Chronik.Ereignis1044 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1044 BF 23
Edlengut Selkethal, 01. Rahja 1044 BF[Quelltext bearbeiten]
Nach dem Rennen über die kurze Distanz ließ Erlan Sirensteen, der Comto aus dem Horasreich, sein Pferd langsam auslaufen. “Gut gemacht, Dschinni!” sagte er mit ruhiger Stimme ins Ohr und streichelte das Tier aufmerksam. Der ihn begleitende Gardist und sein Page kamen auf ihn zugeeilt. Der Gardist war schneller und fragte: “Ist Euch etwas passiert?”
Erlan erwiderte mit einem Lächeln, welches ein wenig gezwungen aussah: “Außer einer krachenden Niederlage? Nein. Die ist aber mit Würde und Größe zu nehmen.”
Nachdem Erlan mit einem Satz vom Pferd abgestiegen war, nahm sich sein Page des Pferdes an und führte es zum Stall. “Nun Romin, es kommt für jeden die Zeit, mit der man älter wird”, sagte Erlan und dachte sich, während er seinen Gardisten anblickte, noch die Worte “oder auch nicht”, die er aber nicht aussprach. “Das gilt bei einem solchen Rennen auch insbesondere für Pferd und Reiter”, fuhr der Comto fort.
In diesem Moment stieg neben ihnen ein aus der Heimat bekanntes Gesicht aus dem Sattel und sagte in unverkennbarem phecadischen Zungenschlag. “Comto Sirensteen, ich hatte nicht erwartet Euch hier in Almada zu treffen, das gebe ich ehrlich zu.” Ein Schweißtropfen rann von seiner Stirn in seinen schwarzen Vollbart.
“Nun, Almada ist die Heimat meiner Gemahlin, insofern bin ich schon immer wieder mal hier. Aber nicht hier in Selkethal. Hätte man mich vor ein, zwei Mondläufen darauf angesprochen, da hätte ich nicht einmal gewusst, dass es hier ein solches Rennen gibt. Das ist, wie man an den Ergebnissen sieht, auch anscheinend nicht meine Passion. Aber es ist schön eine Stimme aus der Heimat zu hören“ antwortete Erlan und nickte Dareius zu.
Dieser klopfte seiner Fuchsstute aufmunternd auf die Flanke. “Die Almadaner haben wirklich hervorragende Rennpferde, das muss man neidlos anerkennen.” Er sah dabei nicht unbedingt unzufrieden aus, aber die Überlegenheit der almadaner Pferde schien seinen Ehrgeiz dennoch geweckt zu haben.
Erlan bedankte sich bei dem Edelmann, schaute auf sein Wappen: “Dann seid ihr niemand geringeres als Dareius Amarinto, der Sohn des großen Darion Amarinto, den ich - nicht erst seit dem Königsturnier 1038 - sehr schätze.” Dann wies Erlan auf seinen Begleiter: “Darf ich Euch vorstellen, Romin aus Bomed, Secretario meiner Irendorer Liliengarde. Und mein Page”, dabei blickte Erlan sich um, “ach der gute ist gerade Dschinni versorgen.”
Dareius nickte dem Secretatio zu. “Signor.”
“Aber lasst Euch trösten. Lieber bei einem solchen Rennen verlieren, als in den Momenten, wo es entscheidend ist. Wäre Dschinni nicht gewesen, würde der Grafenthron von Bomed heute anders besetzt sein. Wäre Dschinni nicht, würde ich jetzt gar nicht mit Euch sprechen und ich wüsste nicht, welches Banner über Unterfels und Oberfels wehen würde.”
Dareius’ Knappin, eine sehr hochgewachsene und kräftige junge Frau, mit hohen Wangenknochen und langen blonden Zöpfen trat heran und wich den Blicken der beiden Reiter aus und murmelte.”Signores…” Sie übernahm die Zügel und führte das Pferd davon. Ihr Schwertvater sah ihr mit einem milden Lächeln nach. “Mein Knappin, Skrayana brai Rahjalina Kaarstett. Entschuldigt, ihre Manieren benötigen noch etwas Feinschliff.”
Erlan schaute der Knappin hinterher und wandte sich wieder Dareius zu: „Glaubt mir, das kenne ich… es soll ja Knappen gehen, die formvollendete Manieren haben, wo aber die rondragefälligen Eigenschaften noch etwas gestärkt werden müssten. Aber wenn sie schon alle vollkommen wären, dann bräuchte man sie ja nicht die Knappschaft schicken.“
Dareius dachte kurz darüber nach, was Erlan Sirensteen zu seinem Pferd, was augenscheinlich Dschinni hieß, gesagt hatte. “Ja, ich habe meiner Phecadia auch einiges zu verdanken. In diesem Rennen hätte ich jedoch vielleicht lieber auf ein richtiges Rennpferd setzen sollen. Vielleicht hätte man im Vorfeld beim Junker ein passendes almadanisches Pferd leihen können. So hätte er sich bei einem horasischen Sieg zumindest mit einem preisgekrönten Pferd trösten können.” Er zwinkerte.
Erlan lachte ein wenig: „Ein schöner Ansatz. Und ich weiß schon, wie die Journaillen dieses Yaquiriens darüber berichten würden: ‚Horasier schaffen Sieg nur mit geliehenen Rössern Almadas’ oder so ähnlich. Aber was wäre ich denn für ein Mensch, wenn ich das Pferd, was mich jahrelang treu begleitet hat, auch in den fernen Zeiten, die man hier am oberen Yaquirlauf lieber nicht so sehr erwähnen sollte, wenn ich dieses treue Pferd jetzt verlassen würde, nur weil es alt geworden ist? Sollen sich die Almadaner freuen, ich bin sowieso nicht wegen dieser oder vermeintlicher Lorbeeren hierhin gereist.“
Während sie sich noch unterhielten, näherte sich Erlans Page von den Stallungen. „Darf ich Euch vorstellen: mein Page Rafim Eorcaïdos von Aimar-Gor“ sagte Erlan und wies auf seinen Pagen hin, der sich vor Dareius kurz verbeugte.
Dareius nickte dem Pagen wohlwollend zu.
Dieser erwies dem Constabler Ruthors die angemessene Ehrerbietung und schaute dann zu seinem Schwertvater. Inzwischen kannte Erlan diesen Blick und bestätigte dies mit einem Nicken, woraufhin sich Rafim von Dareius und Erlan förmlich verabschiedete und die beiden Familienoberhäupter wieder unter sich waren. Erlan wandte sich wieder an Dareius: „Bei welchen Disziplinen habt ihr Euch alles angemeldet?“
“Ich werde bei allen Wettbewerben teilnehmen, wenn ich schon einmal hier bin. Eigentlich ist dies für mich auch nur ein kleiner Abstecher, ich komme direkt vom großen Wagenrennen in Punin, an dem ich zum ersten Mal teilgenommen habe.” Sein Gesichtsausdruck ließ keine Zweifel daran, dass er sich damit einen langgehegten Wunsch erfüllt hatte. “Nach dem hiesigen Pferderennen ziehe ich weiter nach Gareth um am großen Kaiserturnier teilzunehmen und als letzte Destination möchte ich die Reise mit einer Pilgerfahrt zur Löwenburg und dem Tempel des heiligen Leomar in Perricum abschliessen.” Er lächelte fröhlich dabei. “Ich musste lange auf die Gelegenheit warten, diese Reise endlich in die Tat umsetzen zu können. Meine Verpflichtungen in Ruthor und Sewamund ließen es nicht zu. Aber nun habe ich in meiner Schwester Cariana eine würdige Vertreterin gefunden. Wie ist die Lage im Yaquirbruch, bei meiner Reise auf der Via Yaquira wirkte alles sehr ruhig auf mich?”
„Das kenne ich - wenn Verpflichtungen einen binden. Umso schöner, wenn es dann jetzt endlich geklappt hat. Und bei Rondra, das ist wirklich eine Reise, die der Leuin würdig ist. Es ist schon lange her, dass ich so unbestimmt reisen konnte“, sagte Erlan und schaute für einen Augenblick etwas wehmütig in die Ferne. Doch er hatte sich schnell wieder gefasst.
“Ihr müsst wissen, wir waren quasi im Yaquirbruch nur kurz auf der Durchreise. Wir waren zuerst auf den Zyklopen und sind dann sofort weitergereist. Dabei haben meine Gemahlin und ich uns gegönnt auf Väterchen Yaquir bis nach Jassafheim zu reisen, erst dort sind wir auf die Pferde bzw. in die Kutsche umgestiegen“ beantwortete Erlan die Frage und erläuterte weiter, dass es seiner Einschätzung nach im Yaquirbruch ruhig war, nicht einmal einen einsamen Wegelagerer sei man begegnet. „Aber ich habe auch nicht mit irgendwelchen Unruhen oder ähnlichem gerechnet. Wir sind auch nur in leichter Bedeckung unterwegs. Neben meiner Gemahlin und meinem Pagen, den ihr ja gerade schon kennenlernen konntet, nur ein Gardist. Das wäre früher sicherlich anders gewesen“ - und bei diesen Worten schien Erlan ein wenig zu grinsen.
“Ein Segen für das Reich und auch die Beziehungen der beiden Reiche miteinander. Ich habe den Eindruck, wir wurden hier durchaus freundschaftlich aufgenommen, das war vor einigen Götterläufen noch noch nicht zu erwarten gewesen. Zeit heilt wohl doch so manche Wunde…auf beiden Seiten.” Es brauchte nur ein leichtes Nicken und Erlan verstand die Anspielung auf die Schlacht von Morte Folnor, in der Dareius ebenso wie er selbst gegen die Almadaner gekämpft hatte. Diese Zeiten schienen wirklich lange vergangen. “Aber sagt, habt ihr keinen Knappen an Eurer Seite?”
“Der gute Nicolo [LF-Wiki: Nicolo Tolman di Onerdi] hat seine Knappenzeit mit Bravur bestanden, so dass ich derzeit mit dem guten Reto nur einen Pagen in meinem Gefolge habe. Und bevor ihr fragt: ja, er wäre sicherlich bald auch im Alter, um Knappe zu werden… aber … nun … darüber reden wir vielleicht ein andermal. Die Anfänge als Page waren … nicht ganz so leicht. Er entstammt ja einer ursprünglich aranischen, jetzt vor allem auch in Garetien beheimateten, Familie, die er sehr vermisst. Und die Kultur dort ist natürlich eine andere…“ antwortete der Baron des Yaquirbruchs seinem Gegenüber.
“Ich verstehe.” Dareius blickte in Richtung seiner eigenen Knappin, die mit der Herkunft aus zwei vollkommen widerstrebenden Kulturen zu kämpfen hatte und ein mildes Lächeln formte sich auf seinem Gesicht. Dann erinnerte er sich, dass Erlans Sohn auch eine ritterliche Ausbildung erhielt: „Was ist denn eigentlich mit Eurem Sohn [LF-Wiki: Amando Sirensteen], Amando, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt!? Müsste er seine Ausbildung nicht auch bald abgeschlossen haben?”
Erlan nickte zustimmend und antwortete: „Ihr seid gut informiert. Ja, der gute Baron Nicolo [LF-Wiki: Nicolo Faellan di Onerdi; der Vater von Nicolo Tolman!) und ich hatten unsere beiden Erstgeborenen quasi im Austausch jeweils zum anderen in die Knappschaft geschickt. Und Amando hat auch seine Schwertleite erhalten.”
Und fragt nicht nur sich, sondern auch mich, was er nun machen soll. Also ich wusste ja, was ich nach Akademie und Armee gemacht habe, aber ob ich ihm das alles so empfehlen soll?“ - und dabei lachte Erlan laut auf. Dareius dachte sich, dass das sicherlich auch eine interessante Geschichte sei, als Erlan fortfuhr: „Ihr habt nicht zufällig einen Vorschlag, den ich ihm mal machen kann? Er ist da noch etwas sprunghaft… kürzlich wollte er noch die Akademie seines alten Herrn aufsuchen - und das als Ritter?! Und dann eine Woche später schmiedete er Pläne, wie er als fahrender Ritter auf dem ganzen Kontinent Erfahrungen macht… er hat noch Flausen im Kopf, aber ich bin dankbar dafür, dass er“ - und bei den Worten verfinsterte sich das Gesicht Erlan SIrensteens ein wenig, bevor er fortfuhr - „nicht die Schrecken des Krieges in jungen Jahren miterleben musste.“ Und damit verstummte Erlan Sirensteen, obwohl man ihm ansah, dass da Bilder der Vergangenheit in seinen Gedanken auflebten und die eine oder andere Erinnerung ihn belastete.
Dareius verstand Erlans düsteren Blick nur zu gut. Die Alpträume, die ihn seit dem Thronfolgekrieg immer wieder heimsuchten, waren unsichtbare Narben, die er als Jüngling aus dem Krieg mitgebracht und nie ganz überwunden hatte. Der phecadische Turnierstreiter war dennoch überrascht, dass Erlan ihm gegenüber so offen über die Sprunghaftigkeit seines Sohnes sprach. Dareius entschied sich dies als aufrichtiges Interesse an seiner Sichtweise zu verstehen und überlegte kurz bis ihm klar wurde, dass eine mögliche Lösung doch so nahe lag. Einer spontanen Intuition folgend sprach er den Gedanken einfach aus: “Wenn ihr ihn nach Ruthor schickt, an den Hof von Baronin Oleana di Bellafoldi, dann werde ich ihm alles notwendige über das Leben als Ritter und Turnierstreiter beibringen und er könnte mich zu allen wichtigen Turnieren des Reiches begleiten. Die Baronin unterhält stets eine kleine Leibgarde aus aufrechten Recken, der ich als ihr Constabler vorstehe. Es wäre mir eine Ehre, Euren Sohn in diese Gemeinschaft aufnehmen zu dürfen, Comto.” Ehe Erlan antworten konnte, ergänzte er noch. “Natürlich würde er eine angemessene Kompensation für seine Dienste erhalten und könnte die Baronin und mich bei allerlei gesellschaftlichen Anlässen begleiten. Von den berühmten Bühnentagen von Ruthor habt ihr sicherlich bereits gehört und auch die Bälle der Gräfin von Bethana sind stets ein Erlebnis. Im Castello Belvedere wäre natürlich auch eine standesgemäße Unterkunft für ihn gegeben.”
Erlan war überrascht: einerseits darüber, dass seine Zunge so locker war. Im Horasreich hätte er sich vorsichtiger gegeben, aber die Amarintos gehörten ja schon zu denen, denen er aufgrund der gemeinsamen Vergangenheit, wo man zwar nicht häufig miteinander direkt zu tun hatte, aber immer für die gemeinsame richtige Sache stritt, vertraute. Und es zahlte sich andererseits ja aus, dass er sich über die Sorgen, die er bezüglich des Nachwuchses hatte mal austauschte. Er erinnerte sich da auch an zahlreiche Gespräche die er da mit seiner Schwester und seinem Schwager hatte. Es war ja nicht so, dass nur er solche Sorgen hatte. Auch wenn deren Situation nicht wirklich vergleichbar war, die Sorgen waren es schon. Sollte jetzt die Reise zu diesem Rennen sich vielleicht so entwickeln, wie es sich jetzt als Möglichkeit anbot, dann hätte sich das doch gleich mehrfach gelohnt nach Almada zu reisen. Während er noch so diese Gedanken mit sich selber ausmachen, bemerkte er, wie - jedenfalls interpretierte Erlan es so - sein Gegenüber auf eine Reaktion wartete.
“Das ist eine … wie soll ich es sagen … sehr überraschende, aber auch sehr erfreuliche Idee. Habt Dank für dieses ehrenhafte Angebot. Ich … wir … werden es überdenken und ihr werdet alsbald eine Rückmeldung erhalten. Aber ich glaube”, und dabei holte er ein Vinsalter Ei aus einer Tasche seines Oberrocks auf das er blickte, “wir sollten uns langsam auf den Weg machen. Es soll doch gleich eine kleine Erfrischung geben.”
“Natürlich, solche Dinge müssen wohlüberlegt werden. Hätte ich Kinder, würde ich über deren Schicksal auch nicht spontan nach einem Pferderennen in Almada entscheiden.” Er lachte freundlich. “Ich bin sicher, Ihr und Euer Sohn werdet die richtige Entscheidung treffen. Aber das Angebot war selbstverständlich Ernst gemeint. Ich stehe zu meinem Wort. Denkt darüber nach.” Er strich eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn. “Aber Ihr habt Recht, es ist an der Zeit sich zu erfrischen, ein Becher Almadaner Wein wäre jetzt genau das richtige.”
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