Chronik.Ereignis1043 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1043 BF 13

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Edlengut Selkethal, 21. Rahja 1043 BF[Quelltext bearbeiten]

Im Zahorilager[Quelltext bearbeiten]

Autoren: Jott und Von Scheffelstein

Zufrieden schloss Ta’iro die Augen und konzentrierte sich auf die Musik. Er lag wie so oft auf dem Dach seines Wagens und genoss die Sonne auf seiner Haut. Es war ein guter Tag. Aus der Ferne hörte er das vergnügte Geschrei seiner Kinder, die mit ihren Müttern über die Wiese zum nahe gelegenen Bach gegangen waren, um zu baden und zu waschen. Es war eine wirklich schöne Stelle für ein Lager. Umso mehr, da sie nicht fürchten mussten, vertrieben zu werden. Seit er die Weihen Aveshas empfangen hatte, war seine Sippe schon sicherer als zuvor, zumindest wenn er bei ihnen war. Aber es schadete nie, in dem lokalen Adligen einen Freund zu haben. Und mit Algerio hatte er dies. Dennoch hatte er das Lager nahe der Straße aufschlagen lassen. Manche Gewohnheiten ließen sich nur schwer ablegen.

Als Alvaro, José und Vidal das Lied beendeten, öffnete er die Augen. Über sich am Himmel sah er einen Greifvogel majestätisch seine Kreise ziehen. Er verfolgte seine Bahnen, während die Musiker berieten, welches Lied sie als nächstes üben wollten. „Wie wäre es mit der Rahjarra?“, schlug er vor, „aber schlaft dabei nicht wieder ein.“ Sie waren gut, doch dieses Stück bekamen sie nie hin. Eigentlich brauchte er sie dafür auch nicht. Seine Magie erschuf für gewöhnlich die Musik. Weit schöner als ein Musiker es konnte. Und fehlerfrei … Aber manchmal war es besser, auf die Magie zu verzichten.

Als die drei aufhörten, über seine Unterstellung zu murren und stattdessen begannen zu spielen, stellte er sein linkes Bein auf und trommelte den Rhythmus mit den Händen auf seinem Oberschenkel und seiner Brust mit. Auch seine Füße zuckten im Takt. Er hatte sie noch nie stillhalten können, wenn er Musik hörte.

Angenehm überrascht stellte er fest, dass sich die drei heute anscheinend mehr Mühe gaben. Lächelnd ging sein Blick wieder zum Himmel. Über den Bäumen war inzwischen ein zweiter Greifvogel erschienen und näherte sich in langsamen Kreisen dem ersten. Es wirkte fast wie ein Tanz.

Das Lied war gerade halb beendet, als Ta’iro sich unwillig aufsetzte. „Herrje, Alvaro! Hörst du dir eigentlich nie beim Spielen zu? Du bist schon wieder zu langsam! Lässt Lavia dich nachts nicht schlafen, dass du es nachholen musst, während du spielst?“

In dem Wäldchen neben dem Lager hörte er ein leises Kichern. Aus dem Augenwinkel beobachtete er eine Bewegung in den Büschen. Wahrscheinlich wieder die beiden jungen Töchter des Müllers. Sie waren Ta’iro in den letzten Tagen schon häufiger zufällig über den Weg gelaufen.

„Jetzt tu mal nicht so, als könntest du das schneller tanzen als ich es spiele!“, erwiderte Alvaro herausfordernd.

Ta’iro grinste selbstsicher. „Fang ruhig schon mal an … ich hole dich schon ein.“ Er streckte sich ausgiebig. „Na los, oder … spielst du schon?“

Alvaro kniff die Lippen zusammen, begann aber zu spielen. „Das schaffst du nie, du Großmaul!“

Endlich gab er sich wirklich Mühe, stellte Ta’iro zufrieden fest. Eigentlich zu schnell für diesen ersten Teil der Melodie. Aber es war gut. Alvaro brauchte anscheinend die Herausforderung. Nun wurde es Zeit aufzuholen, sonst würde Alvaro am Ende noch Recht behalten. In einer schnellen Bewegung lehnte sich Ta’iro zurück, um Schwung zu holen, und sprang dann auf die Füße. Er griff eines seiner Amulette, das Abbild einer rotgekleideten Frau mit weißer Lilie, und führte es zu seinen Lippen. Dann schloss er kurz die Augen, atmete tief ein und begann. Ta’iro beendete seinen Tanz drei Takte vor Alvaro. Schwer atmend blickte er triumphierend zu seinen Musikern, während Alvaro die letzten Akkorde spielte.

Doch José und Vidal ignorierten ihn und starrten gebannt auf die Straße neben den Wagen. Verwundert folgte Ta’iro ihren Blicken und sah eine kleine Gruppe Reiter, die fast schon auf der Höhe ihrer Wagen waren. Nun hörte er auch die Hufe, die vorher durch Alvaros Spiel und das Klacken seiner metallbeschlagenen Schuhe auf dem hölzernen Wagendach übertönt worden waren.

Es waren drei Reiter, allesamt auf edlen Pferden. Zwei Männer und eine Frau. Sie. Domna Richeza. Auch wenn Ta’iro sie nie zuvor gesehen hatte, war er sicher. Wie Algerio gesagt hatte, eine der schönsten Almadanerinnen, auch wenn sie die Vierzig wohl schon hinter sich gelassen hatte.

Auf Ta’iros Gesicht zeigte sich ein unternehmungslustiges Lächeln. Er machte eine elegante, tiefe Verbeugung, ließ sie dabei jedoch nicht aus den Augen. „Vidal, du ungehobelter Klotz, dein Hut!“ Vidal riss sich den Hut vom Kopf und senkte bäurisch das Haupt.

Sie war wirklich nicht besonders groß, stellte Ta’iro fest, aber auf dem Elenviner, den sie ritt, fiel das nicht so auf. Dunkelbraun war das edle Tier, wie die Augen der Domna, schwarz seine Mähne - wie ihr leicht gewelltes Haar. Die Blässe des Rosses fand jedoch keine Entsprechung, denn die Domna hatte sonnengebräunte Haut. Nur die linke Wange zierte eine helle Narbe, vom Unterkiefer bis zum Auge. Sie trug Caldabreser und ein rotes Wams über einem hellen Hemd sowie dunkle Reithosen in hohen Schaftstiefeln. An ihrer Seite hing ein Raufdegen.

Der Mann an ihrer Seite war nicht ihr Gemahl. Den Erzählungen nach sollte der Schrotensteiner Baron eher die Statur eines Bären haben. Der Edelmann hier aber war etwas kleiner, als Ta'iro es sonst erwartet hätte. Er trug das helle Hemd leicht geöffnet, sodass es den Blick freigab auf einen muskulösen, aber nicht übermäßig breiten Oberkörper. Seine braunen Beinkleider und die Stiefel wirkten etwas abgetragen. Sein langes, braunes Haar trug er offen unter dem Caldabreser, sein Kinn zierte ein gepflegter Vollbart. Er sah gut aus. Nicht so atemberaubend wie die Domna, aber durchaus wohlgefällig. Er trug einen Rapier an der Seite, am Sattelbaum hing ein Schwert.

Der andere Mann schien ein Waffenknecht zu sein. Er war höchstens Mitte Zwanzig – und damit in etwa so alt wie Ta’iro selbst. Ein dünner Schnurrbart zierte die Oberlippe. Er trug Sturmhaube, Kürass und Plattenzeug an den Armen über einem braunen Rüstwams, Lansknechthosen und plattenverstärkten Stiefeln. Um die Brust trug er eine purpurne Schärpe mit drei güldenen Greifen. Er war mit Reitersäbel und Dschadra bewaffnet.

Ob einer der beiden wohl der Geliebte der schönen Domna war?, überlegte Ta’iro. Wenn ja, dann schien sie an wehrfähigen Männern Gefallen zu finden. Vielleicht sollte er in den nächsten Tagen doch mal wieder bei Algerios allmorgendlichen Waffenübungen mitmachen. Auch wenn Algerios ‚morgendlich‘ in seinen Augen eigentlich ‚zu nachtschlafender Stunde‘ bedeute.

Während der Gardist die Zahoris ignorierte und der Edelmann sich freundlich grüßend an den Hut tippte, musterte die Domna Ta’iros noch vom Tanze erhitztes Gesicht.

Ta’iro beantwortete den überraschenden Gruß des Edelmannes mit einem freundlichen Nicken, schenkte dann aber seine volle Aufmerksamkeit wieder Domna Richeza. ‘Was gäbe ich darum, jetzt gerade Eure Gedanken lesen zu können, Domna bendita!’, dachte er bei sich und versuchte sich jede Einzelheit ihrer Erscheinung einzuprägen. Die Anmut ihrer Haltung, den Liebreiz ihres Gesichts, den verlockenden Schwung ihrer Lippen …

Nichts übertraf das Gefühl, das man hatte, wenn man eine schöne Frau zum ersten Mal sah. Das Leben war dann so voller Möglichkeiten und man wusste man war zur richtigen Zeit am richtigen Ort …

Doch leider schien das Interesse der Domna an ihm bereits erloschen, und die Reiter zogen an den Zahori vorbei.

Ta’iro richtete sich auf, als der Blick der schönen Domna nicht mehr auf ihm ruhte. Sein Blick jedoch blieb auf sie gerichtet, während sie in den lichten Schatten der Bäume ritt und die Sonne bewegte Muster auf sie zauberte. Er lächelte. „Findet ihr nicht auch, dass es fast nichts gibt, das schöner ist, als ein sonniger Tag?“ Er blickte zu seinen Musikern. Alvaro sah ihn fragend an. José hingegen hatte seine Anspielung offensichtlich verstanden, denn er nickte lächelnd, nahm seine Vihuela zur Hand und begann zu spielen. Auch Vidal stieg in die Melodie ein. Der Domna wieder hinterherblickend summte Ta’iro die ersten Noten übermütig mit, während er auf seinen Einsatz wartete. Ta’iro hatte die Ode an die Sonne im letzten Jahr während seiner Zeit in Kuslik kennengelernt. Das Lied stammte wohl aus einer Oper, doch war es auch in den Schenken sehr beliebt. Und eben dort hatte er es so manches Mal in weinseeliger Laune gesungen. So war es wohl auch wenig verwunderlich, dass sein Gesang zwar die Technik der Oper vermissen ließ, das aber durch Herzblut versuchte wettzumachen:

„Wie schön ist ein sonniger Tag,

die klare Luft nach einem Sturm!
Die frische Luft wirkt wie ein Fest,

wie schön ist ein sonniger Tag!“

Ta’iro hielt kurz inne. Seine Musiker guckten erwartungsvoll zu ihm. Er sah ihnen an, dass sie gespannt waren, ob er sich trauen würde den eingeschlagenen Weg zu Ende zu gehen. Aber er war noch nie ein Freund von halben Sachen gewesen und so grinste er sie an, holte tief Luft und sang voller Inbrunst weiter:

„Es gibt keine Sonne,

die schöner ist als Du.
Oh, meine Sonne
strahlt von Dir!

Die Sonne,
meine Sonne
strahlt von Dir,

strahlt von Dir!“

Sie hörten den Edelmann lachen, als die Reiter sich entfernten. Die schöne Domna aber blickte nicht zurück.

Doch Ta’iro ließ sich davon nicht beirren. Selbst wenn sie zurückblicken wollte, ihr Stand würde es ihr nicht erlauben. Schon gar nicht, da es nicht unbemerkt bleiben würde.

„Wenn es Nacht wird und die Sonne untergeht,

überkommt mich fast eine Schwermut.
Unter deinem Fenster möchte ich bleiben,

wenn es Nacht wird und die Sonne untergeht.“

Vielleicht sollte er wirklich herausfinden welches Fenster ihres war, dachte Ta’iro. Schließlich wollte er sie nicht enttäuschen, sollte sie die letzte Strophe als Versprechen verstanden haben …

„Es gibt keine Sonne,

die schöner ist als Du.
Oh, meine Sonne
strahlt von Dir!
Die Sonne,
meine Sonne
strahlt von Dir,

strahlt von Dir!“[1]

Ta’iro, der seinen Vortrag mit ausladender Operngestik untermalt hatte, hielt seine letzte Pose für einen kurzen Moment und verbeugte sich dann ebenso theatralisch. Erst in Richtung der Besungenen, dann in Richtung seiner Musiker. José und Vidal applaudierten, was Ta’iro zurückgab.

Alvaro schaute zu ihm hoch. „In Vinsalt würden sie dich damit nicht nehmen.“ José zuckte mit den Schultern. „Wieso? Ich fand uns gut!“ Ta’iro nickte zustimmend „Hör auf ihn, Alvaro! Er hat Geschmack! Und glaub mir, wenn der Mann der Richtige ist, dann kommt es nur auf die Leidenschaft an …“ Ta’iro ließ sich vom Dach herunter. „Und jetzt entschuldigt mich, meine Herren! Es ist Zeit, sich für ein Wettrennen anzumelden.“ Er grinste und ging durch das Wäldchen in Richtung Dorf.


  1. frei übersetzt nach O Sole Mio