YB36 Der Sieg der kleinen Monde
Erschienen in den Meldungen des Hauses Yaquirblick Nô 36
Hesinde-Ingerimm 1033 BF (5 Hal II.)
Der Sieg der kleinen Monde[Quelltext bearbeiten]
PUNIN. Mit der ruhmreichen Rückkehr unseres geliebten Kaisers Hal Secundus von Gareth ist auch ein anderer Siegeszug endgültig nicht mehr aufzuhalten: Das von Zunftmeister Raul Salkin Al'Nabash zu Ehren Seiner Kaiserlichen Majestät Hochzeit präsentierten Backwerk, die sogenannten Madilla Creciente, findet sich inzwischen auf den Tischen von Adligen wie Bürgern überall im Lande. Von Santa Catalina bis Madasee, von Weinbergen bis Ragath schwärmen die Menschen von dem bekömmlichen Gebäck aus leichtem Plunderteig.
Nachdem die mondsichelförmige, feine Backware während der Hochzeitsfeierlichkeiten unseres Kaisers und Königs mit seiner über alles verehrten Gemahlin Tulameth noch den geladenen Gästen vorbehalten geblieben war, entschied Seine Kaiserlichen Majestät, dass das Rezept den Conditores im ganzen Reiche zugänglich gemacht werden solle. Ein jeder freier Almadani solle die Gelegheit erhalten, dieses Backwerk zu kosten, welches ebenso für die herausragenden Fertigkeiten der almadanischen Backkunst stehe wie für die Verbundenheit mit unserer geliebten Heimat, welche er als von den Göttern erwählter Herrscher zu bewahren und zu größtem Ruhm zu führen geschworen habe.
So eroberten die Madillas, wie die kleinen gebackenen Monde inzwischen von vielen nur noch abkürzend genannt werden, schnell die Herzen und Gaumen der Menschen. Wer noch nicht die Gelegenheit hatte, sich das köstliche Gebäck auf seiner Zunge zergehen zu lassen, sollte spätestens jetzt einen Conditore aufsuchen und dies auch durchaus auf einer Reise durchs Land wiederholen. Denn schon bilden sich erste Variationen aus: Genießt man in der Stadtmark die Madillas auch gerne mit einer Füllung aus Punipan, kann man sich das Gebäck in Sherbeth mit einer Creme aus Almadinäpfeln und einem Schuss besten Yaquirtaler Madawein zu Gemüte führen; In der Waldwacht wie der Caldaia wurde uns von herzhaften Versionen mit Käse und Schafskäse berichtet und in Pildek werden als besondere Gaumenfreude Madillas serviert, welche mit durch Akazienhonig leicht gesüßtem Tomatenmus gefüllt sind. Darum, Ihr Almadanis, genießt und labet Euch, denn Ihr wurdet in das Land geboren, welches von der Sonne beschienen und vom Monde erwählt wurde.
Der Sieg der kleinen Monde auch in der Hofkanzlei[Quelltext bearbeiten]
Auch der Rechserzkanzler zeigt sich entzückt, gerade zu entrückt und verrückt nach der neuen Backware, die seit Wochen in Punin von sich Reden macht. „Madilla Creciente“ ist das Zauberwort. Rahja gefällige Laute entnimmt man seinen Privat- und Dienstgemächern, wenn er zum Morgen- und Nachmittagstee das luftig weiche Teigkipferl in den warmen Aufguss tunkt, mit etwas geschlagenem Rahm verziert und mit lukullischer Verzückung Bissen für Bissen genießt. Selten habe man in letzter Zeit Seine Exzellenz derart zufrieden und entspannt beim Arbeiten erlebt, munkeln für gewöhnlich gut unterrichtete Kreise es aus der Hofkanzlei.
„Feinstes Naschwerk“, so die Worte Seiner Exzellenz, „das die degustierenden Sinne aus der Gegenwart entführt und auf weit Entferntes lenkt… Wie geschaffen für diplomatische Verhandlungen! Bringt mir mehr, täglich, zweimal!!“ Und seine Worte sind in Punin Befehlt. Geht es um feinstes Gebäck, meint der Kanzler es ernst – und wer wollte ihn enttäuschen?
Zunftmeister Raul Salkin, ohnehin ein gemachter Mann und Hoflieferant, enger Freund S.E. Rafik v. Taladur ä.H. und mit stetem Bestreben, die herrschaftlichen Gaumen stets auf das Neueste zu kitzeln, arbeitet seitdem unermüdlich und verdient sich einmal mehr eine goldene Nase. „Eine mehr, sein Gesicht ist bald voll von glänzenden Zinken“, spotten seine Feinde, doch Neid, so weiß man Yaquir aufwärts, Yaquir abwärts, ist immer noch die höchste Form der Anerkennung und Ansporn zu noch größerem Erfolg.
Keinen Tag dasselbe Madilla lautet seitdem die Devise. Gar erzürnt habe man S.E. erlebt, als er zum zweiten Mal ein mit Mandelblütencreme und Yaquirtaler Rotwein-Rosinen bestrichenes „Stierhörnchen“ kredenzt bekam. „Aber dieses hier ist zudem mit feinstem Blattgold bestäubt, mein Kanzler!“, soll transpirierend der Zunftmeister erwidert haben. Für den Moment schien die Zeit in dem alten Wasserschloss still zu stehen, das Herz des Al’Nabash hätte man auch unten in den Geheimarchiven noch vernommen, hätte sich dort jemand aufgehalten. Dann heiterte sich die Miene des Taladurers beträchtlich auf, zum Schein des Praiosrund gar selbst. „Wie recht Ihr habt, Meister! Dieses feine, leicht herb metallische Kribbeln auf der Zunge ist famos. Wie Ihr das nur schafft? Ich vermutete schon immer magische Kräfte in Euch.“ Der Zunftmeister entspannte sichtlich und wandte sich zum Gehen.
„Wer hat Euch erlaubt zu gehen, Zunftmeister?“, durchstach da der plötzlich wieder härtere Zungenschlag S.E. den Raum. „Setzt Euch doch! Denn nun werden wir an Eurer Etikette feilen. „Reichserzkanzler“ heißt es jetzt!“