Chronik.Ereignis1032 Hungrige Mäuler 04

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Castillo Khahirios, Königlich Khahirios, Ende Boron 1032 BF[Quelltext bearbeiten]

Autor: Boraccio D'Altea

Das Pochen in ihrem Kopf steigerte sich zu einem Hämmern, das bald ihren Schädel zum Zerbersten bringen wollte. Nur langsam nahm Olenga von Khahirios etwas von ihrer Umgebung wahr. Ein erste Bestandsaufnahme ergab, dass das Hämmern gar nicht in ihrem Kopf war sondern von der Tür in ihrem Schlafgemach kam. Unbeholfen tastete sie um sich, bis sie etwas zu fassen bekam – einen leeren Weinkrug. Mit einem Knurren schleuderte sie ihn in Richtung der Lärmquelle. Der Krug zerschellte an der Tür, Splitter und Reste des Weines verteilten sich an Wand, Fußboden und Decke. „Ruhe, verdammt noch mal!“ krächzte die Cron-Vogtin mit belegter Stimme.

„Verzeiht, Euer Hochgeboren. Die Kundschafter sind zurück gekommen und bringen schlechte Nachrichten.“

„Ja ja, schon gut!“ brummte sie. „Ich komme in ... ich komme wenn ich fertig bin.“

„Wie Euer Hochgeboren wünschen.“

Olenga konnte hören, wie sich die Schritte von ihrem Secretario Eslamo wieder von der Tür entfernten. Mühsam richtete sie in ihrem Bett auf und versuchte aufzustehen. Der ganze Raum begann um sie herum zu schwanken und sie fiel wieder zurück auf ihr Bett. Das Pochen in ihrem Kopf wurde wieder stärker. Olenga sah an sich herab. Sie trug noch Hemd und Hose, verziert mit roten Weinflecken. Wie Nebelfetzen kamen die Erinnerungen an den vorherigen Abend. Sie hatte Wein getrunken, zu viel Wein – wieder einmal. Wann oder wie sie in ihr Bett gekommen war konnte sie nicht sagen.

Düster starrte die Vogtin vor sich hin. Seit Monaten ... nein, seit Jahren schon verbrachte sie ihre Abende so. Seit sie damals vor vielen Jahren dem Rabenkaiser gefolgt war ging ihr Leben nur noch bergab. Zwar war es ihr gelungen ihre Position als Vogtin der Krone zu behalten, in dem sie sich reumütig gegenüber Reichsbehüter Brin gezeigt hatte und man außerdem einige pikante Details von einem Besuch Kaiser Hals auf dem Castello Khahirios lieber nicht in einem öffentlichen Gerichtsverfahren hatte hören wollen. Aber seit dem zeigte man ihr deutlich, dass sie nicht mehr wirklich erwünscht war. Einladungen blieben aus, Entscheidungen wurden über ihren Kopf hinweg getroffen, ihre Gesuche blieben unbeantwortet. Ihren Versuchen eine standesgemäße Heirat zu arrangieren wusste man elegant auszuweichen. Die Junker und Edlen in der Baronie begannen sich über sie hinweg zu setzen und sie zu übergehen, in dem sie sich direkt an die Krone wandten. Besonders der neue Junker von Aracena neigte zu eigenmächtigem Handeln und ignorierte sie mehr oder weniger offen. Aus Punin war in dieser Hinsicht vom neuen König keinerlei Unterstützung mehr zu erwarten – Selindian Hal hatte sehr deutlich gemacht, was er von der ehemaligen Answinistin hielt. So suchte sie ihren Trost nun im Weinglas. Aber aus dem Glas am Abend war bald ein Krug geworden, aus dem einem Krug zwei und nun wachte sie beinahe jeden Morgen so auf.

Ihre Hand glitt über den Bauch, der über die Jahre deutlich an Umfang zugenommen hatte. Früher hatte man sie ehrfurchtsvoll „Die Klinge“ genannt – mittlerweile es war Monate her, seit sie das letzte Mal den Fechtboden betreten hatte.

Erneut versucht Olenga aufzustehen, diesmal mit Erfolg. Es kostete sie einige Anstrengung auf den Beinen zu bleiben. Unter Stöhnen angelte sie sich eine Jacke, die achtlos auf den Boden geworfen worden war, und streifte sie sich über. Das gute Stück hatte schon bessere Tage gesehen, aber es würde die Weinflecken verdecken.

Mit unsicheren Schritten wankte sie in ihr Arbeitszimmer, wo Eslamo bereits mit einigen Mercenarios wartete. Sie registrierte, dass der Secretario die größte Unordnung bereits beseitigt hatte. Olenga lies sich in ihren Sessel fallen und ignorierte die Blicke der Anwesenden. Eslamo räusperte sich und nach ihrem unwirschen Nicken begann er.

„Die Patrouille ist zurück aus Dunkelbach, man hat dort tatsächlich alles so angetroffen, wie der Krämer berichtet hat. Das Dorf existiert praktisch nicht mehr. Die Bewohner wurden regelrecht aufgefressen. Mittlerweile haben wir auch aus anderen Orten Botschaft erhalten. Dort konnten die Leute fliehen – jedenfalls die meisten. Es besteht kein Zweifel mehr: Einige Menschfresser ziehen in den Hügeln umher und überfallen die Dörfer. Und die Rotpelze sind im Bunde mit ihnen!“

„Wissen wir wie viele Oger es sind?“ krächzte die Vogtin. Ihre Stimme war wie ein Reibeisen.

„Die Bauern zittern vor Angst und sehen schnell hinter jedem Feldbrocken ein Ungeheuer, auf ihre Worte kann man nicht allzu viel geben. Die Rede ist von einem bis zu einem guten Dutzend Menschenfresser. Aber alle scheinen sich einig zu sein, dass es einen besonders großen und hässlichen Oger gibt, der sie anführt.“

Olenga massierte sich gequält die Schläfen. Die Gedanken schlichen nur durch ihren Kopf und wollten keine rechte Form annehmen. „Ja also gut .. beruft den Heerbann ein. Alle Junker und Caballeros sollen sich hier einfinden. Wir werden diese Brut ausräuchern.“ Ihre Worte kamen schwach und ohne Kraft.

Eslamo räusperte sich. „Verzeiht, Euer Hochgeboren, aber der Winter steht vor der Tür. Die ersten Schneeflocken bedecken bereits die Kuppen der höchsten Hügel. Die Edlen werden nicht sonderlich begeistert sein ausgerechnet jetzt zum Heerbann einberufen zu werden.“

„Verflucht noch eins, diese Raubritter sind nie begeistert, sobald sie etwas tun sollen!“ polterte die Vogtin. „Die sollen ihren Hintern hier her bewegen! Und schickt zur Sicherheit einen Boten nach Ragath, die Schlachtreiter könnten sich auch mal wieder hierher bequemen!“

Sie hatte sich in Rage geredet und verspürte nun wieder einen Funken vom alten Feuer in sich glühen. Mit Schwung stand sie wieder auf und schaffte es sich einigermaßen gerade zu halten. „Also los, worauf wartet Ihr noch? Wir haben eine Campanya vorzubereiten!“


Chronik:1032
Hungrige Mäuler
Teil 04 - Morgen-Grauen