Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 02
Kaiserlich Selaque, 18. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf der Dorfstraße von Elenta[Quelltext bearbeiten]
Autor: SteveT
Mit tränenverschleiertem Blick nahm sie die Leere und Verwüstung der Hütten und Häuser am Ort ihrer Geburt wahr. Die zahllosen Leichen auf der von Pferdehufen umgepflügten Dorfstraße wurden von Schwärmen grüner Schmeißfliegen bevölkert, die ihnen sogar in die weit offenstehenden Münder und Augen krochen. An einigen Toten hackten ganz ungeniert am hellichten Tage einige Krähen, Elstern und sogar ein großer Geier herum und niemand war da, um die Aasfresser zu verjagen. Am schlimmsten aber war der Anblick des verwüsteten Gutshofs gewesen, auf dem sie beinahe ihre komplette Kindheit verbracht hatte. Nicht nur die Ferkinas hatten hier schreckliche Raubtaten und Zerstörung angerichtet - nach ihrem Abzug mussten noch weitere, mittelländische Plünderer dagewesen sein, denn vor dem Anwesen hatten sie die Spuren vieler beschlagener Pferde gefunden. Ja, es hatte gar jemand in den Betten ihrer ermordeten Familia geschlafen! Mochte der Himmelsfürst diese pietätlosen Hunde auf ewig verfluchen!
"Vorsicht! Wir nicht alleine, Herrin!" riss sie unsanft die vertraute Stimme ihres wackeren Burghauptmanns Giordan aus ihren niedergeschlagenen Tagträumen und Kindheitserinnerungen. Erst jetzt bemerkte Reichsvogtin Praiosmin von Elenta, daß er ihren weißen Zelter, den sie im Damensitz ritt, am Zügel gefasst und angehalten hatte. Obwohl sie einen speziell für ihr Körpergewicht maßgefertigten Damensattel mit Rückenlehne ritt, tat ihr ihr breiter Hintern und das Steißbein höllisch weh, denn sie war es normalerweise gewohnt, in einer Pferdesänfte oder besser noch in einer bequemen Kutsche zu reisen. Aber damit wäre es unmöglich gewesen, des nachts unbemerkt zwischen den Wachfeuern der Ferkinas hindurchzuschlüpfen, die den Berg Albamonte mit Selaque und Castillo Albacim darauf seit über zwei Wochen umzingelt hielten. Hauptmann Giordan und die zehn sie begleitenden Büttel der Selaquer Garde zogen ihre Säbel und Schwerter aus den Scheiden. "Was ist?" frug die Vogtin irritiert. "Bewaffnete! Mindestens acht oder neun! Dort, vor dem Laden des Krämers Tizano!" flüsterte der Hauptmann und deutete mit einem Kopfnicken nach schräglinks. Domna Praiosmin blickte zu dem genannten Gebäude und tatsächlich sah nun auch sie, daß davor an der hölzernen Veranda zahlreiche Reitpferde angebunden waren. Einige wenig vertrauenserweckende Gestalten lehnten an dem Geländer und schienen auf ihr Näherkommen zu warten, während ein mit Helm und Harnisch gerüsteter drahtiger kleiner Mann mit gezogenem Raufedegen in der Hand mitten auf der Dorfstraße stand und ihr entgegenblickte.
"Da seid Ihr ja endlich, meine holde Herrin! Ich habe auf Euer Eintreffen gewartet, so wie ein Verdurstender den Brunnen ersehnt!" rief er ihr entgegen und tippte sich mit der freien Hand zum Gruß an den Helm. "Aha, Ihr seid es also, Dom Ordonyo!" begrüßte sie den Junker von Alina wenig begeistert. "Spart Euch die Schmeicheleien besser für Weibsbilder auf, die sie Euch auch glauben! Was sucht Ihr hier in Elenta an diesem schrecklichen Tag?" Sie hatte keinerlei Vertrauen zu diesem Windhund, der stets nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht war und der nicht ohne Grund eine Elster im Wappen führte, denn dieser aasfressende, räuberische Vogel entsprach auch gut passend seinem eigenen Naturell. Sie war fürwahr mit den schlimmsten Vasallen von allen gestraft!
"Ich suche gar nichts, meine teure Herrin, sondern bin vielmehr hier, um Euch zu der Person zu verhelfen, nach der IHR sucht!" antwortete der Junker rätselhaft mit dem spöttischen Grinsen im Gesicht, das Praiosmin an ihm noch hatte leiden können.
"Mein Sohn?" Die Reichsvogtin war sofort hellwach. "Was wisst Ihr über ihn? Wo finde ich Aureolus?"
Junker Ordonyo, der im wilden Bosquirtal nur El'Saksağan - eben "die Elster" auf Tulamidisch - genannt wurde. kräuselte irritiert die Stirn. "Euer Sohn? Tut mir leid, bis zu diesem Moment wusste ich nicht einmal, daß Ihr einen Mundillo habt. Sehr interessant zu wissen!" Er grinste noch immer und schüttelte dann den Kopf: "Nein, ich spreche von der Person, die sich gegen Eure Befehle auflehnt und Euch bar jeder Lehnstreue die Waffenhilfe verweigert - meine pflichtvergessene Nachbarin Rifada da Vanya!"
Domna Praiosmins Blick verdüsterte sich: "Mit dieser Hochverräterin befasse ich mich, sobald Selaque wieder von Ferkinas frei ist! Ich werde ihr den Proceß machen und von dort führt ihr Weg geradewegs zum Richtbeil des Henkers, verlasst Euch drauf!"
"Lehnstreue ist Lehnstreue und Verrat ist Verrat!" antwortete der Junker unverbindlich, doch innerlich schien ihn die Entschlossenheit seiner Herrin in Bezug auf seine verhasste Rivalin sehr zu freuen. "Warum aber wollt Ihr so lange warten? Wäre es nicht besser, dieses Unkraut sofort herauszureißen, ehe seine Saat unser ganzes schönes Selaque vergiftet? Ihr könntet danach auf ihre Burg, ihre Waffen und ihre Soldaten zurückgreifen und zudem Eure volle Aufmerksamkeit den Ferkinas widmen, wenn ihr keinen Quertreiber in den eigenen Reihen mehr in Eurem Rücken befürchten müsst."
"Dafür ist jetzt nicht die Zeit" schüttelte die bosqurische Jungfer fast ein wenig bedauernd den Kopf. "Ihr Castillo ist das stärkste weit und breit - wie sollte ich sie wohl da nur mit einer Handvoll Waffenknechte herausbekommen, wenn sich tausende von Ferkinas daran schon blutige Nasen geholt haben? Nein, nein - Junker Ordonyo! Ich vertraue ganz auf die Kraft unserer kaiserlichen Gesetze!"
"Sie ist nicht auf dem Castillo!" schüttelte der Junker spitzfindig den Kopf. "Aber WIR könnten dort sein, wenn sie zurückkehrt, um die Ratte sozusagen in ihrem eigenen Bau zur Strecke zu bringen!" Da er bemerkte, daß die Reichsvogtin und ihr Hauptmann seinen Worten noch keinen rechten Glauben schenken wollten, wandte er sich zu seinen eigenen Waffenknechten auf der Veranda des geplünderten Krämerladens um. "Los! Schafft die Gefangene her!"
Zwei der Bewaffneten traten ins Innere des Ladens und schleiften kurz darauf eine gefesselte Frau in einem purpurfarbenen Wappenrock hinaus ans Tageslicht. Das verquollene Gesicht der Frau verriet, daß sie schwer verprügelt worden war.
"Eine Gardistin vom Castillo da Vanya!" erklärte die Elster mit pervalischem Grinsen. "Wir erwischten sie heute morgen, als sie hier Vorräte für die Burg ihrer Herrin beschlagnahmen wollte. Um wieder ins Castillo eingelassen zu werden - das haben wir inzwischen aus ihr herausbekommen - muss sie sich mit einer täglich wechselnden Parole ausweisen." Er ging zu der gefangenen Gardistin hinüber und packte sie grob an den Haaren. "Willst Du der hochgeborenen Frau Reichsvogtin nicht freundlicherweise verraten, wie die Losung des heutigen Tages lautet?" Er zog den Kopf der Frau noch oben, so daß sie geradewegs zur bosquirischen Jungfer aufsehen musste.
"Die Parole lautet" knurrte die Frau trotzig zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: NIEDER MIT PRAIOSMIN!
"Das reicht! Ein für allemal!" zischte die Reichsvogtin böse, deren Augen nur noch schmale Schlitze über den Tränensäcken waren. "Holen und strafen wir diese verräterische Hure!"
"Meine Männer und ich stehen selbstverständlich an Eurer Seite, Herrin!" verbeugte sich der Junker tief, der erreicht hatte, was er wollte. Nun galt es nur noch die passende Belohnung auszuhandeln. "Domna Liguria ist tot!" stellte er trocken und lakonisch fest. "Elenta braucht folglich einen neuen Herrn..."
- Domna Praiosmin und Dom Ordonyo begeben sich zunächst nach: Schauplatz: Raschtulswall, Teil 09.
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