Chronik.Ereignis1036 Lindwurmhatz 12
Baronie Taubental, Mitte Ingerimm 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Im Drachental (nachmittags)[Quelltext bearbeiten]
Autor: Sindelsaum
Halmdahl von Sindelsaum war noch immer aufgewühlt und blickte sich immer wieder sorgenvoll in Richtung der Höhle um, wenngleich diese natürlich nicht mehr in Sicht war. Die Gruppe hatte die Strecke bisher in angespannter Ruhe zurückgelegt, als Donma Catalin in Sicht kam. Die junge Frau wirkte gehetzt, aber erleichtert ihre Begleiter zu erblicken. Halmdahl und seine Begleiter zügelten ihre Pferde.
„Domna Catalin, Ihr wirkt gehetzt. Ist alles in Ordnung?“, rief Halmdahl und blickte sich einmal mehr nach dem Drachen um.
Autor: alcorta
„Das… fragt ihr mich?...“, keuchte die Almadanerin. „Ihr -schnauf- rennt einfach so in die Höhle eines Drachen und -schnapp- fragt mich, ob alles in Ordnung ist? Ihr habt Humor, Dom Halmdahl…“ Catalin beugte sich nach vorne und stemmte die Hände auf ihre Knie. Danach galt es erst einmal etwas Luft zu finden. Danach blickte sie auf die vor ihr stehende Gesellschaft und zählte die Köpfe. „Aber es sieht ja so … aus, als wäre alles in Ordnung! Ich habe mir Sorgen gemacht - und ein paar äußerst interessante Dinge erfahren. Wir haben es hier nämlich nicht mit einem wütenden Drachen zu tun, also… eigentlich schon – aber mit keinem wahllos wütenden Drachen. Ich habe eine Idee, wie wir uns ganz normal mit dem Drachen unterhalten können. Aber dazu brauche ich Euch im Dorf – ungegrillt, wenn es geht. Also, falls Ihr vorhabt, nochmal in diese Drachenhöhle zu gehen – lasst es! Vorerst…“
Autorin: Tina
„Als ob ich das freiwillig tun würde!“ Zu viel hatte Ravena heute erlebt, als dass sie ob dieser Unterstellung noch ruhig geblieben wäre. „Doch dann spannt uns nicht auf die Folter und berichtet: Was habt Ihr herausgefunden?“ Neugierig betrachtete sie die Kriegerin, die selbst außer Atem noch eine beeindruckende Selbstsicherheit ausstrahlte. „Was hat den Drachen denn so wütend gemacht?“
Autor: Sindelsaum
Halmdahl winkte ab. „Selbstverständlich nicht. Gegen den Drachen kommen wir ohne einen guten Plan nicht an. Was habt Ihr also herausgefunden?“
Autor: alcorta
„Sagen wir so. Dieses Gefühl, dass mit den Dorfbewohnern etwas nicht stimmt, scheint nicht von ungefähr gekommen zu sein. Und ich meine damit nicht diesen gefühlten Ork-Dialekt, den sie von sich geben. Wir haben es in dem Dorf mit einer rebellischen Familiensippe zu tun. Und zwar rebellisch gegen den Drachen.“ Catalin schnappte noch einmal nach Luft, was für die anderen wie eine Kunstpause wirkte und entsprechend fragende Gesichter erschuf. Noch waren sie keinen Deut weiter.
„Faraldur ist bereits seit langer Zeit der ‚Regent’ dieser Region; schon lange, bevor Trajalés gebaut wurde. Der Legende nach haben sie sich in früheren Zeiten bekriegt, bis eine tapfere Heldin in diese Höhle ging und mit dem Drachen verhandelte. Und irgendwie hatte sie Erfolg. Sie kehrte zurück mit einer schwarzen Drachenschuppe, die sie quasi als Sprachrohr Faraldurs kennzeichnete. Das Schutzgeld bestand aus einem Schaf alle zwei Monate. Zudem alle drei Jahre eine Jungfer oder ein Junggeselle. Das Ganze ist viele Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte her. Und seit jeher hat sich der Drache an den Handel gehalten. Bis auf in jüngster Zeit. Es scheint also vieles danach, als würde hier einfach nur jemand seine Rechnung in Höhe eines Schafs nicht bezahlen wollen.“
„Oder einer Jungfrau...“, wandte Dom Halmdahl ein.
„Nein, dem ist nicht so. Diese Jungfrau ist längst im Dorf vorhanden. Die Heldin von damals mag es nicht mehr geben, aber die schwarze Drachenschuppe sehr wohl noch. Und sie ist im Besitz einer Frau namens Gonzaga Canerva, einer Nachfahrin dieser Heldin. Diese hat sich durch den Besitz der Schuppe zu einer Art Dorfschulzin emporgeschlichen und gibt nun den Ton an. Sie sorgt nicht nur dafür, dass wundersamerweise nie ihre eigenen Kinder dem Drachen vorgesetzt werden, sie hat nun bereits eine ebensolche Jungfer entführen lassen, damit in ihrem Dorf niemand an den Drachen verfüttert werden muss. Wenn Ihr mich fragt – wir brauchen diese Schuppe. Und dann gehen wir damit zum Drachen und verhandeln neu. Menschenopfer sind nicht mehr zeitgemäß. Dafür bekommt er von mir aus ’ne Ziege mehr. Aber es sieht alles danach aus, als wär’ der Drache kein Problem, solange man seiner Zahlungsverpflichtung nachkommt.
Autor: derp
Dom Rahjindan hörte aufmerksam zu. Dann sprach er halb zu sich selbst: „Eine solche Drachenschuppe geht sicher nicht zufällig verloren. Hier muss jemand ein Interesse daran haben, den Unwillen Faraldurs zu erwecken. Nur stellt sich die Frage, wer davon profitieren sollte.“ Er stockte kurz. „Vergleicht man diese causa mit ähnliche gelagerten causae, ist es wenig wahrscheinlich, dass ein Drache bereit ist, einen einmal geschlossenen Handel ohne deutlich erhöhte Kompensation zu ändern. Auch ist es eher unwahrscheinlich, dass er dazu bereit sein sollte, zukünftig auf vertraglich vereinbarte victimae humanae zu verzichten.“ Er sah die fragenden Blicke seiner Gefährten. „Ich spreche von Menschenopfern, also Jünglingen und Jungfern.“
Autor: alcorta
„Diese Drachenschuppe ist nicht verloren gegangen. Die Canerva hat sie noch. Sonst würde sie wohl kaum eine Jungfer entführen. Auch um die zu ‚verschenken’, müsste sie ja zum Drachen und ihm klar machen, dass das nicht irgend eine Jungfer ist, sondern die Trajalés-Jungfer. Wenn ich es mir genau überlege, muss Gonzaga schon ein ziemlich gutes Angebot von irgendjemand anderem vorgelegt bekommen haben, damit sie darauf eingeht, einen Drachen zu erzürnen und ihm seine Schafe und Ziegen zu verwehren. Ich weiß grad nicht. Hat jemand von Euch darauf geachtet, ob er überhaupt Schafe und Ziegen im Umfeld dieser Ortschaft gesehen hat? Entweder sind die ausgegangen, woran ich nicht richtig glauben will. Oder rein theoretisch könnte es sogar eine Intrige sein, um diese Jungfer garantiert los zu werden. Denn warum sonst sollten sie ihm die Schafe verwehren, die deutlich wichtigere Jungfer aber weiterhin nicht vorenthalten? Da die Jungfer ja offensichtlich Begleitschutz hatte, wird sie wohl nicht ganz unwichtig sein.“
Autor: derp
„Ich meinte nicht, dass die Canerva sie verloren hätte, sondern damals der Drache. Wieso sollte sich ein Drache eine Schuppe rausreißen oder rausreißen lassen, um jemanden zu seinem Sprachrohr zu machen? Das ergibt keinen Sinn.“
Autor: vivar
Dom Halmdahl deutete stumm von der kleinen Lichtung aus, die sie erreicht hatten, auf einen gegenüberliegenden Hang. Friedlich grasten dort die wolligen Wärmebringer. Dann sagte er: „Von welcher entführten Jungfrau sprecht Ihr denn dauernd, Frau Catalin?“
Die Caballera blickte ihn fragend an: „Erinnert Ihr Euch nicht? Der Tote, den wir gestern in der Escarra fanden? Und der Brief, den er bei sich trug? Darin war von einer Rahjilena oder Rahjalina die Rede, der Bastardtochter einer liebfeldischen Domna, die ins |Kloster Taubental geschickt werden sollte. Die Fellachin, die ich befragte, gab an, die Canerva und ihre Söhne hätten jemanden von ‚außertals’ gefunden, den sie dem Lindwurm zum Opfer bringen wollen.“
Autorin: Tina
„Dann ist die Frage: wo ist diese Rahjalina jetzt? Oder meint Ihr, der Drache hat sie bereits verspeist?“ Grübelnd musterte die Knappin die Gesichter ihrer Reisegefährten, samt und sonders älter und erfahrener als sie. „Gibt es einen Grund, warum wir diese Canerva nicht befragen können?“
Autor: alcorta
„Die Antwort ist beide Male dieselbe. Ich denke, diese Rahjalina lebt noch. Und ich denke auch, dass die Canerva kein Interesse daran hat, mit uns darüber zu reden oder uns zu helfen. Denn wenn dem so wäre, welchen Grund hätte sie, sich uns gegenüber so feindlich und verschlossen zu zeigen? Es scheint ja jedem verboten worden zu sein, uns auch nur ein Mindestmaß an Gastfreundschaft zu gewähren. Niemand soll mit uns reden. Wer verschmäht bitteschön Drachenjäger, wenn sie deine Ortschaft betreten?“
Autor: derp
„Es gibt in der Historia Dracologiae viel Fälle, in denen Drachenjägern die Unterstützung versagt wurde – ein häufiger Grund war zum Beispiel, dass die umliegende Bevölkerung bei einem Versagen besonderen Repressalien seitens des jeweiligen Drachens ausgesetzt sein würde. Es wäre daher gut zu verstehen, wenn man uns vor so einem Hintergrund die Hilfe verweigern würde.
Dessen ungeachtet, gebe ich meinen Vorrednern recht, dass hier einiges anders zu sein scheint, als wir es glauben sollen.
Es ist durchaus glaubhaft, dass die Jungfrau noch lebt, wie Frau Catalin dies wiederholt ausführt. Dass der Drache Rahjalina direkt verspeist hätte, ist wenig wahrscheinlich. Die überlieferten Leyendas berichten eher davon, dass Drachen ihre jungfräulichen Opfer erst nach längerer Zeit auffressen würden und dass es ihnen zunächst um andere Dinge gehe. Magietheoretisch wird angenommen, dass Drachen von Sikaryan, vulgo Seelenenergie, leben würden. Es dürfte selbsterklärend sein, dass allein die körperliche Substanz einer Jungfrau oder eines Jungmannes nicht ausreichen dürfte, einem Drachen allzu viel Hunger zu stillen.
Wir sollten also zunächst möglichst viele Informationen über diese Canerva sammeln. Vielleicht gibt es ja etwas, womit wir aktiv das Eis brechen könnten.“
Autor: rabenstein
„Habt Dank für Eure erhellenden Erklärungen, Domna Catalin und Dom Rajhindan. Mir scheint, unsere Reisegefährtin hat die Zeit heute etwas besser genutzt, als es uns mit unserem missglückten Ausflug zum Drachen gelungen ist. Falls diese Canerva eine angehende Klosterschülerin der Herrin Rahja, einer zwölfgöttlichen Schwester meines Herrn Boron, entführt hat, um sie an einen Drachen zu verfüttern, dann habe ich allerdings einen sehr aktiven Eisbrecher für sie“, erwiderte Dom Isonzo grimmig und drohte mit dem geweihten Streithammer. So langsam reifte die bittere Erkenntnis in ihm, dass es bei dieser Reise wohl doch nicht damit getan sein würde, dem Drachen Faraldur im Austausch für den heiligen Hammer, der sich möglicherweise in seinem Hort befand, einen Teil des Rhazzazor-Hortes anzubieten, der auf dem Phexenstein lagerte. Falls jemand eine Dienerin der Zwölfe bedrohte, musste er einschreiten. Diese Canerva-Sippe erwies sich somit in seinen Augen als weitaus lästigeres Problem als der Drache.
Autor: vivar
Seit jeher hatte die Herrschaft der Barone zu Kellfall über das abgelegene Drachental nur auf dem Papier bestanden. Die zaghaften Besiedlungsversuche der Landjunker von Vivar, die aus der Hand der guten Fürstin Madalena „alles Land zwischen Rôn und Escarra“ erhalten hatten, waren bereits im V. nachbosparanischen Jahrhundert kläglich am mit Feuer und Zauberkraft durchgesetzten Herrschaftsanspruch des schwarzen Faraldur gescheitert. Wie die Ruine des Herrenhauses mit rhethonischer Prägnanz kündete, hatten spätere Herrscher zu Kellfall es allzubald aufgegeben, ihre Ansprüche bis in den letzten Winkel des Tosch Mur zu tragen, sondern ihr Augenmerk eher auf das liebliche und fruchtbare Taubental denn auf das hochgelegene Trogtal der Escarra geworfen. So hatten sie die wenigen menschlichen Siedler, die sich hier mit Duldung des Lindwurms mühsam eine Existenz schufen, ihrem Schicksal überlassen. Baron Sansovino Erlani war es schließlich, der im Jahrhundert mit dem ihm als Sohn Omlader Kaufherren eigenen Pragmatismus res facti nachträglich in Rechtsform brachte, indem er Faraldur als „Caballero von Drachental“ mit dem oberen Escarratal belehnte.
Dass mit diesem Federstrich auf dem Büttenpapier der Puniner Hofkanzlei praiosgefällige Ordnung herrschte, wo zuvor eine dämokratisch anmutende Leere bestanden hatte, brachte für die Einwohner von des götterverlassenen Weilers Trajalés jedoch keinerlei Wandel. Auch dass Faraldur sich in jüngerer Zeit wieder öfter an verschreckten Reisenden zwischen Kellfall und Liepenstein gütlich getan hatte, spielte im Dorf keine Rolle. Wie es Talfan Canerva gesagt hatte: Faraldur war der Herr im Drachental. So war es seit alter Zeit und so würde es auch bleiben.
Und so nahm es kein Wunder, dass die plötzliche Ankunft der Lindwurmjäger, ihre rondragefällige Tapferkeit und ihre unbedingte Entschlossenheit, den unterdrückten Sklaven des abscheulichen Lindwurms die Fackel der Freiheit zu bringen, bei den Trajalesern keine stille Hoffnung oder gar Freude weckte, sondern das genaue Gegenteil hervorrief. Eine im wohlgeordneten Alltag des Bergdorfes kaum merklich präsente Angst stieg aus der Tiefe ihrer Herzen empor. Dies war nicht etwa die Angst vor den „Repressalien des Drachen“, wie Dom Rahjindan vermutet hatte, oder seiner Diener, der Familia Canerva – war diese doch ein ständiger Begleiter der Trajaleser, wohin sie sich auch wandten – sondern eine viel urtümlichere, gewaltigere Angst, die die Herzen verschloss, die Augen blendete und die Zungen lähmte. Es war die Angst vor Veränderung.
Diese Angst verwandelte die ehrbaren Lindwurmjäger im Geiste der Trajaleser in hassenswerte Eindringlinge in ihrem zwar von der wankelmütigen Laune eines Lindwurms abhängigen, aber doch überschaubaren Gemeinwesens und Störer der zwar gewiss nicht von Praios gewollten, aber nun einmal vorhandenen Ordnung und ergriff schließlich auch von den Söhnen Gonzaga Canervas Besitz.
So scharte Fermín, der Älteste, ein großgewachsener Kaiser-Alrik-Bart mit stahlblauen Augen, seine Brüder um sich und legte ihnen einen Plan dar. Gemeinsam trafen sie Vorkehrungen, warfen prüfende Blicke in den wolkenverhangenen Himmel, drückten sich die Hüte aufs Haupt, sattelten ihre Rösser und erwarteten die Fremden am Ausgang des Dorfes. Fünf Reiter saßen nebeneinander und boten niemandem ein Durchkommen zwischen den einfachen Katen und Bruchsteinmauern, und es war unübersehbar, dass die Blockade des verwinkelten, von Mauern gesäumten Weges kein Versehen war.
Die Brüder waren bewaffnet, auch wenn sie hofften, ihre unterarmlangen Rebmesser, Speere, Streitkolben und Armbrüste nicht gegen die Nobleza einsetzen zu müssen. Vielmehr halfen ihnen die Waffen, ihre eigene Angst zu beherrschen, indem sie sich mit ihren Händen an etwas Vertrautem festhalten konnten. Hinter den fünfen hatten sich, allerdings ausnahmslos zu Fuß, gewiss ein Dutzend weitere Trajaleser in der Gasse versammelt, die Sensen, Speere, Äxte, Dreschflegel und anderes schweres Gerät mit sich führten.
Schweigend folgten die Canervasöhne mit ihren Blicken den Lindwurmjägern, die unter den immer wieder durch die Wolken hervorblitzenden Strahlen der Abendsonne aus dem Bergwald zurückkehrten.
Autorin: Tina
Ravena fasste ihr Knappenschwert fester und warf einen fragenden Blick auf ihren Knappenherrn. „Greifen wir sie an?“
Autor: rabenstein
Das Streitross schnaubte, als wittere es den bevorstehenden Konflikt. Der Golgarit griff zum Hammer, seine Augen begannen zu leuchten und ein böses Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Isonzo wirkte zum ersten Mal auf dieser Reise äußerst zufrieden und fast heiter. „Na endlich! Der Herr Boron meint es heute so gut mit uns! Das wird ein Fest! Der Tisch ist reichlich gedeckt mit Schurken und Sündern!“ Dann jedoch hielt er inne und schüttelte den Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können. An Ravena gewandt flüsterte er: „Erst reden wir mit ihnen. Da sind zu viele verängstigte Bauern versammelt, die sollten wir auf keinen Fall niedermetzeln. Wir sind doch eigentlich hier, um die einfachen Leute zu beschützen. Wenn ich Domna Catalin richtig verstanden habe, sind diese berittenen Canerva-Brüder die Drahtzieher. Von denen sollten wir mindestens einen gefangen nehmen. Wir brauchen ein Pfand für das Leben von Rahjalina.“
An die versammelte Menge gerichtet rief er: „Na, ihr wackeren Trajaleser, was ist denn euer Begehr? Ihr werdet ja wohl kaum die Waffen erheben wollen gegen Vertreter der zwölfgöttlichen Ordnung und den Adel des Reiches? Jedem, der doch zu diesem Zweck hier erschienen ist, gebe ich jetzt die Gelegenheit, noch einmal darüber nachzudenken, sich eines Besseren zu besinnen und in Frieden zu seiner Familie nach Hause zu gehen. Oder wollt ihr wirklich für Leute sterben, die nicht euer Wohl im Sinn haben? Schaut sie euch doch an, auf ihren Pferden – sie sind fett und wohlhabend geworden in eurer Mitte und haben selbst nie Opfer gebracht! Wollt ihr euch das etwa gefallen lassen? Wer allerdings die Waffen gegen einen von uns erhebt, der hat heute eine Verabredung mit meinem dunklen Herren! Und der Herr Boron ist weitaus weniger gnädig zu Frevlern als der Drache Faraldur.“
Autor: vivar
Das Volk von Trajalés lauschte den Worten des Komturs stumm und zag. Einzig bei der Erwähnung Faraldurs zuckte so mancher zusammen. Selbst die Gebrüder Canerva saßen mit gesenkten Häuptern, wie es sich geziemte, auf ihren Rössern. Auch nach der Rede schwiegen sie ein Weile, ohne dass sich irgend jemand rührte, bis Fermín Canerva sich schließlich mit der Hand ehrerbietig an den Hut tippte und mit gesenktem Blick, in dem schnarrenden Idiolekt, welcher den Bewohnern des Tales zu Eigen war, seinerseits zu sprechen begann: „Halt’n vielmals zu Gnad’n, Dom, ab’r des woll’n m’r nicht – d’Waffen geg’n ’Ch ’rheb’n. Nur bitt’n, dass ’Hr uns in Fried’n lasst un’ uns’r Tal verlasst. ’Hr sprecht von Ordnung, un’ ruft doch d’Leut im Tal zu Zwietracht geg’neinand’r auf. M’r hab’n hier seit alt’r Zeit Ordnung un’ brauch’n niemand von außertals, d’r sie durcheinand’r bringt. M’r woll’n Eure Hilf’ nicht. D’r Wurm sorgt schon für uns.“ Hier nickte so mancher der Trajaleser, manch einer überzeugt, andere eher ängstlich. „Glaubt m’r, Dom: S’ist bisher noch jed’m schlecht ergang’n, d’r ’Hn v’rärgert hat. Tut’s, mit Verlaub, dem Gratenfels’r hoh’n Dom gleich un’ zieht wied’r davon.“ Er blickte auf, richtete seinen Blick suchend auf den Dom Isonzos und fügte dann eilig, aber nicht zu eilig hinzu: „Wenn’s ’Ch beliebt, Dom.“
Autorin: Tina
„Und wir sollen jetzt einfach den Schwanz einkneifen und davonreiten, damit ihr dem Drachen die nächste Jungfrau füttern könnt?“ Purer Unglaube klang in den entrüsteten Worten der Knappin mit, die erst einige Momente zu spät bemerkte, dass sie an allen Würdenträgern vorbei das Wort ergriffen hatte. Doch da waren die Worte schon gesagt – und bei Praios, Boron und seinen Geschwistern, hinter diesen stand sie!
Autor: Sindelsaum
„Es beliebt nicht!“, fauchte Halmdahl den Sprecher der Dörfler an. „Es kann ja kaum von guter Ordnung die Rede sein, wenn ein junger Bursche ermordet am Eingang des Tales liegt und eine Jungfrau dem Drachen dargebracht werden soll. Mit euch, ihr Trajelser, haben wir keinen Gram, aber es scheint mir so, als hätten die Canervas die Macht des Drachen genutzt, um euch zu unterdrücken und knechten und scheuen dabei auch vor so mancher Bluttat nicht zurück. Drum geht heim ihr Dörfler, mit euch haben wir keinen Zwist! Mit euch aber“ – hier wendete Halmdahl wieder seinen Kopf und blickte die Reiter an – „Entweder ihr rückt freiwillig mit der Sprache raus, oder wir werden euch dazu zwingen.“ Sprach’s und zog sein Schwert.
Autor: vivar
Ob die Rede des Sindelsaumers die Herzen des Trajaléser Volkes gerührt hatte, war nicht festzustellen. Äußerlich ließen sich die einfachen Berghirten und Rübenbäuerinnen, Korbflechter und Holzfällerinnen nichts ansehen. Manch eine mochte beim Anblick des blanken Stahls ihren Speer fester umklammern, doch als Gruppe rührten sie sich nicht von der Stelle.
Wieder war es Fermín Canerva, der nach einer Weile mit gesenktem Blick das Schweigen brach: „Mit Verlaub, Dom, auch m’r wünsch’n wed’r Gram noch Unreim mit ’Ch. M’r woll’n nur, dass ’Hr uns in Fried’n lasst. M’r wiss’n schon, wie m’r für uns zu sorg’n hab’n. G’wiss seid ’Hr furchterregende Kämpf’r, ab’r geg’n ’Hn könnt auch ’Hr nix ausricht’n. Un’ wenn ’Hr’s versucht, so wird’s nicht nur ’Ch, sondern auch uns all’n üb’l ergeh’n. Bitte, Doms.“
Seine Worte waren fast flehentlich gesprochen, und doch ruhte seine Hand auf dem Griff des Rebmessers. Talfan, der rotnasige Jäger, und ein weiterer Bruder blickten nervös von den gespannten Armbrüsten in ihren Händen zu den Fremden und wieder zurück.
Autor: alcorta
„Was seid ihr nur für ein erbärmlicher Haufen?!“, brach es aus Catalin heraus. „Wie weit hat die Furcht eure Herzen eigentlich schon aufgefressen, dass ihr euch von einem Getier beherrschen lasst? Wie weit ist es mit euch gekommen, dass ihr Leute ermordet und kleine Kinder entführt, um sie schutzlos einem Drachen zu überlassen? Ist das es, was ihr ein ruhiges Leben nennt? Könnt ihr eigentlich noch in den Spiegel blicken? Hier steht ihr nun und erhebt die Waffen gegen die Nobleza, die euch helfen will!“ Sie stieg von ihrem Ross ab und ging auf die Gruppe Dörfler zu. „Nun, wir werden nicht gehen, so nett ihr auch bittet. Weil wir gelernt haben, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen. Weil es das ist, was von uns erwartet wird und weil es das ist, was es ausmacht, ein Mensch zu sein. Wenn ihr meint, uns nun deswegen erschlagen zu müssen... dann schlagt zu.“ Sie breitete ihre Arme aus. „Aber glaubt nicht, dass Faraldur euch beschützen wird ob dem, was dann folgt. Diesem Drachen bedeutet ihr nichts, ihr seid nicht viel mehr als seine Sklaven. Wenn ihr uns nun angreift, dann werden die nächsten Leute nicht wegen dem Drachen kommen, sondern wegen euch. Und sie werden nicht zum Reden kommen. Sie werden vermutlich eher handeln, als wären sie noch von Selindian Hal geschickt. Vertraut ihr dem Drachen so viel? Dann... wisst ihr, was ihr nun zu tun habt.“ Sie schloss die Augen. Sie versuchte ihre Gedanken so gut es ging zu verbergen. Doch sie spürte die Furcht in ihr. Der Gedanke, nun wehrlos, wie sie da stand, einfach so von dummen Bauern erschlagen zu werden missfiel ihr deutlich. Doch was half es? Das war es eben, was Helden tun. Und manchmal tat dies eben weh. Doch immer noch besser als stets den einfachsten Weg zu nehmen. Das sah man an den Menschen von Trajalés doch recht gut.
Autorin: Tina
Ravena lehnte sich im Sattel vor. als Catalin vom Pferd stieg. „Herr, das können wir nicht zulassen! Sie wird sich diesen Bauern zum Fraß vorwerfen!“ Ihr gesamtes Weltbild geriet ins Wanken – diese Geste war ohne Gleichen – und nichts, dass sie jemals während ihrer gesamten Knappenzeit erlebt hätte. Im Flüsterton fügt sie hinzu: „Ist sie wirr im Kopfe?“
Autor: rabenstein
„Ich weiß nicht, was im Kopf der Domna vorgeht. Diese Leute haben offenbar kein Problem damit, Reisende zu entführen und an den Drachen zu verfüttern und sogar ihre eigenen Kinder diesem Schicksal zu überantworten. Da werden sie wohl kaum davor zurückschrecken, eine fremde Domna zum Wohle ihrer sogenannten Sicherheit zu erschlagen. Das werden wir natürlich nicht zulassen. Mach’ dich bereit. Sobald einer von denen die Waffen gegen sie erhebt, preschen wir vor und machen sie nieder. Bleib’ dicht an meiner Seite. Die Brüder müssen zuerst fallen. Wenn die Anführer beseitigt sind, wird der Rest der Meute sich zerstreuen. Sieht so aus, als sollte es dem Herrn Boron gefallen, dass diese Familie nun ihren Blutzoll entrichtet, nachdem sie so lange von einem unheiligen Pakt profitiert hat. Bald kannst du zeigen, ob du in deiner Knappenzeit zu kämpfen gelernt hast. Aber gib Obacht, denn einen brauchen wir ja noch lebend“, sprach Isonzo leise zu seiner Knappin gewandt.
Dann begann er, die Dorfbewohner zu fixieren und mit klarer Stimme einen alten Choral seines Ordens anzustimmen. „Komm’, Herr Boron, sei unser Gast! Bring’ ein die Ernte, die du uns bereitet hast…“. Bollwerk, der hässliche, vernarbte alte Tralloper spannte sich. Er hatte diese Klänge schon oft gehört und wusste, dass, wenn sie verstummten, der Tod Einzug halten würde in diesen Ort. Die Golgariten verrichteten ihr Kriegshandwerk möglichst schweigend und beschränkten die Kommunikation auf dem Schlachtfeld auf das Notwendigste.
Autorin: Tina
„Jawoll, Herr!“ Ravena nickte, zufrieden mit der Welt. So – und ganz genau so – gehörte sich das. Sie lockerte das Schwert in der Scheide, nahm die Zügel ihres Pferdes kürzer und bereitete sich auf das Schauspiel vor, dass nun folgen musste.
Autor: derp
Auch Rahjindan machte sich gefechtsbereit. Dabei war er bestrebt, Entschlossenheit zu zeigen, wiewohl er tatsächlich wenig motiviert war, schon jetzt seine Kräfte zu vergeuden, anstatt sich diese für einen Kampf mit dem Drachen aufzubewahren.
„Herrin Rondra, schenk uns Deinen Segen für einen göttingefälligen Kampf und Herrin Hesinde schenke uns Deine Weisheit, die richtigen Entscheidungen zu treffen.“
Autor: Sindelsaum
Halmdahl hielt sein Schwert bereits in der Hand. Auch er hatte sich merkbar angespannt und fixierte die Brüder abwechselnd mit einem entschlossenen Blick.
Autor: vivar
Fermín Canerva blickte ungläubig auf die unbewaffnete Caballera, die in ihrer schweren Rüstung vor ihm stand, die Augen schloss und die Arme ausgebreitet hatte. War diese Maid denn töricht? Die Speerspitzen der Trajaléser erreichten sie beinahe und er brauchte lediglich den Arm auszustrecken, um sie zu ergreifen – oder mit dem Rebmesser in den Hals zu fahren. Vielleicht war sie gar noch unbefleckt?
Niemand unter den Trajalésern verstand, was Catalín gesagt oder warum sie sich in ihre Gewalt begeben hatte. Fermín überlegte einen Augenblick, ob das alles eine Scharade war, doch er schob den Gedanken blitzschnell beiseite, um sich in ebengleicher Eile leicht vorzubeugen und sein Rebmesser an den Hals der Caballera zu legen, so dass sie den kühlen Stahl auf ihrer Haut spürte. Ein Wink, und während der Speer seines Bruders sich auf Catalíns Haupt richtete, zeigten zwei Armbrüste auf Dom Rahjindan und Ravena.
„W’r wird’n ’Ch den Weg freigeb’n, Doms, so dass ’Hr verschwind’n könnt“, schnarrte er. „Wenn ’Hr’s Tal verlass’n habt, so lass’n m’r Eure G’fährtin frei. Greift ’Hr uns ab’r an, so wird meine Hand nicht zögern.“
Autor: alcorta
‚Oh… du dumme Nudel hast da wohl etwas zu fatalistisch gedacht…’, schoss es Catalin durch den Kopf. Irgendwie war sie auch ein wenig enttäuscht, sie hatte ihre Ansprache für besser gehalten. Aber dass es neben den Optionen „Überzeugend sein“ und „Sterben“ auch noch die Option „Geiselnahme“ gab, hatte sie nicht einkalkuliert. Kurz sammelte sie ihre Gedanken. Sie würde schnell reagieren müssen, denn sonst würden die anderen auch noch der Forderung nachkommen. Ihr Problem war nun eher, dass sie Fermín nicht mehr ins Gesicht schauen konnte und so seine Emotionen nicht mehr lesen konnte. Ein hohes Risiko.
Schnell ging sie die Optionen durch. Fermín provozieren und sagen, dass er nun angreifen müsse, da ihre Gefährten sich nie im Leben erpressen ließen, war eine Option. Die Möglichkeit, dass Fermín eben kein Mörder war und kniff, war gegeben. Vor allem, wenn sie erwähnen würde, dass hier ein Magier anwesend wäre, der mich nach dem Gemetzel heilen könnte. Und dass Fermin nicht sofort zustach, zeigte auch, dass er durchaus ein Gewissen hatte. Anderseits greifen Tiere an, wenn sie in die Ecke getrieben werden. Das Problem war in dem Moment nicht mehr Fermín, sondern die beiden geladenen Armbrüste seiner Komparsen. Sie könnten einen ihrer Freunde töten. Und das war keine Option. Tatsächlich war eine Geiselnahme die bessere Option. Die Dorfbewohner würden sich entspannen und sie hätte mehr Zeit, sich mit den Leuten unterhalten und sie davon zu überzeugen, dass der Drache das Problem war, nicht sie. Ihre Begleiter würden sie sicher nicht im Stich lassen und sofern die Dorfbewohner sie nicht knebelten, wäre sie auch nicht ganz waffenlos. Vor allem aber würde sie das Gemetzel hier verhindern. Sie grübelte weiter. Was wäre, wenn sie ihren Wert für die Dorfbewohner noch einmal steigern würde? Das schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass sie zum Drachen geschickt würde. Aber dessen Tage hier waren ja ohnehin gezählt. Nein, das schien wirklich die beste Lösung zu sein- und eine dumme Entscheidung mehr oder weniger würde jetzt auch nicht mehr ins Gewicht fallen. Für ihre Reisegefährten dürfte schon dieses Opfer ziemlich dämlich gewirkt haben.
„Oh, nein, bitte tötet mich nicht!“, rief sie daher mit verstellter, überdramatischer Stimme. „Ich will doch nicht als Jungfrau sterben… bitte, meine Freunde, hört auf die Dorfbewohner! Sie sind sicher ehrenwert genug, sie werden mich sicher gehen lassen. Wartet einfach dort auf mich, wo wir den ermordeten Kutscher gefunden haben!“, rief sie hervor und zwinkerte überdeutlich in Richtung der anderen, wissend, dass sie die Ganoven nun im Rücken hatte und diese ihr Gesicht gerade sicher nicht sehen konnten.
Autor: Sindelsaum
Halmdahl senkte sein Schwert ein wenig. Was hatte dieses verrückte Weibsbild nur vor? Aber sie hatten keine große Wahl. Entweder spielten sie mit, oder es würde ein Blutbad mit unabsehbaren Konsquenzen geben.
Autor: vivar
Es war eine Ewigkeit, in der sich Dorfbewohner und Lindwurmjäger schweigend musterten und sich das Auskommen eines blutigen Kampfes für sich selbst, ihre Geliebten, Kinder und Anverwandten ausmalten. Niemand nahm dabei fröhliche Farben in die Hand. Je länger die Ewigkeit dauerte, desto unsicherer wurden beide Seiten. Schließlich war es der Golgarit, der als erster den geweihten Streithammer senkte und mit stummer Geste den anderen Lindwurmjägern gebot, es ihm gleich zu tun.
Mit dem erleichterten Lächeln dessen, der ein Blutbad gerade eben noch hat abwenden können, jedoch ohne seinen Blick von Dom Isonzo und sein Rebmesser von Domna Catalins Hals zu entfernen, rief Fermin Canerva da: „Bild’t eine Gass’!“
Die Trajaléser rückten schweigend und ungelenk auseinander und ermöglichten es den Reitern so, in einer Reihe zwischen ihnen bis zum Dorfanger und darüber hinaus durchzuziehen.
„Bis ’Hr’s Tal verlass’n habt!“, wiederholte Fermín schnarrend.
Mit den Schenkeln lenkte Dom Isonzo Bollwerk auf die schmale Gasse zu. Bei dem Anführer der Canervabrüder und Catalin angekommen, sprach er, ohne innezuhalten: „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen." Dann ritt er im Schritt voran. Ravena, Dom Rahjindan und Dom Halmdahl folgten ihm.
Autor: derp
Obwohl er folgte, dachte Dom Rahjindan bei sich, dass er sich das Ganze etwas anders vorgestellt hatte. Eigentlich wollte er für „seinen“ Sieg über den Drachen Ruhm und Ehre erlangen, um sich derzeit noch verschlossene Türen zu öffnen. „Dumm gelaufen“, sprach er zu sich selbst. „Wie es wohl weitergehen wird?“
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