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==Eine Lektion in Genealogie== | ==Eine Lektion in Genealogie== | ||
[[Ranudo di Dalias y las Dardas|Ranudo IV. Eslamo di Dalias y las Dardas]] stand im Innenhof [[Palacio Ippolito|seines Palacios]] in der noch jungen Landstadt [[Ratzingen]]. Acht livrierte Lakaien waren strategisch günstig positioniert und erhellten mit ihren Fackeln den schmalen Hof. Die Sterne glitzerten am Firmament und verliehen dem milden Rahjenmond-Abend noch mehr Glanz. Knapp hinter Ranudo standen sein Majordomus und sein Secretario [[Quintiliano Tracodi]]. An der Längsseite hatten sechs Waffenknechte der [[Familia di Dalias]] Aufstellung genommen: Ihre polierten Helme und Hellebarden schimmerten im Fackelschein. Hufgetrappel kündigte das Kommen der Erwarteten an. | |||
Durch das offene Portal ritten sieben Reiter. Sofort sprangen livrierte Lakaien vor, um den Herrschaften behilflich zu sein. Baron Ranudo erkannte sogleich [[Yppolita di Dalias y las Dardas|seine Schwester Yppolita]] und ihre Begleiterin [[Caneya von Gurnabán]] im flackernden Licht der Fackeln. Doch wegen zwei Caballeras wäre er, der [[Baronie Nemento|Baron]] und [[Soberan]], nicht in den Innenhof hinabgestiegen. Es war der Gast, den diese beiden Caballeras aus [[Sorobán]] einholten, dem dieses ehrerbietige Erwarten am Fuße der Treppe gebührte. Als die Reiter abgestiegen waren, schritt Dom Ranudo mit stolzgeschwellter Brust auf seinen Gast zu, widerfuhr doch ihm die Ehre dieses Besuchs und nicht seinen barönlichen Nachbarn. | Durch das offene Portal ritten sieben Reiter. Sofort sprangen livrierte Lakaien vor, um den Herrschaften behilflich zu sein. Baron Ranudo erkannte sogleich [[Yppolita di Dalias y las Dardas|seine Schwester Yppolita]] und ihre Begleiterin [[Caneya von Gurnabán]] im flackernden Licht der Fackeln. Doch wegen zwei Caballeras wäre er, der [[Baronie Nemento|Baron]] und [[Soberan]], nicht in den Innenhof hinabgestiegen. Es war der Gast, den diese beiden Caballeras aus [[Sorobán]] einholten, dem dieses ehrerbietige Erwarten am Fuße der Treppe gebührte. Als die Reiter abgestiegen waren, schritt Dom Ranudo mit stolzgeschwellter Brust auf seinen Gast zu, widerfuhr doch ihm die Ehre dieses Besuchs und nicht seinen barönlichen Nachbarn. | ||
Zögernd standen sich Baron Ranudo und sein Gast für wenige Herzschläge gegenüber. Als der Gast etwas zaudernd die Arme öffnete, tat der Baron es ihm gleich. Sie umarmten sich und tauschten den Bruderkuss. | Zögernd standen sich Baron Ranudo und sein Gast für wenige Herzschläge gegenüber. Als der Gast etwas zaudernd die Arme öffnete, tat der Baron es ihm gleich. Sie umarmten sich und tauschten den Bruderkuss. | ||
„Durchlaucht, großer und mächtiger Herr und Fürst, es ist mir eine außerordentliche Ehre, Euch Gastung zu gewähren!“, gluckste Baron Ranudo aufgeregt. | „Durchlaucht, großer und mächtiger Herr und Fürst, es ist mir eine außerordentliche Ehre, Euch Gastung zu gewähren!“, gluckste Baron Ranudo aufgeregt. | ||
„Die Ehre ist – in Travias Namen – ganz die Meinige, Hochgeboren“, brummte der blondhaarige, junge Mann vergnügt und schenkte seinem neben ihm stehenden, rotbackigen Lakai ein aufmunterndes Nicken. | „Die Ehre ist – in Travias Namen – ganz die Meinige, Hochgeboren“, brummte der blondhaarige, junge Mann vergnügt und schenkte seinem neben ihm stehenden, rotbackigen Lakai ein aufmunterndes Nicken. | ||
„Durchlaucht, wollen wir?“ | |||
„Durchlaucht, wollen wir?“ Einladend bedeutete Baron Ranudo seinem Gast, gemeinsam mit ihm in den Palacio zu gehen. | |||
Firnislas Bornsky, Fürst von Wauchimmer und Graf von Dawosny, dankte für die Einladung und betrat gemeinsam mit seinem Gastgeber den [[Palacio Ippolito]]. | Firnislas Bornsky, Fürst von Wauchimmer und Graf von Dawosny, dankte für die Einladung und betrat gemeinsam mit seinem Gastgeber den [[Palacio Ippolito]]. | ||
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Fürst Firnislas Bornsky nickte zustimmend zu des Barons Worten. Mehr als ein Dutzend Augenpaare waren auf ihn gerichtet und musterten ihn genau. | Fürst Firnislas Bornsky nickte zustimmend zu des Barons Worten. Mehr als ein Dutzend Augenpaare waren auf ihn gerichtet und musterten ihn genau. | ||
„Ja, das war in der Tat sehr ärgerlich. Zwei Strauchdiebe hatten schon meine Packpferde mit nahezu der gesamten Barschaft und der Festkleidung fortgeführt, ehe ich die anderen drei Wegelagerer verjagen konnte, indem ich zwei von ihnen Blessuren schlug... Davon kehrt freilich das Medaillon meiner lieben Frauen Mutter – Boron hab sie selig – auch nicht wieder... und die Brosche, die mir meine Gemahlin anlässlich unserer Verlobung verehrte...“ Fürst Firnislas seufzte tief und ließ seinen Blick über die reich gedeckte Tafel, die livrierten Lakaien und die aufwartenden Adligen wandern. | „Ja, das war in der Tat sehr ärgerlich. Zwei Strauchdiebe hatten schon meine Packpferde mit nahezu der gesamten Barschaft und der Festkleidung fortgeführt, ehe ich die anderen drei Wegelagerer verjagen konnte, indem ich zwei von ihnen Blessuren schlug... Davon kehrt freilich das Medaillon meiner lieben Frauen Mutter – Boron hab sie selig – auch nicht wieder... und die Brosche, die mir meine Gemahlin anlässlich unserer Verlobung verehrte...“ Fürst Firnislas seufzte tief und ließ seinen Blick über die reich gedeckte Tafel, die livrierten Lakaien und die aufwartenden Adligen wandern. | ||
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„Dom Azulejo de Montericco ist mir sehr gut vertraut, Hochgeboren.“ Polternd begann Fürst Firnislas zu lachen. | „Dom Azulejo de Montericco ist mir sehr gut vertraut, Hochgeboren.“ Polternd begann Fürst Firnislas zu lachen. | ||
Irritiert blickte ihn der Daliaser an. „Nun, wie Ihr seht“, Baron Ranudo deutete auf Dom Azulejos Namen auf dem großen Papierbogen und den sich von diesem ausbreitenden kahlen Einschlag in die ansonsten recht dichte Folge von Generationen, „ich weiß nicht mehr von ihm als den Namen seines Vaters: Dom Quintiliano de Montericco...“ | Irritiert blickte ihn der Daliaser an. „Nun, wie Ihr seht“, Baron Ranudo deutete auf Dom Azulejos Namen auf dem großen Papierbogen und den sich von diesem ausbreitenden kahlen Einschlag in die ansonsten recht dichte Folge von Generationen, „ich weiß nicht mehr von ihm als den Namen seines Vaters: Dom Quintiliano de Montericco...“ | ||
Feixend wippte Fürst Firnislas im Sessel vor und zurück. „Nun, Euer Hochgeboren, oder sollte ich sagen: lieber Vetter, da kann ich Euch weiterhelfen... Dom Quintiliano de Montericco war ein Dienstmann der eslamidischen Kaiser und war als solcher irgendwann um 665 nach Bosparans Fall herum als kaiserlicher Kommissar ins bornländische Festenland geschickt worden. Dort heiratete er schließlich im Jahr 670 Freifrau Waalescha Bornsky von Dawosny – der Herrrschaftstitul für Dawosny war zu jener Zeit nach ein freiherrlicher, erst in der Mitte des IX. Jahrhunderts begannen die Herren von Dawosny einen Grafentitel zu führen; das war zu eben jener Zeit als auch Fürstentum und Fürstentitel Wauchimmer erworben wurden. Die Freiherren und -frauen Bornsky sind alter bornländischer Adel, der aus der Theaterritterzeit herstammt und auf ein noch viel älteres Kusliker Patriziergeschlecht der bosparanischen Zeit zurückreicht. Dom Quintiliano de Montericco und Freifrau Waalescha wiederum hatten zwei Söhne, die mir bekannt sind: den älteren Nidhardo Bornsky de Montericco, meinen Ahnvater, und eben den jüngeren Azulejo de Montericco, Euren Ahnvater.“ Gönnerhaft lächelnd blickte Fürst Firnislas seinen almadanischen Vetter an. | Feixend wippte Fürst Firnislas im Sessel vor und zurück. „Nun, Euer Hochgeboren, oder sollte ich sagen: lieber Vetter, da kann ich Euch weiterhelfen... Dom Quintiliano de Montericco war ein Dienstmann der eslamidischen Kaiser und war als solcher irgendwann um 665 nach Bosparans Fall herum als kaiserlicher Kommissar ins bornländische Festenland geschickt worden. Dort heiratete er schließlich im Jahr 670 Freifrau Waalescha Bornsky von Dawosny – der Herrrschaftstitul für Dawosny war zu jener Zeit nach ein freiherrlicher, erst in der Mitte des IX. Jahrhunderts begannen die Herren von Dawosny einen Grafentitel zu führen; das war zu eben jener Zeit als auch Fürstentum und Fürstentitel Wauchimmer erworben wurden. Die Freiherren und -frauen Bornsky sind alter bornländischer Adel, der aus der Theaterritterzeit herstammt und auf ein noch viel älteres Kusliker Patriziergeschlecht der bosparanischen Zeit zurückreicht. Dom Quintiliano de Montericco und Freifrau Waalescha wiederum hatten zwei Söhne, die mir bekannt sind: den älteren Nidhardo Bornsky de Montericco, meinen Ahnvater, und eben den jüngeren Azulejo de Montericco, Euren Ahnvater.“ Gönnerhaft lächelnd blickte Fürst Firnislas seinen almadanischen Vetter an. | ||
Völlig verdattert und verdutzt blickte Baron Ranudo abwechselnd auf seine Ahnentafel und auf seinen Gast, welcher ihm diese famose Geschichte erzählte. Fragend schoben sich am Ende von Fürst Firnislas‘ Ausführungen die Augenbrauen Ranudos zusammen und seine Stirn legte sich in Tiefe Falten. | Völlig verdattert und verdutzt blickte Baron Ranudo abwechselnd auf seine Ahnentafel und auf seinen Gast, welcher ihm diese famose Geschichte erzählte. Fragend schoben sich am Ende von Fürst Firnislas‘ Ausführungen die Augenbrauen Ranudos zusammen und seine Stirn legte sich in Tiefe Falten. | ||
„Nun“, polterte Dom Ranudo los, „ich hielt diesen Quintiliano de Montericco stets für einen Bastardabkömmling des almadanischen Astes des [[Familia vom Berg|Hauses derer vom Berg]] und Dom Azulejo für einen natürlichen Sohn dieses bergschen Bastards. Auf diese familialosen Taugenichtse, die sich in meine Aszendenz geschlichen haben, pflegte ich zu fluchen... Habt Ihr denn Belege für Euren genealogischen Exkurs? Denn das Grab besagten Quintilianos de Montericco ist mir wohl bekannt. Er liegt in [[Niverocca]] bestattet. Die Grabplatte ist leider völlig unleserlich – nur aus den Tempelbuchaufzeichnungen geht hervor, dass er in eben jenem Grab liegen muss.“ Während Ranudo diese Worte sprach, heftete er seinen Blick an seinen Gast und drückte mit seiner Rechten seinen Kaiser-Alrik-Schnauzer platt. Dom Alrico tat es seinem großen Bruder gleich: Auch er fixierte den Gast und strich sich den Bart platt. | „Nun“, polterte Dom Ranudo los, „ich hielt diesen Quintiliano de Montericco stets für einen Bastardabkömmling des almadanischen Astes des [[Familia vom Berg|Hauses derer vom Berg]] und Dom Azulejo für einen natürlichen Sohn dieses bergschen Bastards. Auf diese familialosen Taugenichtse, die sich in meine Aszendenz geschlichen haben, pflegte ich zu fluchen... Habt Ihr denn Belege für Euren genealogischen Exkurs? Denn das Grab besagten Quintilianos de Montericco ist mir wohl bekannt. Er liegt in [[Niverocca]] bestattet. Die Grabplatte ist leider völlig unleserlich – nur aus den Tempelbuchaufzeichnungen geht hervor, dass er in eben jenem Grab liegen muss.“ Während Ranudo diese Worte sprach, heftete er seinen Blick an seinen Gast und drückte mit seiner Rechten seinen Kaiser-Alrik-Schnauzer platt. Dom Alrico tat es seinem großen Bruder gleich: Auch er fixierte den Gast und strich sich den Bart platt. | ||
Fürst Firnislas fühlte seine Hände schweißnass werden. Bis in die Ohrenspitzen wurde er rot. Er fühlte sich ertappt. Nun galt es, alles auf eine Karte zu setzen. „Eure Worte, Hochgeboren, kränken mich und die Ehre meines Hauses, der Fürsten und Grafen Bornsky“, herausfordernd blickte Fürst Firnislas seinen Gastgeber an, „freilich habe ich Beweise für meine Erläuterungen. Im Geheimen Archiv der Fürsten Bornsky liegen entsprechende Dokumente, in deren Lichte Eure Mutmaßungen und falschen Schlüsse dahin schmölzen. Nun, sicherlich kehrte unser gemeinsamer Ahnherr, Quintiliano de Montericco, mit seinem jüngeren Sohn Azulejo nach dem Großen Junkeraufstand des Jahres 688 | Fürst Firnislas fühlte seine Hände schweißnass werden. Bis in die Ohrenspitzen wurde er rot. Er fühlte sich ertappt. Nun galt es, alles auf eine Karte zu setzen. „Eure Worte, Hochgeboren, kränken mich und die Ehre meines Hauses, der Fürsten und Grafen Bornsky“, herausfordernd blickte Fürst Firnislas seinen Gastgeber an, „freilich habe ich Beweise für meine Erläuterungen. Im Geheimen Archiv der Fürsten Bornsky liegen entsprechende Dokumente, in deren Lichte Eure Mutmaßungen und falschen Schlüsse dahin schmölzen. Nun, sicherlich kehrte unser gemeinsamer Ahnherr, Quintiliano de Montericco, mit seinem jüngeren Sohn Azulejo nach dem Großen Junkeraufstand des Jahres 688<ref>Hier freilich irrt Fürst Firnislas: Der genannte erfolglose Aufstand gegen Kaiser Alrik ereignete sich im Jahr 692 und nicht 688 BF.</ref> nach Almada zurück. Denn seine Gattin, Waalescha Bornsky, hatte auf Seiten der Junker gegen die kaiserlichen Unterdrücker gekämpft und war heldenhaft kämpfend gefallen. Dom Quintiliano aber hatte als kaiserlicher Commissar versagt und wurde abberufen.“ Nun aber brauchte Fürst Firnislas einen versöhnlichen Abschluss. Er blickte in die zerknirschten Gesichter Dom Ranudos und Dom Alricos. „Freilich sehnte sich Quintiliano de Montericco auch nach dem Licht und der Wärme Almadas“, fuhr Fürst Firnislas fort, „und das almadanische Blut in mir, kann diese Sehnsucht nachempfinden. Als ich hierher zog und diesen Boden betrat, fühlte es sich auch für mich so an, als würde ich nach Hause kommen. Auch wenn ich noch nie zuvor, den Boden des [[Yaquirtal|Yaquirtals]] betreten hatte, so sagte mir die Stimme meines Blutes doch sogleich, dass ich eine nie gekannte Heimat sah, spürte, roch und schmeckte.“ Fürst Firnislas schenkte den beiden [[Nobleza|almadanischen Noblen]] ein verzücktes Lächeln und er kam nicht umhin zu bemerken, dass die Augen des Barons tränenverschleiert waren. | ||
==Einen Titel zu kaufen== | ==Einen Titel zu kaufen== | ||
Von jenem Abend an genoss Fürst Firnislas Bornsky auf unbestimmte Zeit Gastrecht im [[Palacio Ippolito]] zu [[Ratzingen]] – zumal und gerade im Hinblick auf die Namenlosen Tage, die das Jahr 1035 vom Jahr 1036 schieden. In langen vertraulichen Gesprächen zwischen den beiden Vettern, dem Bornländer Firnislas und dem Almadani Ranudo, wurde ein kühner Plan gefasst, der beiden Seiten Vorteile bringen sollte. Fürst Firnislas sollte seinem Vetter Ranudo die Grafschaft Dawosny – mit allen daran hängenden Rechten, Gerechtigkeiten, Gebäuden, Wiesen, Wäldern, Äckern, Vieh und Leibeigenen – sowie vor allem und zuvörderst den Grafentitel verkaufen. Von den nicht ganz einhundert Seelen und den Ländereien dürfe sich Baron Ranudo keine großen Intraden versprechen, ermahnte Fürst Firnislas, sehr wohl aber vom sewerischen Grafentitel, der im [[Grafschaft Yaquirtal|Yaquirtal]] einige Furore machen werde. Zu dieser Kaufhandlung fühlte sich Fürst Firnislas auch nur berechtigt, weil Baron Ranudo durch seine Herkunft von Freifrau Waalescha Bornsky von Dawosny ebenfalls zur Herrschaft über Dawosny ein ererbtes Anrecht habe und durch sie ebenfalls theaterherrlicher Herkunft sei. Die Vogteirechte über die veräußerte Grafschaft Dawosny sollten darüber hinaus auf zwölf Götterläufe noch bei Fürst Firnislas liegen. Danach wäre es an Ranudo Eslamo di Dalias y las Dardas, Graf von Davosnia, einen gräflichen [[Administrador]] seiner Wahl nach Sewerien zu entsenden. Überdies sollte Baron Ranudo beglaubigte Abschriften aller relevanter Dokumente aus dem Geheimen Archiv der Fürsten Bornsky erhalten, gerade in Bezug auf die Geschichte von Vater und Sohn de Montericco. Fürst Firnislas sollte hierfür die bescheidene Summe von fünftausend Golddukaten erhalten – 2.500 nach Unterschrift des Vertrages in barem Geld und 2.500 Dukaten in Form von Wechseln nach der Überstellung aller notwendigen Urkunden aus Sewerien. Die Einigung zwischen den beiden Adligen kam recht rasch zu Stande. Die Konditionen und einzelnen Vertragsklauseln sprudelten nur so aus Fürst Firnislas heraus. Fanden die Gespräche zunächst noch unter vier Augen statt, musste bald schon Secretario Quintiliano Tracodi für die Niederschrift hinzugezogen werden. Am ersten Tag des Namenlosen – aus Pietätsgründen aber auf den 30ten Rahja rückdatiert – lag der Kaufvertrag unterschriftsreif vor. | Von jenem Abend an genoss Fürst Firnislas Bornsky auf unbestimmte Zeit Gastrecht im [[Palacio Ippolito]] zu [[Ratzingen]] – zumal und gerade im Hinblick auf die Namenlosen Tage, die das Jahr 1035 vom Jahr 1036 schieden. In langen vertraulichen Gesprächen zwischen den beiden Vettern, dem Bornländer Firnislas und dem Almadani Ranudo, wurde ein kühner Plan gefasst, der beiden Seiten Vorteile bringen sollte. Fürst Firnislas sollte seinem Vetter Ranudo die Grafschaft Dawosny – mit allen daran hängenden Rechten, Gerechtigkeiten, Gebäuden, Wiesen, Wäldern, Äckern, Vieh und Leibeigenen – sowie vor allem und zuvörderst den Grafentitel verkaufen. Von den nicht ganz einhundert Seelen und den Ländereien dürfe sich Baron Ranudo keine großen Intraden versprechen, ermahnte Fürst Firnislas, sehr wohl aber vom sewerischen Grafentitel, der im [[Grafschaft Yaquirtal|Yaquirtal]] einige Furore machen werde. Zu dieser Kaufhandlung fühlte sich Fürst Firnislas auch nur berechtigt, weil Baron Ranudo durch seine Herkunft von Freifrau Waalescha Bornsky von Dawosny ebenfalls zur Herrschaft über Dawosny ein ererbtes Anrecht habe und durch sie ebenfalls theaterherrlicher Herkunft sei. Die Vogteirechte über die veräußerte Grafschaft Dawosny sollten darüber hinaus auf zwölf Götterläufe noch bei Fürst Firnislas liegen. Danach wäre es an Ranudo Eslamo di Dalias y las Dardas, Graf von Davosnia, einen gräflichen [[Administrador]] seiner Wahl nach Sewerien zu entsenden. Überdies sollte Baron Ranudo beglaubigte Abschriften aller relevanter Dokumente aus dem Geheimen Archiv der Fürsten Bornsky erhalten, gerade in Bezug auf die Geschichte von Vater und Sohn de Montericco. Fürst Firnislas sollte hierfür die bescheidene Summe von fünftausend Golddukaten erhalten – 2.500 nach Unterschrift des Vertrages in barem Geld und 2.500 Dukaten in Form von Wechseln nach der Überstellung aller notwendigen Urkunden aus Sewerien. Die Einigung zwischen den beiden Adligen kam recht rasch zu Stande. Die Konditionen und einzelnen Vertragsklauseln sprudelten nur so aus Fürst Firnislas heraus. Fanden die Gespräche zunächst noch unter vier Augen statt, musste bald schon Secretario Quintiliano Tracodi für die Niederschrift hinzugezogen werden. Am ersten Tag des Namenlosen – aus Pietätsgründen aber auf den 30ten Rahja rückdatiert – lag der Kaufvertrag unterschriftsreif vor. | ||
Nur verstohlen hatte die Praiosscheibe untertags durch die graue, den Himmel verdunkelnde Wolkenmasse gelugt. Ein blutroter Streifen im Westen kündigte das Ende des ersten Tags des Namenlosen an. Die Glocken hatten den Tag über geschwiegen. Die [[Landstadt]] Ratzingen hatte sich ebenfalls in Schweigen und abwartende Vorsicht gehüllt. | |||
Vorsorglich entzündete eine Lakaiin mit einer krummen Nase die Kerzen im Kirsch-Cabinett. Noch immer schmerzte sie ihre Nase. Alisea fuhr sich über ihr einstmals schönes Gesicht und jenes nun schiefstehende exponierte Körperteil, das sie den Rest ihres Lebens an jenen Abend in [[Omlad]] erinnern würde, als ihr Herr sie fast tot geschlagen hätte. Ein Klopfen an der Tür riss sie aus diesen schmerzvollen Erinnerungen. Es war [[Yppolita di Dalias y las Dardas]], die eintrat und sie freundlich grüßte. | Vorsorglich entzündete eine Lakaiin mit einer krummen Nase die Kerzen im Kirsch-Cabinett. Noch immer schmerzte sie ihre Nase. Alisea fuhr sich über ihr einstmals schönes Gesicht und jenes nun schiefstehende exponierte Körperteil, das sie den Rest ihres Lebens an jenen Abend in [[Omlad]] erinnern würde, als ihr Herr sie fast tot geschlagen hätte. Ein Klopfen an der Tür riss sie aus diesen schmerzvollen Erinnerungen. Es war [[Yppolita di Dalias y las Dardas]], die eintrat und sie freundlich grüßte. | ||
„Hochgeboren Dom Ranudo ist noch nicht hier. Es ist noch bei Secretario Tracodi, um alles vorzubereiten. Er hat mir aufgetragen, alles vorzubereiten... Wünscht Ihr etwas, Domna?“, unterwürfig stand Alisea vor der fast einen Kopf größeren und wesentlich breiteren Caballera. | „Hochgeboren Dom Ranudo ist noch nicht hier. Es ist noch bei Secretario Tracodi, um alles vorzubereiten. Er hat mir aufgetragen, alles vorzubereiten... Wünscht Ihr etwas, Domna?“, unterwürfig stand Alisea vor der fast einen Kopf größeren und wesentlich breiteren Caballera. | ||
„Einen Kelch Wein. Mich dürstet. Wird Alrico auch anwesend sein?“ | „Einen Kelch Wein. Mich dürstet. Wird Alrico auch anwesend sein?“ | ||
„Ja, Dom Alrico wurde auch hinzu gebeten, Domna“, sprach die Lakaiin kaum vernehmlich und sah die Caballera ein Gesicht ziehen, als hätte sie in ein Dutzend saure Citronen gebissen. | „Ja, Dom Alrico wurde auch hinzu gebeten, Domna“, sprach die Lakaiin kaum vernehmlich und sah die Caballera ein Gesicht ziehen, als hätte sie in ein Dutzend saure Citronen gebissen. | ||
Nach einem freundlichen Lächeln in Richtung der Dienerin ließ sich Caballera Yppolita in einen schweren Lehnstuhl sinken. Kaum hatte die Dienerin das Cabinett verlassen, trat auch schon der gerade genannte [[Alrico di Dalias y las Dardas|Caballero Alrico]] ein. Er war klein von Wuchs und drahtig. Sein dunkelgelocktes Haar hing ihm offen bis auf die Schultern herab. Sein Wams war grau, wie auch der Tag grau gewesen war, und seine Stirn war – den Namenlosen Tagen gänzlich entsprechend – in tiefe Sorgenfalten gelegt. Elegant küsste der Senator von Ratzingen seine ältere Schwester auf beide Wangen. | Nach einem freundlichen Lächeln in Richtung der Dienerin ließ sich Caballera Yppolita in einen schweren Lehnstuhl sinken. Kaum hatte die Dienerin das Cabinett verlassen, trat auch schon der gerade genannte [[Alrico di Dalias y las Dardas|Caballero Alrico]] ein. Er war klein von Wuchs und drahtig. Sein dunkelgelocktes Haar hing ihm offen bis auf die Schultern herab. Sein Wams war grau, wie auch der Tag grau gewesen war, und seine Stirn war – den Namenlosen Tagen gänzlich entsprechend – in tiefe Sorgenfalten gelegt. Elegant küsste der Senator von Ratzingen seine ältere Schwester auf beide Wangen. | ||
„Nun, warum sind wir hier? Hat Dir unser Bruder schon etwas enthüllt?“ Die Neugierde in Yppolitas Augen und Worten waren unverkennbar echt. | „Nun, warum sind wir hier? Hat Dir unser Bruder schon etwas enthüllt?“ Die Neugierde in Yppolitas Augen und Worten waren unverkennbar echt. | ||
„Er wird es Dir, liebe Schwester, mit Gewissheit sogleich selbst berichten. Nur so viel, der Glanz unserer Familia wird dadurch nicht unerheblich gemehrt.“ | „Er wird es Dir, liebe Schwester, mit Gewissheit sogleich selbst berichten. Nur so viel, der Glanz unserer Familia wird dadurch nicht unerheblich gemehrt.“ | ||
„Will Hochgeboren etwa neue Zuchthengste anschaffen? Der [[Valdemoro von Streitzig-Madjani|Kleine König]] hat ein paar sehr feine... ich habe sogar gehört, dass er ein paar verkaufen will... oder will er seine Stuten von den Hengsten [[Olenga El'Kargendes|seiner Schwiegermutter]] decken lassen?“ | „Will Hochgeboren etwa neue Zuchthengste anschaffen? Der [[Valdemoro von Streitzig-Madjani|Kleine König]] hat ein paar sehr feine... ich habe sogar gehört, dass er ein paar verkaufen will... oder will er seine Stuten von den Hengsten [[Olenga El'Kargendes|seiner Schwiegermutter]] decken lassen?“ | ||
Alrico blickte seine Schwester irritiert an: „Unser Bruder denkt nicht in derart primitiven Sphären... er hat Größeres vor.“ | Alrico blickte seine Schwester irritiert an: „Unser Bruder denkt nicht in derart primitiven Sphären... er hat Größeres vor.“ | ||
„Ah, nun verstehe ich: Er will endlich einen Koch in Diensten nehmen, der diesen Namen auch verdient...“, spottete die Caballera de Niverocca. | „Ah, nun verstehe ich: Er will endlich einen Koch in Diensten nehmen, der diesen Namen auch verdient...“, spottete die Caballera de Niverocca. | ||
Dom [[Alrico di Dalias y las Dardas]] blieb nur noch, verächtlich zu schnauben, und damit seine Missbilligung auszudrücken. Etliche Herzschläge lang blieben die beiden Geschwister neben einander im Kirsch-Cabinett sitzen, ohne sich anzublicken, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. | Dom [[Alrico di Dalias y las Dardas]] blieb nur noch, verächtlich zu schnauben, und damit seine Missbilligung auszudrücken. Etliche Herzschläge lang blieben die beiden Geschwister neben einander im Kirsch-Cabinett sitzen, ohne sich anzublicken, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. | ||
Plötzlich klopfte sich Dom Alrico schmunzelnd mit der rechten Handfläche auf den Schenkel – er konnte nicht mehr an sich halten, er wollte über seine ältere Schwester triumphieren: „Rate mal, Schwesterlein, wer das Rosen-Weingut hier vor den Toren und den Gasthof Zum Silbernern Theron bekommt?“ Dom Alrico klopfte sich auf die Brust und grinste breit. | Plötzlich klopfte sich Dom Alrico schmunzelnd mit der rechten Handfläche auf den Schenkel – er konnte nicht mehr an sich halten, er wollte über seine ältere Schwester triumphieren: „Rate mal, Schwesterlein, wer das Rosen-Weingut hier vor den Toren und den Gasthof Zum Silbernern Theron bekommt?“ Dom Alrico klopfte sich auf die Brust und grinste breit. | ||
Yppolitas Miene verfinsterte sich schlagartig. | Yppolitas Miene verfinsterte sich schlagartig. | ||
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Bei diesem heftigen Donnern ihres Bruders, der aufgesprungen war und wild gestikuliert hatte, war Yppolita ganz zusammen gesunken. Neben sich sah sie Alrico Honorio schelmisch grinsen und mit den Fingern auf den Tisch trommeln. Unter diesem Druck sanken ihr Mut und ihr Widerspruchswille dahin. „Also gut, also gut, Bruder“, knurrte die klein gewordene Yppolita, „Ihr sollt Eure 2.500 Dukaten erhalten. Ich will noch heute eine Taube nach [[Niverocca]] an meinen Secretario Pribaldo schicken: Morgen zur Praiosstunde wird das Geld hier sein... Dann könnt Ihr Euren Vertrag unterzeichnen und diesem ‚ehrenwerten Edelmann‘ das Geld geben, das er für einen sewerischen Grafentitel verlangt.“ Als Yppolita geendet hatte, erhob sich und verließ ohne ein weiteres Grußwort das Kirsch-Cabinett. | Bei diesem heftigen Donnern ihres Bruders, der aufgesprungen war und wild gestikuliert hatte, war Yppolita ganz zusammen gesunken. Neben sich sah sie Alrico Honorio schelmisch grinsen und mit den Fingern auf den Tisch trommeln. Unter diesem Druck sanken ihr Mut und ihr Widerspruchswille dahin. „Also gut, also gut, Bruder“, knurrte die klein gewordene Yppolita, „Ihr sollt Eure 2.500 Dukaten erhalten. Ich will noch heute eine Taube nach [[Niverocca]] an meinen Secretario Pribaldo schicken: Morgen zur Praiosstunde wird das Geld hier sein... Dann könnt Ihr Euren Vertrag unterzeichnen und diesem ‚ehrenwerten Edelmann‘ das Geld geben, das er für einen sewerischen Grafentitel verlangt.“ Als Yppolita geendet hatte, erhob sich und verließ ohne ein weiteres Grußwort das Kirsch-Cabinett. | ||
==Wer von Dieben stiehlt,...== | ==Wer von Dieben stiehlt,...== | ||
Tröstend und doch etwas unbeholfen tätschelte Caballera [[Caneya von Gurnabán]] mit den rauen und schwieligen Händen einer almadanischen [[Pferdejunker|Pferdejunkerin]] den Kopf ihrer Freundin. Caballera Yppolita war immer noch aufgebracht, wie ihr älterer Bruder und Soberan sie vor dem jungen Alrico und seinem Secretario behandelt hatte. Zwischen dem Schluchzen klagte sie über die brüderliche Unverfrorenheit und zischte Flüche auf ihre beiden Brüder. Beschwichtigend hielt Caneya ihre Waffenschwester in den Armen und redete ihr gut zu. | |||
Es klopfte. Unwillig bat Caneya den Besucher herein. Sie kniff ihre Augen zusammen und sandte dem Eindringling ein knappes Knurren: „Señor Tracodi, was will er hier?“ | Es klopfte. Unwillig bat Caneya den Besucher herein. Sie kniff ihre Augen zusammen und sandte dem Eindringling ein knappes Knurren: „Señor Tracodi, was will er hier?“ | ||
„Verzeiht, ich wollte nicht stören. Ich gedachte mit Domna Yppolita vertraulich unter vier Augen zu sprechen. Es ist ein wichtiges Anliegen, das keinen Aufschub duldet...“ | „Verzeiht, ich wollte nicht stören. Ich gedachte mit Domna Yppolita vertraulich unter vier Augen zu sprechen. Es ist ein wichtiges Anliegen, das keinen Aufschub duldet...“ | ||
„Geht es etwa um diese sewerische Grafschaft und den Credit?“, blaffte Caneya den Secretario an. | „Geht es etwa um diese sewerische Grafschaft und den Credit?“, blaffte Caneya den Secretario an. | ||
„Ja, genau darum geht es. Es wird nicht lange dauern...“ | „Ja, genau darum geht es. Es wird nicht lange dauern...“ | ||
„Ich wünsche“, schniefte Yppolita, „dass Caneya hier bleibt, wenn wir über diese Angelegenheit sprechen.“ Zur Bestätigung legte sie ihren schweren Arm um die Schulter der Freundin. | „Ich wünsche“, schniefte Yppolita, „dass Caneya hier bleibt, wenn wir über diese Angelegenheit sprechen.“ Zur Bestätigung legte sie ihren schweren Arm um die Schulter der Freundin. | ||
„Gut, wie Ihr wünscht.“ Quintiliano Tracodi wandte sich um, schloss und verriegelte die Tür sorgsam. Danach trat er an die beiden Caballeras heran und nahm unter Anzeigung seiner Ehrerbietung auf einem Stuhl Platz. | „Gut, wie Ihr wünscht.“ Quintiliano Tracodi wandte sich um, schloss und verriegelte die Tür sorgsam. Danach trat er an die beiden Caballeras heran und nahm unter Anzeigung seiner Ehrerbietung auf einem Stuhl Platz. | ||
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„Nun, Domna“, hüstelte Quintiliano etwas verlegen, „Euer Bruder und Soberan weiß... noch... nichts davon. Dom Alrico ebenfalls nicht. Weitere Beweise habe ich überdies auch nicht. Außerdem gedachte ich zuerst zu Euch zu kommen, immerhin sind die 2.500 Dukaten mehr oder weniger Euer Geld. Ich wollte zuerst Euren Willen vernehmen, ob Ihr womöglich Euren Bruder und Soberan – wie Ihr sagtet – unterrichten wollt. Ich...“ Unsicher begann der Secretario mit einem Kamm zu spielen, der vor ihm auf dem Tisch lag. Hatte er vielleicht Caballera Yppolita doch völlig falsch eingeschätzt? Er verfluchte sich, dass er diese Sache vor ihr im Beisein Caneyas eröffnet hatte. Eine solche Fehleinschätzung wäre seinem Onkel [[Alvaro Manticco]] nicht unterlaufen. | „Nun, Domna“, hüstelte Quintiliano etwas verlegen, „Euer Bruder und Soberan weiß... noch... nichts davon. Dom Alrico ebenfalls nicht. Weitere Beweise habe ich überdies auch nicht. Außerdem gedachte ich zuerst zu Euch zu kommen, immerhin sind die 2.500 Dukaten mehr oder weniger Euer Geld. Ich wollte zuerst Euren Willen vernehmen, ob Ihr womöglich Euren Bruder und Soberan – wie Ihr sagtet – unterrichten wollt. Ich...“ Unsicher begann der Secretario mit einem Kamm zu spielen, der vor ihm auf dem Tisch lag. Hatte er vielleicht Caballera Yppolita doch völlig falsch eingeschätzt? Er verfluchte sich, dass er diese Sache vor ihr im Beisein Caneyas eröffnet hatte. Eine solche Fehleinschätzung wäre seinem Onkel [[Alvaro Manticco]] nicht unterlaufen. | ||
Doch Caneya von Gurnabán schien den Secretario verstanden zu haben. „Wäre es nicht eine feine Gelegenheit, um Deinen Brüdern eine kleine 2.500 Dukaten schwere Lektion zu erteilen“, raunte sie ihrer Gefährtin zu. | Doch Caneya von Gurnabán schien den Secretario verstanden zu haben. „Wäre es nicht eine feine Gelegenheit, um Deinen Brüdern eine kleine 2.500 Dukaten schwere Lektion zu erteilen“, raunte sie ihrer Gefährtin zu. | ||
„Wie ich schon sagte“, der nun schelmisch grinsende Secretario zuckte mit den Schultern, „von mir muss Euer Bruder und Soberan nichts erfahren. Freilich geschieht nichts auf Deren für bloßen Alveranslohn.“ | „Wie ich schon sagte“, der nun schelmisch grinsende Secretario zuckte mit den Schultern, „von mir muss Euer Bruder und Soberan nichts erfahren. Freilich geschieht nichts auf Deren für bloßen Alveranslohn.“ | ||
„Ihr beide“, Yppolita blickte Caneya von Gurnabán und Quintiliano Tracodi erstaunt an, „ihr schlagt mir also vor, dass ich meinen Soberan betrüge... ja, ich denke, dass das richtige Wort ist. Ich soll ihn um 2.500 Dukaten betrügen...“ | „Ihr beide“, Yppolita blickte Caneya von Gurnabán und Quintiliano Tracodi erstaunt an, „ihr schlagt mir also vor, dass ich meinen Soberan betrüge... ja, ich denke, dass das richtige Wort ist. Ich soll ihn um 2.500 Dukaten betrügen...“ | ||
„Nun, Yppolita“, Caneya schüttelte ihr schönes Haupt, „Dein Bruder und Soberan schert sich auch nicht um seine Vereinbarungen mit Deiner Schwester [[Thesia di Dalias y las Dardas|Thesia]]. Das Rosen-Weingut und den Gasthof Zum Silbernern Theron sollte eigentlich sie bekommen, um Ihr den Eintritt in den Rahjaorden Ihrer Wahl zu ermöglichen. In Deinem Beisein hat er es Ihr hoch und heilig versprochen... und jetzt mehr für den guten Alrico.“ | „Nun, Yppolita“, Caneya schüttelte ihr schönes Haupt, „Dein Bruder und Soberan schert sich auch nicht um seine Vereinbarungen mit Deiner Schwester [[Thesia di Dalias y las Dardas|Thesia]]. Das Rosen-Weingut und den Gasthof Zum Silbernern Theron sollte eigentlich sie bekommen, um Ihr den Eintritt in den Rahjaorden Ihrer Wahl zu ermöglichen. In Deinem Beisein hat er es Ihr hoch und heilig versprochen... und jetzt mehr für den guten Alrico.“ | ||
„Wenn ich darf“, mischte sich Quintiliano Tracodi zaghaft flüsternd ein, „von einer freien Wahl für Eure Schwester Thesia ist nun auch nicht mehr die Rede. Sie soll nach [[Sherbeth]] geschickt werden. Euer Bruder ist sich mit Hochwürden [[Novara Valedepenya]] schon so gut wie einig. Nächsten Herbst wird sie nach Sherbeth gehen... Mein Wort darauf: Ich habe schließlich die Briefe Eures Bruders an Novara geschrieben“, log der Secretario. | „Wenn ich darf“, mischte sich Quintiliano Tracodi zaghaft flüsternd ein, „von einer freien Wahl für Eure Schwester Thesia ist nun auch nicht mehr die Rede. Sie soll nach [[Sherbeth]] geschickt werden. Euer Bruder ist sich mit Hochwürden [[Novara Valedepenya]] schon so gut wie einig. Nächsten Herbst wird sie nach Sherbeth gehen... Mein Wort darauf: Ich habe schließlich die Briefe Eures Bruders an Novara geschrieben“, log der Secretario. | ||
Die Wangen Yppolitas begannen zu glühen, als hätte sie Ohrfeigen erhalten. Ihre dichten, dicken Augenbrauen wölbten sich und ihr Blick verfinsterte sich. | Die Wangen Yppolitas begannen zu glühen, als hätte sie Ohrfeigen erhalten. Ihre dichten, dicken Augenbrauen wölbten sich und ihr Blick verfinsterte sich. | ||
„Dieser elende Hundsfott...“, zischte Yppolita alle Zurückhaltung vergessend, „das werde ich ihm nicht durchgehen lassen. Ich schicke meine Thesia doch nicht in dieses vermaledeite [[Familia von Rebenthal|Rebenthal]]-Nest. Die [[Familia Valedepenya|Valedepenya]] ist doch im Stande, sie zu vergiften oder als Geisel zu nehmen. Was fällt diesem Halbdackel ein?“ | „Dieser elende Hundsfott...“, zischte Yppolita alle Zurückhaltung vergessend, „das werde ich ihm nicht durchgehen lassen. Ich schicke meine Thesia doch nicht in dieses vermaledeite [[Familia von Rebenthal|Rebenthal]]-Nest. Die [[Familia Valedepenya|Valedepenya]] ist doch im Stande, sie zu vergiften oder als Geisel zu nehmen. Was fällt diesem Halbdackel ein?“ | ||
„Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte“, Quintiliano Tracodi strich sich über seinen Bart, „gebt Eurem Bruder diesen erbetenen Credit und zwar zinslos – dies dürfte hier das Zauberwort sein – freilich nur unter der Bedingung, dass er den Anspruch Eurer Schwester auf das Weingut und den Gasthof erneut und zwar dieses Mal schriftlich confirmiert. Ebenso die freie Wahl Eurer Schwester für ein Stift oder einen Orden oder Göttinhaus Ihrer Wahl. Wenn Ihr wollt, werde ich Eurem Bruder diese Eure Conditionen unterbreiten. Und den Spitzbuben bieten wir ein Geschäft an, dass diese unmöglich ablehnen können: Vier Fünftel des Geldes für uns, oh verzeiht, für Euch, und sie selbst dürfen mit einem Fünftel von dannen ziehen. Fünf hundert Dukaten und geschenkte Leben – eigentlich ein sehr großzügiger Vorschlag. Das schönste dabei ist, dass Ihr Euren Einsatz fast verdoppelt...“ | „Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte“, Quintiliano Tracodi strich sich über seinen Bart, „gebt Eurem Bruder diesen erbetenen Credit und zwar zinslos – dies dürfte hier das Zauberwort sein – freilich nur unter der Bedingung, dass er den Anspruch Eurer Schwester auf das Weingut und den Gasthof erneut und zwar dieses Mal schriftlich confirmiert. Ebenso die freie Wahl Eurer Schwester für ein Stift oder einen Orden oder Göttinhaus Ihrer Wahl. Wenn Ihr wollt, werde ich Eurem Bruder diese Eure Conditionen unterbreiten. Und den Spitzbuben bieten wir ein Geschäft an, dass diese unmöglich ablehnen können: Vier Fünftel des Geldes für uns, oh verzeiht, für Euch, und sie selbst dürfen mit einem Fünftel von dannen ziehen. Fünf hundert Dukaten und geschenkte Leben – eigentlich ein sehr großzügiger Vorschlag. Das schönste dabei ist, dass Ihr Euren Einsatz fast verdoppelt...“ | ||
Zustimmend nickte sie zu Tracodis Vorschlag; Rache war in der Tat süßer als Punipan. | Zustimmend nickte sie zu Tracodis Vorschlag; Rache war in der Tat süßer als Punipan. | ||
Ein heftiges Pochen schreckte Herr und Diener aus dem Schlaf. Fürst Firnislas fuhr hoch. Sein sewerischer Lakai Kolja legte instinktiv seine Schwerthand auf den Griff seines Dolches. Es war lange nach Mitternacht. Dunkle Wolkenzungen fuhren leckend über die totenblasse Madascheibe. Das fahle Licht des Madamals erhellte das Gemach kaum. Im herrschaftlichen Bett setzte sich Fürst Firnislas auf und wischte sich den Schweiß dieser schwülen und unglückseligen Nacht von der Stirn. | Ein heftiges Pochen schreckte Herr und Diener aus dem Schlaf. Fürst Firnislas fuhr hoch. Sein sewerischer Lakai Kolja legte instinktiv seine Schwerthand auf den Griff seines Dolches. Es war lange nach Mitternacht. Dunkle Wolkenzungen fuhren leckend über die totenblasse Madascheibe. Das fahle Licht des Madamals erhellte das Gemach kaum. Im herrschaftlichen Bett setzte sich Fürst Firnislas auf und wischte sich den Schweiß dieser schwülen und unglückseligen Nacht von der Stirn. | ||
Erneut polterte es an der Tür. „Durchlaucht, bitte lasst öffnen!“, war die zaghafte Stimme der Dienerin Alisea zu vernehmen. | Erneut polterte es an der Tür. „Durchlaucht, bitte lasst öffnen!“, war die zaghafte Stimme der Dienerin Alisea zu vernehmen. | ||
Kurz tauschten Firnislas und sein Lakai Kolja Blicke. Den Dolch in den Falten des weiten Hemdes verborgen schritt der Diener zur Tür und entriegelte sie. | Kurz tauschten Firnislas und sein Lakai Kolja Blicke. Den Dolch in den Falten des weiten Hemdes verborgen schritt der Diener zur Tür und entriegelte sie. | ||
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„Durchlaucht, Fürst Firnislas“, die Stimme Caneyas klang schneidend wie feinster Stahl, „wir sind hier, um Euch ein unwiderstehliches Angebot zu machen. Wir wissen, wer Ihr seid, oder besser, wer Ihr nicht seid...“ | „Durchlaucht, Fürst Firnislas“, die Stimme Caneyas klang schneidend wie feinster Stahl, „wir sind hier, um Euch ein unwiderstehliches Angebot zu machen. Wir wissen, wer Ihr seid, oder besser, wer Ihr nicht seid...“ | ||
Fürst Firnislas schüttelte sein Haupt. Er war kreidebleich geworden. „Nun, wer soll ich sein, wenn nicht Firnislas Bornsky | |||
Fürst Firnislas schüttelte sein Haupt. Er war kreidebleich geworden. „Nun, wer soll ich sein, wenn nicht Firnislas Bornsky? Dies ist der Name, den mir meine Mutter gab... Ich schwöre, bei allen Göttern, dass ich ein sewerischer Magnat bin. Nicht mehr, aber ganz gewiss auch nicht weniger!“ Am Ende seiner Worte hatte die Stimme des Fürsten etwas an Festigkeit und Kraft gewonnen. | |||
„Dies ist ein Bruch von Travias heiligem Gastrecht. Des Nachts hier einzudringen und uns zu bedrohen“, zischte der sich einmischende Lakai Kolja. | „Dies ist ein Bruch von Travias heiligem Gastrecht. Des Nachts hier einzudringen und uns zu bedrohen“, zischte der sich einmischende Lakai Kolja. | ||
„Ihr seid die, die sich an Travia versündigt haben“, herrschte Yppolita die beiden mit lauter Stimme an, „wir haben Beweise, dass Ihr Halunken und Betrüger seid, nicht weniger, aber gewiss auch nicht mehr. Hochstapler, die hofften, schnelles Geld auf Kosten von ehrenhaften Standespersonen zu machen...“ | „Ihr seid die, die sich an Travia versündigt haben“, herrschte Yppolita die beiden mit lauter Stimme an, „wir haben Beweise, dass Ihr Halunken und Betrüger seid, nicht weniger, aber gewiss auch nicht mehr. Hochstapler, die hofften, schnelles Geld auf Kosten von ehrenhaften Standespersonen zu machen...“ | ||
„Wo ist denn Seine Hochgeboren der Baron? Warum kommt Ihr nur zu zweit, wenn Ihr doch ach so erdrückend schwere Beweise habt? Ich habe genug von dieser Eurer Posse und Euren Beleidigungen!“ Der Fürst war aufgestanden und stampfte mit dem Fuß auf. Wütend funkelten seine Augen. Er hatte seine Rolle wiedergefunden. | „Wo ist denn Seine Hochgeboren der Baron? Warum kommt Ihr nur zu zweit, wenn Ihr doch ach so erdrückend schwere Beweise habt? Ich habe genug von dieser Eurer Posse und Euren Beleidigungen!“ Der Fürst war aufgestanden und stampfte mit dem Fuß auf. Wütend funkelten seine Augen. Er hatte seine Rolle wiedergefunden. | ||
Yppolita begann zu lachen. „Also gut, lieber Fürst. Wir rufen meinen Bruder und Euer Spiel wird aufgedeckt. Aber seid Euch dessen gewiss, dann wird Euer Kadaver baumeln bis der Strick modrig und Eure Knochen bleich geworden sind... oder Ihr hört Euch unser Angebot an.“ | Yppolita begann zu lachen. „Also gut, lieber Fürst. Wir rufen meinen Bruder und Euer Spiel wird aufgedeckt. Aber seid Euch dessen gewiss, dann wird Euer Kadaver baumeln bis der Strick modrig und Eure Knochen bleich geworden sind... oder Ihr hört Euch unser Angebot an.“ | ||
„Mein Spiel? Mein Spiel?“, höhnte Firnislas mit leicht schrillender Stimme, „ich bin Firnislas Bornsky. Und ich erwarte, dass Hochgeboren Ranudo gerufen wird. Augenblicklich!“ Entschlossen schritt Fürst Bornsky auf die Tür zu. Niemand hielt ihn auf. Als er seine Hand auf den Türknauf legte, hielt er inne. Fürst Firnislas zögerte. Er zögerte einen Augenblick zu lange. | „Mein Spiel? Mein Spiel?“, höhnte Firnislas mit leicht schrillender Stimme, „ich bin Firnislas Bornsky. Und ich erwarte, dass Hochgeboren Ranudo gerufen wird. Augenblicklich!“ Entschlossen schritt Fürst Bornsky auf die Tür zu. Niemand hielt ihn auf. Als er seine Hand auf den Türknauf legte, hielt er inne. Fürst Firnislas zögerte. Er zögerte einen Augenblick zu lange. | ||
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Schritte näherten sich. Die Türe wurde geöffnet. Caballero Alrico di Dalias y las Dardas, ein Waffenknecht und zwei livrierte Lakaien traten ein. Musternd ließ Alrico seinen Blick über die Anwesenden wandern. | Schritte näherten sich. Die Türe wurde geöffnet. Caballero Alrico di Dalias y las Dardas, ein Waffenknecht und zwei livrierte Lakaien traten ein. Musternd ließ Alrico seinen Blick über die Anwesenden wandern. | ||
„Es kam tumultartiges Geschrei aus diesem Gemach! Ist denn alles in Ordnung, Durchlaucht?“, bellte der sichtlich müde Caballero die vier Personen an. | „Es kam tumultartiges Geschrei aus diesem Gemach! Ist denn alles in Ordnung, Durchlaucht?“, bellte der sichtlich müde Caballero die vier Personen an. | ||
„Ja, es... es ist a...alles in b... bester Ordnung“, stotterte Fürst Firnislas. | „Ja, es... es ist a...alles in b... bester Ordnung“, stotterte Fürst Firnislas. | ||
„Haben wir denn ein Einverständnis erzielt, Durchlaucht?“, raunte Caneya von Gurnabán dem Fürsten zu. | „Haben wir denn ein Einverständnis erzielt, Durchlaucht?“, raunte Caneya von Gurnabán dem Fürsten zu. | ||
„Ja, sicher“, antwortete Kolja der Lakai statt dessen schnell, „ja, sicher. Im Namen meines Herrn und Fürsten. So wollen wir es halten.“ | „Ja, sicher“, antwortete Kolja der Lakai statt dessen schnell, „ja, sicher. Im Namen meines Herrn und Fürsten. So wollen wir es halten.“ | ||
„Was halten? Was ist hier los?“, knurrte Caballero Alrico unwirsch. | „Was halten? Was ist hier los?“, knurrte Caballero Alrico unwirsch. | ||
„Wir haben nur eine kleine Partie Boltan gespielt... mit almadanischen Regeln, versteht sich, Bruderherz“, breit grinsend trat Yppolita auf ihren kleinen Bruder zu und legte ihre Hand auf seine Schulter, „und am Ende kamen wir nun überein, dass Caneya und mir die Ehre zu teil wird, bei der Abreise Seiner Durchlaucht das Geleit bis [[Sherbeth]] zu geben... Gute Nacht, Euer Durchlaucht!“ | „Wir haben nur eine kleine Partie Boltan gespielt... mit almadanischen Regeln, versteht sich, Bruderherz“, breit grinsend trat Yppolita auf ihren kleinen Bruder zu und legte ihre Hand auf seine Schulter, „und am Ende kamen wir nun überein, dass Caneya und mir die Ehre zu teil wird, bei der Abreise Seiner Durchlaucht das Geleit bis [[Sherbeth]] zu geben... Gute Nacht, Euer Durchlaucht!“ | ||
==Unter Brüdern== | ==Unter Brüdern== | ||
Am Mittag des zweiten Tags des Namenlosen erreichten Sten Helmdahli, ein hagerer Thorwaler Mercenario mit verhärmten Gesichtszügen, der weder Tod noch Dämonensultan fürchtete, und drei alte kriegs- und fehdeerprobte Waffenknechte Yppolitas, die schon für [[Gualdo di Dalias y Gurnabán|Dom Gualdo]] gekämpft, geblutet und gemordet hatten, im gestreckten Galopp bei strömendem Regen die Landstadt Ratzingen. Mit sich brachten sie aus Niverocca 2.500 Golddukaten in klingender Münze. | Am Mittag des zweiten Tags des Namenlosen erreichten Sten Helmdahli, ein hagerer Thorwaler Mercenario mit verhärmten Gesichtszügen, der weder Tod noch Dämonensultan fürchtete, und drei alte kriegs- und fehdeerprobte Waffenknechte Yppolitas, die schon für [[Gualdo di Dalias y Gurnabán|Dom Gualdo]] gekämpft, geblutet und gemordet hatten, im gestreckten Galopp bei strömendem Regen die Landstadt Ratzingen. Mit sich brachten sie aus Niverocca 2.500 Golddukaten in klingender Münze. | ||
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„Mein lieber gnädiger Vetter, verzeiht, dass ich Euch einfach so unangekündigt störe.“ Mit diesen Worten schob sich Fürst Firnislas in die Bibliothek. Graf und Baron Ranudo legte den dicken, staubgesättigten Band, in den er vertieft war, beiseite. | „Mein lieber gnädiger Vetter, verzeiht, dass ich Euch einfach so unangekündigt störe.“ Mit diesen Worten schob sich Fürst Firnislas in die Bibliothek. Graf und Baron Ranudo legte den dicken, staubgesättigten Band, in den er vertieft war, beiseite. | ||
Mit einem fragenden Lächeln blickte er zum Fürsten auf. „Was ist geschehen, Euer Durchlaucht? Ihr wirkt so betrübt – wenn ich mir erlauben darf, dies anzumerken? – Bitte nehmt doch Platz, durchlauchter Vetter!“ | Mit einem fragenden Lächeln blickte er zum Fürsten auf. „Was ist geschehen, Euer Durchlaucht? Ihr wirkt so betrübt – wenn ich mir erlauben darf, dies anzumerken? – Bitte nehmt doch Platz, durchlauchter Vetter!“ | ||
Mit einem leicht gedankenverlorenen Kopfnicken nahm Fürst Firnislas im ihm zugewiesenen Sessel Platz. Seine Gesichtszüge wirkten farblos und angespannt. Dunkle Ringe unter seinen Augen kündigten von seiner Erschöpfung. | Mit einem leicht gedankenverlorenen Kopfnicken nahm Fürst Firnislas im ihm zugewiesenen Sessel Platz. Seine Gesichtszüge wirkten farblos und angespannt. Dunkle Ringe unter seinen Augen kündigten von seiner Erschöpfung. | ||
„Lieber Vetter, viel zu lange schon habe ich Eure mich sprachlos machende und überwältigende Gastfreundschaft genossen. Länger will ich Euch nicht mit meiner Gastung beschweren. Überdies zwingt mich mein Pilgerschwur zum raschen Weiterziehen, da ich schon zu lange an diesem Ort gedräut habe. Noch immer ist das Theater von Arivor mein Ziel und vorher will und kann ich nicht länger als notwendig bleiben. Ich gedenke morgen früh abzureisen. Bitte verzeiht mir meine ungebührliche Art, Euch dies mitzuteilen. Ich hoffe, Ihr mögt meine mir von meinem Herzen und meiner Götterfurcht diktierte Eile zu meinem Besten deuten.“ | „Lieber Vetter, viel zu lange schon habe ich Eure mich sprachlos machende und überwältigende Gastfreundschaft genossen. Länger will ich Euch nicht mit meiner Gastung beschweren. Überdies zwingt mich mein Pilgerschwur zum raschen Weiterziehen, da ich schon zu lange an diesem Ort gedräut habe. Noch immer ist das Theater von Arivor mein Ziel und vorher will und kann ich nicht länger als notwendig bleiben. Ich gedenke morgen früh abzureisen. Bitte verzeiht mir meine ungebührliche Art, Euch dies mitzuteilen. Ich hoffe, Ihr mögt meine mir von meinem Herzen und meiner Götterfurcht diktierte Eile zu meinem Besten deuten.“ | ||
„Guter, bester, teuerster Dom Cousin“, ergriff der tief berührte Dom Ranudo das Wort, „ungern lasse ich Euch ziehen, da ich Eure Gegenwart und die anregenden Gespräche mit Euch vermissen werde – dies zum Einen. Zum Anderen aber will ich Euch aber auch segnen und Euch eine gute und fährnislose Reise zu Eurem Pilgerziel wünschen. Ich hoffe, dass Ihr unter der Domna Rondra Segen Arivor gut erreicht und Ihr Euren Schwur dort erfüllen mögt.“ | „Guter, bester, teuerster Dom Cousin“, ergriff der tief berührte Dom Ranudo das Wort, „ungern lasse ich Euch ziehen, da ich Eure Gegenwart und die anregenden Gespräche mit Euch vermissen werde – dies zum Einen. Zum Anderen aber will ich Euch aber auch segnen und Euch eine gute und fährnislose Reise zu Eurem Pilgerziel wünschen. Ich hoffe, dass Ihr unter der Domna Rondra Segen Arivor gut erreicht und Ihr Euren Schwur dort erfüllen mögt.“ | ||
„Liebster Herr Vetter“, gab nun Firnislas seine Widerrede, „Eure Worte geben Euch als den Ehrenmann zu erkennen, der Ihr seid. Ihr seid wahrhaft eine Zierde Almadas. Almada kann sich glücklich schätzen, einen [[Magnat|Magnaten]] von Eurer Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit ihr Landeskind nennen zu dürfen. Darf ich Euch bitten, dass Ihr mir fürderhin erlauben wollt, Euch für einen Bruder anreden und halten zu dürfen?“ | „Liebster Herr Vetter“, gab nun Firnislas seine Widerrede, „Eure Worte geben Euch als den Ehrenmann zu erkennen, der Ihr seid. Ihr seid wahrhaft eine Zierde Almadas. Almada kann sich glücklich schätzen, einen [[Magnat|Magnaten]] von Eurer Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit ihr Landeskind nennen zu dürfen. Darf ich Euch bitten, dass Ihr mir fürderhin erlauben wollt, Euch für einen Bruder anreden und halten zu dürfen?“ | ||
„Aber, lieber Dom“, Tränen waren in Ranudos Augen gestiegen, „wir waren doch bereits Brüder als wir uns trafen. Gerne, nur zu gerne, will ich in Euch meinen Bruder haben. Welch Ehre für mich und meine ganze Familia, mein lieber Bruder... Um so mehr schmerzt es mich freilich, dass ich nicht berichten kann, dass meine Creatur Manticco seine Aufgabe erfüllen konnte: Weder die Räuber, noch die Euch gestohlene Habe konnte er wiederfinden.“ | „Aber, lieber Dom“, Tränen waren in Ranudos Augen gestiegen, „wir waren doch bereits Brüder als wir uns trafen. Gerne, nur zu gerne, will ich in Euch meinen Bruder haben. Welch Ehre für mich und meine ganze Familia, mein lieber Bruder... Um so mehr schmerzt es mich freilich, dass ich nicht berichten kann, dass meine Creatur Manticco seine Aufgabe erfüllen konnte: Weder die Räuber, noch die Euch gestohlene Habe konnte er wiederfinden.“ | ||
Versöhnlich lächelnd vollführte Fürst Firnislas eine wegwischende Geste. „Ach, mein lieber Bruder. Ich gelobe, meine Rückreise über Ratzingen stellen zu wollen. Womöglich sind meine Habseligkeiten bis dahin wieder aufgetaucht oder ich werde mich selbst auf die Suche begeben. Mein Pilgerschwur duldet aber – wie bereits gesagt – keinen Aufschub, auch wenn mich so vieles an diesen Ort bindet. Doch um einen Gefallen will ich Euch bitten, ehe wir scheiden.“ | Versöhnlich lächelnd vollführte Fürst Firnislas eine wegwischende Geste. „Ach, mein lieber Bruder. Ich gelobe, meine Rückreise über Ratzingen stellen zu wollen. Womöglich sind meine Habseligkeiten bis dahin wieder aufgetaucht oder ich werde mich selbst auf die Suche begeben. Mein Pilgerschwur duldet aber – wie bereits gesagt – keinen Aufschub, auch wenn mich so vieles an diesen Ort bindet. Doch um einen Gefallen will ich Euch bitten, ehe wir scheiden.“ | ||
„Jeden, mein Bruder, jeden!“, brach es aus Baron Ranudo ohne weiteres hervor. | „Jeden, mein Bruder, jeden!“, brach es aus Baron Ranudo ohne weiteres hervor. | ||
„Ich hoffe, Ihr legt es mir nicht als übergroße Dreistigkeit aus, aber dürfte ich Euch gnädigst um einen Credit ersuchen. Die 2.500 Dukaten will ich ungeschmälert bei einem bornländischen Bancier in Kuslik einzahlen, damit in der Frage der Ablösung der Grafschaft Dawosny alles seine Richtigkeit hat... Aber bei dem Überfall wurde ich auch großer Teile meiner Barschaft beraubt. Nun ist das Reisen durch das Königreich Yaquiria nicht gerade günstig. Könnten Euer Hochgeboren, mein guter Bruder, mir doch den geringen Betrag von 300 Golddukaten horasischer Prägung als Credit geben? Zu einem Zinssatz von zehn Prozent, versteht sich.“ | „Ich hoffe, Ihr legt es mir nicht als übergroße Dreistigkeit aus, aber dürfte ich Euch gnädigst um einen Credit ersuchen. Die 2.500 Dukaten will ich ungeschmälert bei einem bornländischen Bancier in Kuslik einzahlen, damit in der Frage der Ablösung der Grafschaft Dawosny alles seine Richtigkeit hat... Aber bei dem Überfall wurde ich auch großer Teile meiner Barschaft beraubt. Nun ist das Reisen durch das Königreich Yaquiria nicht gerade günstig. Könnten Euer Hochgeboren, mein guter Bruder, mir doch den geringen Betrag von 300 Golddukaten horasischer Prägung als Credit geben? Zu einem Zinssatz von zehn Prozent, versteht sich.“ | ||
Der Gefallen erschien Dom Ranudo zunächst doch in Erstaunen zu versetzen. Derartige Geldgeschäfte schienen ihm missliebig zu sein. Schweigend saßen sich die beiden Brüder gegenüber. Schließlich begann Dom Ranudo eifrig zu nicken: „Keine Rede, mein teuerster Bruder. Ich werde Fürsorge tragen, dass das Geld morgen zur Morgenstunde für Eure Abreise bereit ist... und zu einem Zinssatz von fünf Prozent versteht sich.“ Zufrieden lächelnd lehnte sich Dom Ranudo zurück. | Der Gefallen erschien Dom Ranudo zunächst doch in Erstaunen zu versetzen. Derartige Geldgeschäfte schienen ihm missliebig zu sein. Schweigend saßen sich die beiden Brüder gegenüber. Schließlich begann Dom Ranudo eifrig zu nicken: „Keine Rede, mein teuerster Bruder. Ich werde Fürsorge tragen, dass das Geld morgen zur Morgenstunde für Eure Abreise bereit ist... und zu einem Zinssatz von fünf Prozent versteht sich.“ Zufrieden lächelnd lehnte sich Dom Ranudo zurück. | ||
==Ein letztes Boronsstündchen== | ==Ein letztes Boronsstündchen== | ||
Der dritte Tag des Namenlosen brach an. Praios sandte rosenrote Strahlen über das sich langsam erhellende Firmament. Nur die Blätter und Blüten, die in den zahlreichen Pfützen trieben, zeugten noch vom schweren Unwetter der letzten Nacht. Im Innenhof des [[Palacio Ippolito]] standen dreizehn Rösser bereit. [[Yppolita di Dalias y las Dardas]], [[Caneya von Gurnabán]] und [[Quintiliano Tracodi]] sowie [[Tsaya de Quentulán]], welche ihrem Lehensherrn die benötigten 300 horasischen Golddukaten für den Credit an Fürst Firnislas gebracht hatte, saßen bereits in ihren Sätteln und warteten. Sie sollten Fürst Firnislas bis [[Sherbeth]] Geleit geben. Dazu sollten sie von fünf Waffenknechten – allesamt Yppolitas und Tsayas handverlesene Gefolgsleute – begleitet werden. | |||
Eine geschlagene Viertelstunde dauerte es, ehe Fürst Firnislas und Graf Ranudo sich derart ausgiebig verabschiedet hatten, dass sich tatsächlich trennen mochten. Als dieses große Werk vollbracht war, saßen Fürst Firnislas und sein Lakai Kolja auf. Mit zwei Packpferden und unter Geleit von neun bewaffneten Reitern verließen sie den Palacio Ippolito und schließlich auch die Landstadt Ratzingen, um auf der fast menschenleeren Weinstraße in Richtung Sonnenuntergang zu reiten. | Eine geschlagene Viertelstunde dauerte es, ehe Fürst Firnislas und Graf Ranudo sich derart ausgiebig verabschiedet hatten, dass sich tatsächlich trennen mochten. Als dieses große Werk vollbracht war, saßen Fürst Firnislas und sein Lakai Kolja auf. Mit zwei Packpferden und unter Geleit von neun bewaffneten Reitern verließen sie den Palacio Ippolito und schließlich auch die Landstadt Ratzingen, um auf der fast menschenleeren Weinstraße in Richtung Sonnenuntergang zu reiten. | ||
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Am späten Abend erreichten die Reiter [[Sherbeth]]. Auf einem Hügelrücken lag der Gräfliche Markt eingebettet in Blumenwiesen und Obstplantagen. Verheißungsvoll wie der sich lustvoll räckelnde Khabla lag das kleine Städtchen dar, verhieß Schatten, Kühle und erfrischende Getränke. Von der Mitte des Ortes ragte der beachtliche Turm des Rahjatempels steil in den Himmel, der von Westen her kommend von einer düster-schwarzen Wolkenmasse bedeckt wurde. Das Gleißen der Praiosscheibe war nicht mehr zu sehen – das Licht war von der schwarzen Düsternis verschluckt worden. Mit ausgestrecktem Arm wies Caneya auf das [[Castillo Rebenthal]], dessen rissige russgeschwärzte Ruinen sich dräuend über das Land erhoben. | Am späten Abend erreichten die Reiter [[Sherbeth]]. Auf einem Hügelrücken lag der Gräfliche Markt eingebettet in Blumenwiesen und Obstplantagen. Verheißungsvoll wie der sich lustvoll räckelnde Khabla lag das kleine Städtchen dar, verhieß Schatten, Kühle und erfrischende Getränke. Von der Mitte des Ortes ragte der beachtliche Turm des Rahjatempels steil in den Himmel, der von Westen her kommend von einer düster-schwarzen Wolkenmasse bedeckt wurde. Das Gleißen der Praiosscheibe war nicht mehr zu sehen – das Licht war von der schwarzen Düsternis verschluckt worden. Mit ausgestrecktem Arm wies Caneya auf das [[Castillo Rebenthal]], dessen rissige russgeschwärzte Ruinen sich dräuend über das Land erhoben. | ||
„Von dort oben hat man einen formidablen Blick über den [[Grillenbusch]]. Den Grillenbusch im Frühsommer muss man einmal im Leben gesehen haben!“, rief Caneya ihrer Gefährtin Yppolita und Fürst Firnislas zu. Aus der Ferne war ein dunkles Grollen wie aus dem Schlund eines hungrigen Tieres zu hören. | „Von dort oben hat man einen formidablen Blick über den [[Grillenbusch]]. Den Grillenbusch im Frühsommer muss man einmal im Leben gesehen haben!“, rief Caneya ihrer Gefährtin Yppolita und Fürst Firnislas zu. Aus der Ferne war ein dunkles Grollen wie aus dem Schlund eines hungrigen Tieres zu hören. | ||
„Domna Tsaya, Quintiliano, Sten, Ihr begleitet uns – Lupe reite Du mit den anderen schon einmal nach Sherbeth und seht Euch nach einem Gasthof um!“, befahl Yppolita der Reiterschar. Die Gruppe trennte sich. | „Domna Tsaya, Quintiliano, Sten, Ihr begleitet uns – Lupe reite Du mit den anderen schon einmal nach Sherbeth und seht Euch nach einem Gasthof um!“, befahl Yppolita der Reiterschar. Die Gruppe trennte sich. | ||
Staub wirbelte auf. Die Reiter trieben ihre Rösser den sich windenden Pfad zum Castillo hinauf. Frischer Wind kam auf und trieb den Reitern Sand und Staub ins Gesicht. Das Grollen aus den Wolken wuchs näher heran. Die Wolkentürme im Himmel erinnerten an Ungeheuer, die auf Beute lauerten. Der Schweiß im Gesicht vermischte sich mit dem Staub zu einer klebrigen Masse. Trabend erreichten die Pferde die Vorburg. Schmierig lag der Russ auf allen Mauerstümpfen und den Türmen, die wie abgebrochene Zähne aus dem Kiefer eines Riesen ragten. Sten wurde mit den Pferden am Portal zurückgelassen. Hier fand sich ein Unterstand für die Pferde. Zuschauer und Zeugen waren von beiden Parteien nicht erwünscht. Zu Fuß mit prallen Satteltaschen schritten die Yppolita und Firnislas, Caneya und Tsaya, Tracodi und Kolja in die Hauptburg. | Staub wirbelte auf. Die Reiter trieben ihre Rösser den sich windenden Pfad zum Castillo hinauf. Frischer Wind kam auf und trieb den Reitern Sand und Staub ins Gesicht. Das Grollen aus den Wolken wuchs näher heran. Die Wolkentürme im Himmel erinnerten an Ungeheuer, die auf Beute lauerten. Der Schweiß im Gesicht vermischte sich mit dem Staub zu einer klebrigen Masse. Trabend erreichten die Pferde die Vorburg. Schmierig lag der Russ auf allen Mauerstümpfen und den Türmen, die wie abgebrochene Zähne aus dem Kiefer eines Riesen ragten. Sten wurde mit den Pferden am Portal zurückgelassen. Hier fand sich ein Unterstand für die Pferde. Zuschauer und Zeugen waren von beiden Parteien nicht erwünscht. Zu Fuß mit prallen Satteltaschen schritten die Yppolita und Firnislas, Caneya und Tsaya, Tracodi und Kolja in die Hauptburg. | ||
„250 Dukaten für mich, 250 Dukaten für Gerbald – zusätzlich zweimal 50 Dukaten für uns beide... das macht... das macht 600 Dukaten insgesamt“, rechnete Hagen den Anteil der Bornländer vor. | „250 Dukaten für mich, 250 Dukaten für Gerbald – zusätzlich zweimal 50 Dukaten für uns beide... das macht... das macht 600 Dukaten insgesamt“, rechnete Hagen den Anteil der Bornländer vor. | ||
„Wie ich auch rechnen mag; ich komme nur auf 560 Dukaten“, grinste Caneya böse. Der Wind zerrte an ihrem [[Caldabreser]], den sie mich der linken Hand fest auf ihren Kopf presste. | „Wie ich auch rechnen mag; ich komme nur auf 560 Dukaten“, grinste Caneya böse. Der Wind zerrte an ihrem [[Caldabreser]], den sie mich der linken Hand fest auf ihren Kopf presste. | ||
„560? Wie kommt Ihr denn darauf?... Domna?“ | „560? Wie kommt Ihr denn darauf?... Domna?“ | ||
„Ein Zehntel für Hagen und... ein Zehntel für Gerbald – also zwei Zehntel von 2.800 Dukaten – so rechne ich. Was meint Ihr, Domna Yppolita, Señor Tracodi – Ihr seid doch der schlaueste Kopf von uns allen.“ | „Ein Zehntel für Hagen und... ein Zehntel für Gerbald – also zwei Zehntel von 2.800 Dukaten – so rechne ich. Was meint Ihr, Domna Yppolita, Señor Tracodi – Ihr seid doch der schlaueste Kopf von uns allen.“ | ||
„Das sehe ich auch so wie Ihr, Domna Caneya – eine vorbildliche Rechnung, die Ihr hier aufgemacht habt“, beschied Quintiliano Tracodi knapp. | „Das sehe ich auch so wie Ihr, Domna Caneya – eine vorbildliche Rechnung, die Ihr hier aufgemacht habt“, beschied Quintiliano Tracodi knapp. | ||
Der heftiger werdende Wind wehte Gerbalds Flüche weit über den Grillenbusch hinaus. | Der heftiger werdende Wind wehte Gerbalds Flüche weit über den Grillenbusch hinaus. | ||
„Das könnt Ihr so nicht rechnen... es geht um die 2.500 Dukaten. Die 300 sind unser ehrliches Zubrot – zumindest nicht ehrlicher oder unehrlicher als... als Eure Betrügereien“, erwiderte Hagen mit zornig funkelnden Augen. | „Das könnt Ihr so nicht rechnen... es geht um die 2.500 Dukaten. Die 300 sind unser ehrliches Zubrot – zumindest nicht ehrlicher oder unehrlicher als... als Eure Betrügereien“, erwiderte Hagen mit zornig funkelnden Augen. | ||
„Was heißt hier Betrügereien? Du bist der Halunke und Betrüger – nicht wir“, gab Yppolita knapp zurück. | „Was heißt hier Betrügereien? Du bist der Halunke und Betrüger – nicht wir“, gab Yppolita knapp zurück. | ||
„Die 300 Dukaten Credit gehen nicht in die Rechnung ein. Anonsten 560 Dukaten meinethalben – um die 40 Dukaten wollen wir nicht streiten. Aber die 300 sind nicht Teil der Vereinbarung“, schrie Hagen gegen den Wind. | |||
„Die 300 Dukaten Credit gehen nicht in die Rechnung ein. Anonsten 560 Dukaten meinethalben – um die 40 Dukaten wollen wir nicht streiten. | |||
Aber die 300 sind nicht Teil der Vereinbarung“, schrie Hagen gegen den Wind. | |||
„Die 300 Golddukaten gehören zu der Summe Eurer Geschäfte in Ratzingen... wir bekommen von allem vier Fünftel“, lauernd beugte sich Yppolita nach vorne, „für die 300 gilt dasselbe wie für die 2.500 Dukaten.“ | „Die 300 Golddukaten gehören zu der Summe Eurer Geschäfte in Ratzingen... wir bekommen von allem vier Fünftel“, lauernd beugte sich Yppolita nach vorne, „für die 300 gilt dasselbe wie für die 2.500 Dukaten.“ | ||
„Nein, unser Geschäft, unsere Abrede bezog sich nur... nur... ich wiederhole: nur und ausschließlich auf die 2.500 Dukaten. Nicht auf die zusätzlichen 300 Dukaten – die haben mit dem Ganzen nichts zu tun. Von irgendetwas müssen wir ja leben. Außerdem ist Euer Schnitt wahrlich nicht zu verachten, dafür dass wir die Arbeit gemacht und das Risiko getragen haben.“ Bekräftigend nickte Gerbald zu Hagens Vortrag. | „Nein, unser Geschäft, unsere Abrede bezog sich nur... nur... ich wiederhole: nur und ausschließlich auf die 2.500 Dukaten. Nicht auf die zusätzlichen 300 Dukaten – die haben mit dem Ganzen nichts zu tun. Von irgendetwas müssen wir ja leben. Außerdem ist Euer Schnitt wahrlich nicht zu verachten, dafür dass wir die Arbeit gemacht und das Risiko getragen haben.“ Bekräftigend nickte Gerbald zu Hagens Vortrag. | ||
„Ihr beiden Galgenvögel glaubt doch nicht allen Ernstes, dass wir Euch mit... mit 800 oder 900 Dukaten von hier verschwinden lassen. Euer Anteil liegt bei 560 Dukaten – und bei keinem Heller oder Kreuzer mehr.“ Caneya wurde lauter. Zur Bestätigung ihrer Worte klopfte sie auf den Griffkorb ihres Rapiers und taxierte mit einem geringschätzigen Blick die Bewaffnung der beiden Gauner. [[Tsaya de Quentulán]] war feixend hinter ihre Waffenschwester Caneya getreten. Die Aussichten, dass dieser Tag blutrot enden würde, standen gut. Andere Wetten würde sie nun nicht mehr annehmen. | „Ihr beiden Galgenvögel glaubt doch nicht allen Ernstes, dass wir Euch mit... mit 800 oder 900 Dukaten von hier verschwinden lassen. Euer Anteil liegt bei 560 Dukaten – und bei keinem Heller oder Kreuzer mehr.“ Caneya wurde lauter. Zur Bestätigung ihrer Worte klopfte sie auf den Griffkorb ihres Rapiers und taxierte mit einem geringschätzigen Blick die Bewaffnung der beiden Gauner. [[Tsaya de Quentulán]] war feixend hinter ihre Waffenschwester Caneya getreten. Die Aussichten, dass dieser Tag blutrot enden würde, standen gut. Andere Wetten würde sie nun nicht mehr annehmen. | ||
„Also gut, also gut“, Gerbald, der den ‚Kolja‘ gegeben hatte, hob beschwichtigend beide Hände, „es wird sich doch eine Lösung finden lassen. Wir sind doch allesamt vernünftige Leute, äh Domnas, nicht wahr? Nicht wahr, Hagen? – Sagen wir 650 Dukaten von den 2.800 für uns und wir sind quitt?“ | „Also gut, also gut“, Gerbald, der den ‚Kolja‘ gegeben hatte, hob beschwichtigend beide Hände, „es wird sich doch eine Lösung finden lassen. Wir sind doch allesamt vernünftige Leute, äh Domnas, nicht wahr? Nicht wahr, Hagen? – Sagen wir 650 Dukaten von den 2.800 für uns und wir sind quitt?“ | ||
Kopfschüttelnd blickte Hagen, der als ‚Fürst Firnislas‘ brilliert hatte, seinen Kumpan an. | Kopfschüttelnd blickte Hagen, der als ‚Fürst Firnislas‘ brilliert hatte, seinen Kumpan an. | ||
„Du bekommst Deine 450 Dukaten von meinem Anteil, einverstanden, Hagen? Einverstanden?“, flehentlich schaute Gerbald zu Hagen auf. Dieser nickte schließlich zerknirscht. | „Du bekommst Deine 450 Dukaten von meinem Anteil, einverstanden, Hagen? Einverstanden?“, flehentlich schaute Gerbald zu Hagen auf. Dieser nickte schließlich zerknirscht. | ||
„Warum sollten wir diesen Galgenvögeln überhaupt etwas abgeben?“, warf Tsaya unvermittelt von hinten in die Runde. Schneidende Kälte lag in der Stimme der jungen Frau mit den mädchenhaft hübschen Gesichtszügen. | „Warum sollten wir diesen Galgenvögeln überhaupt etwas abgeben?“, warf Tsaya unvermittelt von hinten in die Runde. Schneidende Kälte lag in der Stimme der jungen Frau mit den mädchenhaft hübschen Gesichtszügen. | ||
Ein Blitz durchschnitt die Wolkendecke. Ein urtümliches Grollen ließ den Himmel erbeben. Die finster-schwarzen Wolken wölbten sich mittlerweile über Sherbeth und das in Ruinen liegende [[Castillo Rebenthal]]. Die beiden Parteien blickten sich einen Augenblick belauernd an. | Ein Blitz durchschnitt die Wolkendecke. Ein urtümliches Grollen ließ den Himmel erbeben. Die finster-schwarzen Wolken wölbten sich mittlerweile über Sherbeth und das in Ruinen liegende [[Castillo Rebenthal]]. Die beiden Parteien blickten sich einen Augenblick belauernd an. | ||
Noch ehe Hagen seinen Säbel ziehen konnte, bohrte sich Caneyas Rapier in seinen Oberarm. Hagen machte zwei Sätze nach hinten, wäre fast gestrauchelt, fast in die Tiefe gestürzt. Schmerz puliserte durch seinen Körper. Der Ärmel seines Hemdes färbte sich rot von Blut. | Noch ehe Hagen seinen Säbel ziehen konnte, bohrte sich Caneyas Rapier in seinen Oberarm. Hagen machte zwei Sätze nach hinten, wäre fast gestrauchelt, fast in die Tiefe gestürzt. Schmerz puliserte durch seinen Körper. Der Ärmel seines Hemdes färbte sich rot von Blut. | ||
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Das Unwetter war nun direkt über dem Castillo. Blitze zerschnitten die Finsternis. Das Grollen des Donners durchbebte die Caballeras: Das Tier hatte sich auf seine Beute gestürzt. Hagel prasselte auf das Castillo herab. Unter Mauervorsprüngen und in Nischen suchten die vier Yaquirtaler Schutz vor den Urgewalten. | Das Unwetter war nun direkt über dem Castillo. Blitze zerschnitten die Finsternis. Das Grollen des Donners durchbebte die Caballeras: Das Tier hatte sich auf seine Beute gestürzt. Hagel prasselte auf das Castillo herab. Unter Mauervorsprüngen und in Nischen suchten die vier Yaquirtaler Schutz vor den Urgewalten. | ||
„Wenn sich das Gewitter gelegt hat, müssen wir die beiden ausziehen, ihre Kleidung und sonstige Habe vernichten! Wir sollten zudem Sorge tragen, dass ihre Gesichter...“, mühte sich Quintiliano Tracodi vergeblich das Wüten des Sturmes und das Grollen des Donners zu übertönen. | „Wenn sich das Gewitter gelegt hat, müssen wir die beiden ausziehen, ihre Kleidung und sonstige Habe vernichten! Wir sollten zudem Sorge tragen, dass ihre Gesichter...“, mühte sich Quintiliano Tracodi vergeblich das Wüten des Sturmes und das Grollen des Donners zu übertönen. | ||
==Quintiliano Tracodis Schlussrechnung== | ==Quintiliano Tracodis Schlussrechnung== | ||
2.799 Dukaten, 1 Silbertaler, 7 Heller, 3 Kreuzer (hievon 300 Dukaten Vinsalter Prägung) | 2.799 Dukaten, 1 Silbertaler, 7 Heller, 3 Kreuzer (hievon 300 Dukaten Vinsalter Prägung) | ||
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Es fehlen: 3 Silbertaler, 2 Heller, 7 Kreuzer – letztes Mahl für zwei tote Männer | Es fehlen: 3 Silbertaler, 2 Heller, 7 Kreuzer – letztes Mahl für zwei tote Männer | ||
(requiescant in Borone) | (requiescant in Borone) | ||
==Der bornländische Graf: Epilog== | ==Der bornländische Graf: Epilog== | ||
Zwei Wochen später in irgendeiner Taverna in den Madahöhen | Zwei Wochen später in irgendeiner Taverna in den Madahöhen | ||
[[Caneya von Gurnabán]], [[Caballerogut Dos Puentes|Caballera de Dos Puentes]], saß im Schatten einer alten Platane und sah gedankenverloren auf ein Spielbrett für Rote und Weiße Kamele. Es war sein Lieblingsspiel gewesen. Er hatte es ihr beigebracht. An einem Weinbecher nippend schob sie ein rotes Packkamel zur Oase. Er hatte immer die weißen Kamele gehabt. Das Helle, das Lichte war stets das Seine gewesen. Die Terrasse der Taverna war fast ganz menschenleer. Für das Boronsstündchen war es mittlerweile zu spät – für das abendliche weinselige Zusammensein zu früh. | [[Caneya von Gurnabán]], [[Caballerogut Dos Puentes|Caballera de Dos Puentes]], saß im Schatten einer alten Platane und sah gedankenverloren auf ein Spielbrett für Rote und Weiße Kamele. Es war sein Lieblingsspiel gewesen. Er hatte es ihr beigebracht. An einem Weinbecher nippend schob sie ein rotes Packkamel zur Oase. Er hatte immer die weißen Kamele gehabt. Das Helle, das Lichte war stets das Seine gewesen. Die Terrasse der Taverna war fast ganz menschenleer. Für das Boronsstündchen war es mittlerweile zu spät – für das abendliche weinselige Zusammensein zu früh. | ||
Sie blickte nicht auf, als sich ein Mann in verstaubtem Mantel näherte. Mantel und Caldabreser legte dieser mit übergroßer Sorgfalt über einen Stuhl. Ohne ein Wort des Grußes nahm er gegenüber der Caballera Platz und orderte einen Becher Wein und ein Schälchen Oliven. | Sie blickte nicht auf, als sich ein Mann in verstaubtem Mantel näherte. Mantel und Caldabreser legte dieser mit übergroßer Sorgfalt über einen Stuhl. Ohne ein Wort des Grußes nahm er gegenüber der Caballera Platz und orderte einen Becher Wein und ein Schälchen Oliven. | ||
„Das sieht überhaupt nicht gut aus, für die roten Kamele...“, wandte er sich an die Caballera. Bitter lächelnd sah sie auf: „Es sah nie gut aus für die Roten... die Weißen haben meist gewonnen. Ich kenne das Spiel nicht anders. Kann mir nicht vorstellen, dass es einen anderen Ausgang nimmt.“ Caneya schob ein weißes Kampfkamel vor – schon wieder verloren die Roten eine wichtige Karawanenroute. | „Das sieht überhaupt nicht gut aus, für die roten Kamele...“, wandte er sich an die Caballera. Bitter lächelnd sah sie auf: „Es sah nie gut aus für die Roten... die Weißen haben meist gewonnen. Ich kenne das Spiel nicht anders. Kann mir nicht vorstellen, dass es einen anderen Ausgang nimmt.“ Caneya schob ein weißes Kampfkamel vor – schon wieder verloren die Roten eine wichtige Karawanenroute. | ||
Der Neuankömmling legte seine rechte Hand auf ihre Linke. Er blinzelte lächelnd gegen das Praioslicht, das durch das Blätterdach der Platane fiel: „Was ist eigentlich in [[Ratzingen]] geschehen? Ich habe von den beiden nichts mehr gehört... sind sie...?“ | Der Neuankömmling legte seine rechte Hand auf ihre Linke. Er blinzelte lächelnd gegen das Praioslicht, das durch das Blätterdach der Platane fiel: „Was ist eigentlich in [[Ratzingen]] geschehen? Ich habe von den beiden nichts mehr gehört... sind sie...?“ | ||
„Ich persönlich habe Hagen – oder Firnislas – abgestochen. Ja, sie sind beide tot.“ | „Ich persönlich habe Hagen – oder Firnislas – abgestochen. Ja, sie sind beide tot.“ | ||
Der Mann zog seine Hand zurück. „Aber warum, Domna? Ich dachte, Ihr würdet eine schützende Hand über dieses Vorhaben halten – seinetwegen. Ich dachte, Ihr habt alles gebilligt.“ | Der Mann zog seine Hand zurück. „Aber warum, Domna? Ich dachte, Ihr würdet eine schützende Hand über dieses Vorhaben halten – seinetwegen. Ich dachte, Ihr habt alles gebilligt.“ | ||
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Schweigend betrachte der Reisende den Beutel für eine Weile. Es arbeitete in ihm. Schließlich fuhr er sich mit der Hand über den Stoppelbart und begann schallend zu lachen. „Nun, Domna Caneya“, raunte er ihr wieder ganz beherrscht leise zu, „für einen Augenblick, dachte ich, Ihr hättet ihn vergessen, vergessen, was er für Euch getan hat, was Ihr ihm bedeutet habt, vergessen, wer die rechtmäßige [[lfwiki:Tharinda di Dalias y Urbet-Marvinko|Erbin von Dalias]] ist.“ Er legte seine Hand nochmals auf die Ihre und drückte sie fest, während er ein leises „Danke“ murmelte. | Schweigend betrachte der Reisende den Beutel für eine Weile. Es arbeitete in ihm. Schließlich fuhr er sich mit der Hand über den Stoppelbart und begann schallend zu lachen. „Nun, Domna Caneya“, raunte er ihr wieder ganz beherrscht leise zu, „für einen Augenblick, dachte ich, Ihr hättet ihn vergessen, vergessen, was er für Euch getan hat, was Ihr ihm bedeutet habt, vergessen, wer die rechtmäßige [[lfwiki:Tharinda di Dalias y Urbet-Marvinko|Erbin von Dalias]] ist.“ Er legte seine Hand nochmals auf die Ihre und drückte sie fest, während er ein leises „Danke“ murmelte. | ||
„Wir sollten uns vorerst nicht mehr treffen... und Ihr solltet mir auch nicht mehr schreiben, Hillero. Dom Ranudo und der Hundsfott Manticco trauen mir ohnehin nicht. Vorerst solltet Ihr in [[Punin]] bleiben. Bitte lasst dort in einem Tempel ein paar Kerzen anzünden für meinen Geliebten, auf dass Boron und Praios sich seiner Seele erbarmen mögen. Wenn es etwas zu bereden gibt und es sicher ist, komme ich zu Euch... Seid Ihr immer noch bei dieser Zelfira?“ | „Wir sollten uns vorerst nicht mehr treffen... und Ihr solltet mir auch nicht mehr schreiben, Hillero. Dom Ranudo und der Hundsfott Manticco trauen mir ohnehin nicht. Vorerst solltet Ihr in [[Punin]] bleiben. Bitte lasst dort in einem Tempel ein paar Kerzen anzünden für meinen Geliebten, auf dass Boron und Praios sich seiner Seele erbarmen mögen. Wenn es etwas zu bereden gibt und es sicher ist, komme ich zu Euch... Seid Ihr immer noch bei dieser Zelfira?“ | ||
Stumm nickte [[Hillero Camerario]] ihr zu. Der alte Majordomus [[Gualdo di Dalias y Gurnabán|Dom Gualdos]] gab sich einen Ruck, erhob sich, packte seinen Reitermantel und Caldabreser und schritt davon. | Stumm nickte [[Hillero Camerario]] ihr zu. Der alte Majordomus [[Gualdo di Dalias y Gurnabán|Dom Gualdos]] gab sich einen Ruck, erhob sich, packte seinen Reitermantel und Caldabreser und schritt davon. | ||
Caneya ließ ihren Blick über das Spielbrett wandern. Die weiße Partei hatte eine wichtige Route übersehen, war zu forsch und aggressiv vorgegangen; das Ganze war nicht mehr zu drehen. Weiß hatte verloren. Mit energischer Geste wischte sie die Spielfiguren vom Brett. Tränen stiegen in ihre Augen. Etwas schnürte ihr die Kehle zu. Sie schluchzte auf, vergeblich rang sie um Fassung. Sie sehnte sich nach seinen Lippen, seinem Duft und dem Pulsieren seines Herzens. Nach den kleinen Augenblicken des Glücks, wenn er ihr lächelnd ins Ohr flüsterte, dass er sie liebe. | Caneya ließ ihren Blick über das Spielbrett wandern. Die weiße Partei hatte eine wichtige Route übersehen, war zu forsch und aggressiv vorgegangen; das Ganze war nicht mehr zu drehen. Weiß hatte verloren. Mit energischer Geste wischte sie die Spielfiguren vom Brett. Tränen stiegen in ihre Augen. Etwas schnürte ihr die Kehle zu. Sie schluchzte auf, vergeblich rang sie um Fassung. Sie sehnte sich nach seinen Lippen, seinem Duft und dem Pulsieren seines Herzens. Nach den kleinen Augenblicken des Glücks, wenn er ihr lächelnd ins Ohr flüsterte, dass er sie liebe. | ||
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