlichem Gelände erlitten. „Euer Bastardbruder hat entgegen den Gebot…“, setzte der Castellan an, doch schnitt ihm sein Herr das Wort ab: „Genug jetzt! Dom Rondrigo, fahrt fort.“

Es bedurfte einiger Augenblicke bis der Castellan durchgeatmet hatte, doch klang seine Stimme noch immer belegt, als er sie wieder erhob: „Wollt Ihr leugnen, dass Ihr einzig in Alina Rast gemacht habt, um Eurer selbstischen Rache zu frönen?“

„Nein.“

„Ihr gebt also zu, dass Ihr diese über die Suche nach Domna Romina gestellt habt?“

„Nein.“

„Dom Hernán…“, ermahnte ihn Graf Brandil ungehalten.

„Nein, das gebe ich nicht zu“, seufzte der Condottiere mit einer entschuldigenden Verbeugung in Richtung seines Grafen. „Der Lagerplatz war gut, und es war letztlich gleich, ob wir noch zwei oder drei Meilen weiter marschiert wären. Es war wichtig, in der nächsten Nacht ungesehen und daher ohne weitere Scherereien an Castillo Albacim vorbei zu kommen. Danach habe ich unsere Marschdistanzen ausgerichtet.“

„Und dennoch kam es Euch sehr gelegen, immerhin habt ihr das Junkergut geplündert und niedergebrannt.“

„Das habe ich“, nickte Hernán von Aranjuez. „Es war eine legitime Fehdehandlung. Eine Fehde, die mir von Praiosmin von Elenta und ihrem Handlanger Ordonyo di Alina aufgezwungen wurde. Ich habe die Gemeinen geschont, wie Götter und altes Recht es gebieten, und mich lediglich an den Besitz des Junkers gehalten.“

„War es aber nicht so, dass durch das Feuer eine Ferkinabande angelockt wurde, welche euch des Nächtens überfiel? Mit für Euch glücklichem Ausgange zwar, aber es hätte auch ganz anders kommen können. Ihr habt die ganze Unternehmung gefährdet, mit Eurem Durst nach Rache und Eurer Beutegier!“

Der Söldnerführer aber lächelte nur dünn. „Wären sie nicht durch den Feuerschein angelockt worden, und hätten sie uns nicht in von uns vorbereiteter Stellung angegriffen, so wären sie entweder am nächsten Tag während des Marsches über uns hergefallen, oder aber sie wären uns ausgewichen. Ich brauche hier wohl nicht die Folgen für die armen Menschen von Alina und weitere Untertanen Seiner Majestät wie Seiner Hochwohlgeboren skizzieren, wenn wir diesen Haufen nicht aufgerieben hätten.“

„Ach, nun wollt Ihr Euch also auch noch als vorausschauenden Wohltäter gerieren, der nur die Untertanen seines Grafen schützen wollte?“, empörte sich der Alte.

„Nein“, schüttelte der Gescholtene das Haupt. „Ich lasse mir nur nicht eine Sache vorwerfen, die sich letztlich als gute Fügung für unsere Unternehmung herausgestellt hat.“

„Ihr habt diese Unternehmung und damit das Wohl Domna Rominas gefährdet!“

„Ich sehe das anders. Doch bin ich gerne bereit, mich dahingehend Dom Ordonyos Anklage zu stellen. Egal vor welchem Gericht“, legte der Baron und Junker jenen Trumpf, den ihm sein in Rechtsdingen bewanderter Vetter Rafik in den Ärmel gesteckt hatte.

„Einigen wir uns darauf, dass wir Alina solange zurückstellen, bis sich Dom Ordonyo dahingehend zu Wort meldet“, beendete der Graf dann auch erwartungsgemäß rasch dieses Thema. Schließlich, und das wussten die Aranjuezer nur zu gut, lag ihm überhaupt nichts an einer tiefergehenden juristischen Betrachtung dieses Punktes, denn der hier heute nicht anwesende Junker mit dem Elsternwappen lavierte schon seit Jahren erfolgreich zwischen Selaque und Schrotenstein und damit zwischem kaiserlichem und gräflichem Lehnsland hin und her. Eine gerichtliche Klärung des Vorfalls würde nicht nur Jahre in Anspruch nehmen – immerhin war für derlei Streitigkeiten das Reichsgericht zuständig, und dessen Mühlen mahlten bekanntlich langsam – am Ende würde das Junkerland womöglich der Vogtei zugesprochen, womit es für die Grafenkrone endgültig verloren wäre. Ein paar abgefackelte Gebäude waren solches Risiko nicht wert, zumal der geschädigte Junker noch keinerlei Anstalten zu unternommen haben schien, entsprechende Beschwerde zu führen.

Rondrigo vom Eisenwalde freilich schien eine Pause zu benötigen, um seinen Zorn abzukühlen, sodass nun scheinbar sein Lehnsherr wieder übernahm. Ganz offensichtlich sehr zum Unwillen des Condottieres. „Kommen wir zu dieser Seinbrechersiedlung. Grezzano?“, erkundigte er sich bei seinem Castellan, und fuhr dann nach dessen Nicken fort: „Grezzano. Man beschuldigt Euch des ungebührlichen Verhaltens.“

Dahingehend hatte ihm Domna Romina ja schon die Leviten gelesen, sodass Hernán von Aranjuez wenig anderes übrig blieb, als schuldbewusst das Haupt zu senken. In der Tat hatte er sich dort vergessen. Etwaige Rechtfertigungsgründe freilich würden bedeuten, dass er erzählen musste, wie u. a. auch die Grafentochter sich eines seiner Rösser bemächtigt hatte, auch wenn seinen Zorn weniger der halbe Diebstahl, denn die damit einhergehenden Verzögerungen erregt hatte. Nein, mit dieser Erzählung war wohl niemandem gedient. „Ich habe mich dahingehend bereits bei Domna Romina entschuldigt“, gestand er zerknirscht.

„Verzeiht, ich konnte Eure Worte nicht verstehen“, legte der Graf die Hand ans Ohr. Diesen Moment galt es natürlich auszukosten.

„Ich habe mich dahingehend bereits bei Domna Romina entschuldigt“, wiederholte der Condottiere lauter und für alle hörbar.

„Und wie steht es mit Dom Rondrigo? Auch ihn sollt Ihr in ehrabschneidender Weise angefahren haben.“

Hernán von Aranjuez‘ Antlitz zeigte seine Pein. „Auch dafür entschuldige ich mich. Ich möchte allerdings betonen, dass mir in jenem Augenblick hauptsächlich deshalb die guten Sitten abhanden gekommen waren, weil der Aufbruch Eurer Truppe sich wiederholt verzögert hatte. Ich sorgte mich um die Gefahr, dass sie den Schutz von Castillo Albacim nicht mehr rechtzeitig erreichen würden.“

„Womit wir gleich beim nächsten Punkte wären“, fuhr der Ehrensteiner nahtlos fort, ohne darauf zu warten, ob sein Castellan die Entschuldigung annähme. Letztlich ging es wohl hauptsächlich um das erreichte Schuldeingeständnis. „Ihr standet an dieser Stelle, als ich Euch auftrug, meine Tochter sicher zurück zu bringen, war es nicht so?“

Der Baron und Junker nickte. „Warum also seid ihr in Grezzano verlieben?“

„Ich hatte von Seiner Kaiserlichen Majestät den Befehl erhalten…“

„…den Frieden in Kaiserlich Selaque zu halten?“

„Richtig“, nickte Hernán von Aranjuez wieder.

„Und das ging nur von diesem Bergdorf aus?“

„Nein, aber ich hatte noch Leute im Gebirge. Außerdem…“

„Ich verstehe die Sorge um Eure Leute, Baron. Aber hättet Ihr nicht zumindest eine Eskorte bis Castillo Albacim bereitstellen können? Mich deucht nach Euren vorherigen Ausführungen, dass Eure Reittiere Euch im Gebirge ohnehin nicht sonderlich von nutzen gewesen sein können…?“, hakte der Graf unerbittlich nach.

„Das ist wahr, doch schien es mir nicht klug zu sein, die Reichsvogtin mit meinen Leuten zu provozieren. Die Umstände unseres letzten Zusammentreffens sind Euer Hochwohlgeboren bekannt. Womöglich hätte man Eure Tochter und Dom Rondrigo dann nicht eingelassen.“

„Womöglich. Und auf diese vage Möglichkeit hin, habt Ihr beschlossen, dass es besser wäre, ihnen einfach gar keine Eskorte zu stellen?“

„Es ging um Schnelligkeit. Die Zahl der Reiter ist letztlich gleich, wenn es darum geht, dem Feinde auszuweichen. Die Rösser der Ferkinas sind im Vergleich…“ Der Condottiere hielt inne. Hier würde er kaum weiterkommen, wie unschwer an den Gesichtern auf dem Podium zu erkennen war. Einen Strick würde man ihm aus der Sache wohl nicht drehen können, dafür war zu viel Spekulation im Spiel. Aber umgekehrt würde er somit auch niemanden überzeugen können, der nur nach einem Fehler suchte. So atmete er schwer durch, und erinnerte sich an die Worte Domna Rominas aus dem Garten. Es gibt verschiedene Arten zu widersprechen oder sich zu widersetzen. „Es war eine militärische Entscheidung“, gab er schließlich zu Protokoll.

Der Graf nickte, scheinbar zufrieden. Mehr war aus dieser Sache wohl auch aus seiner Sicht nicht heraus zu holen. „Ich denke, nun wäre ein guter Zeitpunkt, um uns zu stärken“, erhob er sich Graf Brandil. Wiederum ein gut gewählter Zeitpunkt, blieb doch zumeist vor allem der letzte Eindruck hängen. Und da hatte der widerspenstige Neu-Baron doch ein wenig an Boden verloren.

Zumal, und gewiss war auch das wohl kalkuliert gewesen, für die geladenen Gäste ein wahrer Festschmaus angerichtet worden war. Dem Tobrier mochten die Magnaten so manches nachsagen, aber weder war darunter der Vorwurf der Knausrigkeit, noch dass er als Spross einer nicht unbedingt für ausschweifende Hofhaltungen bekannte Provinz nicht wüsste, wie man hierzulande seine Festtagsgäste zu bewirten hatte. Und so mancher ärmere Landadlige mochte mit wohligen Schauern daran denken, dass das eigentliche Festmahl ja erst morgen stattfand.

Entsprechend verstrich aber der halbe Nachmittag, ehe man sich wieder im Rittersaale einfand. Dort freilich waren die Lücken in den Reihen der Magnatenschaft unübersehbar. So mancher Schlemmer frönte wohl noch dem Boronsstündlein. Und viel schienen sie auch nicht zu verpassen, wurde die Anhörung doch nicht etwa mit der weiteren Vernehmung des Hernán von Aranjuez fortgesetzt, sondern in langatmigen Reden die gelinde gesagt bescheidene Leistung der gräflichen Wehr während der Ferkinaangriffe thematisiert – und was man in Zukunft besser machen könnte. Viel mehr als wohlklingende Absichtserklärungen zahlreicher Anwesender konnte der Schriftführer freilich nicht festhalten.

Obgleich sich der Tag noch nicht dem Ende neigte, waren ob des frühen Unterganges der Praiosscheibe längst die Deckenleuchter und die Fackeln an den Wandhalterungen entzündet worden, als schließlich der Graf mit erhobener Rechter den versammelten Magnaten Ruhe gebot. „Doms y Domnas, es ist spät geworden. Viel wurde am heutigen Tag gesagt, und viel gilt es zu bedenken. Zum Wohle der Grafschaft. Einige Punkte…“, sein Blick ruhte vielsagend auf Hernán von Aranjuez, der längst nicht mehr in der Mitte vor dem Podium stand, sondern wie alle anderen auch seinem Range entsprechend einen Platz in den Reihen der Nobleza gefunden hatte. „Einige Punkte harren noch der Klärung, doch will ich meine treuen Vasallen nicht länger behelligen. Für uns alle war der Tag lang und anstrengend. Wessen Anwesenheit nicht mehr zwingend von Nöten ist, sei hiermit mit Dank entlassen.“

Und damit auch niemand überflüssigerweise seine Zeit vergeudete, schweifte der Blick des Ehrensteiners über die Anwesenden: „Es bleiben: Dom Rondrigo, Dom Ludovigo, Dom Rasdan, Hochwürden di Lacara, Domna Aldea, Domna…“ Es folgte nun eine Liste hauptsächlich gräflicher Würdenträger, bis die Augen Graf Brandils schließlich wieder beim Baron von Dubios angelangt waren „…und Dom Hernán.“

Gemurmel erhob sich, als der Rest wohl oder übel den Rittersaal verlassen musste. Viele erleichtert, es endlich (und vergleichsweise folgenlos) hinter sich gebracht zu haben, andere womöglich etwas verschnupft darüber, dass sie zu jener letzten Besprechung nicht geladen worden waren, nicht wenige neugierig worum es dabei wohl gehen würde…



Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 02