Chronik.Ereignis1036 Pilgerzug Ragath 01: Unterschied zwischen den Versionen

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Im nächsten Augenblick schon verlangsamte sich allmählich das Tempo der Kutsche und das Gesicht Pribaldo Tracodis gewann wieder etwas an Farbe.
Im nächsten Augenblick schon verlangsamte sich allmählich das Tempo der Kutsche und das Gesicht Pribaldo Tracodis gewann wieder etwas an Farbe.


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==[[Ragath]], 15. Praios 1036 BF==
===Auf Castillo Wendesinn über der Stadt [[Ragath]]===
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'''Autor:''' [[Benutzer: SteveT|SteveT]]
In den gräflichen Gemächern im Obergeschoss der Kemenate von Burg Wendesinn zu Ragath:
"Autsch! Pass doch auf, Du törichtes Balg! Wenn Du mir nur noch ein einziges Haar ausreisst, dann schneide ich Dir all Deine aschblonden Spinnweben ab und dreh mir daraus eine Reitgerte, das schwör ich Dir! Wie kann man nur so dumm und ungeschickt sein?" Wütend funkelte [[Rahjada von Ehrenstein-Streitzig|Rahjada-Mera von Ehrenstein und Streitzig]], die wunderschöne zweitgeborene Tochter des [[Brandil von Ehrenstein ä. H.|Grafen von Ragath]], das Spiegelbild ihrer verängstigten jungen Kammerzofe Cecilia an, die ihr ihre verfluchte garetische Verwandtschaft mütterlicherseits an den Hof geschickt hatte. Die Augen des jungen Mädchens füllten sich mit Tränen, die sie tapfer wegzublinzeln versuchte, während sie schluckend weiter die bosparanienbraune Mähne ihrer Dienstherrin Strähne für Strähne nach hinten kämmte, um ihr einen kunstvollen Zopf zu flechten. Die Comtessa hatte eigentlich prachtvolle Locken, aber wie die meisten Frauen mit gewelltem Haar, hasste sie ihre Locken und ließ sich die Haare nach der Vinsalter Mode künstlich mit dem Brenneisen glätten.
"Wag Dich nicht mir auf mein neues Mieder zu flennen, Du elender Nichtsnutz! Allein die Perlenstickerei im Nacken ist mehr wert, wie Deine ganze Sippschaft im Jahr erwirtschaftet!" beäugte die Grafentochter die eingeschütterte kleine Garetierin weiterhin verächtlich im großen, messinggerahmten Spiegel, während sie ihren schlanken Zeigefinger in ein Döschen mit Lippenfarbe tauchte und ihren Mund mit einigen versierten Tupfern und Strichen kirschrot färbte.
"Was ist das für ein Lärm da draußen?" frug sie dann ihre Zofe, da diese im Stehen durch die hohen Fenster der Kemenate nach draußen auf die Gassen der Stadt blicken konnte, während sie selbst im Sitzen nur deren rostrote Ziegeldächer sah.
"Hm, irgendeine Zusammenballung auf dem Marktplatz. Ich sehe dort viel Volk versammelt. Hm, so etwas wie ein Jahrmarkt vielleicht?" mutmaßte die kleine Garetierin kleinlaut.
"Tz tz, trifft sich der Pöbel jetzt schon anderntags? Heute haben wir doch gar keinen Markttag! Los los, mach das Fenster zu! Ich will nicht, daß der widerliche Gestank ihrer ungewaschenen Leiber hier heraufzieht!" befahl ihr Rahjada und rümpfte die Nase - nicht nur wegen der Vorstellung, sondern auch weil sie den aktuellen Stand von Cecilias Frisier-Bemühungen begutachtete und für schlecht erachtete.
Als die kleine Kammerzofe das Fenster geschlossen hatte und wieder hinter ihren Stuhl trat, packte sie Rahjada am Handgelenk und hieb ihr ohne Vorwarnung zweimal die hölzernen Zinken des Kamms auf den Handrücken, wo sie zehn blutrote Punkte auf der weißen Hand des Mädchens zurückließen. "Das nennst Du glätten, Taugenichts? Willst Du vieleicht, daß ich mich als eine Vogelscheuche wie Du präsentiere? Mit Sicherheit nicht!"
Nun konnte die kleine Garetierin ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und schlug schluchzend die Hände vors Gesicht. Statt ihrer trat in diesem Moment Ambrocena di Mandana, die oberste Leibzofe der drei gräflichen Schwestern und Rahjadas Freundin und Vertraute seit vielen Jahren, an den Stuhl ihrer Dienstherrin heran und schob Cecilia behutsam an den Schultern beiseite. "Ich übernehme das jetzt! Lauf hinunter in die Küche und schaue nach, ob das Frühmal bereit zum Auftragen ist."
"So ein unnützer Trampel ist mir ja schon lange nicht mehr unter die Augen gekommen! Ich werde sie mit einem hübschen Brief zu Mutters Verwandtschaft zurückschicken und dazu schreiben, daß ich keine Garetierin mehr sehen will!" fauchte Rahjada, deren dunkle Augen gefährlich unter den langen Wimpern blitzten.
"Beruhigt Euch meine Liebe, sie ist eben noch ein halbes Kind!" flötete Ambrocena besänftigend. Die Dubianerin wusste gut, welche Melodei sie bei den nicht seltenen Wut- und Temperamentsausbrüchen ihrer mittleren Herrin anschlagen musste. "Im übrigen ist das dort unten keineswegs ein Jahrmarkt, sondern das Preludium eines Pilgerzuges. Man sagt, der Fürst selbst habe die Nacht drunten auf dem Marktplatz verbracht, um einen magnatischen Pilgerzug anzuführen, der ihn und zahlreiche Angehörige der Nobleza bis zur Walstatt von Brig-Lo führen soll."
"Aber warum sollte er so etwas törichtes tun, der Fürst? Ich meine, die Nacht unter freiem Himmel verbringen, wo er doch hier bei uns hätte Quartier nehmen können? Er ist nicht verheiratet, oder?" entspannte sich Rahjada-Meras Miene wieder unter der geübten Frisierkunst ihrer Leibzofe, die ihr an den meisten Tagen ihrer aufwändigen Frisuren flocht und striegelte.
Ambrocena musste grinsen. "Nein, das ist er nicht! Aber er ist ein alter Mann - viel zu alt für Dich...äh für Euer Wohlgeboren!"  Hin und wieder, wenn sie unter sich waren, rutschte ihr die vertrauliche Anrede heraus. Bei Rahjada und ihrer jüngeren Schwester Romina-Alba war das kein Problem - nur Concabella Blanca, die zukünftige Gräfin, zog bei derlei Vertraulichkeiten sofort pikiert eine Augenbraue in die Höhe.
"Umso besser! Alte Männer sterben früh und hinterlassen junge Witwen!" stellte Rahjada todernst fest und zog mit einem Kohlestift ihre hübsch geschwungenen Augenbrauen nach. "Wer wird sonst noch so alles an diesem Pilgerzug teilnehmen? Auch irgendwelche gutaussehenden jungen Barone? Ob verheiratet oder nicht, ist mir eigentlich egal - sowas muss ja in der heutigen Zeit kein Hindernis mehr sein..."  Sie blinzelte Ambrocenas Spiegelbild vorwitzig zu.
"Du bist unmöglich!" prustete die Hofdame vor Lachen. "Aber ja, der Fürst hat alle Magnaten des Landes geladen! Alle Barone, Junker und Edle, die etwas auf sich halten, werden bei diesem Pilgerzug zugegen sein! So hörte ich jedenfalls Eures Vaters Castellan gestern sagen, der einige von ihnen auch hier auf der Burg einquartiert hat."
"Wirklich?" die Comtessa klatschte begeistert in die Hände. "Das bringt endlich Leben in dieses langweilige Gemäuer! Überhaupt war ich die längste Zeit hier eingesperrt! Das wäre doch eine famose Gelegenheit, einmal meine neue Reithose und die Rüschenbluse zu präsentieren, die mir Onkel Gendahar von der kaiserlichen Hochzeit aus Punin mitgebracht hat. Ich werde mich also diesem 'Pilgerzug' des Fürsten anschließen - zumindest ein Stück weit!"
"DU ???" Domnatella Ambrocena ließ den Kamm sinken und starrte ihre Freundin mit ungläubig geweitetem Blick an.
"Ja, ich! Wieso denn nicht? Bei dieser Gelegenheit werde ich endlich auch einmal ein bißchen Land und Leute kennenlernen und etwas anderes sehen, als bloß die Vogtei Ragathsquell. Die kenne ich nämlich inzwischen zu Genüge!"
"Ja aber... das ist ein P i l g e r z u g! Du bist doch...ähem...also....ich meine....Du bist nicht gläubig!" brachte die Leibpagin mit all ihrem Mut ihre Bedenken vor.
"Waaaas? Und wie ich gläubig bin!" verdüsterte sich Rahjadas Miene wieder gefährlich, so daß Ambrocena ihr rasch wie besänftigend über die langsam Gestalt annehmende Haarpracht strich. "Welches Buch liegt zum Beispiel da drüben auf meinem Schreibpult?"
"Äh, das Brevier der zwölfgöttlichen Unterweisungen" antwortete Ambrocena wahrheitsgemäß. Sie wusste aber auch, daß das Buch ein Geschenk der Literatur liebenden [[Concabella von Ehrenstein-Streitzig|Concabella]] zu Rahjadas 18tem Tsatag gewesen war und seit jenem Tag lag das Buch dort. Die dicke Staubschicht, sowohl auf dem Buch, wie auch auf dem gesamten Schreibpult, sprachen Bände.
"Ich und nicht gläubig, papperlapapp!  Du wirst schon sehen, wie eifrig ich den Göttern auf diesem Pilgerzug huldigen werde!" echauffierte sich die Comtessa weiter.
"Oh ja, das kann ich mir bildich vorstellen!" grinste Ambrocena und wusste, daß von den himmlichen Zwölfen wohl allein Rahjadas alveranische Namenspatin ihre helle Freude an dem leidenschaftlichen Wildfang haben würde. Dann aber wurde ihr der erste Teil von Rahjadas Ankündigung bewußt. "Einen Moment, was meinst Du mit: Du wirst schon sehen..." ?
"Du wirst mich selbstverständlich auf diesem Ausritt begleiten! Schließlich brauche ich Dich dann beizeiten als Führerin in Deiner dubianischen Heimat, meine Liebe!" lächelte die Komteß.
"Wir reiten nach Dubios?" wiederholte Ambrocena di Mandana erschrocken. Widerspruch gegen Rahjadas Willen war sowieso zwecklos und neben den Allermutigsten vielleicht höchstens deren Mutter, Gräfin Rohaljia, gewährt. Alle anderen bei Hofe - der hohe Herr Graf eingeschlossen - waren es gewohnt, nach Rahjadas Pfeife zu tanzen.
Etwa anderthalb Stunden später - so lange hatte das Ankleiden gedauert - traten die beiden jungen Frauen hinaus in den geschäftigen Hof der Grafenfeste, wo sogleich alle Gespräche verstummten und sich alle Blicke auf sie richteten. Die Comtessa trug, wie bereits angekündigt, ihre neue hautenge dunkelblaue Reithose und ein an der Taille geknotetes edles Rüschenhemd, dazu einen vorwitzigen blauen Caldabreser mit einer Pfauenfeder darauf. Ambrocena di Mandana trug ein etwas weiteres karmesinrotes Reitkostüm, auch sie hatte sich einen Caldabreser aufgesetzt, wenn auch - des Standesunterschiedes wegen - nur mit einer Hahnenfeder.
"Ich brauche zwei Freiwillige, die mich auf einem längeren Ausritt begleiten!" rief Rahajada, nach dem sie einen Moment lang die Aufmerksamkeit genossen hatte, den ihr Auftritt stets hervorrief.
"Hier!"
"Hier!"
"Hier!"
"Nein hier! Ich begleite sie!"
"Hier Comtessa! Ich begleite Euch!"
Überall im Hof flogen blitzartig die Hände junger und auch schon etwas betagterer Männer nach oben. Alle plusterten sich auf, um von ihr wahrgenommen zu werden, manche sprangen gar in die Höhe oder ruderten wild mit den Armen.
Ambrocena hielt sich kichernd die behandschuhte Rechte vor den Mund. Sie hatte zwar schon des öfteren davon gehört, aber noch nie mit eigenen Augen gesehen, wie sich gestandene Mannsbilder derart zum Affen machten, um nur für einen kurzen Moment einen Gunstbeweis der schönen Comtessa zu erlangen.
"Hm, also gut.... jener dort!" Rahjada deutete wahllos eine der Burgwachen heraus. Einen jungen, sonnengebräunten Burschen mit glutvollen Augen und breiten Schultern, der mit stolzgeschwellter Brust näherkam, als wäre er der Riesenoger Rachkush höchstpersönlich.
"Sehr gut! Dein Name ist Padro, nicht wahr?" hielt ihm Rahjada ihre gleichsam behandschuhte und beringte Rechte zum Kuß entgegen. Der junge Mann blickte vorwurfsvoll auf, während seine Lippen sich scheinbar gar nicht mehr vom Leder ihrer Handschuhe lösen wollten. "Padro? Nein, Padro ist ein Stallknecht - mein Name ist Vermonte, Euer Lieblichkeit!"
"Padro, Vermonte - klingt doch fast gleich!" entzog ihm Rahjada schnippisch ihre Hand und deutete in Richtung des Hofstalls. "Los, hol er meinen Schimmel und auch das Pferd vom Domnatella Amborcena! Danach wird er sein eigenes Roß satteln, denn ich brauche Geleit für einen Ritt hinunter in die Stadt, um am Pilgerritt unseres Fürsten teilzunehmen."
"Ich eile!" zog sich der junge Mann unter einer tiefen Verbeugung zurück, der sein Glück kaum fassen konnte. Alle anderen Gardisten warfen ihm finstere Blicke zu, aus denen nichts als Mißgunst und Eifersucht sprach - es war ihm völlig einerlei!
"Gut!" klatschte Rahjada wieder in die Hände, wie sie es oft und gerne tat und deutete auf einen weiteren jungen Gardisten. "Er da! Geh ihm zu Hand! Er wird uns ebenfalls begleiten!"  Der junge Kerl strahlte über das ganze Gesicht und wollte schon losrennen, als ihn Rahjadas "Nein! Warte!" in der Bewegung innehalten ließ. Entsetzt folgte sein Blick dem der schönen Grafentochter, die hinüber zum Palas blickte, wo gerade [[Ardan von Kündoch]],  ein Leutnant der gräflichen Reiterei aus der tobrischen Heimat des Grafens, aus dem Herrenhaus trat.
Der stocksteife Tropf hatte ihre kleine Schwester [[Romina von Ehrenstein-Streitzig|Romina]] aus den Ferkinabergen zurückgebracht und sie auch danach auf ihren ungeheuerlichen Ausflug in die Waldwacht begleitet. Es war für jedermann bei Hofe offensichtlich, daß er ganz verschossen in die Kleine war - und umso besser gefiel Rahjada der Gedanke, ihn erst einmal schön von ihr fernzuhalten.
"Leutnant Kündoch!" rief sie ihn zu sich, innerlich höchst amüsiert, über sein ebenso überraschtes wie erschrockenes Gesicht. "Sattelt Euer Pferd und packt rasch alles für Euch Notwendige zusammen! Denn die nächsten Tage werdet Ihr ausnahmsweise einmal MICH begleiten! Also los - rapido! Wir warten drunten am Tor auf Euch!"
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'''Autor:''' [[Benutzer: Romina Alba|Romina Alba]]
Der Angesprochene seufzte unmerklich und deutete mit einer Verbeugung an, ganz zu Diensten zu sein. Er hatte damit gerechnet, die Familia auf der Pilgerreise zu begleiten, doch musste es gerade diese Schwester sein. Kurz glitt sein Blick zu einigen der Fenster hoch, dann ging er zum Stall. Dort oben machte sich die jüngste Tochter zur Abreise fertig. Domna [[Romina von Ehrenstein-Streitzig|Romina]]. Er machte sich Sorgen. Sie schien sich gänzlich in ihr Schicksal zu fügen, doch er wusste es besser. Sie war nicht begeistert, jetzt doch den noch sehr jungen Jurios heiraten zu müssen. Er hätte sie zu gerne davor bewahrt, hatte sich so oft darüber Gedanken gemacht, hatte mit ihr über Möglichkeiten reden wollen. Nach der Sache im Taubental hatte sie sich zurückgezogen, war noch ernster geworden.
Er war dabei gewesen, als der [[Brandil von Ehrenstein ä. H.|Graf]] zum ersten Mal seine jüngste Tochter höchstselbst rügte, ihrem Wunsch nach familiärem Rückhalt nicht nachgab und ihr stattdessen vor Augen zu führen verstand, was passierte, wenn die Geschehnisse publik würden. Ihre Ehre war in Gefahr und da sollte sie darüber hinwegsehen können, dass einige Magnaten sie rüde behandelt hatten. Er würde sich mit den Herren verständigen und dafür Sorge tragen, dass alles unter einem hübschen Deckmäntelchen blieb. Sie habe sich natürlich von dem Vivar fernzuhalten und mit den Exkursionen wäre auch erst einmal Schluss. Sie habe zu wenig Erfahrungen in der Haushaltung, er und die Gräfin wären der Meinung, dort wäre noch viel für sie zu lernen.
Seitdem hatte die junge Comtessa Ragath nur für ihre Verlobung mit dem blutjungen Antorio von Jurios verlassen. Der Kaiser höchstselbst hatte diese Verbindung verfügt. Nach dem Sturz Selindian Hals hielt Graf Brandil schützend seine Hand über den jungen Baron Jurios und bestätigte das Eheversprechen. Auf Rominas ausdrücklichen Wunsch war die Hochzeit wenigstens auf den Mond nach dem Pilgerzug verlegt worden.
Romina sah auf, als sie die Stimme ihrer Schwester [[Rahjada von Ehrenstein-Streitzig|Rahjada]] vom Hof hörte. Was war das gewesen. Rahjada hatte Ardan zu sich befohlen. Wollte sie jetzt doch mitpilgern. Und brauchte dazu ausgerechnet ihren Tobrier. Kalte Wut brandete in der Caballera hoch, sie legte die Feder weg und trat ans Fenster. Unten lies sich ihre schöne Schwester gerade in den Sattel helfen, wärend von Kündoch zögerlich zum Stall ging. Romina wandte sich um und machte sich auf, das Zimmer zu verlassen, als ein Räuspern ertönte. Sie wandte sich wild um und blickte zu dem Castellan, in dessen Arbeitszimmer sie sich befand. Dieser sah sie stirnrunzelnd an.
»Wohin des Wegs, Comtessa, seit ihr mit der Niederschrift der Anordnungen schon fertig? Das ist gut, bringt sie mir, dann können wir sie gleich besprechen. Euer hoher Herr Vater wird bald aufbrechen wollen.«
Romina schnaupte unwillig.
»Ich bin gleich wieder hier, Dom [[Rondrigo vom Eisenwalde|Rondrigo]].« Sie wollte sich abwenden.
»Meint ihr nicht, es wäre besser, sich nicht einzumischen. Euere edle Frau Schwester wird den Jungen von Kündoch nicht fressen. Ihr müsst ihn nicht beschützen.« Sein Lächeln war väterlich.
»Ich will ihn nicht beschützen, ich weiß, dass er es nicht nötig hat.« Sie ballte die Fäuste. »Er soll mich auf der Pilgerreise begleiten. Rahjada nimmt das Ganze doch nicht ernst und wird bei der erste Unbequemlichkeit umdrehen.«
Der Castellan hob überrascht beide Augenbrauen und lies sie wieder fallen.
»Das ist schlecht möglich, euer Hochwohlgeboren, wie ihr wisst, darf Dom Ardan euch auf keine Exkursionen begleiten.«
Romina sackte ein wenig in sich zusammen.
»Aber es ist die Pilgerreise und Vater hat mir erlaubt, teilzunehmen.«
Der alte Mann nickte.
»Das ist mir bekannt, Domnatella, doch ihr werdet an der Seite eures hohen Vaters daran teilnehmen. Ihr braucht kein eigenes Gefolge.«
Romina schloss die Augen und entspannte sich mühsam. Sie nickte ergeben, ging wieder zu dem Sekretär, setzte sich und schrieb weiter.  Kurz ruhte der Blick des alten Castellan auf dem jungen gebeugten Rücken. Sie war ein gutes Kind. Sie würde ihrem jungen schönen Mann eine gute Frau sein, wenn sie ihn erst richtig kennengelernt hatte. Er seufzte. Noch ein mal so jung sein. Bei Rahja, wäre das schön.
Im Hof sah der schneidiger Leutnant von Kündoch indes noch einmal zu den Fenstern hoch, schnallte übertrieben langsam die Tasche fest und schwang sich in den Sattel. Zu lange durfte er das mittlere Töchterlein nicht warten lassen, doch einige Augenblicke gingen noch. Sie würde wütend sein, nicht genug, um ihn anzuschwärzen, aber genug, um sich von ihm fernzuhalten. Denn so genau wusste er nicht, was passieren würde, wenn sie wirklich zum Angriff überging. Er war auch nur ein Mann.
Die Hälfte eines Stundenglases später stand dann auch Graf [[Brandil von Ehrenstein ä. H.|Brandil von Ehrenstein]] inmitten eines nicht allzu großen Gefolges bei seinen Pferd. Er trug elegante, aber schmucklose Reitkleidung, der Uniform seiner Garde nachempfunden und wie diese in den ehrensteinschen Farben gehalten. Leicht säuerlich blickte er zu seinem Augenstern, seiner jüngsten Tochter Romina, die sich in dem Überwurf mit dem Wappen derer von Streitzig frappant von ihm und der Garde abhob. Den kurzen Disput über ihre Farbwahl hatte er verloren. Was konnte er schon dagegen sagen, wenn sie auf diesem Pilgerzug ihren verstorbenen Großvater ehren wollte. Dabei war Praiodar von Streitzig kaum für sie da gewesen und wenn, hatte er ihr diese unseligen Gedanken, Kaiserin zu werden, in den Kopf gesetzt. Doch sie hatte ihn inniglich geliebt. Jetzt schien sie sich an ihren Onkel Gendahar zu hängen. Wenn er da war, wich sie kaum von seiner Seite. Er seufzte. Er wusste nicht, was besser fand, sein Schwiegervater war Politiker gewesen, sein Schwager war ein Lebemann. Romina war schon immer eher sonnig, denn ehrgeizig. War! Seit dieser unleidigen Sache im Taubental kannte er sie nicht wieder. Bereits die Entführung durch die Ferkinas hatte sie verändert. Sie beteuerte auch jetzt noch, das schlimmste, was passiert wäre, wäre die Ausmordung des Ordens gewesen. Sie war so tapfer und dabei so ernst. Vielleicht tat der unbeschwerte Gendahar ihr gut. Immerhin würde sie bald heiraten. Er nahm sich vor, die Leine seines jüngsten Kindes erneut ein wenig länger zu lassen, stieg aufs Pferd und befahl den Aufbruch.
Fürst [[Gwain von Harmamund]] hatte zum Pilgerzug aufgerufen. Es galt Almada  die alte Stärke zurück zu geben. Graf Brandil von Ehrenstein war kein Vorreiter und Rebell. Doch er hatte sich im rechten Zeitpunkt zu positionieren gewusst. Und so beugte er erhobenen Hauptes das Knie vor dem neuen Herrscher Almadas, denn er und die Seinen waren dabei gewesen, als es galt, der Tyrannei ein Ende zu setzen. Er sah seinem Fürsten einen Augenblick lang in die Augen, dann senkte er respektbezeugend den Kopf und sprach die Worte, die ihn zum Pilger machten.




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