Chronik.Ereignis1043 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1043 BF 47
Edlengut Selkethal, 24. Rahja 1043 BF[Quelltext bearbeiten]
In der Laube des Gasthofs Burg An Holt (abends)[Quelltext bearbeiten]
Autor: De Verlez
Es hatte einige Zeit gedauert, bis sich seine Base Gwena und ihre Knappin Kyrilla aufgemacht haben, um den Worten des alten Geschichtenerzählers aus dem Gefolge des Barons León Dhachmani de Vivar zu lauschen. Gestern waren beide bereits dagewesen, aber als Rhymeo nachfragte, hatten beide nur den Kopf geschüttelt und auf heute vertröstet. Ja, es war die Geschichte des Barons im Lieblichen Feld, aber zum einen wurde diese von dem Novadi mit vielerlei Geschwafel vorgetragen und zu anderen hatte dieser seine Mutter noch nicht erwähnt. Misstrauen keimte in ihm auf und er entschloss sich die Sache nun selber in die Hand zu nehmen.
Leise schlich er sich aus dem Gästezimmer der Müllersfamilie und begab sich langsam und vorsichtig zur Laube des Gasthofs. Er achtete darauf, von niemanden gesehen zu werden. Am Tag hatte er schon eine gute Stelle für ein Versteck ausgemacht. Hinter der Laube war ein Gebüsch und dem gegenüber, in der Wand der Laube, eine geöffnete Klappe. Diese blieb auch offen, denn einer der Bediensteten hatte die Halterung der Klappe beschädigt, so dass diese nicht mehr zu schließen war. Dafür hatten ein paar Kupfermünzen den Besitzer gewechselt. Dort fand Rhymeo seinen Platz und wartete.
Autor: vivar
Wieder senkte sich der Abend auf das Selkethal, und wieder hatten sich mehrere Zuhörer in der Laube eingefunden, um dem alten Sadiq ben Omar zu lauschen.
„Mein Herr, Sayyid León, hatte also dieses Buch im Besitz seiner Tante gefunden und grübelte mit seinem Verwandten, Sayyid Balafur, darüber, wie er sein Geheimnis entschlüsseln könne. Derweil war jedoch auch über verschlungene Wege der Comto Sarastro auf die Angelegenheit aufmerksam geworden. In seinem finsteren Herzen keimte die Hoffnung auf, nach so vielen Jahren doch noch den Schatz der Geschuppten an sich reißen zu können. Er begann mit seinem Gefolge, uns vier zu beobachten und ersann einen heimtückischen Plan.
Während mein Herr und Sayyid Balafur also grübelten und berieten, begann sich unsere rothaarige Schönheit zu langweilen. Sie war eine Kriegernatur, wild und aufbrausend, darüber hinaus stolz und eigenwillig, und nicht für das Glätten alter Pergamente und das Herumsitzen in Studierstuben gemacht. In ihr wuchs die Eifersucht auf Sayyid Balafur, der mit dem verfluchten Buch die Aufmerksamkeit meines Herrn, ihres Geliebten, auf sich zog. So wurde sie empfänglich für das zunächst heimliche, dann immer aufdringlichere Werben Comto Sarastros und folgte ihm arglos nach. Als sie ganz in seiner Gewalt war, sandte er ein Schreiben an meinen Herrn und forderte die Herausgabe der Karte für die Freilassung der edlen Dame.
Zornentbrannt wollte mein Herr sofort aufbrechen, um den Schurken mit dem Degen zur Aufgabe zu zwingen, doch Sayyid Balafur und ich bewogen ihn zu einem klügeren Vorgehen. Wir ließen die Karte abzeichnen und von einem Mudramul gegen teures Geld mit einem Zauberzeichen versehen. Bei der Übergabe der Karte auf einer Brücke in den Sümpfen Alt-Bosparans ging das Pergament in den Händen Comto Sarastros auf magische Weise in Flammen auf und uns gelang es, die Kriegerin zu befreien und dem Comto und seinen Häschern zu entkommen.
Wir brachen umgehend in die Stadt Belhanka auf, in der auf der Insel Jardinata der Graf Mondino lebte. Eine Ruderbarke brachte uns zu dem prächtigen Schloss des Grafen, dessen Mauern weiß und dessen Türme mit lauterem Gold beschlagen waren. Ein wahrer Lebemann war der Graf und ein Förderer der Künste, denn nicht nur verfügte er über einen prächtigen, weitläufigen Garten, sondern auch über ein Opernhaus, eine Sammlung seltener Tiere aus aller Herren Länder und ein Haus der Kuriositäten, in dem er alles aufbewahrte, was ihm Entdecker huldigend vor die Füße legten.
Huldvoll empfing uns der Graf in seinem Schloss und bewirtete uns freigiebig. Bis wir aber unser Anliegen vortragen konnten, sollte es dauern. Mein Herr und seine Geliebte nutzten die Gelegenheit, um durch den Garten zu streifen, die Oper zu besuchen oder sich auf die benachbarte Insel Paradisela hinüberstaken zu lassen, wo die Belhankaner der Khabla ihr irdisches Haus errichtet haben, und dieser zu huldigen. Sayyid Balafur und ich aber, die wir um die Hinterlist Comto Sarastros wussten und seinen Zorn ahnten, drängte es, von Graf Mondino Auskunft über den Schlüssel zu erhalten, der ihm von dem Zauberer ausgehändigt worden war.
All unser Bittstellen und Aufwarten half jedoch wenig, denn der Graf sprach zwar gern über ferne Länder, deren Sitten und Gebräuche und die neueste Mode, doch an einen Schlüssel, der ihm von einem Zauberer übersandt worden sei, erinnerte er sich nicht – wie sollte er auch, war ihm doch der Zauberer Tamino gänzlich unbekannt – und wenn, habe er ihn gewiss wie all die anderen Artefakte, die man ihm sende, dem Kuriositätenkabinett überlassen. Den Zugang zu diesem aber hütete eine Frau aus dem Gefolge der Gemahlin des Grafen.
Die Gräfin nämlich war es, welche seit ihrer Heirat vor vier Jahren die Kontrolle über die Wirtschaft des Schlosses innehatte, denn Graf Mondino war, wie ich bereits erwähnte, kein Mann, der eine Goldmünze zweimal ansah. Alles, was er in die Hände bekam, gab er alsbald wieder für seltene Tiere, neue Sängerinnen, marmorne Statuen und Wetteinsätze aus – oder er bedankte sich mit viel Gold bei jenen, die ihm Wunderdinge aus aller Welt zu Füßen legten. Wohl wissend, dass für den Grafen das Wundersame und nicht der tatsächliche Wert entscheidend waren, sandte ihm so mancher seltsam aussehenden, aber wertlosen Tand, der dann im Haus der Kuriositäten landete.
Zur Hüterin dieses Hauses nun hatte die Gräfin eine Frau bestallt, die Madolina hieß, denn sie war so klug wie das Madamal. Sie war für ihre jungen Jahre sehr gelehrt und daher bewandert in der Ordnung, Katalogisierung und Aufbewahrung all der seltsamen Fundstücke aus aller Welt. Sie war aber auch von äußerster Regeltreue und Gehorsamkeit und blickte mit Berechnung und Unnahbarkeit auf ihre Mitmenschen. Es war, als hätte die Dichterin von ihr gesagt:
Oben am obersten hoch, den die Apfelpflücker vergaßen,
Nein, sie vergaßen ihn nicht, nur konnten sie ihn nicht erreichen,
So bist Du, Madolina, reifend vom Mädchen zur Frau,
Erhaben über Verehrer und Freier, die Dich begehrten,
Doch niemals erreichten, denn unnahbar sahst Du auf sie herab,
Weder durch gute Worte noch durch Flehen noch durch Drängen gelang es Sayyid Balafur, dass sie uns Zugang zu dem von ihr gehüteten Schatzhause gewährte. Da kam es Sayyid Balafur in den Sinn, seinen Verwandten, meinen Herrn, zu ihr zu senden, auf dass er mit schmeichelnden Worten und sanften Blicken erst die Tür zu ihrem Herzen und dann die zu dem Haus der Kuriositäten öffne. Mein Herr tat pflichtschuldig das seine. Er verabredete über Blicke, Worte und Zeichen mit der Hüterin Madolina, dass er sich in der Dämmerung mit ihr im Garten treffen wolle, und als sie schließlich einwilligte und sie des Abends zu zweit über die weiß gekiesten Wege spazierten, sprach er, wie der Dichter spricht:
Dein Wuchs ist gleich dem Stängel einer Blüte,
Dein Antlitz ist für uns das Paradies.
Und lächle, dass dies Paradies erschimmert,
Und sprich: denn deine Worte sind wie Perlen,
Lass niederrauschen deiner Perlen Flut!
Du, alveransgleiches Wesen, darfst niemals
Von dir behaupten, dass aus Erde du
Und Wasser seist gebildet, so wie wir.
Entkleide dich. Lass deinen Leib uns schauen,
Damit wir Irdischen bestaunen können,
Was Rahja so in Herrlichkeit erschuf.
Lass uns die Alveraniarsflügel sehen, die
Du trägst. Du bist ein Bildwerk, von dem Künstler
Aus einem Blocke puren Lichts gemacht.
Ein silberklarer Quell ist deine Schönheit,
Wo sich die armen Seelen Heilung trinken.
O liebe Quelle! Sei gerecht und schenke
Die gleiche Gunst den Durstgequälten allen,
Und lass die Herzen, die verschmachten wollen,
Sich retten in dein heiliges Schutzgebiet.[2]
Noch nie hatte jemand derart zu der gestrengen Hüterin Madolina gesprochen, wie es mein Herr an diesem Abend tat. Seine Worte verwirrten und betörten die Gelehrte so sehr, dass sie ihm an diesem Abend nicht nur ihr Herz, sondern noch mehr schenkte.“ Hier zögerte der alte Novadi, ehe er, offenbar entschlossen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, fortfuhr: „Unter anderem schenkte sie uns den Zugang zu dem Haus der Kuriositäten, wo wir bald darauf einen Gebetsteppich fanden, an dem noch der an den Grafen gerichtete Brief des Zauberers Tamino hing. Sayyid Balafur war es hoch zufrieden und drängte zum Aufbruch, doch er hatte die Rechnung ohne die feuerrote Kriegerin gemacht.
Wer Glück hat, trifft einen Freund; wer Unglück hat, eine schöne Frau. Wahrlich, sie hatte von der Betörung der Gelehrten erfahren und ward rasend vor Eifersucht. In ihrem Zorn war sie wie ein Djinn. Sie stürmte auf ihre Kammer, warf Möbel umher, Teller gegen die Wand und Vasen aus dem Fenster und tobte, dass uns allen angst und bange wurde. Wieder fiel es meinem Herrn zu, die Rasende zu besänftigen. Doch davon werde ich Euch morgen erzählen.“
Sadiq ben Omar blickte auf. Erneut war die Dunkelheit auf ihn und die versammelten Zuhörenden herniedergegangen.
Autor: De Verlez
Weg, er wollte einfach nur weg. Das was er gehört hatte, war genug. Er richtete sich auf und geriet vor lauter Hektik ins Stolpern. Gerade so konnte er sich fangen. Achtsam schaute er sich um, ob ihn jemand gehört hätte. Er hörte keinerlei Geräusche, die sich ihm näherten. Langsam ging er weiter und entfernte sich von der Herberge. Dann begann er zu rennen. Dabei stiegen ihm Tränen in die Augen, als er über seinen Vater nachdachte. 'Sie war nur Mittel zum Zweck', hörte er in seinem Kopf. 'Er hat sie benutzt, um seinem Ziel näher zu kommen.' Je mehr er darüber nachdachte, umso mehr konnte er verstehen, wieso seine Mutter ihm nichts erzählt hatte. Welche Schande. Von einem Mann geschwängert, der sie aus niederen Gründen hatte sitzen lassen. Der wohl noch nicht einmal wusste, dass er existierte. Und selbst wenn, es hätte nichts geändert. Er hätte sein Lotterleben weitergeführt. Das hatte er hier schon des öfteren gehört. Der Baron war bei der Damenwelt berühmt und berüchtigt.
Er hatte das Haus der Müllersfamilie erreicht und schlich sich wieder ins Haus. Er würde diesen Schürzenjäger zur Rede stellen. Rhymeo ballte seine Fäuste. Jawohl, das würde er!
- ↑ Sappho, Übersetzung durch vivar
- ↑ Ismail Sabri Pascha, Nachdichtung Hans Bethge, aventurisiert durch vivar
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