Chronik.Ereignis1046 Aus der Wüste 01
Edlengut Selkethal im Hesinde 1046 BF[Quelltext bearbeiten]
Autoren: BBB
Es war noch immer ungewöhnlich warm für die Jahreszeit – selbst für ein von der Sonne verwöhntes Land wie Almada. Zwar hatte Efferd es die letzten Tage immer mal wieder leicht regnen lassen und wenn die Dunkelheit hereinbrach tat man gut daran, sich in einen Mantel zu hüllen oder in der Nähe eines Feuers zu bleiben… doch tagsüber war es bestes Reisewetter.
Auch deshalb kam Dom Algerio da Selaque von Culming, Edler des Selkethals, schneller voran, als er ursprünglich angenommen hatte. Gerade bog er um die letzte Biegung am Fuße der Berge auf dem Weg durch das Tal, sodass sein Blick frei wurde auf die kleinen Häuschen der Siedlung an der Selke. Er war zuhause. Früher als gedacht... Auch wegen des guten Wetters. Aber eben nicht nur deshalb. Die Wut über die Ereignisse der letzten Tage hatte sich noch immer nicht gelegt. Sie trieb ihn an, trieb ihn vorwärts. Hatte ihn rat- und rastlos werden lassen...
„Herr, willkommen zurück! Und, wie ist es gelaufen?“ Freudestrahlend kam Answin auf seinen Herrn zugelaufen, um ihm vom Pferd zu helfen und seinen Pflichten als Page nachzukommen – doch der etwas regungslose, in die Ferne gerichtete Blick des Edlen vom Selkethal, während sich dieser aus dem Sattel schwang und dem Pagen die Zügel seines stolzen Schimmel überreichte, lies ihn inne halten. „Wart Ihr nicht erfolgreich, Herr?“, fragte er etwas zögerlicher nach.
Dom Algerio seufzte. Für einen Moment schien er seinen Pagen nicht einmal bemerkt zu haben, so sehr war er in Gedanken versunken. „Bring Prinz in die Stallungen, Answin“, befahl er schließlich resigniert. „Und frag bitte nicht weiter. Ich kann und darf nicht über die Details sprechen.“ Und damit schien alles gesagt. Schnellen Schrittes machte Dom Algerio sich auf den Weg durch die kleine Ortschaft Selkethal, sein Lehen, auf zu seiner Hacienda. Answin, der seinen Herrn noch nie so wortkarg erlebt hatte, hatte seine liebe Mühe Schritt zu halten. „Achja“, unterbrach Dom Algerio seinen Marsch plötzlich und drehte sich noch einmal zu seinem Pagen um. „Tu mir einen Gefallen, Answin. Richte Ernesto aus, dass wir die Khôm in nächster Zeit weiträumig umfahren. Sollen doch die Störrebrandts dort Geschäfte machen, mir gleich. Ich habe nicht vor mein Vermögen im Sand der Ungläubigen zu versenken!“ Er machte ein paar weitere Schritte, wandte sich dann abrupt erneut um. „Und noch etwas: Gleiches gilt auch für Omlad. Keine Waren mehr nach, durch oder aus Omlad in nächster Zeit! Verstanden?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte er seinen Weg fort und verschwand ohne ein weiteres Wort in seinem Anwesen.
Answin blieb etwas verwirrt stehen. „Aber… wie gehen wir dann mit den Verträgen um? Ich dachte wir haben Verpflichtungen...“, fragte er sich, ehe er bemerkte, dass ihm niemand zuhörte. „Wird erledigt, Herr!“, rief er Dom Algerio hinterher.
Dann beeilte er sich zu den Ställen zu kommen.
„Gut… das Wichtigste zuerst…“
Dom Algerio nahm Platz in seinem Arbeitszimmer. Ein weiterer tiefer Seufzer entwich seiner Kehle, als er in seinen Sessel sank. Er wirkte müde, mitgenommen von den Ereignissen der letzten Tage. Aber es half nichts.
Die Entscheidung war gefallen. Die Geschäfte warteten nicht.
Dom Algerio griff nach einem kleinen Glöckchen, das vor ihm, unweit seiner Schreibunterlagen stand, und läutete. Kurz darauf erschien sein Hausdiener in der Tür. „Ihr habt geläutet, Herr?“ „Jodga… bitte bring mir einen Becher Wein. Nein, das heißt… mach eine Flasche daraus. Und dann schick Ernesto zu mir. Und Tamir. Ich habe einiges mit ihnen zu besprechen. “ „Sehr wohl, Herr!“ Jodga verneigte sich und verließ das Zimmer. Dom Algerio war wieder allein.
Er nahm ein Blatt Pergament, schärfte einen Stift. Dann schrieb er.
Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Jodga betrat das Zimmer, verneigte sich kurz, um dann ein Tablett mit einem Pokal und einer Flasche Wein vor Dom Algerio auf den Tisch zu stellen. Er schenkte ein. Dann trat er beiseite. „Herr…?“ Der Hausdiener wartete, bis Dom Algerio seinen Satz beendet, den Stift beiseite gelegt hatte und zu ihm aufblickte. „Ihr hattet nach Ernesto und Tamir geschickt.“ Jodga deutete auf die offen stehende Tür, in welcher ein etwas untersetzter, stämmiger Mann in seinen besten Jahren, sowie ein halber Riese mit tulamidischem Äußeren standen.
„Danke dir, Jodga“, entließ Algerio seinen Hausdiener und bedeutete dann den beiden Wartenden einzutreten, während er unwillkürlich den Pokal ergriff.
„Ernesto…“ Dom Algerio schien seine Worte genau abzuwägen, ehe er sprach – für ihn eher ungewöhnlich. „Vergib mir, dass ich nicht in die Details gehen kann, aber wir werden in den kommenden Monden einen großen Bogen um die Wüste Khom machen. Und um die gesamte Reichsmark Amhalla. Informiere alle Handelspartner, deren Verträge davon betroffen sind, dass sie mit Verzögerungen bei ihren Lieferungen rechnen müssen, dass sie ihre Waren aber genau so zuverlässig erhalten werden, wie immer.“
„Was sage ich, wenn sie nach dem Grund fragen, Herr?“, fragte Ernesto.
Dom Algerio überlegte. „Sag ihnen… sag ihnen dass sich Berichte mehren, die Novadis seien auf einem Kriegszug und dass wir vermeiden wollen unsere Ware als Kriegsbeute zu verlieren. Ich hoffe, dass sie das beruhigt.“
Ernesto nickte, auch wenn man ihm deutlich ansah, dass ihn diese Antwort nicht wirklich überzeugte. „Was ist mit Omlad? Mit unserem Warenlager dort?“
„Löst es auf. Zumindest vorübergehend. Omlad hat von der Kaiserin das Stapelrecht erhalten und meinen Informationen nach werden sie nicht zögern davon Gebrauch zu machen. Ganz im Gegenteil. Wenn meine Vermutungen stimmen, werden sie es eher ausreizen so weit es geht...“
„Dann wären unsere vereinbarten Lieferzeiten deutlich bedroht“, schloss Ernesto, und Algerio stimmte ihm zu.
„Geh jetzt. Schau nach, wie wir die Routen ändern können, ohne allzu viel Zeit zu verlieren. Vielleicht wenn wir über Aranien reisen…? Und schick Befehl nach Omlad das Lager zu räumen, besser heute als morgen.“ Er zuckte mit den Schultern und damit war alles gesagt.
Ernesto erhob sich, verneigte sich und ging.
Er goss sich ein weiteres mal ein und leerte den Pokal in einem Zug. „Novadis also?“, fragte Tamir. Dom Algerio hatte ihn in Aranien angeworben, ein Stammeskrieger der Baburen, der für die Sicherheit der Warentransporte zuständig war und der Dom Algerio auch im Sitzen um fast einen halben Kopf überragte.
„Ja. Das heißt… nein. Was weiß ich.“
„Was soll ich also tun, Algerio? Wenn wir unterwegs Novadis begegnen?“
Wieder wählte Dom Algerio seine Worte mit großem Bedacht. „Wenn ihr unterwegs seid und auf Novadis trefft… oder einheimische Aramyas, das ist im Moment fast das gleiche… dann seid auf der Hut. Mehr noch als sonst. Sie sind auf einem Kriegszug, das ist wahr, aber ihre Aggression gilt nicht uns. Zumindest nicht vorrangig.“ Er machte eine kurze Pause, schenkte sich noch ein letztes mal nach. „Versucht ihnen einfach aus dem Weg zu gehen und wenn es zu Streitigkeiten kommen sollte, wisset, dass diese schneller als sonst eskalieren könnten. Die Lage ist angespannt. Sehr angespannt!“
„Ich werde wachsam sein und die anderen entsprechend informieren“, bestätigte Tamir.
„Danke.“ Dann wandte sich Dom Algerio wieder seinem Brief zu. Das Gespräch war beendet.
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