Chronik.Ereignis1044 Ein vergnüglicher Abend 06

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Punin, Peraine 1044 BF[Quelltext bearbeiten]

Fuchsbau, irgendwo in Yaquirhafen, in den noch späteren Abendstunden[Quelltext bearbeiten]

Autoren: BBB, Eliane

Gerade als er das Wort ergreifen wollte, zog irgendetwas hinter seinem Täubchen kurz die Aufmerksamkeit Obsidians auf sich, ehe er ihr wieder in die Augen blickte. Sie übten weiterhin eine ungebrochene Faszination auf ihn aus, der sich zu entziehen schwer war. Einen Moment lang schien er wieder in Gedanken versunken - Gedanken oder Erinnerungen, strich er sich doch erneut mit der Zungenspitze über die Lippen. Dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben. “So sehr es mir widerstrebt, mich deiner Gesellschaft zu entziehen - es gibt eine Sache, die ich noch erledigen sollte. Ich hoffe auch, dass es nicht allzu lang dauert - und trotzdem… kurzweilig für dich ist.” Er zwinkerte seinem Täubchen vielsagend zu. “Würdest du mich kurz entschuldigen?” Fabiola nickte. „Verrätst du mir, was du vor hast? Ach, ich lasse mich überraschen.” Neugierig sah sie zu, wie er sich erhob.


Obsidian schlenderte, ohne erkennbare Eile, zu Phexlinde und wechselte ein paar kurze Worte mit ihr. Die gute Seele des Fuchsbaus kramte kurz hinter dem Tresen, bevor sie Obsidian etwas reichte und dieser sie bezahlte. Dann drehte er sich um und lehnte sich gegen den Tresen. Gespannt sah Fabiola ihm zu. Schließlich sammelte sie die Becher und Flasche ein und ging hinüber. Doch sie kam zu spät um zu erkennen, was Linde ihm gegeben hatte. Nicht jedoch, um zu verstehen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Oder besser, wer. Folgte man seinem Blick, so sah man den Rotzer, der gerade dabei war, seine sieben Sachen zu packen, seine Zeche zu begleichen und aufzubrechen. Er hatte schon einen Teil des Weges vom Kartentisch, an dem er die meiste Zeit des Abends gesessen hatte, zur Tür hinter sich gebracht, da ertönte ein laut gerufenes: “Hey!!” quer durch den Raum, das den Rotzer innehalten ließ.


Er wandte sich noch einmal um. Obsidian hatte ein paar Schritte auf ihn zugetan. “Ich will dich nicht aufhalten, aber nachdem du den Grünling vorhin so ausgenommen hast…” Obsidian blieb neben einem der Kartentische stehen, nestelte an seinem Gürtel und löste seinen Geldbeutel. Er ließ ihn kurz in der Luft baumeln und dann auf den Tisch fallen. “...dachte ich mir, du willst dich vielleicht mit jemandem messen, der als der Beste des Fuchsbaus gilt.” Amüsiert sah Fabiola Obsidian zu. Die Vorstellung, dass er den Rotzer im Spiel besiegen könnte, gefiel ihr. Solang er nicht wieder leichtsinnig etwas setzte, das ihm wirklich wichtig war. Das war der Rotzer nicht wert.


Dieser lachte laut auf, was nahtlos in einen weiteren feuchten Hustenanfall mündete. “Der Beste. Pah. Dass ich nicht lache.” Er spuckte aus und sein Rotz blieb einem der Stühle kleben. “Warum sollte ich mich mit einem Jüngling wie dir messen wollen, Einauge?”, fragte er an Obsidian gerichtet, nachdem er sich wieder gefangen hatte. “Es ist spät. Ich habe mich für heute genug bewiesen.” Er wandte sich wieder zum Gehen.

“Ein Feigling bist du also?”, versuchte Obsidian es mit Provokation, wo Ehrgeiz keine Wirkung zeigte. Doch den Rotzer interessierte auch diese nicht. Er setzte seinen Weg in Richtung des Ausgangs fort.


“Oder ist es der Einsatz?”, fragte Obsidian so laut, dass der Rotzer es noch hören musste. Ein Raunen ging durch Raum, was den Rotzer dann doch innehalten ließ. Er drehte sich um. Im schwachen Licht des Fuchsbaus sah er Obsidian, noch immer neben dem Kartentisch stehend, seine Geldkatze noch immer darauf liegend. In den Fingern eine silberne Münze.

Fabiola sog die Luft ein. Obsi wollte nicht im Ernst für eine kleine Zurechtweisung seine Münze setzen? Oder war es Gewohnheit, tat er es öfter? Nachdenklich schüttelte sie den Kopf, versuchte, einen genaueren Blick auf das Silberstück zu erhaschen. Auf das Zeichen des Fuchses über dem Gesicht Dom Gwains. Schließlich war ihr Begleiter nicht dumm. Doch er stand einfach zu weit weg.

“Sie hat mir heute schonmal Glück gebracht”, setzte Obsidian nach. Sein Blick ging kurz zu seinem Täubchen, dann wieder zurück zum Herausgeforderten. Das Gesicht des Rotzers zeigte keine Regung - aber zum ersten Mal war er um eine schnelle Antwort verlegen. “Was ist? Nur du und ich. Der Gewinner kriegt alles. Der Verlierer geht leer aus.” Obsidian legte die Münze vor sich auf den Tisch, nahm Platz. Dennoch zögerte der Rotzer. Sein Blick war erstarrt - und auf die Münze fixiert. Langsam, ganz langsam setzte er sich in Bewegung… und nahm vor Obsidian Platz.

Als Obsidian zu ihr herüber sah, hob Fabiola fragend eine Augenbraue, bevor sie ihm ein aufmunterndes Lächeln schenkte und langsam herüberkam, die leere Weinflasche noch immer in der Hand. Sie suchte nach der Hageren und der Drallen von früher am Abend, aber keine der beiden schien noch im Fuchsbau zu sein. Sie wussten wirklich, wie sie Verdacht vermieden. Fabiola richtete ihre Aufmerksamkeit zurück zum Tisch, trat neben Obsidian.


“Wenn mir der Fuchs gleich zwei von eurer Art an einem Abend vor die Nase setzt, wer bin ich mich zu beschweren”, lachte der Rotzer, als er sein Geldsäckchen hervorkramte und ebenfalls auf den Tisch legte. Es war offensichtlich prall gefüllt. Der Abend hatte es bislang gut mit ihm gemeint.

Während der Kartengeber damit begann, die Karten mit flinken Fingern zu mischen, musterte Obsidian erst sein Gegenüber, dann dessen Geldbeutel. Dann schüttelte er kaum merklich den Kopf. “Nein, wenn wir spielen, dann richtig. Alles oder nichts habe ich gesagt.” Sein Blick fiel auf die Brust des Rotzers und mit einem Nicken seines Kopfes deutete er dorthin, wo dieser seine stille Reserve hatte. Die drei Medaillons. Der Rotzer hustete erneut. “Das ist es also, worauf du es abgesehen hast, Einauge?” Fabiola schmunzelte. Ihr Gastgeber meinte es ernst. Was ihr gefiel, weil es bedeutete, dass der widerliche Kerl den Verlust bedauern würde. Und es für sie vielleicht eine Gelegenheit gab, das dritte Medaillon zu bekommen. Und ihr gleichzeitig missfiel, sollte Obsidian wirklich seine Münze gesetzt haben. Wieder versuchte sie, das Zeichen des Mungo zu erkennen, doch die Münze lag mit Dom Gwain Antlitz nach unten.

Obsidian zuckte mit den Schultern. “Ich denke nunmal, sie machen sich schöner um den Hals meines Täubchens als vor deiner schrumpeligen Brust”, erwiderte er, scheinbar gleichgültig. Fabiola musste ihm lassen, er wirkte auf jemandem, der nicht den ganzen Abend und den längsten Teil der Nacht im vertraulichen Gespräch verbracht hatte, ziemlich überzeugend. Machte er sich Sorgen um seine Münze? Oder weshalb zeigte er weniger Gelassenheit als bei der Wette um die Niederlage des Grünlings?

Der Rotzer lachte rasselnd. Sein Blick wanderte zwischen der silbernen Münze auf dem Tisch und dem Gesicht seines Gegenübers hin und her. Dann schnaubte er. Durchaus widerwillig griff er sich unters Hemd und holte das Lederband hervor, an welchem die drei Medaillons hingen. Mit einem Schnaufen platzierte er es neben seinem Geld auf dem Tisch. “Drei Medaillons gegen eine Silbermünze… das ist kein fairer Einsatz”, versuchte er noch den Preis zu drücken, doch Obsidian wusste, dass er sein erstes Ziel erreicht hatte. “Das mag stimmen”, entgegnete er grinsend, “aber abgesehen von deiner Münze hast du nichts bei dir, was im Wert auch nur annähernd gleichwertig wäre.” Irgendwo lachte jemand hämisch, und Obsidian wurde gewahr, dass viele Augen auf den beiden ruhten. “Die Herren, die Einsätze, bitte”, eröffnete der Kartengeber das Spiel.


Fabiola trat zu Obsdian. „Feqz mit dir.“, murmelte sie in sein Ohr, bevor sie einige Schritte zur Seite machte, um das Geschehen am Tisch besser überblicken zu können. Obsidian lächelte zufrieden und machte den ersten Einsatz. Das Spiel begann.


“Ein außergewöhnlicher Abend”, hörte das Täubchen Linde neben sich kommentieren. Offenbar hatte sich die gute Seele des Fuchsbaus den anderen Besuchern als Zuschauerin des wahrscheinlich letzten großen Spiels der Nacht angeschlossen. Sie stand direkt neben ihr, den Blick auf die beiden Spielenden gerichtet. „In der Tat.“, pflichtete Fabiola ihr bei. „Mit einer interessanten Wendung zum Abschluss. Sind die Abende hier immer so spannend? Ach ja, zwei Kreuzer auf Obsi. Und der Wein war ziemlich gut. Glaube ich. Also, ich fand ihn lecker. Wo hatte der Gast, der ihn vergessen hat, her? Oder es lag an der Gesellschaft…“ Linde nickte, strich die zwei Kreuzer ein und ließ sie geschickt irgendwo in ihrem Rock verschwinden. “Spannende Abende hatten wir schon einige hier”, erwiderte sie. “Aber heute ist tatsächlich außergewöhnlich. In mehr als einer Hinsicht.”


Die beiden Spielenden beendeten die erste Runde, ohne dass einer der beiden den Einsatz erhöht oder ein Risiko gewagt hätte. Die Karten blieben verdeckt.


Mit einem Blick auf die Weinflasche in Täubchens Hand bemerkte Linde: “Freut mich, dass er euch geschmeckt hat. Ich versteh nichts davon.” Sie grinste schief. “Hat ein Spieler als Einsatz gebracht. Steht auch glaube ich noch an der Tafel. War hier in Begleitung, wenn ich mich richtig erinnere, genau wie du, und hat kein bisschen hier reingepasst. Aber gesoffen hat er. Und auf alles und jeden gewettet. Sein Geld saß sehr locker, deswegen hat er schnell Freunde gewonnen. Also, du weißt schon. ‘Freunde’. Zum Schluss hat er den Wein gesetzt. Irgendwas mit einem Vertrag von Weiden oder so. Ist nie wieder hergekommen und das Zeug wird ja nicht besser, stimmt’s?”

Fabiola zuckte mit den Schultern. „Ich hab gehört, dass Wein zu Essig werden kann. Also wirst du wohl Recht haben. Hast du was dagegen, wenn ich die Flasche mitnehme? Als Andenken?” Ihr Blick wanderte zu Obsidian und verweilte einen Moment nachdenklich. “Nicht im Geringsten, Liebes. Du hast dafür gezahlt, so wie ich das sehe, gehört sie dir, mit oder ohne Inhalt.”


„In welcher Hinsicht war der Abend außergewöhnlich? Außer, dass eine Münze gesetzt wurde? Das kommt sicher nicht oft vor, ich würde meinen Zutritt jedenfalls nicht einfach so riskieren. Und dass ein Gast mitgebracht wird, kann es ja auch nicht gewesen sein.” Fabiola wollte aus Gewohnheit an ihrem Getränk nippen, merkte dann aber, dass sie ja nur die leere Flasche in der Hand hielt. “Das kommt eigentlich nie vor”, bestätigte Linde. “Niemand ist so dumm, seinen Zutritt aufs Spiel zu setzen. Oder den damit einhergehenden Gefallen. Und wenn doch, dann ist niemand so dumm seinen Gewinn sofort wieder zu setzen. Und was Obsi heute hier macht…”

Sie brach ihren Gedanken ab und musterte das Täubchen einmal von oben bis unten. „Er kam mir bislang nicht dumm vor, eher, als wisse er ziemlich genau, was er tue.“, wandte Fabiola ein. “Er hat noch nie eine Frau hierher gebracht. In all den Götterläufen nicht. Mal einen Straßenjungen, mal einen hübschen Zahori. Zwei, dreimal vielleicht, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt. Aber nie eine Frau.” Sie drehte sich wieder dem Spiel zu. Die ersten Münzen wechselten den Besitzer, ohne allzu viel Aufhebens. “Und auch Federigo so herauszufordern sieht ihm nicht ähnlich”, fügte sie schließlich hinzu, als Obsidian die nächste Runde - weiterhin ohne hohe Einsätze - gewann. “Für gewöhnlich ist Obsi einer der eher ruhigen Spieler. Irgendetwas ist heute anders an ihm.” Sie warf dem Täubchen aus dem Augenwinkel einen weiteren Blick zu der andeutete, was sie dachte. „Wir haben fürchterlich viel getrunken heute. Schon bevor wir hier weitergemacht haben. Vielleicht ist ihm das zu Kopf gestiegen.“, schlug Fabiola abwinkend vor. ‚Keine Frau?‘, schoss es durch ihre Gedanken. Andererseits, offenbar brachte er sowieso selten Gäste, da hatte es sich vermutlich einfach nicht ergeben. Aber warum spielte er heute anders als sonst? Sie traute Linde zu, das richtig einzuschätzen. “Vielleicht”, nickte Linde, schob dann aber nach: “Aber auch das ist eher ungewöhnlich für ihn. Normalerweise trinkt er eher zurückhaltend. Aber wer weiß, du kennst ihn sicher besser als ich”, fügte sie lächelnd hinzu.

„Zurückhaltend ist jedenfalls kein Begriff, den ich mit ihm in Verbindung gebracht hätte.“, grinste Fabiola, bevor sie das Thema wechselte, ihre Irritation kaschierend.


„Ist Federigo ein häufiger Gast? Kommt er allein? Und ist er immer so… auffällig?“ “Auffällig?”, fragte Linde gespielt überrascht. “Ich wüsste nicht, was an ihm auffällig ist”, log sie so offensichtlich, dass selbst ein Kind es bemerkt hätte. “Er hat durchaus seine eigene Art, das stimmt, vielleicht ist dir ja das aufgefallen”, schlug sie vor. “Aber ja, er gehört zu unseren Stammgästen. Er und seine Freunde.” „Und sie finden immer noch Mitspieler? Nicht schlecht. Mal sehen, wie gut Federigo ist, wenn er allein spielen muss.“, erwiderte Fabiola. Gut, dass sie ihre Beobachtung nur mit Obsidian geteilt hatte. Hoffentlich gewann ihr Begleiter gegen diesen unangenehmen Kerl.


Einen Moment sinnierte sie über die Einsätze der beiden, den Lohn für ihre Risikobereitschaft. Eine weitere Frage trieb an die Oberfläche ihrer Gedanken.

„Was machst du, wenn der Fremde zurückkommt, um seinen Gewinn zu fordern? Jetzt, wo der Wein leer ist? Auch wenn er vermutlich am nächsten Morgen die ‘Freundschaft’ zu seinen Gastgebern beendet hat, sobald er wieder bei Verstand war.” “Oh, das Risiko gehe ich gerne ein”, kicherte Linde. “Er war betrunken, er hat keine Münze und wahrscheinlich wird es ihm hoch peinlich gewesen sein, als er am nächsten Morgen bei seiner Liebsten erwachte und sich erinnerte, was er hier getrieben hat. Falls er sich denn überhaupt erinnert. Glaube mir, der kommt nicht mehr.” Fabiola lachte leise. Sie warf einen Blick auf die Tafel. „Ich kann die Wetten immer noch nicht lesen. Worauf hat der Spieler den Wein gesetzt? Also, was hat er getippt, dass mit diesem Vertrag von Weiden passiert?” Linde kniff die Augen zusammen, starrte einen Moment angestrengt auf die Tafel. “Dass er verlängert wird. Ohne Änderungen. Glaube ich. Ach, wird Zeit, dass ich das einfach abwische. Wäre nicht das erste mal.” Sie zwinkerte dem Täubchen zu. “Verrat es niemandem, Liebes.” „Mach ich nicht. Ich will ja wiederkommen.“, grinste Fabiola. „Kommt es oft vor, dass jemand die Münze für einen Gefallen einlöst?“ Es interessierte sie brennend, wer aus ihren Kreisen sich hierhin verirrt hatte. Leider konnte sie schlecht weitere Erkundigungen einziehen, ohne Misstrauen zu wecken, Gefahr zu laufen, Obsi und sich selber zu verraten.

Linde schüttelte den Kopf. “Hier? Im Fuchsloch? So gut wie nie.” Sie lachte laut auf. “Meine Kunden sind zwar oft betrunken, aber so dumm einen Gefallen bei einem Geweihten aufzugeben, um einen Gefallen von mir zu bekommen, sind nur die wenigsten. Wieso fragst du? Kann ich dir einen Gefallen tun, Liebes?”, fragte sie herausfordernd. „Heute nicht, nein. Vielleicht ein anderes Mal. Wie bist du zum Fuchsbau gekommen? Und an die Silbermünzen, die du verteilen kannst? Kennst du den Erschaffer persönlich?“


Linde musterte sie abwägend, während hinter ihr weitere Kupfermünzen den Besitzer wechselten. Das Spiel war noch immer in einer frühen Phase, viel war bislang nicht passiert. Dennoch wurde langsam deutlich, dass Obsidian weitaus geduldiger spielte als sein Gegner. Der kleine Haufen Münzen vor ihm wuchs langsam, aber stetig. “Ich habe dieses Casino erschaffen”, sagte sie schließlich stolz. “Zusammen mit meinem ersten Gatten, Boron hab ihn selig. Und ja, ich habe ihn getroffen, den Erschaffer der Münzen. Ein oder vielleicht zweimal.” Aus der Art, wie sie dies betonte, wurde klar, dass sie stark untertrieb. “Über den Rest… hüllen wir hier den Mantel des Schweigens”, grinste sie. “Es sei denn du möchtest deine Münze setzen, versteht sich.” „Danke, nicht heute. Ich möchte sie mindestens einmal benutzt haben, um hierher zu kommen, bevor ich sie verliere.“, lachte Fabiola. „Ich bin nicht so mutig wie Obsi. Und meinen Respekt für deine Leistung, und die deines verstorbenen Gatten. Ein sehr besonderer Ort. Möge der Fuchs dir weiter seine Gunst schenken, und ihm einen Platz in Phexens Hort.“ Fabiola warf einen Blick zu den beiden Spielern, bevor sie sich erkundigte: „Bist du von hier?“ “Vielen Dank”, lächelte Linde stolz. Man merkte ihr an, dass ihr der Fuchsbau durchaus viel bedeutete. “Geboren und aufgewachsen in den Straßen Unter-Punins”, erklärte sie. “Vater ein Hafenarbeiter, Mutter im Ausschank einer schäbigen Kaschemme. Hab früh gelernt, dass es Bedarf gibt für solcherlei… Kurzweil.” „Scharfsinnig. Phexgefällig. Sicherlich lohnend.” Linde nickte. “Und eine gute Idee, einige strenge Regeln hart durchzusetzen. Nimmt sich das Haus die gleichen Freiheiten, die den Spielern offen stehen?“ Linde musste ein lautes Lachen unterdrücken. “Ha, eine gute Frage meine Liebe! Letztlich gibt es nur eine Regel hier: Der Fuchs ge…”, als sie durch ein lautes Raunen unter den Zuschauern unterbrochen wurde.


Die ersten drei Karten waren soeben für alle sichtbar aufgedeckt worden und erfahrene Spieler, von denen es unter den Zuschauern einige gab, hatten sofort erkannt, dass bereits jetzt zahlreiche Kombinationen möglich waren. Federigo, der Rotzer, schien dies ebenfalls erkannt zu haben. Mit einer tiefen Gehässigkeit im Blick schob er gut ein Drittel des vor ihm befindlichen Geldes in die Mitte, ehe er genussvoll auf den Boden spuckte. “Na, Einauge, was ist? Da ist das Blatt, auf das ich gewartet habe. Endlich mutig genug für den Tanz, oder präsentierst du dich weiterhin als Feigling?” “Dienen, Fordern, Kneifen”, forderte der Geber Obsidian auf, eine Entscheidung zu treffen. Und während jeder im Raum erwartete, dass Obsidian kniff, wie er es die letzten Züge immer getan hatte, wenn der Rotzer eine größere Forderung ausgesprochen hatte, änderte er dieses Mal sein Vorgehen. “Dienen”, sagte er nach einer längeren Pause des Nachdenkens, und nicht ohne noch einmal vorsichtig unter die vor ihm liegenden Karten geschaut zu haben. Nachdenklich musterte Fabiola die beiden Spieler aufmerksamer. Der Rotzer spielte ungeduldiger als vorher. Seine Finger spielten zwar immer noch mit seinen Münzen, aber zielloser. Sie schmunzelte, zufrieden, dass Obsidian ihn gezwungen hatte, ohne Unterstützung zu spielen. Er war zwar immer noch gut, aber eben nur das. Sie sah zu ihrem Gastgeber, versuchte, ihn zu lesen, einzuschätzen. Er schien in sein Spiel gefunden zu haben, auf jeden Fall war er gelassener als bei der Herausforderung. Aber sie hatte schon den Eindruck, dass ihm der Ausgang des Spieles etwas bedeutete.


Nachdem die Einsätze getätigt waren, legte der Geber die nächste Karte in die Mitte und eine weitere auf die Seite. “Phex zum Gefallen”, wiederholte er die bekannte Floskel, ehe er die neue Karte in der Mitte umdrehte. Sie war weitgehend wertlos und änderte nichts an den Kombinationsmöglichkeiten. “Na, auf was hoffst du, Einauge? Was hast du auf der Hand?”, stichelte der Rotzer, ehe er laut hörbar die Nase hochzog. Obsidian antwortete nicht, sondern starrte konzentriert auf die Mitte. “Dienen, Fordern, Kneifen”, eröffnete der Geber die Runde der Gebote, was sich der Rotzer nicht zweimal sagen ließ. Ohne zu zögern und sehr selbstbewusst schob er den Rest seiner Münzen in die Mitte. Nur das Lederband mit den drei Medaillons behielt er bei sich. Ein starkes Signal für ein starkes Blatt.


Fabiola widerstand dem Impuls, zu Obsidian hinüber zu gehen und an seiner Seite das Ende des Spiels mitzuerleben. Sie wollte nicht riskieren, ihn abzulenken. Stumm bat sie den Mungo um Beistand für ihren Begleiter - um dann festzustellen, dass eine andere Frau tat, was sie nicht getan hatte. Zumindest beinahe. Noch während Obsidian überlegte, wie er nun verfahren sollte, bewegte sich, ganz langsam und entspannt, eine ältere Frau in Richtung des Ausgangs - nur um dann in Obsidians Rücken umzukehren und ihm mit langem Hals über die Schulter zu linsen. Wieder kontrollierte Obsidian, einem Reflex folgend und offenbar tief in Gedanken versunken, seine Karten. Und die alte Frau grinste, zwinkerte dem Rotzer schief lächelnd zu… und ging.

Stumm fluchte Fabiola, wie träge ihre Gedanken geworden waren. Hätte sie schneller reagiert, hätte sie Obsi warnen können. Jetzt war der Schaden angerichtet, kein Grund Obsi abzulenken. Wie viele ‚Freunde‘ hatte Federigo noch? Was bot er, dass sie sich mit einem so widerlichen Kerl einließen? Zumal sie sein Gehabe eigentlich für eine Masche, für Ablenkung gehalten hatte. Andererseits, vielleicht behielt er die Rolle bis zum Ende bei. Sie musterte ihn eingehender.


Der Rotzer reagierte zunächst nicht. Erst als Obsidian laut vernehmbar verkündete: “Diene!”, und begann Münzen abzuzählen, sodass sie den Einsatz des Rotzers deckten, entspannte er sich sichtlich. “Sehr gut, Einauge”, kommentierte der Rotzer, der nun mit dem einzigen, was ihm verblieben war, den Medaillons, zu spielen begann. Vor Obsidian lagen noch immer gut zwei Hand voll Kreuzer, sowie der Silbertaler. “Kommen wir dem letzten Duell also näher”, hauchte der Rotzer mit Blick auf die Münze. Er entblößte seine schlechten Zähne in einem breiten Grinsen, verstummte dann aber in einem weiteren Hustenanfall. Fabiola machte unwillkürlich einen Schritt auf den Tisch zu. Sie hoffte sehr, dass Obsi gewinnen würde.


Der Geber nutzte die Gesprächspause und legte eine weitere, letzte Karte verdeckt in die Mitte. “Phex zum Gefallen”, verkündete er, schob eine letzte Karte beiseite und drehte die verbliebene Karte in der Mitte des Tisches um. Einige der versierteren Spieler unter den Zuschauern staunten nicht schlecht. Allein die Karten in der Mitte des Tisches bildeten ein starkes Blatt - selbst ein hohes Paar in der Hand hatte nun wahrscheinlich keinen Wert mehr. Das Ende des Spiels kündigte sich an. Neugierig musterte Fabiola erst die Karten, dann die Spieler. Wie es wohl ausgehen würde?

“Der Fuchs hat entschieden, Einauge. Bist du Mann genug, dich dem zu stellen?” Selbstbewusst grinsend ließ der Rotzer die Medaillons in die Mitte des Tisches fallen. Obsidian schnaubte nur verächtlich. Mit einem Schnippen seines Fingers ließ er die Silbermünze in die Mitte des Tisches gleiten. Stolz prangte das steigende Pferd darauf. Sein Täubchen lachte leise. Noch immer war es ihr nicht gelungen, die andere Seite des Silbertalers zu sehen. Und sie hatte den unbestimmten Eindruck, dass er absichtlich das Pferd hatte oben landen lassen. Schließlich hatte er schon im Schwan gezeigt, dass er Münzen tanzen lassen konnte. Derweil steckte er das restliche Kleingeld wieder ein. “Ich will sehen, was du hast, Dreckskerl”, forderte er. Instinktiv griff der Rotzer nach der Silbermünze in der Mitte, doch mit einem scharfen Zischen ließ der Geber ihn innehalten. Noch war die Runde nicht vorüber, die Beute nicht gemacht. “Sieh hier und verreckte an deiner einen Arroganz!”, spie der Rotzer selbstgefällig aus. Er deckte seine Karten auf, eine durchaus starke, aber bei weitem nicht unschlagbare Hand.


Obsidian erbleichte. “Das… das kann nicht…”, stammelte er einen Moment. Dann platze es aus ihm heraus. “Das ist Betrug!”, schrie er den Rotzer an und schlug mit der flachen Hand quer über den Tisch. Münzen flogen durch Raum, kullerten über den Boden, während der Rotzer, lachend, fast an seinem eigenen Husten erstickte. Einige der Zuschauer stoben auseinander, im Bemühen unter den davon rollenden Münzen den großen Preis des Spiels ausfindig zu machen, andere sprangen an Obsidians Seite, hielten ihn zurück, um einen schlimmeren Wutanfall zu verhindern. Völlig überrascht sah Fabiola ihn an. Das passte überhaupt nicht zu der Art, wie sie ihn bisher erlebt hatte. Wie Linde ihn beschrieben hatte. Hatte er nicht behauptet, er entscheide, wann er sich reizen oder beleidigen lasse? Andererseits hatte er wie sie selber viel zu viel getrunken. Endlich dämmerte die Erkenntnis in ihr, dass es sinnvoll wäre, ihn zu beruhigen, bevor Obsidian gegen die Regeln verstieß. Doch in diesem Moment gab dieser sich geschlagen. Die Hände abwehrend erhoben, verkündete er laut: “Schon gut. Schon gut! Ich kenne die Regeln, ich weiß wo der Ausgang ist!”


Er wandte sich um, suchte und fand sein Täubchen ganz in der Nähe und mit ein paar schnellen Schritten stand er neben ihr. “Komm mit, ehe es hier ungemütlich wird”, flüsterte er, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie, schnellen Schrittes, aus dem Fuchsbau an die frische Morgenluft.