Chronik.Ereignis1033 Feldzug Schrotenstein 01
Baronie Schrotenstein, 26.-28. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Grenzfestung Wildenfest[Quelltext bearbeiten]
26. Praios 1033 BF, abends
"Domna Belisetha, meine Verehrung!" trat Rondrigo vom Eisenwalde zögerlich an den tulamidischen Diwan heran, auf dem ihn kränkliche die Hausherrin der mächtigen alten Grenzburg Wildenfest halb darniederliegend empfing. Er verbeugte sich, knallte salutierend die Hacken aneinander und deute dann einen Handkuss an.
"Wie lange ist es her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?"
"Jedenfalls viel zu lange, als dass ich mich darin erinnern könnte, mein guter Dom Rondrigo!" antwortete diese, trotz der sie plagenden Alters-Zipperlein, doch noch mit einem gehörigen Maß an Schalk in der Stimme und in den Augen.
"Wenn Ihr einem alten Mann die Bemerkung gestatten wollt: Euer prinzliche Durchlaucht hat sich in all den Jahren kaum verändert! Ihr seid so strahlend schön wie eh und je!" entgegnete der gräfliche Castellan, ganz Kavalier der alten Schule, und blickte sich erfolglos in dem recht karg möbilierten Turmzimmer nach einer Sitzgelegenheit für sich selbst um, als ihm Domna Belisetha auch schon bedeutete, sich einfach auf dem Fußende ihres Diwans niederzulassen.
Die Baronsmutter lachte amüsiert: "Wenn Ihr das tatsächlich glaubt, mein Lieber, so solltet Ihr Euch vielleicht eines dieser neumodischen horasischen Sehgläser schleifen lassen, wie sie neuerdings in Punin die Zauberer und Gelehrten tragen. Und überhaupt: Prinzliche Durchlaucht - ich glaube, so hat mich seit 20 Jahren niemand mehr genannt. Habt Ihr vergessen, daß ich nurmehr eine kleine Junkerin bin?"
"Nicht für mich!" schüttelte Dom Rondrigo bestimmt den Kopf. "Ihr seid die Tochter unserer rechtmäßigen Fürstin, auch wenn ich damals nach ihrem Tod bedauerlicherweise manchmal für die Gegenseite streiten musste."
"Ja ja, ich weiß!" nickte Domna Belisetha, der die Erinnerung an jene Zeit sichtlich unangenehm war. "Reden wir besser nicht über die Vergangenheit, sondern über die Gegenwart! Die Götter haben alles so gefügt, wie es nun gekommen ist und sie werden sich gewiß etwas dabei gedacht haben. Was also führt Euch zu mir, alter Freund?"
"Ach, die Zeiten sind schlechter geworden als damals, teure Domna Belisetha!" schnaufte der Castellan. "Damals waren ein Freund und ein Feind noch klar zu unterscheiden. Aber wenn Ihr wüsstet, mit welchen zwielichtigen und anmaßenden Lumpen ich heutzutage durch die Lande geschickt werde! Keinerlei Achtung vor meinem Alter, meiner Erfahrung, meinen Verdiensten...es ist eine Schande!" Er schüttelte den Kopf, riß sich dann aber zusammen, da er nicht vor der Angehörigen eines großen Hauses als Jammerlappen dastehen wollte.
"Um gleich zur Sache zu kommen: Unser neuer Graf hat mich hierher gesandt - so wie es aussieht, haben die Wilden den gräflichen Hausorden vom wundersamen Roßbanner ausgemordet und des Grafen jüngste Tochter entführt. Um sie zu finden und zu befreien, wurde ich mit einem recht großen Aufgebot ausgeschickt, zu dem leider nicht nur meine eigenen Leute gehören, sondern auch die einiger Ragathsqueller Magnaten, über die ich Euch eben mein Leid klagte. Einer davon, der Euer prinzlichen Durchlaucht möglicherweise bekannte Dom Hernan von Aranjuez, war in seinem früheren Leben ein goldgieriger Landsknecht und Condottiere und - um der Wahrheit die Ehre zu geben - eigentlich ist er es auch heute noch! Ein solcher Mensch begleitet mich also auf meinem Detachement, eigentlich sind wir unterwegs nach Kaiserlich Selaque, in dessen Bergen man die entführte Comtessa vermutet. Kurz und gut - ich bin hier, um Eure werte Erlaubnis zu erbitten, durch Euer bzw. Eures Sohnes Land hindurchziehen zu dürfen und auch hier kurzfristig unser Lager aufschlagen zu dürfen. Wenn Ihr uns bei unserer Suche nach der Grafentochter gar noch mit einigen Eurer Waffenknechte unterstützen wollt, so wäre Euch das Grafenhaus zu großem Dank verpflichtet, denn wie Euer prinzliche Durchlaucht wissen werden, erwarten wir spätestens in Selaque Feindkontakt mit den Wilden, die in großer Zahl aus dem Gebirge ins Bosquirtal herabgekommen sein sollen."
Die alte Herrin von Wildenfest nickte: "Was Ihr mir berichtet, mein guter Rondrigo, ist nicht neu für mich - ich bin selbstverständlich bereits über alle Vorgänge in unserer zweiten Heimat Selaque
informiert, denn bereits gestern traf eine Botin meines Großneffens Moritatio ein, der Sohn meiner Selaquer Nichte Rifada, und berichteten mir ähnliches. Zu meinem Bedauern kann ich Euch keinen meiner Grenzreiter als Geleit mitgegeben, denn in Zeiten wie diesen kann ich hier an der Reichsgrenze beim besten Willen keinen Soldaten entbehren. Auch muss ich Euch warnen, daß die Blutsäufer aus den Bergen möglicherweise nicht das einzige Problem sein werden, mit dem Ihr Euch in Selaque konfrontiert sehen könntet. Unglücksseligerweise hat sich meine eben erwähnte Nichte Rifada mit Ihrer Lehnsherrin Praiosmin von Elenta überworfen - durch wessen Schuld, ist bei diesen beiden Streithennen schwer abzusehen - so daß zu befürchten steht, daß dem ohnehin gebeutelten Land nun eine Blutfehde bevorsteht, die über uns alle nichts als Unglück bringen wird. Solltet Ihr in Selaque also auf Rifada oder auf ihre Tochter Gujadanya treffen, dann bitte ich Euch, besänftigend auf diese einzuwirken, ehe es ein neuerliches 13.-Ingerimms-Massaker gibt!"
"Da verlasst Euch nur auf mich, teure Freundin!" nickte Dom Rondrigo feierlich. "Ich werde notfalls alle Streitparteien per gräflichem Befehl zur Raison bringen!"
Belisetha nickte ihm dankbar zu, innerlich voller Zweifel. Ausgerechnet Rifada mit der Autorität des tobrischen Grafens zu kommen, war keine sonderlich gute Idee. Aber diese Bedenken behielt sie für sich. Laut sagte sie, dem gräflichen Castellan neuerlich die Hand zum Abschiedskuss reichend: "Meinen Segen und meine Erlaubnis habt Ihr, mit Euren Leuten durch unsere Ländereien hindurchzuziehen und auch hier zu lagern. Tragt einzig dafür Sorge, daß sich die Leute dieses Landsknechtsführers gesittet betragen und daß sie die Bauern für alles bezahlen, was sie verzehren. Ich will von keinen Plünderungen hören - dafür hätten weder mein Sohn noch ich selbst Verständnis!"
"Aber wo denkt Ihr hin, Euer prinzliche Durchlaucht?" erhob sich Dom Rondrigo steif und küsste nochmals den Ring auf ihrer Hand. "Ich stehe mit meinem ehrenvollen Namen dafür gerade, daß Ihr hinterher gar nicht bemerken werdet, daß wir überhaupt hier gewesen sind! Gehabt Euch wohl - ich hoffe, beim nächsten Mal führen uns freudigere Umstände zusammen!" Nochmals salutierend, schritt er sporenklirrend aus dem Zimmer, in den Hof hinaus, wo Ritterin Lilithrud Ernathesa von Silvansbühler und sein Roß für einen langen nächtlichen Rückweg auf ihn warteten.
Autor: SteveT
28. Praios, Vormittags
Mißmutig starrte der weißbärtige Türmer hinauf in den wolkenverhangenen Himmel. Das war wieder einmal typisch bosquirisches Wetter! Schon früh morgens war das Himmelszelt so bleigrau gewesen, als ob es jeden Augenblick - mitten im Hochsommer! - zu schneien beginnen würde. Gegen Mittag war dann kurz, aber richtig heiß das Praiosrund durch die Wolkendecke gebrochen. Aber nun sah es schon wieder nach Regen aus und die Schwalben sausten so tief direkt über seinem Kopf um den Torturm herum, daß der nächste feuchte Guß nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.
"Heda, Türmer! Träumst Du?" polterte unten jemand gegen das Burgtor.
Erschrocken lehnte sich der alte Gardist weit nach außen über die Brüstung und spähte hinab auf den Uferpfad. der direkt vor das Tor der Festung führte. Auch das noch! Drunten saßen zwei kriegerische Weiber - augenscheinlich Achmad'sunni mit ihrem enggeschmiedeten Panzer und Pferdeschweifhelmen - hoch zu Roß und starrten finster zu ihm hinauf.
"Was ist Euer Begehr?" rief der Türmer etwas unsicher hinab.
"Na was wohl? Reingelassen zu werden!" gab die jüngere der beiden patzig zurück und schlug nochmals knallend mit der Faust gegen die Türe. Offenbar trug sie Panzerhandschuhe.
"Wir wollen zu Deiner Herrin - Domna Belisetha da Vanya!" fügte ihre mindestens doppelt so alte Begleiterin deutlich höflicher hinzu. "Wir sind mit ihr bekannt und sie wird uns sicher empfangen."
Der Türmer rief einem der Knechte zu, der gerade drunten im Hof der großen Garnisons- und Grenzburg Wildenfest dabei war, einen Misthaufen mit seiner Forke an einen anderenOrt umzuschichten, er möge die greise Burgherrin verständigen, daß zwei Amazonen sie zu sprechen wünschten.
Es dauerte nicht lange, und die beiden Rondrasdienerinnen durchmaßen Seite an Seite im Gleichschritt den weitläufigen, aber recht schmucklos wirkenden Thronsaal der einstigen priesterkaiserlichen Zwingburg direkt am Ufer des gurgelnden Bosquirs. Ihre Helme hatten sie abgesetzt und sie trugen sie nun selbstbewußt unter dem Arm geklemmt, ihre Säbel aber trugen sie nach wie vor an der Seite.
Die alte Burgherrin blickte ihnen von einem erhöhten Stuhl am Kopfende des Saales aus entgegen. Tiefe Falten durchfurchten das Gesicht der heute 72jährigen jüngsten Tochter der einstigen Almadanerfürstin Rahjada, doch ihre braunen Augen blickten nach wie vor neugierig und wissensdurstig in die Welt. Die beiden Amazonen blieben drei Schritt entfernt von ihr stehen und führten die Faust zum rondrianischen Schwertgruß zum Herzen, ohne sich zu verbeugen. "Rondra zum Gruße, Domna Belisetha! Königin Ayshal entbietet Euch durch uns ihren Gruß!" begann die Ältere der beiden zu sprechen.
Nun da sie nahe genug heran waren, erkannte Domna Belisetha die beiden auch, gleichwohl sie sie zuvor schon viele Jahre nicht mehr gesehen hatte. Die Ältere und Anführerin war Jelissa, die unter den Amazonen der Keshal Rondra Al'Abastra - die Reine - gerufen wurde. Ihre jugendliche Begleiterin, die inzwischen ebenfalls Rüstung, Umhang und Helmbusch einer vollwertigen Schwertschwester trug, obwohl sie vom Anlitz her auch noch gut als Knappin durchgegangen wäre, war Gujadanya - das jüngste Kind von Belisethas eigener Nichte Rifada da Vanya.
"Ich fühle mich geehrt und heiße Euch Willkommen!" antwortete Domna Belisetha, die einstige Baronin Schrotensteins, der alten Amazone höflich, wiewohl sie die Frau nicht sonderlich mochte.
Es war innerhalb der Familia ein offenes, aber allseits totgeschwiegenes Geheimnis, daß die Achmad'sunni seit über 25 Jahren eine gleichgeschlechtliche Buhlschaft und Liaison nach amazonischer Sitte mit ihrer Nichte Rifada verband - also mit einer verheirateten Frau, die zwei Kinder hatte! Und zu allem Überfluß hatte Rifada einer Frau solchen Schlages auch noch die Ausbildung ihrer Tochter, der Stammhalterin und Hoffnungsträgerin der Familia, als Mentorin überantwortet. Mit einem etwas versöhnlicheren Gesichtsausdruck wandte sich Belisetha nun ebenjener Mundilla zu. "Gujadanya, Kind - bist Du das? Ich mag es kaum zu glauben, wie groß und stark Du in den letzten Jahren geworden bist. Als ich Dich das letzte Mal sah, warst Du noch verspielt wie ein junges
Kätzchen und Du hast unten vor der Burg Blumenkränze geflochten."
Jelissa Al'Abastra warf ihrer jungen Begleiterin einen spöttischen Blick zu, der leicht das Blut in die Wangen schoß. Ob aus Scham oder Ärger ließ sich bei Al'Cumrat, dem widerspenstigsten Trotzkopf unter allen Amazonen der Keshal Rondra, nur schwer einschätzen. "Jawohl, Großtante! Ich war einfach ein dummes Ding damals, das den rechten Weg noch nicht kannte, den die Herrin für mich vorgesehen hat!" antwortete Gujadanya der Schester ihres Sippen-Soberans steif, die sie in der Tat schon recht viele Jahre nicht mehr gesehen hatte. Ihr Bruder Moritatio, der gefühlsduselige Schwächling, hatte ein viel engeres Verhältnis zu ihr.
"Um ehrlich zu sein, sind wir nicht hier" sprach Gujadanya weiter, "um Euch einen bloßen Höflichkeitsbesuch abzustatten, sondern weil uns beunruhigende Kunde aus dem Vanyadâl erreichte! Wisst Ihr eventuell wie es um das Castillo meiner Mutter steht? In der Nacht vor zwei Tagen brannte auf dem Gipfel des Djer Kalkarif ein Feuer, das von der wachhabenden Schwester auf dem Bergfried der Keshal Rondra erspäht wurde. Ihr müsst wissen, dies ist ein vereinbartes Alarmsignal, das meine Mutter einst mit Königin Ayshal Al'Yeshinna und Jelissa Al'Abastra hier absprach, sollte sie je deren Hilfe benötigen und Mutters Burg oder Dominie von einem übermächtigen Feind angegriffen werden. Ich nehme an, das Ganze steht mit den Wilden in Zusammenhang, die das ganze Bosquirtal in nie gekannter Zahl überschwemmen? Auch bei uns, ganz in der Nähe der Keshal Rondra, waren wir in heftige Kämpfe mit den Barbaren verwickelt. Auch auf dem Weg hierher wären wir um ein Haar in einen Hinterhalt der Blutsäufer geraten."
Domna Belisethas Miene wurde kummervoll. "Ja und Nein - Du hast Recht, daß unser Castillo im Vanyadal offenbar in Gefahr ist. Aber scheinbar stecken nicht die Wilden dahinter, die es noch niemals in seiner langen
Geschichte einzunehmen vermochten, sondern jemand aus unseren eigenen zwölfgöttlichen Reihen - nämlich meine langjährige Lehnsnachbarin Praiosmin von Elenta. Du weißt, daß Deine Mutter und sie seit langer
Zeit auf Kriegsfuß stehen? Ich habe Rifada mindestens fünfmal ermahnt, ihre Worte mit Bedacht zu wählen und ihre praiosbefohlene Lehnsherrin nicht zu vergrätzen. Aber ebenso gut hätte ich mit der Wand dort drüben sprechen können. Praiosmin ist eine gefährliche Frau! Sie wirkt träge, aber wenn sie in die Enge getrieben wird, kämpft sie hinterlistiger wie ein Ork! Offenbar hat sie unser Castillo besetzt - gestern traf eine der ihr entkommenen Geleitreiterinnen Deiner Mutter ein, die mir die schlechte Kunde überbrachte. Dein Bruder hat sie zu mir gesandt, wenigstens er scheint in Freiheit und in Sicherheit. Eure Cousine Richeza von Scheffelstein, die Tochter von Madalena aus dem Kornhammer Sippenzweig, ist offenbar bei ihm."
"Kenne ich nicht!" zuckte Gujadanya mit den Achseln, deren Gesicht sich bei den Ausführungen ihrer Großtante immer weiter verdunkelt hatte. Auch Jelissa Al'Abastra wirkte ehrlich betroffen und besorgt. "Was ist mit Rifada? Ist sie....ist sie noch am Leben?" stellte sie die Frage, die Belisetha auch als erstes von ihr erwartet hatte.
"Das weiß ich leider nicht" antwortete die alte Burgherrin von Wildenfest wahrheitsgetreu. "Aber ich gehe davon aus, bis mir jemand gegenteiliges beweist....ich meine, ihr kennt sie - wer auf Deren könnte Deine Mutter kleinkriegen? So weit die Botin berichtete, ist sie aber auf der Burg verblieben, um Moritatio und ihrer Nichte und ein paar weiteren Edelleuten die Flucht zu ermöglichen...."
"Warum sollte Mutter so etwas dämliches tun?" unterbrach sie Gujadanya. "Mein Bruder ist der Allerletzte, der ihr da wieder heraushelfen könnte! Nein, nein - jetzt müssen WIR handeln - und zwar schnell, bevor diese verfluchte Praosmin endgültig die Oberhand über ganz Selaque gewinnt. Wir hätten diese fette Mastsau abstechen sollen, als sie noch frei in Elenta herumlief! Aber dieses Versäumnis werde ich jetzt nachholen und unser Castillo befreien - möge Ihr ihr güldener Götze gnädig sein, wenn sie Mutter auch nur ein Haar gekrümmt hat!"
"Na na - hüte Dich vor unüberlegten Aktionen!" tadelte sie Belisetha, die in der zürnenden Gujadanya ganz deutlich das Erbe ihrer eigenen großen Schwester Leonida wiedererkannte - diese hätte ihrerzeit genauso gehandelt.
Aber nun trug sie selbst, zumindest so lange Amando als Sippen-Soberan auf einer kirchlichen Mission im Reichsforst weilte, die Verantwortung für die Zukunft des Geschlechts. "Die Nachricht von Moritatio war
eigentlich an Deinen Onkel Lucrann gerichtet - Du weißt, daß Dein Bruder seit seiner Knappenschaft große Stücke auf ihn hält. Auch ich will eigentlich nicht handeln, ohne die Meinung meines Sohnes abzuwarten,
der immerhin der vom Kaiser eingesetzte Herr dieses Landes ist. Er wird im nächsten Mond aus Weiden zurückerwartet. Noch sind die Wilden nicht in Schrotenstein eingefallen - allenfalls vielleicht in der Grenzdominie Alina, deren Junker auf Seiten Praiosmins zu stehen scheint. Wir können als Schrotensteiner nicht einfach militärisch in Selaque eingreifen - als wir das vor einigen Jahren schon einmal taten, um den schwarzen Rakolus zu stürzen, ist das dem Kaiser und der Reichsführung sehr übel aufgestoßen. Du warst noch zu jung damals, um Dich daran erinnern zu können..."
"Das heißt, Ihr wollt keinen Finger rühren um Mutter zu helfen und unsere Stammburg zurückzuerobern?" frug Gujadanya scharf, anklagend und fassungslos.
"Das habe ich nicht gesagt!" rechtfertigte sich Belisetha. "Wenn ich lediglich euch beiden hier vor mir sehe, so scheint die Waffenhilfe des Ordens der Amazonen für die einstige Kampfgefährtin aber auch nicht gerade üppig auszufallen..."
"Das ist der Bedrängnis durch die Wilden geschuldet!" verteidigte nun Jelissa Al'Abastra den Beschluß ihrer Königin. "Das überhaupt wir beide auf eigenen Wunsch hin zur Unterstützung von Rifada da Vanya ausreiten
durften, ist ein Zeichen der Gewogenheit von Königin Ayshal! Ansonsten ist es zur Zeit allen Schwertschwestern und Knappinnen strengstens untersagt, überhaupt nur die Burg zu verlassen!"
"Nun gut!" nickte Belisetha beeindruckt. "Dann richtet Eurer Königin den Dank meiner Familia aus, so Ihr wohlbehalten zurückkehrt, wofür ich beten werde." Dann wandte sie sich wieder an ihre Großnichte: "Vier meiner besten Grenzreiter werden euch im Waffenrock der Familia nach Selaque begleiten. Bringe dort erst einmal in Erfahrung, wie es um unser Castillo steht, ob Rifada in Gefangenschaft geraten ist und wo Moritatio und eure Cousine stecken. Über alles weitere werden wir dann entscheiden, wenn Lucrann und Amando zurück sind!"
Gujadanya wollte schon zu einer patzigen Antwort ansetzen, daß sie auf eine derart lächerliche Hilfe verzichte, aber Jelissa erahnte ihre Gedanken und umfasste warnend ihren Oberarm. Stattdessen antwortete sie selbst: "Wir nehmen Euer Angebot dankend an, Domna Belisetha! Eure Reiter sollen sich bereitmachen - wir reiten sofort nach Selaque weiter!"
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