Chronik.Ereignis1032 Alte Freunde, alte Feinde 10

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Capitale Punin, 29. Travia 1032 BF (Gilbornstag)[Quelltext bearbeiten]

Auf dem Theaterplatz (zur Praiosstunde)[Quelltext bearbeiten]

Autorin: Von Scheffelstein

Dom Vesijo und seine Gefolgsleute waren am Rand des Theaterplatzes stehen geblieben. Der Südalmadaner war nicht zu übersehen. Richeza von Scheffelstein ließ ihren Blick über die versammelten Puniner schweifen. Hier und da konnte sie einige der abgerissenen Gestalten ausmachen, die der Amhallasside bewaffnet hatte. Die Zeit drängte, aber was sollte sie tun? Allein konnte sie die Verschwörer nicht aufhalten. Ob sie ins Rathaus laufen und die Patrizier warnen sollte? Vielleicht würde das Einzelnen das Leben retten, aber das Blutbad würde es nicht verhindern. Zudem würde sie so eine direkte Konfrontation mit de Fuente unmöglich umgehen können. Einer Auseinandersetzung, bei der sie ihr Leben aufs Spiel setzte. Ihr Blick fiel auf einen alten Stadtschreiber, der am Rand der Rathaustreppe sein Schreibpult errichtet hatte und offensichtlich einen Bericht über diesen denkwürdigen Festtag verfasste.

Nein, viel besser!

Eilig bahnte sich die Domna einen Weg durch die Menge, immer darauf bedacht, ihr Gesicht unter der Kapuze des Mantels verborgen zu halten. Auf der Stufe neben dem Schreiber blieb sie stehen.

"Ihr erlaubt, guter Mann?"

Überrascht sah der Alte auf, noch erstaunter schaute er auf das Silberstück, dass die verhüllte Gestalt ihm auf den Tisch legte. Dann aber verwandelte sich sein Erstaunen in Unwillen und zunehmenden Ärger, als Domna Richeza eine der Wachstafeln nahm, die er für seine Notizen benutzte, und mit ihr die Stufen hinabeilte.

"Halt!", rief er und versuchte vergeblich, Domna Richezas Mantel zu fassen zu kriegen. "Heda! Was soll das? In Praios Namen! Haltet den Dieb!", rief er, und ein paar Menschen drehten sich nach ihm um, doch bald schon war die Edle in der Masse der feierlustigen verschwunden, und die Puniner schenkten dem schimpfenden Schreiber keine Beachtung mehr.

In der Straße, die zum Platz des Schweigens führte, wurde es ein wenig leerer. Richeza lehnte sich in einer Hofeinfahrt an eine Hauswand und schrieb eilig mit einem Stöckchen in das Wachs:

Wenn Ihr ein Blutbad verhindern wollt, sichert das Rathaus mit allen euren Leuten! Jetzt!

Ein Freund

Richeza unterstrich die Wörter "allen" und "jetzt", dann verbarg sie die Tafel unter ihrem Mantel und suchte mit den Augen die Straße ab. Ein paar Kinder kamen die Straße herunter gelaufen, jedes in wildem Galopp auf einem mit Bändern behangenen Steckenpferd. Ein Junge stolperte ganz in der Nähe über den Stecken des Spielzeugs und fiel der Länge nach auf das Pflaster. Als er sich wieder aufgerappelt hatte und weiterlaufen wollte, schnellte die Edle vor und zerrte ihn in den Hofeingang. Der Junge schrie auf.

"Scht!" Domna Richeza hielt ihm den Mund zu und drückte ihn gegen die Hauswand. "Ganz ruhig!", sagte sie. "Ich tu' dir nichts." Der Bursche sah sie verängstigt an. Er war vielleicht acht oder neun Jahre alt. Die Edle seufzte und ließ sich in die Hocke herab, bis sie auf Augenhöhe mit dem Knaben war. Ihr war bewusst, dass sie mit dem Tuch vor dem Gesicht sicher keinen vertrauenerweckenden Eindruck machte.

"Willst du mir einen Gefallen tun?"

Der Junge sah sie nur mit leicht gerunzelter Stirn an, unsicher, was mit ihm geschah.

Domna Richeza zog ein Silberstück unter ihrem Umhang hervor und hielt es dem Jungen hin. "Weißt du, wo die Commandantur der Stadtwache ist?"

Der Bursche nickte und schaute von ihr zu dem Silberstück und wieder zurück. Er sah nicht aus wie ein Bettelknabe, aber der Kleidung nach auch nicht wie ein verwöhntes Patrizierkind. Richeza zerrte nun die Wachstafel hervor und drückte sie dem Jungen gegen die Brust. "Bring dies zur Stadtwache. Die ist hinter dem Tsatempel, ja? Du weißt, wo?"

Wieder nickte der Knabe und hielt nun zögernd die Tafel fest, als sie sie losließ.

"Es ist wichtig, dass du dich beeilst", sagte Richeza. "Sehr wichtig!"

Er schaute von der Tafel auf das Geld und dann auf sein Steckenpferd in der anderen Hand.

Domna Richeza zog dem überraschten Jungen das Spielzeug weg. "Es ist wichtig, verdammt noch mal!", sagte sie, "Verstehst du das nicht?" Dann griff sie erneut unter ihren Mantel und drückte dem Burschen ein blinkendes Goldstück mit dem Antlitz des Kaisers in die Hand. Jetzt machte er doch große Augen.

"Lauf!", sagte Domna Richeza. "Du wirst dein Spielzeug hier wiederfinden, da hinten neben dem Misthaufen werde ich es verstecken. Aber beeile dich, ja? Los!"

Der Junge starrte auf das Geldstück in seiner Hand und schloss rasch die Finger um die Münze. Zögernd trat er auf die Straße hinaus, sah zu Richeza zurück.

"Bitte beeile dich! Bitte!", versuchte die Edle es jetzt freundlicher. Der Junge ging schnell davon. Noch zweimal blickte er zurück, begann schließlich zu laufen. Domna Richeza schaute ihm nach, bis er auf den Platz des Schweigens einbog. Wer wusste, ob er sich nicht einfach mit dem Geld davonmachte. Oder ob er lesen konnte und die Tafel nun bei seinen Freunden herumzeigte. Aber vielleicht tat er ja, was sie gesagt hatte.

"Du bist verrückt!", murmelte Domna Richeza zu sich selbst. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn sie selbst zur Stadtwache gelaufen wäre. Aber dann hätte sie sich endlose Fragen anhören müssen. Vielleicht war diese Warnung effektiver, wenn sie denn ankam. Vielleicht auch nicht. Immerhin würde man die Sache so nicht mit ihr in Verbindung bringen. Fuente wäre kein angenehmer Feind, und sie hatte den Eindruck, dass er es übel nehmen würde, wenn man ihm seinen Streich verdarb. Die Edle zuckte die Schultern. Sie hatte getan, was sie konnte.

Zeit, aus der Stadt zu kommen, solange das noch ging!

Domna Richeza warf das Steckenpferd auf den Misthaufen und machte sich auf zum Stadtpalast ihres verstorbenen Onkels, in dem sie ihr Pferd untergestellt hatte. Sie hatte schon zu viel Zeit verloren! Jetzt wollte sie nach Schelak reisen und ein Wort mit dieser Domna Alarya wechseln. Sie musste den Heiler finden, der schon manches Südpforter Kind von dieser mysteriösen Krankheit befreit haben sollte. Auch Praiodor musste wieder gesund werden! Dann würde sich das Problem mit de Fuente vielleicht von selbst lösen!

Chronik:1032
Alte Freunde, alte Feinde
Teil 10