Chronik.Ereignis1046 Unter PRAios wachem Auge 01

Aus Almada Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Edlengut Selkethal, im Rondra 1046 BF[Quelltext bearbeiten]

Autor: BBB


“Euer wohlgeboren von Culming…” Leandro wählte seine Worte mit Bedacht. Der Edle des Selkethal war bei seinen Untertanen bekannt dafür, viel auf Reisen zu sein, auf Turnieren oder bei Geschäftspartnern, wie es hieß. Wo auch immer. Jedenfalls hatten die Belange seines Lehens dahinter anzustehen, wie es schien… entsprechend schwierig war es, überhaupt einmal zu ihm vorzudringen, von Angesicht zu Angesicht. Lenadro wusste, dass er nur diese eine Gelegenheit haben würde, wenn er gehört werden wollte.

Entsprechend sprach er langsam und wohlüberlegt.

“...ich glaube, Euer Wohlgeboren wird sich nicht erinnern”, fuhr er fort, seinen Vorwurf so sanft verpackend, dass er niemandem auffallen würde. “Mein Name ist Leandro, zusammen mit meiner Frau Amira und unseren Kindern betreibe ich die Holzwirtschaft auf dem Hausberg.”

Sein Herz verkrampfte sich, als er sich an seine Familie erinnerte. Amiras Tränen. Die Verzweiflung in ihrem Gesicht. Wie sie Amando, ihren Jüngsten, an sich gedrückt hatte, auf die Knie gesunken, flehentlich zu ihm, zu Leandro blickend, in der Erwartung, dass er etwas täte.

Nur, dass er nichts tun konnte…

“Natürlich erinnere ich mich an dich und deine Familie, Leandro”, erwiderte der Edle freundlich. “War es nicht im letzten Sommer, dass Ihr das Holz für das Dach unserer Stallungen geliefert habt? Wie geht es deiner Familie?”

Dieser oberflächlich-freundliche Tonfall, diese Beiläufigkeit… dass er sich erinnerte und es ihn offenbar so wenig kümmerte… dass er die Unverfrorenheit besaß, in einem Moment größter Not nach dem Wohlbefinden zu fragen…

Mühsam schluckte Leandro die wütende Antwort, die ihm auf der Zunge lag, herunter. Entspannte seine zur Faust geballte Hand.

“Es… es geht ihnen… nicht gut”, brachte er schließlich hervor, die Zähne zusammengebissen, aber noch immer beherrscht und ruhig. “Herr, während Ihr auf Reisen wart, Euch in Garetien… mit wichtigen Geschäften beschäftigt oder die Götter wissen was getan habt” - er ignorierte den gestrengen Blick des Majordomus, blickte dem Edlen direkt in die Augen - “sind Fremde in unser Haus eingebrochen, haben alles verwüstet, einiges zerstört und mitgenommen, was sie konnten. Unsere Ersparnisse. Einige Familienerbstücke. Es ist alles fort.”

Da. Da war es. Diese gespielte Betroffenheit. Als wären dies Neuigkeiten für den Magnaten. Als wüsste er nicht, was auf seinem Grund und Boden passierte, obschon dies das dritte mal war, das Leandro um eine Audienz gebeten, seinen Fall vor den Dienern des Edlen vorgetragen hatte. Er war jedes mal abgewiesen worden. Zu unwichtig.

Er musste es wissen und hatte dennoch nichts unternommen.

Und wenn er es dennoch nicht gewusst hatte…? Umso schlimmer!

Der Edle erhob sich, machte einen Schritt auf Leandro zu, doch dieser wich zurück. Sein Blick verfinsterte sich. Was glaubte dieser Mann, wen er vor sich hatte? Er wollte keinen Trost, keine warmen Worte. Deswegen war er nicht hier.

“Das… tut mir aufrichtig leid zu hören, Leandro. Ich werde jemanden schicken, der sich das ansieht. Bitte, bring deine Familie hierher, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, seid meine Gäste in der Hacienda del Valle, bis wir wissen, was zu tun ist.”

Leandro lachte bitter. “Euer Wohlgeboren, bei allem Respekt, was soll das bringen? Der Einbruch ist fast zwei Monde her. Da ist nichts, was Ihr noch herausfinden könntet. Die Täter sind über alle Berge. Und… wir müssen von irgendetwas leben!!”

“Zwei Monde?” Er sah aufrichtig überrascht aus. Wie erbärmlich. “Leandro, ich verstehe nicht… wieso kommst du erst jetzt damit zu mir? Was kann ich tun? Was erwartest du von mir?”

“Erst jetzt?” Wieder lachte Leandro verbittert, er gab sich nicht einmal mehr Mühe, seine Emotionen zu verbergen. “Ich war hier. Mehrfach. Aber Ihr wart nicht da, Herr. Ihr wart mit wichtigen Dingen beschäftigt, HERR! Fragt Euren Lakaien!” Wütend deutete er auf den Majordomus, der verschreckt neben seinem Herrn stand, schweigend.

Algerio schaute zu seinem Majordomus, dann zurück zu seinem Holzfäller. “Gut, Leandro. Ich verstehe. Ich werde mich der Sache annehmen, du hast mein Wort. Mein Angebot steht. Wenn du möchtest, seien deine Familia und du meine Gäste. Und wenn du noch etwas sagen möchtest, hast du meine ungeteilte Aufmerksamkeit.” Er sah seinen Gast eindringlich an.

Dieser starrte zurück.

“Nein”, sagte er schließlich. “Ich habe nichts mehr zu sagen.” Alles, was er hatte loswerden wollen, war gesagt. Nun würde sich zeigen, aus welchem Holz dieser… Edle… geschnitten war.




“Jodga… wir werden nochmal darüber reden müssen, wie die hier Dinge laufen, wenn ich unterwegs bin. Aber das Wichtigste zuerst. Ich werde spätestens morgen, wenn sich Leandro etwas beruhigt hat, die Familia aufsuchen und mir die Geschichte von Amira anhören. Vielleicht ist sie etwas gesprächiger. Ich möchte, dass du mich begleitest und alles mitschreibst, was sie sagt.”

“Sehr wohl, Herr”, bestätigte der Majordomus.

“Außerdem möchte ich mit Tamir sprechen. Wir werden die Sicherheit hier in Selkethal stärker in den Fokus nehmen müssen. Es kann nicht sein, dass in den letzten Monden hier schon zum zweiten mal eingebrochen wurde.”

Jodga schwieg. Und die Art, wie er schwieg, ließ Algerio aufhorchen.

“Sprich”, befahl er, etwas entnervt.

“Herr… Ihr habt selbstverständlich Recht, dass es kein haltbarer Zustand ist, wenn sich Eure Untertanen hier nicht mehr sicher fühlen. Ich möchte aber zu bedenken geben, dass es vielleicht sogar schon das dritte Mal war, dass zu… krimineller Aktivität durch lichtscheues Gesindel kam, Herr. Mit Verlaub.”

“Schon das dritte mal?”, fragte Algerio überrascht. “Was hast du mir noch verschwiegen?” An seiner Stimme war deutlich zu merken, dass der Edle verstimmt war.

“Herr, nichts habe ich Euch verschwiegen, Herr, aber Ihr erinnert Euch vielleicht an die Straßenräuber vor ein paar Wochen? Von denen Tamir berichtete? Jene, die versucht hatten, einen Eurer Warentransporte zu überfallen und dabei in die Flucht geschlagen wurden.”

Natürlich erinnerte sich Algerio. Es kam so selten vor, dass seine Handelswaren auf mittelreichischem Boden überfallen wurden, dass er jedes einzelne mal sehr lebendig erinnerte.

"Vielleicht", ergänzte Jodga, "waren es die gleichen… zwielichtigen Gesellen?"

Algerio überlegte einen Moment. Dann seufzte er.

"Dreimal also. In wenigen Monden. Hol Tamir her. Sofort. Dem muss Einhalt geboten werden!"