Chronik.Ereignis1033 Feldzug Alina 02: Unterschied zwischen den Versionen
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Der junge [[Ragath]]er schwieg, sodass Hernán von Aranjuez seinem Vetter zunicken konnte. „Du, [[Rondago Farugo von Aranjuez|Rondago]], bleibst ebenfalls bei der Reserve. Verschwende Deine Kräfte nicht, verstanden?“ Sein abermaliges Nicken war freilich arg in Richtung Dom Servandos geraten, sodass wohl nicht nur sein Vetter verstanden hatte, dass er nicht nur deswegen nur im Notfall eingreifen sollte, um seine Kräfte zu schonen, sondern auch der Wachhund für den Caballero war, falls diesem irgendwelche Dummheiten einfielen. | Der junge [[Ragath]]er schwieg, sodass Hernán von Aranjuez seinem Vetter zunicken konnte. „Du, [[Rondago Farugo von Aranjuez|Rondago]], bleibst ebenfalls bei der Reserve. Verschwende Deine Kräfte nicht, verstanden?“ Sein abermaliges Nicken war freilich arg in Richtung Dom Servandos geraten, sodass wohl nicht nur sein Vetter verstanden hatte, dass er nicht nur deswegen nur im Notfall eingreifen sollte, um seine Kräfte zu schonen, sondern auch der Wachhund für den Caballero war, falls diesem irgendwelche Dummheiten einfielen. | ||
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'''Nachts, in der [[Elentinische Ebene|Elentinischen Ebene]], kurz vor [[Alina]]''' | |||
'''Autor''': [[Benutzer: SteveT|SteveT]] | |||
"Wohin reiten sie? Was führen diese Bestien im Schilde?" rief Jelissa Al'Abastra ihrer jungen Begleiterin durch die boronsrabenschwarze Nacht hindurch zu.<br> | |||
Die beiden Amazonen hatten sich dem Wildenstamm mit nur wenigen 100 Schritt Abstand auf die Fersen geheftet, dessen Lager sie ursprünglich nur hatten auskundschaften wollen. Aber urplötzlich war mit Einbruch der Dunkelheit Bewegung in die ganze blutsaufende Bande gekommen und alle Krieger der Wilden waren im Feuerschein zu ihren struppigen Ponys geeilt und westwärts in Richtung des Briesacher Waldes losgeritten. Nur einen kurzen Moment hatte Gujadanya da Vanya mit dem Gedanken gespielt, die Gelegenheit zu nutzen und kurzen Proceß mit ihren im Lager zurückgebliebenen Weibern und Kindern zu machen - aber ein solches Handeln hätte kaum das Wohlgefallen der Himmelsleuin gefunden und außerdem war ihre Sorge größer, was die über 100 Ferkina-Krieger in ihrer Heimat anzurichten planten.<br> | |||
"Im Westen der Elentinischen Ebene liegt besiedeltes Land!" zischte sie zu ihrer Schwertschwester und Mentorin hinüber. "Ich befürchte sie reiten entweder nach Schrotenstein oder nach Alina - beides sollten wir verhindern! Der Junker von Alina ist zwar ein mieser Hundskerl, aber trotzdem sind er und seine Leute Docenyos - wir müssen sie zumindest vor diesen Tieren warnen..."<br> | |||
"Das wird schwer möglich sein!" entgegnete Jelissa. "Es ist so dunkel, daß man nicht einmal die Hand vor Augen sieht und diese Gegend ist so uneben, voller Kaninchenbauten und Brackwassertümpeln, wie wir vorhin auf dem Hinweg gesehen haben, daß ich mich nicht einmal getraue, schneller als Schritttempo zu reiten. Wie könnten wir sie da überholen - die Barbaren scheinen sich um die Unversehrtheit ihrer Pferde weitaus weniger zu sorgen als wir!"<br> | |||
"Leider wahr!" knurrte Gujadanya, die froh war, daß die Wilden wenigstens von ihren Bluthunden oder domestizierten Schakalen, Khoramsbestien oder was auch immer begleitet wurden, deren aufgeregtes Geheule, Gekläff und Gewinsel es ihnen recht leicht machte, den Ferkinas trotz der nahezu vollkommenen Finsternis zu folgen. Sie mussten lediglich aufpassen, sich ihnen nicht so sehr anzunähern, daß die Bestien noch ihre Witterung aufnahmen. Mit einem Male erstarrte Gujadanya im Sattel, als keine zwei Meilen entfernt plötzlich ein großer, glutroter Feuerschein in der Nacht zu sehen war, der wohl vorher von einem Hain oder einer Gebüschgruppe verdeckt gewesen war.<br> | |||
"Ich will verdammt sein!" fluchte Jelissa. "Sie haben schon etwas angesteckt!"<br> | |||
Guyadanya schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte das angehen? Zumindest der Großteil der Wilden konnte doch noch überhaupt nicht dort angekommen sein! "Das ist Alina! Die Schweine brennen Alina nieder! Ich hoffe nur, das Volk konnte sich im Wehrtempel verschanzen! Los! Wenn wir ihnen nicht beistehen, dann hilft ihnen keiner!"<br> | |||
Sie spornte ihre Stute mit den Stiefeln und wildem Zügelknallen zu vollem Tempo an und betete insgeheim, daß das Tier nicht stürzte. Jelissa hatte Recht - normalerweise wagte es selbst bei Tageslicht niemand, in der Elentinischen Ebene abseits der befestigten Wege Galopp zu reiten. Sie hörte, daß ihre Schwertschwester ihr fluchend folgte und ein metallisches Sirren verriet ihr, daß Jelissa dabei den geschwungenen Amazonensäbel aus der Scheide zog. Gujadanya selbst griff über ihre linke Schulter und zog im vollen Galopp einen Pfeil aus dem Köcher. Das hier war nach ihrem Geschmack eher erst einmal eine Gelegenheit, den Kompositbogen singen zu lassen. | |||
Ardavan iban Arthabas lachte glücklich. Da war das brennende Steinlager der Flachländer... er hatte es selbst in der Dunkelheit wiedergefunden - er hatte schon fast den Orientierungssinn eines ausgewachsenen Kriegers! "Die erste Blasshaut, die wir sehen, ist mir!" brüllte er zu Faruch, Ussâm und einigen anderen jungen Heißspornen hinüber, die mit der flachen Hand auf die Flanken ihrer Ponys einschlugen, um als erster am Ziel zu sein.<br> | |||
"Nicht, wenn ich sie vor Dir sehe!" schrie Ussâm mit gebleckten Zähnen zurück. "Der alte Zebuquad hat mir geweissagt, daß ich heute nicht zwei, nicht drei, sondern zweimal drei Köpfe abschneiden und heimbringen werde!"<br> | |||
"Hahaha! Von Flachländern vielleicht, das ist einfach. Aber warte ab, ob wir auch die verfluchten Bâni Khadr erwischen. Ihre Köpfe werden schwerer zu ernten sein!" bemühte sich Ardavan, den Überschwang seines Raufkumpans zu bändigen. <br>Plötzlich war ein merkwürdiger Ton von den Rossweidehügeln im Norden her zu vernehmen. Wie das heisere Brüllen eines Steinbocks zur Brunftzeit - zweimal Zwei mal. <br>Die Khoramsbestien antworteten mit wildem Geheule, aber dennoch war für sie alle kurz darauf die Donnerstimme des Shârs zu vernehmen, der mit den erfahrenen Kriegern in der Mitte des Stammes ritt. "Ein Warnsignal! Sie wissen, das wir kommen! Hazargul - Du und zwölf Krieger greifen von Süden her an! Zebuquad, Sorush, Sharkhan, Zuleyad, Jafar, Kirad - ihr folgt mir und wir greifen von Norden an! Ihr Halbwüchsigen, die Hunde und der Rest greift dort durch die Lücke an, durch die man den Feuerschein leuchten sieht! Los! Verteilt Euch!" gellten die Befehle von [[Yistarrech iban Akbar]] über ihre Köpfe hinweg und sämtliche Ferkinas gehorchten sofort. Yistarrech war ein großer Shâr - nur ein Lebensmüder würde es wagen, sich seinen Befehlen zu widersetzen.<br> | |||
"Yallah!" brüllten Ardavan, Faruch und Ussâm wie aus einem Munde, als der Boden unter den Hufen ihrer Rösser glatter wurden und sie auf bewirtschaftetes Land der Blasshäute vorstießen. Sie alle hielten ihre Bögen mit dem ersten Pfeil gespannt - bereit, den Erstbesten, den sie sahen, auf ewig in die Steppe der Geister zu schicken. | |||
Version vom 6. Juni 2011, 13:55 Uhr
Kaiserlich Selaque, 26. Praios 1033 BF
Im Lager der Bân Gassârah am Krötensee
Spätabends
Autor: SteveT
"Weg da! Platz! Schnell! Lasst mich durch!" brüllte der bartlose Krieger Ardavan iban Arthabas den Frauen, Wachen und grasenden Schafen und Ziegen zu, die ihm in die Quere kamen und im Weg standen, als er in halsbrecherischem Galopp mitten ins Zeltlager der Bân Gassârah hineingeritten kam. Mit schlitternden Hufen brachte er sein Roß vor dem großen Hauptfeuer zum Stehen, über dem sich eine ganze gehäutete Kuh auf einem Spieß drehte. Roß und Reiter waren klatschnass vor Schweiß. Aus einiger Entfernung waren auch die Rufe und der Hufschlag der Rösser von Faruch und Ussâm zu hören, die mittags mit ihm gemeinsam auf Beutezug ausgeritten waren.
"Was ist los, Sohn von Arthabas?" verstellte ihm der alte Stammeskrieger Zebuquad den Weg, der geradewegs auf das Zelt des Häuptlings zuzuführen schien. "Lass mich! Ich muss zum Shâr! Ich habe ihm wichtiges zu sagen!" wollte ihn der junge Krieger einfach achtlos beiseite schieben, aber Zebuquad hielt ihn an der Schulter fest - er meinte es nur gut mit dem Sohn seines Blutsbruders. "Du kannst jetzt nicht zum Shâr, junger Ardavan! Er ist mit seinen Weibern dort drin und isst und raucht - nur ein Lebensmüder würde es wagen, ihn zu stören!" "Glaube mir, weiser Zebuquad: Ich habe guten Grund ihn zu stören!" ließ sich der junge Krieger nicht beirren und lief einfach an der angepflockten Khoramsbestie am Zelteingang vorbei, die nach seinem Bein zu schnappen versuchte und schlug den ledernen Vorhang zurück, der den Eingang zur Jurte des Shârs verschloß.
Im Inneren des Zeltes brannte ein weiteres, kleineres Lagerfeuer, es roch nach verbranntem Ziegendung und auch nach gebratenem Fleisch - am meisten aber roch es Cherrizzka, dem Rauschkraut, das die Frauen des Shârs in einer langen beinernen Pfeife rauchten. Einen kurzen ungebührlichen Moment lang glotzte Ardavan mit großen Augen auf die nackten Brüste der vier Weiber des Shârs, die ihm auf ausgelegten Fellen rund um das Feuer herum quasi zu Füßen lagen. Während drei von ihnen rauchten und ihn mit einer Mischung aus Neugier und Feindseligkeit betrachteten, kniete die vierte von ihnen - die Schönste nach Ardavans Geschmack - neben dem Felllager des Häuptlings und schob ihrem Gebieter kleine Bissen gebratenen Hühnerfleischs in den Mund, der sich von ihr genießerisch füttern ließ. Der Shâr selbst war - auch nackt bis auf einen Lendenschurz - immer wieder eine beeindruckende Erscheinung. Unzählige Ritalnarben und die Wunden vieler Kämpfe zierten seinen glänzenden, eingeölten Körper - kein anderer Krieger im ganzen Stamm war so groß und hatte solche Muskeln wie Yistarrech iban Akbar - der vom Nuranshâr Mharbal erwählte Kriegshäuptling der Bân Gassârah. Seine Stimme erinnerte Ardavan immer an grollenden Donner oder an das Schnaufen eines gereizten Kampfstieres und so stellten sich seine Nackenhaare auf, als ihn der Shâr mit finsterer Miene anblickte und donnerte: "Was willst Du Wurm?"
Ardavan ließ sich auf die Knie niederfallen und verbeugte sich mit abgespreizten Armen bis zum Boden, dasselbe tat auch Zebuquad, der tapfere alte Zebuquad, der mit ihm ins Zelt des Häuptlings eingetreten war. "Vergebung, großmächtiger Shâr! Ich bitte um Vergebung für den jungen Ardavan iban Arthabas, dem einzig die Unbeherrschtheit der Jugend törichte Gedanken schenkt und die seine Füße manchmal in die falsche Richtung laufen lässt." flehte der alte Gefährte seines Vaters für ihn. "Ardavan iban Arthabas?" widerholte der Shâr mißtrauisch. "Bist Du ein Sohn von Arthabas dem Bärentöter?" "Ja, großmächtiger Shâr!" nickte Ardavan stolz. "Und ich bringe wichtige Kunde aus dem steinernen Lager der Blasshäute." Der Shâr zog zweifelnd eine Augenbraue in die Höhe und ließ sich von seiner Frau einen weiteren Bissen in den Mund schieben, ehe er herablassend mit vollem Mund antwortete: "Dein Vater war ein großer Krieger, der die Köpfe vieler Bâni Khadr und unzähliger Blasshäute heimbrachte. Also sprich, Sohn von Arthabas dem Bärentöter - aber wage es nicht, mich zu langweiligen oder ich zerquetsche Dich wie eine Laus!" Demonstrativ pickte er einen der Blutsauger aus dem Fell, auf dem er saß und schnippte ihn halbzerquetscht gegen Ardavans Brust, der ihn einfach an sich abprallen und zu Boden fallen ließ, ohne dabei mit der Wimper zu zucken.
Ardavan räusperte sich, während sich Zebuquad unter einer weiteren Verbeugung wieder aus der Jurte zurückzog. Den vier Frauen des Shârs war anzusehen, daß sie auf Ardavans Anwesenheit im Zelt nicht sonderlich viel Wert legten. Aber er ließ sich davon nicht beirren und begann zu erzählen: "Als die Sonnenscheibe hoch wie ein fliegender Falke über der Ebene stand, da bestiegen Faruch, der Sohn von Jellal dem Geistertänzer, Ussâm der Sohn von Narrzul dem Schakaljäger, und ich unsere Rösser, die so schnell laufen können wie der Wind, der durch die Schluchten heult, mit Hufen so heiß wie das Feuergestein des Djer Ragaz. Auch hatten wir Waffen dabei - Bögen und Pfeile, so tödlich wie das Gift der Klapperschlange, und Messer, so scharf, daß sich selbst der Regen daran verletzte, der bald nach unserem Aufbruch niederzuprasseln zu begann. Wir aber ritten durch die Steppe, gierig wie ausgehungerte Löwen, gierig nach dem Blut unserer Feinde..."
"GENUG!" schnitt ihm der Shâr das Wort ab und erhob sich von seinem Lager. "Jetzt langweilst Du mich ja doch, Du Wurm! Wenn ich Heldengeschichten hören will, so frage ich den Nuranshâr, denn er erfährt sie von unseren Ahnen, die sie selbst erlebten! Du aber, sag mir nur kurz, was Du zu sagen hast, sonst ist die Nacht vorbei, bis Du mir auch noch die Fellfarbe eurer Rösser beschrieben hast!" Ardavan begann zu zittern: "Äh, Feuer - großmächtiger Shâr! Wir sahen Feuer!" "Feuer?" widerholte der Häuptling unwirsch. "Was für Feuer?" "Das Steinlager der Blasshäute im Westen von hier - es brennt, großmächtiger Shâr!" Die Augen von Yistarrech iban Akbar verengten sich zu Schlitzen: "Die Bâni Khadr? Diese Kinder von Feigheit und Schande, die keine Ehre haben und nichts als Tod und Qual verdient haben?" Der Sohn des Bärentöters nickte verächtlich und zuckte dabei mit den Achseln: "Die Blasshäute werden ihr Lager nicht selbst angesteckt haben..." "Das weiß ich selbst, Du Hund!" beschimpfte ihn der Häuptling und kam drohend einen Schritt auf Ardavan zu, der sofort selbst einen Schritt zurücktrat, "Damals bei der Turmstadt der Flachländer im Norden sind sie uns zuvorgekommen und haben reiche Beute gemacht. Aber diesmal sind wir ihnen um das Dreifache überlegen! Selbst wenn die Khadr schon Beute gemacht haben, werden wir sie ihnen wieder abnehmen!" "Aber das Land, großmächtiger Shâr" schüttelte Ardavan den Kopf, "es ist flach wie ein Fladenbrot und viel zu offen! Sie können uns schon sehen, wenn wir noch klein wie Ameisen sind am Horizont. Sie werden fliehen, wenn sie unsere Übermacht kommen sehen!" "Sie werden uns nicht kommen sehen!" schüttelte nun der Shâr seinerseits den Kopf. "Denn wir reiten jetzt gleich und kommen in der Nacht! Sie werden denken, Geister fallen über sie her - so schnell und leise werden wir sie aus der Dunkelheit angreifen! Wieviel Feinden hast Du bereits den Kopf genommen, Sohn von Arthabas dem Bärentöter?" Ardavan errötete. "Hm, ja - da muß ich erst einmal überlegen....." "Also noch keinem!" schlußfolgerte der Shâr messerscharf. "Aber Deine Zeit und die der anderen jungen Krieger ist gekommen - heute Nacht! Für jeden Kopf eines Feindes, den Du aus der Schlacht mitbringst, schenke ich Dir ein Weib! Keiner soll sagen, daß Yistarrech der Große nicht großzügig ist! Und jetzt lauf zu Kirad, er soll die Trommel schlagen! Alle Krieger sollen aufsitzen! Wir greifen an!"
Im Lager der Ragathsqueller
Nachts
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der Instinkt des Soldaten, geschärft durch die Gefechte und Campanyas zweier Jahrzehnte, ließ Hernán von Aranjuez weit vor der eigentlichen Zeit, doch nur Augenblicke vor dem warnenden Hornsignal aus dem Schlafe auffahren. Lang und tief hallte das Horn von den Aliner Kuppen herab, zweimal in kurzem Abstand. Dann eine Pause, und erneut zweimal in kurzem Abstand. Der Condottiere runzelte die Stirn, denn eigentlich war lediglich ein einzelner Hornstoß vereinbart gewesen. Den gleichen Gedanken hatte wohl Anzures Ballan gehabt, der im gleichen Moment vor das Zelt trat. „Ferkinas?“, fragte er mit dem Blick gen dunklen Osten gerichtet.
„Das, oder etwas anderes Unerwartetes“, biss sich der Baron und Junker auf die Unterlippe.
„Vielleicht kommt der Aliner mit mehr Leuten als gedacht?“, mutmaßte Anzures weiter.
„Möglich, aber selbst wenn er das ganze Selaquer Aufgebot mitbrächte, würde er uns an Zahl nicht übertreffen“, schüttelte Hernán von Aranjuez das Haupt, derweil nach und nach rege Betriebsamkeit im Lager ausbrach. Fackeln wurden entzündet, Rufe und Kommandos gellten durch die Nacht. Die erfahrenen Weibel zogen bereits die überflüssigen Vorposten ein, derweil die restlichen Mercenarios begannen, ihre scheinbar wahllos zusammen gewürfelten Ausrüstungen aus Leder, Kette und Harnischen anzulegen, auf den Häuptern alte Lederkappen, verbeulte Sturmhauben, Morions und schiefe Topfhelme. Glücklicherweise war auf Campanyas wenig Raum für die Errungenschaften und Bequemlichkeiten der Zivilisation, sodass die meisten ohnehin im Untergewand schliefen, die Waffen immer griffbereit.
„Also Ferkinas?“
„Womöglich, doch ist’s einerlei. Für einen Rückzug ist, wer immer da kommt, schon viel zu nahe heran. Ein Kampf ist unausweichlich.“
„Vielleicht sind es auch Freunde, und die Posten wollen uns vor falschen Schlüssen und Reaktionen warnen?“ Doch daran glaubte der aranjuezer Waffenmeister wohl selbst nicht.
„Vielleicht. Lass unsere lieben Freunde zusammen rufen, und dann her mit Rüstung und Schwert.“
Im Gegensatz zu Servando Cronbiegler und seinen schwergerüsteten Reitern, konnten die beiden Aranjuezer wenigstens mit gegenseiter Hilfe noch ihre ungleich leichteren Platten anlegen, während die meisten Gräflichen sich lediglich mit Brustpanzer und Helm behelfen mussten, sodass der kurze Zeit später einbestellte Kriegsrat eine recht bunte Schar ergab. „Ich erwarte nicht, dass Ihr Euch einmengt, sollten uns Dom Ordonyo oder Domna Praiosmin einen Besuch abstatten, doch könnten es genauso gut Ferkinas sein“, wandte sich der Condottiere an Thallian Damotil und den jungen Caballero. „Deswegen werden Eure Leute, Dom Thallian, die nördliche Brustwehr besetzen. Dort haben sie gute Deckung, und die Wilden müssen erst einmal herüber klettern. Ich erwarte von euren Leuten, dass sie das verhindern.“ Und sollten es doch Gardisten der ersten beiden Genannten sein, dürfte fraglich sein, ob diese zuerst fragen würden, ob die Simancaner sich vielleicht nicht einmischen wollten, sodass der Baron und Junker zweifellos annahm, dass sie so oder so würden kämpfen müssen. „Ihr, Dom Servando, seid mit Euren Leuten unsere berittene Reserve. Haltet Euch im Hintergrund bereit, und greift dort ein, wo der Feind durchbricht. Ansonsten deckt Ihr unsere offene Rechte. Für einen Lanzenstoß fehlt leider der Raum, doch hätte ich ohnehin bessere Verwendung für sie. Wenn Ihr also…“
„Warum sollte ich Euch unsere Lanzen geben? Falls es Dom Ordonyo ist…“, unterbrach der Caballero ihn, nur um seinerseits unterbrochen zu werden. „Und falls es Ferkinas sind, Dom Servando?“, fragte der Condottiere scharf. „Wenn uns womöglich nur ein paar Lanzen gefehlt haben, wollt Ihr die Niederlage dann auf Eure Kappe nehmen?“
Der junge Ragather schwieg, sodass Hernán von Aranjuez seinem Vetter zunicken konnte. „Du, Rondago, bleibst ebenfalls bei der Reserve. Verschwende Deine Kräfte nicht, verstanden?“ Sein abermaliges Nicken war freilich arg in Richtung Dom Servandos geraten, sodass wohl nicht nur sein Vetter verstanden hatte, dass er nicht nur deswegen nur im Notfall eingreifen sollte, um seine Kräfte zu schonen, sondern auch der Wachhund für den Caballero war, falls diesem irgendwelche Dummheiten einfielen.
Nachts, in der Elentinischen Ebene, kurz vor Alina
Autor: SteveT
"Wohin reiten sie? Was führen diese Bestien im Schilde?" rief Jelissa Al'Abastra ihrer jungen Begleiterin durch die boronsrabenschwarze Nacht hindurch zu.
Die beiden Amazonen hatten sich dem Wildenstamm mit nur wenigen 100 Schritt Abstand auf die Fersen geheftet, dessen Lager sie ursprünglich nur hatten auskundschaften wollen. Aber urplötzlich war mit Einbruch der Dunkelheit Bewegung in die ganze blutsaufende Bande gekommen und alle Krieger der Wilden waren im Feuerschein zu ihren struppigen Ponys geeilt und westwärts in Richtung des Briesacher Waldes losgeritten. Nur einen kurzen Moment hatte Gujadanya da Vanya mit dem Gedanken gespielt, die Gelegenheit zu nutzen und kurzen Proceß mit ihren im Lager zurückgebliebenen Weibern und Kindern zu machen - aber ein solches Handeln hätte kaum das Wohlgefallen der Himmelsleuin gefunden und außerdem war ihre Sorge größer, was die über 100 Ferkina-Krieger in ihrer Heimat anzurichten planten.
"Im Westen der Elentinischen Ebene liegt besiedeltes Land!" zischte sie zu ihrer Schwertschwester und Mentorin hinüber. "Ich befürchte sie reiten entweder nach Schrotenstein oder nach Alina - beides sollten wir verhindern! Der Junker von Alina ist zwar ein mieser Hundskerl, aber trotzdem sind er und seine Leute Docenyos - wir müssen sie zumindest vor diesen Tieren warnen..."
"Das wird schwer möglich sein!" entgegnete Jelissa. "Es ist so dunkel, daß man nicht einmal die Hand vor Augen sieht und diese Gegend ist so uneben, voller Kaninchenbauten und Brackwassertümpeln, wie wir vorhin auf dem Hinweg gesehen haben, daß ich mich nicht einmal getraue, schneller als Schritttempo zu reiten. Wie könnten wir sie da überholen - die Barbaren scheinen sich um die Unversehrtheit ihrer Pferde weitaus weniger zu sorgen als wir!"
"Leider wahr!" knurrte Gujadanya, die froh war, daß die Wilden wenigstens von ihren Bluthunden oder domestizierten Schakalen, Khoramsbestien oder was auch immer begleitet wurden, deren aufgeregtes Geheule, Gekläff und Gewinsel es ihnen recht leicht machte, den Ferkinas trotz der nahezu vollkommenen Finsternis zu folgen. Sie mussten lediglich aufpassen, sich ihnen nicht so sehr anzunähern, daß die Bestien noch ihre Witterung aufnahmen. Mit einem Male erstarrte Gujadanya im Sattel, als keine zwei Meilen entfernt plötzlich ein großer, glutroter Feuerschein in der Nacht zu sehen war, der wohl vorher von einem Hain oder einer Gebüschgruppe verdeckt gewesen war.
"Ich will verdammt sein!" fluchte Jelissa. "Sie haben schon etwas angesteckt!"
Guyadanya schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnte das angehen? Zumindest der Großteil der Wilden konnte doch noch überhaupt nicht dort angekommen sein! "Das ist Alina! Die Schweine brennen Alina nieder! Ich hoffe nur, das Volk konnte sich im Wehrtempel verschanzen! Los! Wenn wir ihnen nicht beistehen, dann hilft ihnen keiner!"
Sie spornte ihre Stute mit den Stiefeln und wildem Zügelknallen zu vollem Tempo an und betete insgeheim, daß das Tier nicht stürzte. Jelissa hatte Recht - normalerweise wagte es selbst bei Tageslicht niemand, in der Elentinischen Ebene abseits der befestigten Wege Galopp zu reiten. Sie hörte, daß ihre Schwertschwester ihr fluchend folgte und ein metallisches Sirren verriet ihr, daß Jelissa dabei den geschwungenen Amazonensäbel aus der Scheide zog. Gujadanya selbst griff über ihre linke Schulter und zog im vollen Galopp einen Pfeil aus dem Köcher. Das hier war nach ihrem Geschmack eher erst einmal eine Gelegenheit, den Kompositbogen singen zu lassen.
Ardavan iban Arthabas lachte glücklich. Da war das brennende Steinlager der Flachländer... er hatte es selbst in der Dunkelheit wiedergefunden - er hatte schon fast den Orientierungssinn eines ausgewachsenen Kriegers! "Die erste Blasshaut, die wir sehen, ist mir!" brüllte er zu Faruch, Ussâm und einigen anderen jungen Heißspornen hinüber, die mit der flachen Hand auf die Flanken ihrer Ponys einschlugen, um als erster am Ziel zu sein.
"Nicht, wenn ich sie vor Dir sehe!" schrie Ussâm mit gebleckten Zähnen zurück. "Der alte Zebuquad hat mir geweissagt, daß ich heute nicht zwei, nicht drei, sondern zweimal drei Köpfe abschneiden und heimbringen werde!"
"Hahaha! Von Flachländern vielleicht, das ist einfach. Aber warte ab, ob wir auch die verfluchten Bâni Khadr erwischen. Ihre Köpfe werden schwerer zu ernten sein!" bemühte sich Ardavan, den Überschwang seines Raufkumpans zu bändigen.
Plötzlich war ein merkwürdiger Ton von den Rossweidehügeln im Norden her zu vernehmen. Wie das heisere Brüllen eines Steinbocks zur Brunftzeit - zweimal Zwei mal.
Die Khoramsbestien antworteten mit wildem Geheule, aber dennoch war für sie alle kurz darauf die Donnerstimme des Shârs zu vernehmen, der mit den erfahrenen Kriegern in der Mitte des Stammes ritt. "Ein Warnsignal! Sie wissen, das wir kommen! Hazargul - Du und zwölf Krieger greifen von Süden her an! Zebuquad, Sorush, Sharkhan, Zuleyad, Jafar, Kirad - ihr folgt mir und wir greifen von Norden an! Ihr Halbwüchsigen, die Hunde und der Rest greift dort durch die Lücke an, durch die man den Feuerschein leuchten sieht! Los! Verteilt Euch!" gellten die Befehle von Yistarrech iban Akbar über ihre Köpfe hinweg und sämtliche Ferkinas gehorchten sofort. Yistarrech war ein großer Shâr - nur ein Lebensmüder würde es wagen, sich seinen Befehlen zu widersetzen.
"Yallah!" brüllten Ardavan, Faruch und Ussâm wie aus einem Munde, als der Boden unter den Hufen ihrer Rösser glatter wurden und sie auf bewirtschaftetes Land der Blasshäute vorstießen. Sie alle hielten ihre Bögen mit dem ersten Pfeil gespannt - bereit, den Erstbesten, den sie sahen, auf ewig in die Steppe der Geister zu schicken.
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