Chronik.Ereignis1033 Feldzug Kornhammer 01

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Königlich Kornhammer, 25. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf Burg Scheffelstein[Quelltext bearbeiten]

Autor: von Scheffelstein

"Herrin Rondra, stehe uns bei gegen die Barbaren, die unsere Länder verheeren. Schenke uns die Kraft, ihren Angriffen standzuhalten und halte deine Hand über die Wehrlosen, die in diesen Mauern Schutz suchen. Segne sie mit Mut und Entschlossenheit, auf dass sie nicht verzweifeln im Angesicht des Feindes. Und, Herrin, bewahre meine Enkeltochter vor allem Übel und lasse sie heil zu mir zurückkehren."

Ächzend erhob sich der alte Vogt von den Knien, entbot der Marmorstatue den der Göttin geweihten Gruß und griff nach seinem Gehstock. Langsam schritt er die Stiege zur Wehrplattform hinauf. Es war ein windiger Tag, kühl und wolkenverhangen, obwohl der Morgen mit vielversprechendem Sonnenschein begonnen hatte. Der Wind zauste im weißen Haar des Vogtes und zerrte an seinen Kleidern.

Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein ließ seinen Blick über die Kornhammer-Senke gleiten. Rauch stieg auf aus den Häusern des Ortes, aber es waren nicht die Kaminfeuer, die brannten, es waren die Dächer. Überall im Dorf hatten die Ferkinas Zelte errichtet oder ihre Lager unter freiem Himmel aufgeschlagen, blieben aber stets außerhalb der Reichweite der Bogenschützen auf den Zinnen der Burg. Was wollten die hier? Sie hatten schon alle Ortschaften und viele der verstreuten Höfe der Vogtei geplündert. Warum verschwanden sie nicht zurück in die Berge, wie sie es sonst taten?

Zehn Tage war es her, seit Dom Danilo Caerdonnati von Cres und die anderen Magnaten, die ihn nach Fer Henna begleitet hatten, zurückgekehrt waren mit der frohen Kunde, Fer Henna sei wieder besetzt und die Ferkinas aus dem Norden Königlich Kornhammers vertrieben. Sie hatten einen gefangenen Ferkina-Häuptling mitgeführt und Hesindian übergeben. Nun baumelte der Leichnam des Wilden auf dem verwaisten Galgenhügel am Fuße der Burg. Sein Tod war eine Machtdemonstration wider die Barbaren und hob die Moral der Dörfler. Sein Leben zu schonen, wäre ohnedies sinnlos gewesen: Als Gefangener hatte er keinen Wert, da in den Augen der Ferkinas ein Krieger, der sich gefangen nehmen ließ, ein Schwächling und damit des Todes war. Und hätte Hesindian ihn laufen lassen, hätte der Ferkina es ihm kaum gedankt. Lieber starben die Barbaren einen schmerzhaften Tod, als sich der Gnade ihrer Feinde auszuliefern.

Was aber wollten die Wilden diesmal? Sie glaubten doch nicht ernsthaft, die Burg belagern zu können, ohne schweres Gerät? Nur zwei Tage, nachdem die Magnaten die Vogtei verlassen hatten, waren erneut Ferkinas in Kornhammer eingefallen, hatten das Dorf verwüstet – und waren geblieben.

Immerhin hatte Hesindian die Voraussicht gehabt, die Menschen rechtzeitig auf Scheffelstein in Sicherheit zu bringen. Die Unterburg war voll mit Menschen, die sich dicht an dicht drängten. Es gab nicht genug Decken, geschweige denn Zeltplanen für alle. Ein Glück war es ihnen zumindest gelungen, einen Großteil der Vorräte aus dem Dorf zu retten. Aber tausend Leute zu versorgen, war eine Herausforderung!

Der Blick des Vogtes fiel auf eine südländisch anmutende Frau, die vor der Schmiede an der Außenmauer mit einigen Flüchtlingen sprach. Domna Sveva ai-Gurth von Borian y Derp, die Gemahlin des in Almada verrufenen Junkers zur Hornenfurt. Die Frau war ein Segen! Sie kümmerte sich um die Flüchtlinge, organisierte die Zuteilung der Lagerplätze und die Verteilung des Essens. Hesindian hatte die Nahrung vorsichtshalber schon jetzt rationieren lassen. Wer wusste, wie lange sie hier ausharren mussten, bis Entsatz kam? Laut Dom Danilo war mit dem Heer des Kaisers kaum vor dessen Hochzeit zu rechnen.

Hesindian seufzte. Vor einigen Tagen hatte er den Junker von Kleinblitzackern, Yantur von Pildek, und dessen Freund, Hagen von Mawet, zurück nach Punin geschickt, um noch einmal auf die Dringlichkeit militärischer Unterstützung hinzuweisen. Doch er gab sich keinen Illusionen hin: Wenn der Kaiser sich in den Kopf gesetzt hatte, das Heer erst nach seiner Hochzeit zu entsenden – die sicher von gewisser außenpolitischer Relevanz war – so würde er die unbedeutenden Lehen am Rande des Raschtulswalls solange bluten lassen und die Verluste verschmerzen. Allein Selaque durfte aufgrund des Marmorvorkommens hoffen, bald nach der Hochzeit Verstärkung zu erfahren.

Doch auch aus Selaque kam keine Nachricht. Domna Praiosmin hatte bislang nicht auf die Brieftaube geantwortet, die er vor einigen Tagen geschickt hatte, um ihr von den Erfolgen der Magnaten und den Entschlüssen des Kaisers zu berichten und ihr Mut zuzusprechen. Ob die Ferkinas die Botschaft abgefangen hatten? Oder ihre Antwort? Oder lag die alte Reichsvogtin bereits erschlagen in ihrem Blute, geschändet von Barbaren?

Hesindian wandte den Blick nach Süden, Selaque zu und dem Raschtulswall. Irgendwo dort war auch Richeza – wenn sie noch lebte. Er verfluchte den Tag, da Fenia von Culming mit ihrem Sohn auf der Burg erschienen war und ihn gebeten hatte, sie auszurüsten für ihre Suche nach einem Heilkundigen in der Nachbarbaronie. Und er haderte mit sich, seiner Enkelin von Domna Fenias Vorhaben erzählt zu haben, obwohl er gewusst hatte, dass sie sich seinem Wunsch, ja: ausdrücklichem Befehl, widersetzen würde, in Kornhammer zu bleiben und nicht der Witwe seines Neffen und ihrem Vetter zu folgen. Wie aber hätte er ihr verschweigen können, was ihr so viel Kummer bereitete? Insgeheim hatte er gehofft, sie sei erwachsener geworden, pflichtbewusster. Aber so sehr es ihn auch grämte, dass sie ihm nicht gehorchte und sich in Gefahr brachte, musste er sich doch eingestehen, dass ihre Loyalität ihrer Familie gegenüber und ihr Mut ihn auch mit Stolz erfüllten.

"Richeza", seufzte er abermals und schüttelte das Haupt. Das Einzige, das ihn beruhigte, war, dass ihre Tante sich erboten hatte, sie zu begleiten. Die Schwester seiner verstorbenen Schwiegertochter würde schon auf sie Acht geben. Man mochte von Domna Rifada da Vanya denken, was man wollte: So rau und unbequem sie sein mochte, so starrsinnig und undiplomatisch, ihre Worte zuweilen so verletzend wie ihr Morgenstern – sie war eine Löwin, wenn es darum ging, ihre Familie zu verteidigen: furchtlos und standhaft wie die göttliche Leuin selbst. Hesindian war sich sicher, dass sie für die Tochter ihrer geliebten Schwester ebenso einstehen würde wie für ihr eigenes Fleisch und Blut. Mochte Rondra geben, dass den Frauen und dem sie begleitenden Baron von Dubios nur siegreiche Kämpfe bevorstanden. Und mochte der Listenreiche fügen, dass sie den meisten Kämpfen aus dem Weg gehen konnten.

"Hier seid Ihr, Herr!"

Hesindian drehte sich um. Zalamea Mansarez, die neue Hauptfrau seiner Leibgarde, hatte die Wehrplattform betreten, die Tochter seines alten Freundes Abelardo, der ihm bislang so treu als Hauptmann gedient hatte. Es war ihm schwer gefallen, sein Amt niederzulegen, aber er war selbst über sechzig, und die Bedrohung durch die Ferkinas hatte es notwendig gemacht, die Wache neu zu strukturieren. "Herr, es sind Ferkinas am Tor, die wünschen, Euch zu sprechen."

Der alte Vogt hob die Augenbrauen. "So?", fragte er. "Nun, dann führe sie herauf, ich bin gespannt, was sie zu sagen haben."

"Jawohl, Herr." Zalamea zögerte. "Herr, sollen wir sie durch die ganze Burg führen, vorbei an all den Menschen? Was, wenn es eine Falle ist?"

"Wie viele sind es?"

"Fünf Herr, ihr Anführer und vier weitere."

"Was wollen fünf Männer gegen eintausend Menschen ausrichten? Führe sie in den Palacio. Haben wir einen Übersetzer?"

"Es sind einige der Arbeiter aus Raschtulsrück geflohen, die meisten sprechen das Ferkinische, einige wohl recht gut."

Hesindian nickte. "Suche einen, der sich auszudrücken weiß."

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Einen Wasserlauf später führten die Burgwachen die fünf Ferkinas in den Rittersaal des Palacios, in dem der alte Vogt auf dem so selten genutzten Holzthron unter dem Porträt seiner verstorbenen Gemahlin saß, um sie zu empfangen. Die Ferkinas waren jung, keiner über dreißig, aber sie gaben sich so stolz und unerschrocken wie Männer, die nichts zu fürchten und nichts zu verlieren hatten. Selbstbewusst traten sie vor das Steinpodest, auf dem Hesindians Thron stand, unbeirrt der zehn schwer bewaffneten Gardisten im Raum, die sorgfältig darauf achteten, dass sie dem alten Vogt nicht zu nahe kamen. Die Waffen hatte man den Wilden abgenommen, aber ihre nur von Fellen behangenen, bloßen Oberkörper ließen vermuten, dass mancher von ihnen allein Kraft seiner Hände einen Berglöwen niederringen oder einen Menschen töten konnte.

Dom Hesindian ließ die Männer durch seinen Übersetzer willkommen heißen, den Vorarbeiter des Raschtulsrücker Steinbruchs, einen grobschlächtigen Hünen mit narbenversehrtem Gesicht, aber einer für einen Mann zu hohen, dabei jedoch erstaunlich wohlklingenden Stimme. Der Raschtulsrücker stellte den Anführer der Ferkinas als Feridun iban Kasz vor, den Häuptling irgendeiner kleineren Sippe und Anführer der in Kornhammer eingefallenen Horde. Wie erwartet, hielt der Ferkina sich nicht lange mit unnützer Rede auf, sondern kam gleich zur Sache.

Er wolle den Mondkrieger sprechen, erklärte der Übersetzer.

Hesindian versuchte, sich sein Erstaunen nicht anmerken zu lassen. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, von wem der Wilde sprach. Feriduns dunkle Augen starrten ihn herausfordernd an, die übrigen Ferkina-Krieger sahen sich neugierig oder abschätzig im Rittersaal um, einer betastete die Gestechrüstungen, die in Nischen an der Wand aufgestellt waren.

Hesindian beschloss, das Spiel mitzuspielen, um mehr zu erfahren.

"Frag ihn, was sie vom Mondkrieger wollen", befahl er dem Raschtulsrücker. Der Übersetzer tauschte einige Sätze mit den Barbaren aus, von denen der Vogt nur einzelne Wortfetzen verstand.

"Er sagt, sein Nuranshâr hat von einem Führer aus den Ebenen geträumt. Der soll vom Blutgeist des Sonnenstiers besessen sein", sagte der Raschtulsrücker. "Er sagt, der Mond würde für Euch kämpfen, Herr. Er will mit dem Führer sprechen oder mit dem Mond."

Hesindian war ratlos. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, wen der junge Wilde meinte. Wer sollte dieser besessene Führer sein? Was war ein Sonnenstier? So wenig er sich mit dem Glauben der Ferkinas auskannte, meinte er sich doch zu erinnern, dass diese einen Stier anbeteten, den sie Ras'Ragh nannten, einen Sohn Raschtulas. War das der Sonnenstier? Aber von was für einem Blutgeist war der unbekannte Krieger besessen? Und was sollte das mit dem Mond? Er hatte noch nie davon gehört, dass Mada kämpfte, noch weniger, dass irgendwer, der bei Sinnen war, mit dem Mond sprechen wollte.

"Was haben sie dem Mond zu sagen?", fragte er.

Wieder erklang die tönende Stimme des Vorarbeiters und das raue Bellen des Ferkina.

"Sie bringen dem Mond ihre ... wie sagt man? Ehre entgegen."

"Ehrerbietung," sagte Hesindian.

"Sie sagen, wenn der Mond auf der Seite des ... also ... besessenen Führers kämpft, muss der ein mächtiger Mann sein. Sie sagen, dass ihr Haran den Führer herausfordert. Er soll sich dem Kampf stellen: Wer den Kampf gewinnt, soll den vereinten Stamm anführen. Der Verlierer muss seine Frauen mit dem Sieger teilen und sein Vieh an den Sieger abtreten."

Hesindian fuhr sich durch den Rohalsbart und musterte die jungen Männer. Wer war der Führer, von dem die Wilden sprachen? Ihn selbst konnten sie kaum meinen, er war alt und lange kein Kämpfer mehr. Es musste ein Krieger sein, der sich durch militärische Erfolge hervorgetan hatte, vorzüglich wider die Wilden, wie sonst hätten sie von ihm erfahren sollen? Ob sie ... Dom Boraccio meinten? Warum aber, bei Alveran!, glaubten sie, Mada fechte aufseiten des Araceners? Auf jeden Fall musste er die Wilden hinhalten, bis er sich mit den Magnaten beraten und dem Kaiser Meldung gemacht hatte. Vielleicht konnte er weiteren Schaden von Kornhammer abwenden, wenn er auf das Spiel der Wilden einging.

Der Vogt erhob sich und stellte sich aufrecht vor seinen Thron. "Übersetzte", hieß er den Raschtulsrücker. Er blickte auf die Ferkinas hinab und schlug sich mit der Faust gegen die hagere Brust.

"Ich, Hesindian, Herrscher über das Land am Raschtulswall", sprach er mit fester Stimme und ließ dem Vorarbeiter Zeit, seine Worte zu übersetzen, "hoher Krieger des Sonnenstier-Blutgeistes, Freund des Mondes, spreche zu euch im Namen des Führers der Führer, von dem euer Nuranshâr träumte. Ich werde dem Führer eure Herausforderung überbringen. Der Führer fürchtet eure Krieger nicht, er wird gegen euch kämpfen, denn der Mond ist auf seiner Seite. Ich befehle euch, mein Dorf zu verlassen und die Frauen und Kinder zu schonen. Sollte unser Führer den Kampf gegen euren Häuptling verlieren, würde euer Häuptling euch zürnen, wenn ihr ihm seine Beute wegnähmet. Doch unser Führer wird siegen! Und sein Zorn wird euch hinwegfegen, und der Mond wird euch verfluchen, wenn ihr unsere Frauen und Kinder anfasst und unsere Häuser in Flammen setzt", donnerte er.

Der Raschtulsrücker mühte sich, die Worte des Vogtes zu übersetzen. Die Ferkinas zeigten sich unbeeindruckt. Allein, als der Vorarbeiter den Zorn des Mondes erwähnte, warfen die Wilden sich unschlüssige Blicke zu. Hesindian rätselte, wie er Madas vermeintliche Gunst für sich nutzen konnte.

"Herr", sagte der Übersetzer, "sie sagen, sie werden nicht gehen. Sie werden auf die Antwort des besessenen Führers warten. Hier. Der Führer soll hierher kommen, dann werden sie ihn in die Berge bringen zu ihrem Nuranshâr."

Hesindian fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, die noch in seinem Kiefer saßen. Es schmeckte ihm nicht, dass die Ferkinas die Belagerung nicht aufgeben wollten. Aber welche Wahl hatte er? Er hatte keine Soldaten, um sich zum Kampf zu stellen.

"So sei es", erklärte er daher entschlossen. "Sie sollen hier warten. Doch wenn das Blut nur eines einzigen meiner Männer, meiner Frauen oder Kinder vergossen wird, so rufe ich den Zorn des Mondes auf sie herab, und das Licht des Mondes wird sie für immer verlassen." Beschwörend hob der alte Vogt beide Arme.

Die Wilden schienen ihm das Schauspiel abzunehmen, und er entließ sie, im Stillen hoffend, dass seine Worte genug Macht besaßen, um sie von Bluttaten abzuhalten, bis Verstärkung kam.

Nachdem die Ferkinas die Burg verlassen hatte, ließ der Vogt sich Tinte, Feder und Papier bringen und setzte ein Schreiben an seinen Nachbarn auf, den Aracener Junker und kommissarischen Vogt von Königlich Khahirios. Er berichtete ihm von der Lage in Königlich Kornhammer und den Forderungen der Ferkinas. Er fragte auch, ob Dom Boraccio sich gegenüber den Wilden als Stammesführer ausgegeben habe und deren Herausforderung nun ihm gelte. Und ob er Aracener wisse, was es mit dem Mond auf sich habe, den die Ferkinas aufseiten des unbekannten Führers wähnten.

Nachdem der Vogt eine Brieftaube nach Aracena geschickt hatte, verfasste er ein zweites Schreiben an den Kaiser. Wieder berichtete er von den Wünschen der Wilden, dem Traum von deren Schamanen und der Herausforderung an den unbekannten Krieger, auf dessen Seite der Mond kämpfe. Abermals betonte er die Dringlichkeit des Entsatzes für die belagerten Lehen und bat um eilige Antwort auf sein Schreiben.

Von der Burgmauer aus beobachtete er, wie sein schnellster Bote sich auf den Weg nach Punin machte. Unbehelligt von den Wilden passierte er das Dorf.

'Rondra', dachte er, 'lass nicht nur Mada auf unserer Seite sein! Steh du uns bei, Herrin, lass unser Volk nicht bluten!'






Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 01