Chronik.Ereignis1036 Lindwurmhatz 15

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Baronie Taubental, Mitte Ingerimm 1036 BF[Quelltext bearbeiten]

Im Drachental (1. Praiosstunde)[Quelltext bearbeiten]

Autor: vivar

Schwankend wie ein Treidelkahn in den Stromschnellen des Valquir – und so voll geladen wie ein solcher – verließ Talfan Canerva kurz nach Mitternacht das Haus der Olivarez. Er hatte einen kühnen Plan gefasst. Zunächst würde er gegen die Scheuer des alten Adoncio sein Wässerchen abschlagen. Dann würde er in die Stube zurückkehren, um sich noch ein, zwei, vielleicht auch drei Becher Marmelonenschnaps genehmigen, dem Hausherrn zur Ehre und sich selbst zum Wohlgefallen. Dann würde er, nun, da Fermín, der alte Sauertopf, schlief, die Luke zu Adoncios Keller öffnen und von der Caballera einen, zwei, vielleicht auch drei Küsse fordern – im Tausch dafür, dass er ihr ihren Reitersäbel zurückgeben würde, den er soeben beim Würfeln gewonnen hatte. Den Kuss einer echten Caballera! Das war fast wie der Kuss einer Prinzessin! Talfan rülpste beglückt.

Was die Angelegenheit verkomplizierte, war, dass Talfan sich bei seinem mäandernden Gang zur Scheunenwand auf eben diesen Reitersäbel stützen musste, um nicht vollends das Gleichgewicht zu verlieren. Da die Strecke zur Scheune ums Verrecken nicht kürzer werden wollte, beschloss er, sie in der Mitte – oder dem, was er dafür hielt – abzukürzen, blieb stehen und begann, an seinem ledernen Hosenlatz herumzufingern. Jahrelange Übung und ein leicht rötliches Schimmern in der Ferne verhalfen ihm trotz der widrigen Umstände mitten auf dem Dorfanger zum Erfolg und der ersehnten Erleichterung.

Die Wahrheit, dass er seinen kühnen Plan wohlwürde verschieben müssen, sank durch seine geröteten Augen nur allmählich in seinen Geist ein. Als sie ihn aber erfüllt hatte, begann Talfans Geist seine Zunge zu lenken, ein, zwei, vielleicht auch drei Mal hintereinander, bis diese irgendwann den Ruf „F! F! Feurioooo!“ hervorbrachte.


Uno! Dos! Tres!“ Mit aller Kraft schwangen Domna Catalin und das Mädchen Rahjalina den Krautstampfer einem Rammbock gleichgegen die Luke, die schräg über ihnen in den Schankraum führte. Schreie und Stiefeltritte hatten ihnen vom Tumult über ihnen gekündet und sie glauben machen lassen, dass nun der Augenblick gekommen sei, ihre Befreiung in die eigenen Hände zu nehmen.

Ob es aber an den schräg nach oben geführten Schlägen, dem beengten Raum auf der Treppe des Kellergelasses, der ungleichen Kräftverteilung des aus Caballera und zehnjährigem Kind bestehenden Rammgespanns oder dem harten Tosch Murer Eichenholz der Bohlen liegen mochte - die Luke zeigte sich widerspenstig. Unwillig schnaubte Domna Catalin, wiederholte im Geiste das alte Wort vom Willen und vom Weg und sprach dann aufmunternd zu Rahjalina: „Adelante, mein Kind! Beim nächsten Versuch mag’s gelingen!“

Und wahrlich – mit dem nächsten „Uno! Dos! Tres!“ flog die Falltür auf und der Krautstampfer dem braven Dom Halmdahl, der sich von außen ans Entriegeln gemacht hatte, beinahe ins Gesicht. Geistesgegenwärtig ließ der Koscher sich jedoch nach hinten fallen und entging so um Haaresbreite der Ramme.

„Frau Catalin! Seid Ihr unter die Sappeure gegangen?“, feixte er, während er sich aufrappelte.

„Nimmermehr, Dom Halmdahl! Das ist kein Handwerk für eine Caballera.“ Sprachs und stieg die Stufen empor. „Dieses... Ding war jedoch die einzige, nun, Waffe, die in dem dunklen Loch da ausfindig zu machen war und um einen Trajaleser Rustikal die rechte Cortezia einzubläuen, hätte es allemal ausgereicht. Wo sind die Kerle übrigens?“ Suchend blickte Domna Catalin sich im Schankraum der Olivarez um. Auf einem Tisch entdeckte sie zu ihrer Freude ihr Säbelgehänge und ihren Seitdolch.

Dom Isonzo, der hochaufgerichtet neben dem Eingang stand, deutete stumm mit dem Daumen hinter sich.

Dom Halmdahl grinste. „Die löschen einen Brand anderen Ende des Dorfes. Und wen habt Ihr da bei Euch?“ Mit der behandschuhten Rechten wies er auf Rahjalina.

Catalin wandte sich zu dem Kind um und konnte es nun, im Licht von Kerzen und Fackeln, zum ersten Mal richtig betrachten. Rahjalina war schlank und nicht klein für ihr Alter: beinahe sieben Spann streckte sie sich in die Höhe. Sie war in lederne Reithosen, weiche Schuhe und eine rote Tunika gekleidet, welche mit weißen Borten aus gestickten Reben und Trauben verziert war. Lang war auch ihr Haar, das ihr offen bis zu den Hüften herabfiel, und, was im dunklen Keller nicht aufgefallen war, von der Farbe des Honigs. Die hohen Wangenknochen, die dunklen Augen und ein leichtes, freundliches Lächeln auf den Lippen des Kindes weckten eine leise Erinnerung in Catalin, die sie aber nirgends verorten konnte.

„Ihr entsinnt Euch des Mannes in der Escarra, Doms, und des Briefes, den er bei sich trug?“, sagte sie schließlich. „Dies ist besagte Rahjalina Carinia aus Rahjensgart im Lieblichen Felde, jene Novizin, die auf dem Weg gen Santa Catalina war, ehe die Trajaleser sie entführten.“

Halmdahl legte den Kopf schief und betrachtete das Kind nachdenklich. Offensichtlich schien auch er etwas in Rahjalina zu erkennen. „Santa Catalina, eh? Mich deucht, wir sollten die Kleine erstmal auf Chellara zu seiner Hochgeboren bringen. Dann kommen wir wenigstens nicht mit leeren Händen von unserer Lindwurmhatz zurück. Ich bin mir sicher, mein Herr wäre enttäuscht, wenn er Euch nicht kennenlernen dürfte, Rahjalina.“

„Wer ist denn Euer Herr, Signor?“, sprach diese leise, blickte Halmdahl jedoch fest an.

„Der gute Baron León Dhachmani de Vivar, der uns hierher entsandt hat, um –“

„Das könnt ihr der Domnita unterwegs auseinandersetzen, Dom Halmdahl!“, schnitt ihm der Komtur das Wort ab. „Nun solltet Ihr alle machen, dass Ihr davonkommt, ehe das Gesindel unsere kleine Phexerei durchschaut und wieder hier aufkreuzt.“ Mit einer Armbewegung scheuchte er Domna Catalin, Dom Halmdahl und Rahjalina in Richtung Ausgang. „Nehmt Dom Rahjindan mit, der draußen vor der Türe Wache schiebt und haltet nicht an, ehe Ihr den Ausgang dieses sündigen Tales erreicht. Rapido!

„Und Ihr, Ehrwürden?“

Anstelle einer Antwort legte der Komtur den Zeigefinger auf die Lippen. Dann wiederholte er seine Armbewegung.

Chronik:1036
Lindwurmhatz!
Teil 15