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Richeza umfasste Moritatios Unterarme mit beiden Händen. "Hörst du mich, Vetter? Deine Mutter mag nicht eben freundlich mit dir umgegangen sein, bisher, sie scheint die Männer nicht so zu l... äh ... wertzuschätzen. Aber sie braucht dich. Und jetzt ist deine Zeit, ihr zu zeigen, aus welchem Holz du geschnitzt bist. Auf deine Art. Verdammt, und dann wollen wir doch mal sehen, ob wir der fetten Metze nicht unseren Besitz abjagen können! Sie wird schon sehen, mit wem sie sich da angelegt hat. Aber alles zu seiner Zeit!" Müde strich sich Richeza mit dem Daumen über die Augenbraue. | Richeza umfasste Moritatios Unterarme mit beiden Händen. "Hörst du mich, Vetter? Deine Mutter mag nicht eben freundlich mit dir umgegangen sein, bisher, sie scheint die Männer nicht so zu l... äh ... wertzuschätzen. Aber sie braucht dich. Und jetzt ist deine Zeit, ihr zu zeigen, aus welchem Holz du geschnitzt bist. Auf deine Art. Verdammt, und dann wollen wir doch mal sehen, ob wir der fetten Metze nicht unseren Besitz abjagen können! Sie wird schon sehen, mit wem sie sich da angelegt hat. Aber alles zu seiner Zeit!" Müde strich sich Richeza mit dem Daumen über die Augenbraue. | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:SteveT|SteveT]] | |||
Ein strahlendes, stolzes Lächeln hatte sich während Richezas eindringlicher Rede auf Moritatios Gesicht geschlichen. Weniger, weil das, was Dom Hernán oder jetzt auch sie sagten, Grund zum Frohsin bot, sondern weil sie jetzt tatsächlich endlich zu ihm wie zu einem erwachsenen Mann sprach, nicht mehr wie zu einem dummen Knaben, wie sie es anfangs im Beisein seiner Mutter stets getan hatte. | |||
"Mach dir keine Sorgen, liebe Base!", antwortete er, als Richeza geendet hatte, und nahm kurz ihr schönes Gesicht in beide Hände, als müsse er ihr mit den Handflächen ganz zart irgendwelchen Schmutz fortwischen, der freilich für niemanden sonst zu sehen war. | |||
"Einen kurzen Moment dachte ich eben gerade auch daran, dass einer von uns beiden sofort wieder umkehren muss, um Mutter, Gujadanya und Jelissa über die geänderte Lage ins Bild zu setzen. Aber erstens - sie sind alle drei zu Pferd, wir sind zu Fuß. Wir würden sie niemals einholen! Zum Zweiten gebe ich dir Recht, dass Mutter wegen irgendwelcher Befehle des Kaisers im fernen Punin keinen einmal gefassten Entschluss fallen lassen würde. Nicht einmal, wenn es der Namenlose persönlich wäre, der sich gegen sie stellt - dafür ist sie zu halsstarrig! Daher kam mit gerade auch derselbe Gedanke, wie du ihn ausgesprochen hast. Ich reite nun ja ohnehin nach Punin und lebe dort im Palast des Kaisers! Ich diene in seiner persönlichen Leibgarde!" | |||
Während er bei den letzten Worten scheinbar einen Kopf größer geworden war, blickte er nun doch wieder wie ein schüchterner Junge zu Boden: "Aber gut ... um der Wahrheit die Ehre zu geben ... ich habe noch nie ein Wort mit dem Kaiser gesprochen und ihn in meiner ganzen Zeit in Punin überhaupt erst dreimal gesehen - jeweils bei Paraden auf dem Vorplatz der Residencia und einmal, als er zur Jagd ausritt. Aber ich kenne jemanden, der den Kaiser kennt, der ihn täglich sieht und oft sogar mit ihm zusammen isst. Es ist ein Compadre bei den Hofjunkern, der - genau wie ich selbst - bei unserem Colonello Filippo di Lacara und seinem pervalischen Vetter Juanito di Dubiana nicht sonderlich gut gelitten ist. Allerdings aus ganz anderen Gründen wie ich. Er ist der oberste Page des Kaisers und hat wohl in Aussicht, irgendwann in ferner Zukunft dessen Mundschenk zu werden, weil sein greiser Großvater früher einmal ein sehr einflussreicher Mann bei Hofe war. Wenn ich ihn ins Vertrauen ziehe, so kann er mir vielleicht eine Audienz beim Kaiser ermöglichen. Ich würde Seine Kaiserliche Majestät dann über alles aufklären, was hier vorgefallen ist, damit er uns Glauben schenkt, dass wir im Recht sind und nur gutem alten Landrechtsbrauch folgen, wenn wir unser Castillo zurückerobern und die Sippe ausmorden, die uns zuerst angegriffen hat." | |||
Er zuckte mit den Schultern: "Das muss man doch so machen, oder nicht? Was sollten sonst die | |||
anderen Magnaten von uns denken? Nun ja, mir wird jetzt schon heiß und kalt, wenn ich daran denke, wie ich vor dem Kaiser stehe! Was, wenn ich keinen Ton rausbringe und nur stumm vor ihm stehe wie ein Fisch? Ich werde wochenlang das Gespött der ganzen Residencia sein! – Deshalb ...", er trat von einem Fuß auf den anderen und blickte dann Richeza direkt an: "Kannst du nicht mitkommen? Nach Punin, meine ich? Wir könnten auch da für Praiodor sorgen, du und ich gemeinsam, und auch | |||
gemeinsam vor dem Kaiser sprechen. Wenn uns der Kaiser Recht gibt, kann es uns auch gleichgültig sein, was der Graf in Ragath zu alledem zu sagen hat - sein höheres Wort sticht das niedere!" | |||
Gerade wollte er Richeza nochmals bitten, mit ihm nach Punin zu gehen, (wobei es ihm, wie er sich innerlich eingestehen musste, leider nicht allein um Praiodors Wohl ging), als er über Richezas Haarschopf hinweg eine Person in deren Rücken aus einer der schäbigen Steinbrecherhütten Grezzanos treten sah, die er sofort wiedererkannte - auch wenn es mehrere Jahre her war, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte. Sofort fasste er Richeza bei den Schultern und zog sie von der Dorftraße weg hinter die windschiefe Wand einer anderen Hütte in Deckung. | |||
"Was ist das für eine elende Verräterei?", keuchte er zur Erklärung, als ihn seine Cousine ungläubig und ungehalten aus ihren dunklen Glutaugen anfunkelte. "Die junge Frau dort drüben mit dem schwarzen Pagenkopf - das ist Morena von Harmamund, die Tochter der Hexe Aldea von Harmamund - die durchtriebenste Erzfeindin unserer Familia seit Jahrzehnten!" | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Richeza folgte Moritatios Fingerzeig mit den Augen und musterte aus dem Versteck heraus die Frau, die tatsächlich Ähnlichkeit mit Aldea von Harmamund hatte, wenngleich sie durchaus ansehnlicher war als Dom Gwains ältere Schwester. Jung freilich erschien die Frau ihr nicht gerade, Richeza mochte wetten, dass Domna Morena älter war als sie selbst. | |||
Die Harmamund hielt geradewegs auf die Mitte des Dorfes zu, wo die Söldner an einem Feuer Fleisch brieten und einen großen Kessel Suppe aufgesetzt hatten. "Harmamund", murmelte sie und strich sich über das Kinn. Jetzt noch einmal langsam, dachte sie: Wenn eine Harmamund hier war, war es dann sicher, sich auf des Aranjuezers bisherige Treue zu verlassen, der doch ein früherer Gefolgsmann Dom Gwains gewesen war? Oder war die Frau auf Graf Brandils Befehl hier? Oder gar auf den des kaiserlichen Marschalls? Immerhin war Dom Gwain der Onkel der Frau. Oder kreisten die Harmamunds nun schon wie Geier über dem Vanyadâl und hofften auf fette Beute in günstiger Stunde? Wie immer es sich verhielt, die Anwesenheit der Frau machte die Sache nicht einfacher. | |||
"Schöner Mist!", murmelte Richeza und wandte sich dann wieder Moritatio zu. "Die hat uns gerade noch gefehlt! Allerdings wird das an unseren Plänen nichts ändern. Deine Mutter würde uns zwar den Kopf abreißen – die Harmamund hier und wir tun nichts – aber sie ist nun mal nicht hier, und wir können es für den Moment nicht ändern. Ich werde das Leben des Jungen nicht gefährden. Wir werden uns also schön ruhig verhalten, hörst du? Was sie später dazu sagt, deine Mutter, meine ich, darüber zerbrich' dir nicht den Kopf, dafür werde ich die Verantwortung übernehmen." | |||
Eindringlich sah sie ihn an, und schüttelte dann den Kopf. "Ich kann nicht mit nach Punin kommen. Mein eigenes Lehen steht vielleicht schon in Flammen, und ich werde deiner Mutter helfen müssen. Und sei es nur damit, dass ich verhindere, dass sie aus Stolz ihren Kopf auf den Richtblock bringt oder eher noch, von irgendwelchen Feinden niedergemetzelt wird." | |||
'Und wie willst du das verhindern, Richeza?', fragte sie sich. 'Ausgerechnet du, die für ihren kühlen Kopf bekannt ist? Und die du mit gleich welcher Waffe, außer dem Degen vielleicht, deiner Tante nicht ansatzweise gewachsen bist und somit wohl auch kaum ihren Feinden?' Sie verdrängte die Gedanken, die sie halb belustigten, halb verstimmten. | |||
"Du wirst dir gut überlegen müssen, ob du vor den Kaiser selbst trittst oder nicht, Vetter", sagte sie stattdessen und betrachtete ihn kritisch. "Wenn du es tust, dann nur, wenn du hoffen darfst, Gehör zu finden. Das des Kaisers oder das anderer Magnaten, die dir nach deinen Worten wohlgesonnen wären. Andernfalls suche andere Verbündete. Der Hof ist voll von Leuten, die Rakolus dem Schwarzen auch nach dessen Tod als Feinde gegenüber stehen. Na ja, vielleicht auch ''erst'' nach dessen Tod, wo sie seine Rache nicht fürchten müssen und hoffen, sich durch eine wenige gefährliche Tat hervortun zu können. Halte dich an sie und Domna Praiosmins Feinde! Studiere den Landrechtsbrauch, ehe du dich auf ihn berufst, sonst zerreißen sie dich in der Luft! Du musst wissen, was du sagst, verstehst du?" | |||
Sie seufzte. "Und da sind weder deine Mutter noch ich die besten Ratgeberinnen. Sprich nicht davon, eine andere Familia ausmorden zu wollen! Selbst, wenn diese Worte dir das Ansehen deiner Mutter einbrächten. Von Mord zu sprechen ist nie klug, von Rache auch nicht, glaub' mir! Berufe dich auf das Recht, aber nur, wenn du dir sicher bist, im Recht zu sein. Nein: Wenn du Beweise dafür hast, Gesetze und so. Deine Mutter war sicher nicht die treuste Vasallin, also schau, dass du den anderen Gründe lieferst, die sie ins rechte Licht rücken, statt sie angreifbar zu machen. Das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, Moritatio, und alles andere als eine einfache. Aber du bist derjenige, der sie ausführen muss. Der lernen muss, ihr gewachsen zu sein." | |||
Nachdenklich kratzte sie sich am Kinn, strich sich über die Lippen, dann kniff sie die Augen zusammen und tippte ihrem Vetter gegen die Brust. "Als Erstes musst du aufhören, dich zu fürchten! Ich kann und werde dich nicht begleiten und deine Hand halten, wenn du vor den Kaiser oder deinen Capitan trittst." Einen Moment klang sie spöttisch, wurde aber sogleich wieder ernst. "Du bist kein Kind mehr, Moritato. Also höre auf, dich wie ein demütiger Junge zu verhalten! Ich weiß, es ist schwer, wenn man auf Liebe hofft und diese nicht erwidert wird, nicht so, wie man es sich wünscht." Ihre Augen schweiften kurz an ihm vorbei in die Ferne, und als sie ihn wieder ansah, wirkte sie kurz irritiert. "Ich rede von deiner Mutter, Moritatio! Hör' auf, Beweise für ihre Liebe zu wollen! Sie liebt dich. Auf ihre Art. Vielleicht musst du noch dreißig Jahre warten, bis sie es dir zeigen kann, falls ihr dann beide noch lebt, aber diese dreißig Jahre verschwende nicht damit, in Demut und Trauer und Angst zu verbringen. Respekt wirst du nur erhalten, wenn du ihn dir selber entgegen bringst. Studiere das Recht, wenn du uns nützen willst, so wie es offenbar unser Großvater tat, Dom ... wie hieß er noch, der Mann Domna Leonidas? Werde ein Mann, Moritatio! Entdecke deinen Mut und gebrauche deinen Kopf, verdammt noch Mal!" | |||
Sie wandte sich zum Gehen, drehte sich dann aber doch noch einmal zu ihm um. "Und noch was, Moritatio: Such dir ein Mädchen! Irgendein hübsches Ding in Punin, das zu dir aufsieht. Verschwende deine Sehnsucht nicht an das Unerreichbare, verstanden? Man kann ein Leben damit verbringen, und es macht nur unglücklich. Also hör' auf damit, klar?" Sie trat einen Schritt näher und funkelte ihn von unten herauf an. "Ich bin deine Base, Mo! Ein paar Jahre jünger, und du könntest mein Sohn ... Ich meine ..." Einen Augenblick lang schien sie den Faden verloren zu haben, dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. "Noch ein paar Jahre, und ich bin eine alte Frau, und du noch immer ein Mann in seinen besten Jahren. Teile diese Jahre mit jemanden, der es verdient. Der in dir den Mann sieht, der du sein wirst, wenn du nach vorne siehst, statt nur zurück. Verstehst du mich, Moritatio? Verstehst du, was ich sage?" | |||
Aus den Augenwinkeln versicherte sie sich, dass sie tatsächlich unbeobachtet waren, als sie sein Kinn in ihre Linke nahm, dann küsste sie ihn auf den Mund, sanft, länger als flüchtig, und doch nicht leidenschaftlich. "Das ist der letzte Kuss, den du von mir erhalten hast, Moritatio. Wenn du mehr davon willst, Vetter, such dir ein Mädchen in deinem Alter." Sie drehte sich um und stapfte auf die Mitte des Dorfes zu, zum Lagerfeuer, von dem der Duft der Suppe verführerisch herüber wehte. | |||
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'''Autor:''' | '''Autor:''' [[Benutzer:Simanca|Simanca]] | ||
Das "Söldneressen" kam Zaida vor wie Alverans köstlichste Speisen. Begeistert und vor allen Dingen hungrig, futterte sie so munter drauflos, dass einige Söldner schon halblaut verlauten ließen, ob man nicht auf den Ausgang des Gefutteres wetten solle. Zumindest war man sicher, sie werde erst aufhören, wenn sie ihre Kleidung ganz und gar ausfüllen würde. | Das "Söldneressen" kam Zaida vor wie Alverans köstlichste Speisen. Begeistert und vor allen Dingen hungrig, futterte sie so munter drauflos, dass einige Söldner schon halblaut verlauten ließen, ob man nicht auf den Ausgang des Gefutteres wetten solle. Zumindest war man sicher, sie werde erst aufhören, wenn sie ihre Kleidung ganz und gar ausfüllen würde. |
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