Chronik.Ereignis1033 Feldzug Epilog 03

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In Ragath, 30. Hesinde 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf dem Hof des Castillo Ragath[Quelltext bearbeiten]


30. Hesinde, nachmittags[Quelltext bearbeiten]

Autoren: von Scheffelstein, Der Sinnreiche Junker, Ancuiras


Der Wind trieb dichte, graue Wolken aus dem Westen heran. Erste Schneeflocken fielen auf den gefrorenen Boden des Burghofs. Im Osten zog bereits die Dämmerung herauf, hüllte die mächtigen Gipfel des Raschtulswalls in Dunkelheit.

Zügig hielt Hernán von Aranjuez auf die Stallungen zu, vor denen die Rösser der Gäste des Grafen angebunden waren. Seine Vettern Rafik und Rondago von Aranjuez folgten ihm auf dem Fuß, sein Neffe Gualterio Colonna warf einen Blick über die Schulter zurück und nickte mit dem Kopf nach hinten. Sie hatten die Pferde noch nicht erreicht, als Richeza von Scheffelstein und da Vanya sie einholte.

"Auf ein Wort, Dom Hernán", sagte die Landedle, als der Condottiere sich zu ihr umdrehte. "Ihr sagtet, die Briefe, die meine Tante Euch anvertraute, um sie in Punin dem Kaiser oder der Hofkanzlei zu übergeben, seien Euch abhanden gekommen. Wie konnte das geschehen? Diese Briefe waren der Beweis für Domna Praiosmins Umtriebe! Der Graf scheint nicht gewillt, die Reichsvogtin ohne diese Beweise zu verurteilen oder irgendjemandem Glauben zu schenken, was ihre Schandtaten betrifft. Wo sind die Briefe jetzt?"

Als ob dieser Tag nicht unerfreulich genug verlaufen wäre! Nun hatte ihn auch noch die Scheffelsteinerin abgepasst. Es blieb dem Condottiere also nicht viel anderes übrig, als auf seinem Weg innezuhalten, wobei seine drei Begleiter noch ein, zwei Schritte weiterliefen, ehe auch sie stehenblieben. Misstrauische Blicke begegneten der Landedlen, ehe sie abschweiften um das Drumherum im Auge zu behalten. Es war offensichtlich, dass die Aranjuezer sich keinen Augenblick länger auf Castillo Ragath – im Volksmund auch gerne Castillo Wendesinn genannt – aufzuhalten gedachten, denn unbedingt notwendig.

"Sagt Ihr es mir, Domna Richeza", entgegnete der Baron und Junker ungehalten. "Worin habt Ihr und Eure Tante uns da verwickelt? Der Erzverräter Rakolus ist tot, und mag es die fette Elenterin bei aller geheuchelten Frömmigkeit mit den Wegen des Herrn Praios nicht allzu genau nehmen, eine Dämonenbeschwörerin ist sie gewiss nicht. Warum also werden wir in Punin von einem Dämon angegriffen, dessen Ziel offensichtlich jene Briefe sind?" Ganz offensichtlich rührte sein Unmut nicht nur aus der Verzögerung seines Aufbruches her ...

"Worin haben ich und meine Tante Euch verwickelt?", wiederholte die Landedle seine Worte. "Was soll das? Habt Ihr nicht zugehört? Meine Tante wurde von einem Dämon beinahe getötet!" Sie runzelte die Stirn. "Ihr also sagt, Ihr wurdet ebenfalls von einem Dämon angegriffen?" Es war der Miene der Domna zu entnehmen, dass sie dem Baron nicht glaubte, und der abschätzige Blick, der über seinen versehrten und doch nicht allzu entstellten Körper glitt, unterstrich dies nur weiter.

"Die Briefe sollen also Ziel des Angriffs gewesen sein? Nun, wenn das wahr ist und zudem Domna Rifada von einem solchen Wesen tödlich verwundet wurde, wer sonst als die Elenterin soll es getan haben? Mag der Schwarze Schrotensteiner auch tot sein – ihr verfluchter Bastard lebt, und wer weiß schon, wie viel von seines Vaters Erbe er in sich trägt? Da Ihr und die Euren", sie nickte in Richtung der Aranjuezer, "den Angriff der Kreatur ja offensichtlich unbeschadet überlebt habt, könnt Ihr mir sicher verraten, wo die Briefe jetzt zu finden sind." Herausfordernd sah sie ihn an.

"I-c-h w-e-i-ß e-e-e-s n-i-c-h-t", gab Hernán von Aranjuez langgezogen und sichtlich gereizt zurück, immerhin hatte er diese Frage bereits beantwortet. "Fragt doch die Elenterin, ihr spitzohriges Balg oder wen Euer Haus sonst noch Feinde nennt. Denn es bedarf nun wirklich keines Studiums der Rechtswissenschaften, um zu dem Schluss zu kommen, dass es wohl Eure Feinde sein werden, die Dämonen hinter uns her hetzen, und nicht die meinigen. Immerhin wurde in Punin nichts als die Briefe entwendet, mutmaßlich von einem Dämon, just zu dem Zeitpunkt, als Eure Tante von eben einem solchen angegriffen wurde."

Der unterschwellige Vorwurf, die nur mäßig verhohlene Ungläubigkeit hinsichtlich seiner Geschichte ärgerten den Condottiere erkennbar. "Es ist also wohl offensichtlich, wer hier wen in etwas verwickelt hat. Etwas mehr Höflichkeit stünde Euch folglich gut zu Gesicht, Domna Richeza."

"Höflichkeit?" Die Domna zog die Augenbrauen hoch, ehe ihr ohnehin düsteres Gesicht sich weiter verfinsterte. "Ich wüsste nicht, warum ich ausgerechnet Euch Höflichkeit schuldete, der Ihr von eben dieser so augenscheinlich wenig haltet", erklärte sie kalt.

"Ich bat Euch nie, mich nach Selaque zu begleiten, Ihr tatet es aus freien Stücken, und anfangs glaubte ich Euch noch, dass dies Eurer Ehrbarkeit geschuldet sei. Doch wie viel Ehre zeigtet Ihr noch, als Euer Freund, der Harmamund, sich einmischte? Ich hatte nur ein Ziel in Selaque, nur eines, Dom Hernán: Meinen Vetter Praiodor zu finden und in Sicherheit zu bringen! Mit dieser verfluchten Fehde zwischen meiner Tante und der Elenterin hatte ich nichts zu tun. Ich weiß nicht, was vorgefallen war, bevor wir nach Selaque aufbrachen! Ich weiß nur, dass die Elenterin allen Grund gehabt hätte, sich mir erkenntlich zu zeigen, statt meine Gefangennahme oder gar meinen Tod zu wünschen. Ihr besteht auf Höflichkeit?"

Verärgert wies sie mit dem Zeigefinger ihrer Rechten auf den Condottiere. "Bei den Göttern: Wo habt Ihr der Cortezia genüge getan, als Ihr mich gefangen nahmt, nur auf einen Verdacht hin, ich würde mich in diese Fehde einmischen, ohne mir Gelegenheit zu geben, mich zu erklären? Ich wäre gegangen, hätte Praiodor in Sicherheit gebracht. Das war alles, was ich wollte! Und Ihr verwehrtet es mir! Mehr noch: Ihr wolltet mich geradewegs zur Burg der Elenterin schicken, die mich gewiss als Geisel wider meine Tante verwendet oder gleich getötet hätte. Und als ich diesem absurden Vorschlag nicht Folge leistete, nahmt Ihr mich gefangen, um mich den Feinden auszuliefern, die unsere Burg besetzt hielten! Ihr setztet mein Leben aufs Spiel!"

Voll kalter Wut schüttelte sie den Kopf. "Nein, Dom Hernán, nicht Ihr habt Höflichkeit zu fordern, ich fordere eine Entschuldigung für Euer Verhalten! Erklärt Euch, wenn ich nicht annehmen soll, dass Ihr nicht nur mit dem Harmamund, sondern auch mit der fetten Elenterin gemeinsame Sache macht, um meiner Familia zu schaden!"

Vier Mienen verfinsterten sich zusehends, und wo Rafik von Aranjuez schon den Umhang zur Seite geschlagen hatte, um im Fall der Fälle nicht beim Ziehen seines Degens behindert zu werden, war der junge Heißsporn Gualterio schon einen Schritt weiter, und hatte bereits die Hand am Griff seines Schwertes. Ob es nun den Worten der Landedlen geschuldet war oder sie womöglich eine Falle fürchteten, mochte dahingestellt bleiben, die Spannung in der kalten Luft war jedenfalls spürbar.

Einzig der Magus Rondago schien ruhig zu bleiben, wohingegen sich der Baron und Junker scheinbar noch nicht ganz entschieden hatte, wie er diesen frechen Anwürfen begegnen sollte. Schließlich atmete er hörbar durch, wiewohl die zusammengekniffenen Augen und die sich unterhalb der Schläfen unter der Haut abzeichnenden Kieferknochen wohl wenig Anlass zu der Annahme gaben, er wäre nicht in höchstem Maße angespannt.

"Ihr und der Junge wärt in Sicherheit gewesen, hättet Ihr Euch den Gräflichen angeschlossen. Ihr wolltet es nicht darauf ankommen lassen, in personam auf Castillo Albacim Zuflucht zu suchen, obgleich Ihr Euch problemlos unter die Reisigen Dom Rondrigos hättet mischen können. Geschenkt, es war Euer Hals, den Ihr riskiertet, als Euer Stolz größer war als Eure Vernunft. Aber es war abgemacht, dass in jedem Falle der Junge mit den Gräflichen reitet. Nicht nur wolltet Ihr diese Abmachung brechen, Ihr wolltet Euch auch gegen den Befehl Seiner Kaiserlichen Majestät stellen."

Es wäre ein Leichtes gewesen Gendahar von Streitzig hinzu zu ziehen. Der Tangolsforster hielt sich schließlich auch hier auf Castillo Ragath auf, er kannte die Wahrheit. Wusste, dass der Condottiere gewiss nichts von dem geplant hatte, was die Scheffelsteinerin ihm hier vorwarf. Ganz im Gegenteil. Doch wer war er, dass er sich von solch impertinentem Anwürfen zu irgendetwas nötigen ließ? Er mit der Elenterin gemeinsame Sache machen? Lachhaft! Hatte er nicht Leib und Leben riskiert in Selaque? Gut und Blut geopfert? Er konnte froh sein, dass er hier noch als Baron und Junker, ja als freier Mann stand.

So ziemlich das Einzige, was man ihm drinnen nicht vorgeworfen hatte, war die Festsetzung der Scheffelsteiner Landedlen gewesen. Er nahm dieselbe Pose ein, wie in den Stunden zuvor, das Kinn gehoben, die Hände über dem Knauf des Spazierstockes verschränkt. "Ich schulde Euch weder Rechenschaft noch eine Entschuldigung", sprach er kühl.

"Es war abgemacht, dass der Junge mit den Gräflichen reist?", entgegnete die Landedle zornig. "Mit wem war das abgemacht? Ich sagte, ich würde mit dem Streitzig sprechen, aber er war nicht auffindbar, und Domnatella Romina hatte nichts Besseres im Sinn, als Eure Pferde zu stehlen. Sollte ich da ihr etwa das Leben meines Vetters anvertrauen? Und dass ich selbst auf Albacim sicher gewesen wäre, das glaubt Ihr gewiss nicht! Denkt Ihr, mein Gesicht sei in der Grafschaft unbekannt? Hätte ich mich verschleiern sollen wie eine Heidin, in der Hoffnung, niemand würde mich erkennen? Domna Praiosmin oder ihr verfluchter Bastard hätten mich getötet und den Jungen dazu. Nein, ich sagte Euch, ich würde ihn selbst in Sicherheit bringen. Ihr hattet kein Recht und keinen Grund, mich gefangen zu setzen! Ich hätte Euren verdammten kaiserlichen Befehl nicht verletzt, denn er hat Euch wohl kaum befohlen, Praiodor von Culming-Alcorta nach Albacim zu schicken!"

Grimmig sah sie ihn an. "Entschuldigt Euch – oder beweist mir Eure Aufrichtigkeit, indem Ihr mir Satisfaktion zuteil werden lasst und mit Eurem Schmerz und Blute für Schmerz und Blut bezahlt, die mich Euer Handeln kostete!"

Sie zog ihre Handschuhe hinter ihrem Gürtel hervor und warf sie ihm vor die Füße, den einen erst, dann den zweiten. "Blut um Blut, Ehre für Ehre!"

Hernán von Aranjuez sah einige Momente auf die beiden Handschuhe zu seinen Füßen, dann blickte er wieder auf. "Diese Forderung ist infam. Was Ihr an Blut und Schmerz erlitten habt, hattet Ihr Euch selbst zuzuschreiben, da Euch die Vernunft fehlte, Euch in das Unvermeidliche zu fügen. Ebenso könntet Ihr mich dafür verantwortlich machen, wenn Ihr Euer Haupt so lange selbst auf den Boden geschlagen hättet, bis es blutete. Dies wäre nicht weniger selbstverschuldet gewesen, und kein Ehrengericht zwischen Kaiserlich Selaque und Kaiserlich Phecadien würde Eure Satisfaktionsforderung als angemessen erachten. Dennoch ...", er beugte sich mit einem ob des verwundeten Beines etwas lahm wirkenden Ausfallschrittes herab und hob die Handschuhe auf, "... sollt Ihr Euren Willen haben. Nicht weil Ihr es verdientet, sondern weil Ihr anfangt, mir mit Euren trotzigen Narreteien auf die Nerven zu fallen. Benennt Euren Sekundanten, Richeza von Scheffelstein."

"Ich werde ihr als Sekundant zur Seite stehen", erscholl eine Stimme hinter der Scheffelsteinerin. Gendahar von Streitzig hatte sich der Gruppe genähert, ohne dass es einer der beiden Streitenden bemerkt hätte. "Wenn Domna Richeza es erlaubt, versteht sich. Ich stehe in ihrer Schuld. Schließlich ließ ich sie in Euer Obhut zurück, nachdem Ihr versichert hattet, dass ihr kein Leid zugefügt würde. Dann aber wurde mir berichtet, dass sie in die Hände der Elenterin geraten war." Er blickte Dom Hernán an. "Nun liegt es nur noch an Euch, einen Sekundanten zu benennen."

Erstaunt schaute Richeza von Scheffelstein sich zu dem Thangolforster um, dann nickte sie ihm zu und sah Hernán von Aranjuez herausfordernd an.

Das Knirschen der Zähne des Condottieres hörte man wohl über den gesamten Burghof. Im Gegensatz dazu sprach er leise – gefährlich leise, würde mancher wohl sagen – zum Streitziger gewandt: "Wer hat Euch diese Lüge berichtet?"

"Morena von Harmamund, Eure Anverwandte. Aber was redet Ihr von Lüge?" Das Gesicht des Streitzigers spiegelte ehrliche Verwunderung wieder. "Wohlgeboren von Harmamund sagte, Ihr hättet die Domna im Castillo da Vanya zurückgelassen, das ja in der Hand von Praiosmins Gefolgsleuten war. Und genau dort habe ich Domna Richeza angetroffen. Nicht viel später, und sie würde jetzt nicht mehr hier vor uns stehen!" Er schüttelte den Kopf. "Mir scheint, in dieser Angelegenheit wurden genug Worte gesprochen." Er nickte Richeza zu und machte Anstalten, sich abzuwenden.

"Mir scheint das in keiner Weise so, Dom! Niemals haben wir auch nur einen Fuß in das Castillo gesetzt!", zischte der Baron und Junker. Sein Brustkorb hob und senkte sich rasch, als sich sein Atem in aufwallendem Zorn beschleunigte. "Domna Richeza …", fuhr er halb an diese gewandt fort, "… wird Euch, da sie es mit Fragen der Ehre ja so genau nimmt, darob gewisslich mit Vergnügen bestätigen, dass ich sie mit ihrem Vetter Moritatio ziehen ließ, nachdem sie zuvor Anstalten gemacht hatte, meine Obhut zu verlassen. Und mitnichten im Castillo da Vanya an irgendwelche Gefolgsleute der Elenterin übergeben habe."

"Das habe ich nicht behauptet", erwiderte der Streitzig, "wiewohl Domna Morenas Worte diesen Schluss durchaus nahelegten. Das ist eine Frage, die ihr mit ihr klären müsst. Wie dem auch sei: Domna Richeza war in Eurer Obhut – Eurer Gefangenschaft – als ich Euch verließ. Ihr habt das Heft des Handelns übernommen, als Ihr sie gefangen setztet. Meinen Vorschlag, sie sicher nach Ragath zu geleiten, habt Ihr ausgeschlagen. Also musste ich darauf vertrauen, dass sie bei Euch sicher ist." Er hob die Hände. "Dies sollte als Grund genügen, weshalb ich als Sekundant bereitstehe. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen."

"Um Eurer Ehre Genüge zu tun, Dom Hernán", fiel die Landedle ein, "war es durchaus meine Entscheidung, Eure ach so fürsorgliche Obhut zu verlassen. Nachdem Ihr mir auf wiederholte Aufforderung hin den Grund meiner Gefangennahme nicht zu nennen bereit wart. Der Harmamund – und nicht nur dieser – gegenüber aber verbreitetet Ihr die Lüge, ich hätte mich gegen kaiserlichen Befehl gestellt und sei auf dem Weg, weitere Mercenarios ins Vanyadâl zu führen. Eine infame Lüge, wie wir beide wissen, denn mein erklärtes Anliegen war es allein, meinen Vetter Praiodor in Sicherheit zu bringen."

Düster sah sie ihn an. "Ich entschied mich, Eure Obhut nicht als solche betrachten zu können, als Ihr der Harmamund erklärtet, Ihr wolltet Euch nicht länger mit Euren Gefangenen belasten und Euch meiner auf dem Castillo entledigen, das, wie Ihr wusstet, sich in den Händen von der Elenterin Schergen befand. Wollt Ihr etwa bestreiten, dass dies Euer Vorhaben war?"

Hernán von Aranjuez lachte bitter. Die Anspannung schien von ihm abgefallen zu sein. "Was könnten meine Worte schon bewirken, wo sich doch Dom Gendahar offensichtlich dazu entschlossen hat, wider besseres Wissen die Unwahrheit zu behaupten?" Kurz nickte er seinen Verwandten zu, sich auf den Weg in Richtung der Stallungen zu machen, wobei der junge Heißsporn Gualterio so dicht am Streitziger vorbei stapfte, dass gerade noch eine Ausgabe des Yaquirblicks zwischen sie passen mochte.

"Mein Sekundant wird Euren Sekundanten aufsuchen", sprach Hernán von Aranjuez noch, um dann ohne weitere Förmlichkeiten hinter den Dreien her zu humpeln.

Richeza von Scheffelstein blickte dem Condottiere und seinen Leuten stirnrunzelnd nach, die sich in ihre Sättel schwangen und eilig den Burghof verließen. Rasch verklangen die Hufschläge ihrer Rösser auf der gepflasterten Straße hinab nach Ragath. Mit noch immer gefurchter Stirn wandte die Scheffelsteinerin sich zu dem Thangolforster um. "Was meint er damit, Ihr habt die Unwahrheit behauptet? Was wusstet Ihr von dem, was er mit mir vorhatte, damals in Grezzano, im Vanyadâl? Was hat er Euch erzählt?" Eindringlich sah sie Gendahar von Streitzig an.

Der Thangolforster Vogt blickte dem Dubioser Baron ebenfalls mit gerunzelter Stirn nach; für die Drohgebärden des jungen Heißsporns in seinem Gefolge hatte er nur ein müdes Lächeln übrig. Er wandte sich an Domna Richeza. "Er hat mir so Einiges erzählt, um mich davon zu überzeugen, Euch in seiner Obhut zu belassen. Aber ich hätte ihm keinen Glauben schenken sollen, denn sein späteres Handeln hat seine Worte Lügen gestraft." Er schüttelte nachdrücklich den Kopf.

"Spätestens heute hätte er Gelegenheit gehabt, Euch von seinen besten Absichten zu überzeugen. Aber wenn er dafür zu fein ist, werde ich ganz sicher nicht als sein Anwalt in die Bresche springen. Ich meinerseits habe mit keinem Wort die Unwahrheit behauptet, Praios sei mein Zeuge, sondern nur Tatsachen festgestellt. Er wollte für Eure Sicherheit einstehen, aber er hat Euch ohne Schutz zurückgelassen. Das allein ist für mich entscheidend." Er richtete sich auf. "Lasst uns gehen."

Richeza von Scheffelsteins Augen wanderten über das Gesicht des Streitzigers. "Wisst Ihr, Dom Gendahar, was mir an dieser ganzen Sache nicht gefällt? Die Tatsache, dass niemand, weder er noch Ihr, sich jemals gemüßigt fühlte, mir eine glaubwürdige Erklärung für meine Gefangennahme zu geben, mir jemals die Gelegenheit gab, mein Ehrenwort darauf zu geben, keine Bewaffneten ins Vanyadâl zu führen. Ihr habt nur über meinen Kopf hinweg entschieden, als sei ich ein unmündiges Kind oder eine Närrin! Und dadurch habt Ihr mein Leben aufs Spiel gesetzt, er, wie auch Ihr!" Bitter verzog sie den Mund.

Gendahar von Streitzig blickte sie ruhig an, dann nickte er langsam. "Ihr habt wohl recht, Domna Richeza, und es bleibt mir nichts weiter, als mich zu entschuldigen. Was auch immer ich zu meiner Verteidigung anführte, sei es meine eigene Verwundung oder meine Sorge um meine Nichte Romina, würde das Unrecht, das Euch widerfuhr, nicht schmälern. Erlaubt also, dass ich Euch meine Sekundanz anbiete, um Euch für meine Entscheidungen zu entschädigen."

Sie sah ihn lange an, ehe sie nickte.

Er lächelte sacht. "Vielleicht mögt Ihr mich hinein begleiten, auf ein Wort und vielleicht einen Wein?"

Doch ihr Gesicht blieb ernst, während ihre Augen weiter über sein Antlitz wanderten. "Nein, Dom Gendahar", sagte sie schließlich. "Ich denke, ich habe für heute von dieser Burg genug gesehen, Ihr mögt es mir nachsehen."

Er neigte leicht das Haupt. "Ich werde Euch die Entscheidungen des Aranjuezers übermitteln, sobald ich Gelegenheit hatte, mit seinem Sekundanten die Konditionen des Zweikampfes auszuhandeln. Ich nehme an, Eure bevorzugte Waffe ist der Raufedegen? Oder eher der Säbel?"

"Degen", sagte sie knapp.

Gendahar von Streitzig nickte und verneigte sich. "Guten Abend, Domna Richeza!"

"Guten Abend!", erwiderte sie und sah ihm kurz nach, als er die Stufen zum Palas hinauf schritt, zurück in die von Kerzen erleuchtete Halle, in der der ragatische Adel für eine Weile Politik Politik sein ließ, um bei Wein und Tanz die längste Nacht des Jahres zu begehen. Dann drehte sie sich um und ging durch den leise fallenden Schnee und die zunehmende Dunkelheit zu ihrem Pferd.

Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 03