Chronik.Ereignis1044 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1044 BF 21
Edlengut Selkethal, 01. Rahja 1044 BF[Quelltext bearbeiten]
Die Glückwünsche waren verteilt. Und in Empfang genommen.
Der Stolz, die Freude über das Erreichte waren ausgekostet. Jetzt war es an der Zeit, Trost zu spenden. Und es würde nicht leicht werden, dessen war sich Algerio bewusst.
Die Schaulustigen hatten sich langsam in Richtung des Dorfes bewegt, wahrscheinlich um den einen oder anderen Wein zu trinken, auf die Sieger anzustoßen oder die Niederlage zu ertränken. Aber der Edle des Selkethal war sich sicher, dass Gwena noch irgendwo in der Nähe sein musste.
Er fand sie schließlich am Feldesrand, nahe der Stelle, an der sie ein Fehler ihre gute Position gekostet hatte.
“Gwena. Hast du einen Moment?”
Letzte, Letzte. Immer wieder hallte dieses Wort in ihrem Kopf. Als sie durch das Ziel geritten war und ihr klar wurde, welchen Platz sie “errungen” hatte, drückte sie wortlos Astrapis Zügel in die Hände ihrer Knappin Kyrilla und ging einfach weg. Weg aus dem Trubel, dem Geschrei. Als sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, starrte sie auf die Stelle, an der ihr der Fauxpas passierte. Wieder hatte sie es geschafft mit einem falschen Signal Astrapi aus dem Tritt zu bringen. Wieder hatte sie sich nicht treiben lassen, sondern gedacht, es irgendwie besser machen zu können. Und was geschah? Selbst Miguel und Jorge waren besser als sie. Was für eine Schmach. Und das unter so vielen liebfeldischen Augen. Wenn das ihr Vater erfahren würde. Und dies war gar nicht so abwegig, war doch auch eine Gerber unter den Teilnehmern.
Eine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. “Aber natürlich Dom Algerio. Sogar mehr als einen Moment.” Sie hatte schon mit seinem Erscheinen gerechnet, aber nicht hier und jetzt. Langsam drehte Gwena sich um, den Blick vor Scham zu Boden gerichtet, hatte sie durch ihre Leistung auch dem Ansehen ihres Lehrmeisters geschadet. “Ich habe Euch noch gar nicht zu Eurem überzeugenden Sieg gratuliert. Verzeiht meine Respektlosigkeit.”
“Da gibt es nichts, das zu verzeihen wäre, Gwena.” Seine Stimme klang ruhig, ernst, aufrichtig. Mit der Rechten hob er ihr Kinn, bis sie zu ihm aufblickte. “Mein Vater sagte einst zu mir, im Sieg und in der Niederlage erkennst du den wahren Charakter eines Menschen. Darin, wie sie damit umgehen. Ich kann mir… ungefähr vorstellen, wie es dir geht. Aber lass diesen Moment, diese Niederlage nicht definieren, wer du bist. Wie man dich sieht. Du bist größer als das, Gwena.”
Er lächelte ihr aufmunternd zu.
Gwena erwiderte das Lächeln. “Weise Worte Eures Herrn Vater. Ich habe halt noch viel zu lernen. Das Schlimme ist, dass ich keinerlei Fortschritt sehe. Zumindest nicht, wenn es darauf ankommt. So wie heute. Und ich habe Sorge, das dies so weiter geht und ich Eurem Namen Schande mache. Schließlich seid ihr mein Lehrer und habt einen Ruf zu verlieren.” Gwenas Miene verdüsterte sich wieder. Wie gerne würde sie Ta'iro um Rat fragen. Sich wieder mit ihm auf das Dach seines Wagens legen und den Weinschlauch kreisen lassen. Aber er war nicht da. Ein Zwist hielt ihn davon ab. Das Herz wurde ihr noch schwerer, als sie dabei auch an Farfanya dachte.
Algerio unterdrücke ein Lachen, seufzte stattdessen, schüttelte lächelnd den Kopf. “Meinen Ruf…”, wiederholte er. “Mein Ruf ist so ziemlich das Letzte, worum du dir Sorgen machen musst, Gwena. Komm mal mit.”
Mit einem Nicken bedeutete er ihr, ihm zu folgen, dann schlug er den Weg ein, quer über das Feld, das noch vor kurzem als Rennstrecke gedient hatte, in Richtung der Siedlung.
“Ich konnte dich heute leider nicht beobachten beim Rennen - offensichtlich nicht”, fuhr Algerio fort, ohne auf Gwena zu warten oder sich zu ihr umzuwenden, “aber ich sehe sehr viel Fortschritt bei dir. Jeden Tag, bei jeder unserer Übungen. Aber vielleicht ist es an der Zeit, einfach mal festgefahrene Muster und Gewohnheiten aufzubrechen.”
Sie passierten das kleine Wäldchen, das die Wiese von den Zelten und den dahinterliegenden Stallungen trennte, bahnten sich ihren Weg bis vor die Stallungen. Hier war ein halbes Dutzend Stallarbeiter damit beschäftigt, die noch eben gerittenen Pferde zu versorgen - es war laut, hektisch, und die Stallarbeiter waren ganz offensichtlich heillos überfordert.
Algerio ging direkt an ihnen vorbei, in die Stallungen, zu einer der hinteren Boxen. Dann blieb er stehen, wandte sich endlich um.
“Gwena. Ich möchte, dass du morgen Maldonado reitest. Ein Pferd, das weiß, was es heißt ein Rennen zu reiten - und zu gewinnen. Vielleicht hilft dir das, den Glauben an dich wiederzugewinnen.”
Gwena erschauderte. Maldonado war ein wunderschönes Tier und ganz anders als ihr Astrapi. Aber wurde sie dieser Ehre überhaupt gerecht werden. Wieder keimten Zweifel in ihr auf.
“Wenn dies Euer Wunsch ist, Dom Algerio. Aber ist es im Regelwerk überhaupt erlaubt, während des Rennens das Pferd zu wechseln? Und ich weiss nicht, wie ich es sagen soll. Es kommt mir wie Verrat an meinem Astrapi vor. Und ich weiss ja auch nicht, ob mich diese Schönheit akzeptiert. Ein Pferd ist schließlich nur so gut wie sein Reiter.” Sie wartete die Antwort gar nicht erst ab. Langsam bewegte sie sich auf Maldonado zu. Dieser schnaubte kurz und schaute Gwena entgegen. Gwena wich dem Blick nicht aus und näherte sich weiter. Doch Maldonado wurde unruhiger. Gwena blieb stehen. “Ruhig mein Großer. Ganz ruhig. Ich werde dich nicht bedrängen und gebe dir die Zeit, die du brauchst.”, redete Gwena beruhigend auf ihn ein. Nach und nach ließ Maldonado Gwena näher an sich herankommen. Sie streckte ihm ihre Faust entgegen und ließ das Pferd daran riechen. “Ihr seid mir noch eine Antwort schuldig. Darf ich das Pferd überhaupt wechseln? Und dies ist Euer Pferd, Dom Algerio. Wenn ihr unbedingt auf einen Wechsel besteht, dann gebt mir ein anderes.”
Algerio beobachtete zufrieden die Interaktion. Auch wenn der jungen Horasierin die Erfahrung fehlte, man ihr ansah, dass sie sich mit anderen als ihrem eigenen Pferd noch schwer tat, waren ihre Fortschritte mehr als deutlich zu erkennen. “Das darfst du”, antwortete er schließlich auf ihre Frage. “Die Regeln sehen diesbezüglich nichts anderslautendes vor und die besten Reiter wechseln sogar gern ihre Pferde, in der Hoffnung, durch ein frisches Pferd einen kleinen Vorteil erringen zu können.”
Er trat zu ihr, strich Maldonado über den Hals, während er Gwena direkt ansah.
“Ich bestehe auf einen Wechsel, Gwena. Einfach, um es mal auszuprobieren. Und ich bestehe auch darauf, dass du Maldonado reitest. Jedes Pferd, das ich dir geben könnte, wäre meines. Aber ich will sehen, wie du dich auf einem echten Rennpferd schlägst. Einem Pferd, das wirklich weiß, worauf es ankommt, mit dem du aber noch nicht so vertraut bist.” Er musterte sie kurz, fügte dann hinzu: “Tu es mir zuliebe.”
Gwena errötete leicht. “Dann soll es so sein. Euch zuliebe. Aber nur für das nächste Rennen.” Sie ging an Maldonados Seite und streichelte ihm sanft über die Flanke. “Und dann sehen wir weiter.”
|