Chronik.Ereignis1032 Der Zenit des Mondes 01

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Baronie Artésa, Rahja 1032 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf Castillo Fels[Quelltext bearbeiten]

Autor: Lindholz

"Euer Hochgeboren, Escalio, Grüße und die besten Wünsche sende ich, Euer ergebener Diener, Euch.

Zu lange schon haben mich Unpässlichkeiten davon abgehalten, Euch in mein bescheidenes Haus einzuladen und Euch aufs Valpotöseste zu bewirten, wie es Euch nach gutem Brauch zusteht. Es wäre mir eine mit größten Freuden auferlegte Pflicht und eine besondere Gnade, Euch auf Burg Fels begrüßen zu dürfen. Ich erinnere mich noch gut, wie sehr Euch das Wild des Lindenholzer Waldes zugesagt hat und ich versichere Euch, dass ihm noch immer der gleiche einzigartige Geschmack zu Eigen ist, den wir beide so schätzen. Zudem hoffe ich, dass einige edle Tropfen aus Brig-Lo und Khabosa, die ich zur Vervollständigung meines Weinkellers herbestellt habe, bis zu Eurem Eintreffen ihr Ziel erreicht haben und wir zu einer noch breiteren Vielfalt an Eindrücken disputierlich wie amüsant plaudern können.

Seid zudem versichert, dass für Euch und jegliche Begleitung ausreichende und angemessene Möglichkeiten zur Übernachtung bereit stehen, sodass uns nichts davon abbringen soll auch dann noch nach Herzenslaune alten Erinnerungen nachzuhängen und unsere Verbundenheit zu feiern, auch wenn das Madamal schon seinen Zenit längst überschritten hat.

Ich verbleibe in Erwartung Eurer Antwort

Euer Hochgeboren demütiger Diener und in Treue verbundener Freund

Sarebun von Lindholz"

Dom Sarebun lehnte sich erschöpft zurück. Goldenes Sonnenlicht fiel in das mit rötlichem Holz vertäfelte Arbeitszimmer und ließ die dunkle Tinte der mit zittriger Hand geführten Unterschrift langsam trocknen.

Sein Sohn Nicetos nahm das Schreiben von der im Scheine Praios' fast kupferfarben schimmernden Holzfläche des Schreibtisches vorsichtig auf und entfernte die letzten Spuren von Feuchtigkeit mit dem als Löschsand bereit stehendem pulverisierten blauen Glas. Danach verschloss er das Schreiben sorgsam und reichte seinem Vater Brief und das bereits erhitzte rote Wachs an. Hierbei versuchte er den alten Sarebun nicht zu offen anzustarren. Auch wenn Nicetos von Lindholz über zwanzig Jahre außer Landes gewesen war, hatte es ihn doch überrascht, wie sehr Satinav seinen Vater gezeichnet hatte: Die einst kräftigen schwarzen Haare waren dünn und fahl wie Asche geworden, das stolzen Gesichtszüge eingefallen zu einer müden Erinnerung ihrer selbst. Der Familia Lindholz wurde innerhalb Almadas gerne nachgesagt, dass sie zu bleicher Haut neigten. Die nicht gar zu seltenen Eheschließungen mit Adligen aus anderen Teilen des Kaiserreiches hatten dazu geführt. Doch die Haut des Familienoberhauptes wies eine Blässe auf, die weit darüber hinaus ging und ihn für einige Augenblicke so erscheinen ließ als sei er den Hallen Borons näher als den Gefilden dieser Welt.

Eigentlich sollte es ihn mit Genugtuung erfüllen, dass der Mann, der ihn gezwungen hatte, seine Heimat und seinen Besitz zu verlassen, nun zusammengesunken auf einem gepolsterten Lehnstuhl saß. Dort im Halbdunkel, wo die Sonne nur noch seine rechte Hand leicht berührte, wie zum Abschied streifte, während er selbst mit dem Schreiben im strahlenden Praioslicht stand. Doch stattdessen schlich sich ein seltsames Bedauern in sein Herz und auch die furchtsam gestellte Frage, wie viele Jahre ihn wohl noch von einem ähnlichen Schicksal trennten und ob es ihm wenigstens vergönnt sein sollte, mit mehr Zufriedenheit auf die Jahre zurück zu blicken, die dann hinter ihm lagen.

Doch noch hatte Dom Sarebun, Junker zu Lindholz, nicht aufgegeben. Die Hoffnung auf eine segensreiche Zukunft für seine Familia hielt ihn am Leben und dies war vielleicht der einzige Wunsch, den die beiden wahrlich miteinander teilten.

"Das hast Du gut formuliert, Nicetos. Ich denke, wir sind deutlich genug geworden, ohne etwas auszusprechen, was man uns vorhalten könnte." Die Stimme des Soberans war noch immer kraftvoll und ohne Anzeichen von der Schwäche, die seine Glieder schon so fest im Griff zu haben schien.

Dom Nicetos deutete eine leichte Verbeugung an und strich sich dann eine lockige Strähne aus dem Gesicht, in die sich auch schon erstes Silber gestohlen hatte. Wenn auch kein Jüngling mehr, war er noch eine durchaus gutaussehnde Erscheinung in dem dunklen Wams mit der durch Stickereikunst verzierten goldenen Borte und dem mit einer Feder versehenem Barett. Die häufigen Ausritte glichen die manchmal zu üppig ausfallende Küche aus, die er zu sich zu nehmen pflegte und so schob sich noch kein Bauch durch die dünne mit Pelz verbrämte Überjacke hervor, die an den bauschigen Oberärmeln geschlitzt war. "Nichts, was Jacopo nicht auch gekonnt hätte."

Ein abschätziger Blick aus graublauen Augen und ein amüsiertes Schnauben waren die erste Antwort, die den inzwischen neununddreißig Götterläufe zählenden Edlen erwartete. "Nein, Jacopo könnte so etwas nicht schreiben, auch wenn er wohl nicht an den Formulierungen gescheitert wäre, sondern eher an dem, was dahinter steht. Außerdem will ich meinen Jüngsten nicht damit belasten."

"Wie gut es das Schicksal doch mit dir meinte, dass es dir noch mich geschenkt hat", antwortete Dom Nicetos in zynischem Ton.

"Du solltest das als Kompliment sehen." Der alte Mann hatte sich vorgelehnt und das Licht, das nun wieder auf ihn fiel, ließ die Linien, die die Zeit in sein Gesicht gemeißelt hatte, noch stärker hervortreten. "Glaube nicht, dass ich deine Talente nicht zu schätzen wüsste, mein Sohn. Es ist nur so, dass es mir schwer fällt, sie in meiner Nähe zu dulden. Allein, mir bleibt keine andere Wahl." Der Tod von Daroca, der geliebten Tochter seiner geliebten Tochter, hatte sie alle verändert, musste sich der Soberan eingestehen. Jacopo war zu weich und Ahumeda zu sehr in Rachegelüsten und Trauer gefangen, um seine Familie mit ihm durch diese Zeiten zu führen. Nicetos konnte der fehlende Funke sein, der ihre Talente in die richtigen Bahnen lenkte, wenn er denn wollte.

Dom Sarebuns Blick wanderte durch das Zimmer, in dem er sich in all den Jahren den Kopf über die Zukunft seiner Familia zerbrochen und stets versucht hatte, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das Arbeitszimmer war zurückhaltend aber durchaus edel eingerichtet. Hochwertige Schnitzereien zierten das Holz an den Wänden, die Stühle für die Besucher wie für ihn und die Regale, die dicht an dicht mit Büchern bestanden waren.

Einziger wirklicher Schmuck war ein Porträt des berühmtesten seiner Vorfahren, Amaros von Lindholz. Jenem Mann, dem es gelungen war, die Herrschaft über Almada in der Hand zu halten. Solche Ziele lagen freilich außerhalb ihrer Reichweite, doch die Zeit hatte das Potential für Veränderungen. Und er gedachte zu jenen zu gehören, die davon profitierten. Er blickte zu seinem Zweitgeborenen, der ihn schon eine Weile beobachtete. "Machen wir weiter. Die Briefe an Ihre Hochgeboren Gerone vom Berg und Ihre Wohlgeboren von Rebenthal wollen ebenfalls verfasst werden... wie war überhaupt deine Anreise? Ich kam noch gar nicht dazu, mich danach zu erkundigen?"

Kurz dachte Dom Nicetos an Sherbeth und lächelte. "Angenehm, Vater, sehr angenehm."



Chronik:1032
Der Zenit des Mondes
Teil 01