Chronik.Ereignis1032 Alaunrausch in Liepenstein 26
Baronie Taubental, 30. Travia 1032 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf Castillo Chellara (früher Abend)[Quelltext bearbeiten]
Autor: León de Vivar
Sadiq ben Omar hatte den Dienstboten beinahe umgerissen, als er gegen ihn gestolpert war und diesem dabei das Silbertablett mit den Pastetchen entglitten war. Mit eben diesem (nun leeren) Tablett verteidigte sich der Novadi nun gegen die Wächterin, die ihn mit ihren wütenden Hieben jedoch immer weiter zurücktrieb.
Und auch Dom Thallian geriet ziemlich schnell ins Hintertreffen. Er hatte zwar eilig seine Klinge gezogen und sie abwehrbereit auf den heranstürmenden Wächter gerichtet und die ersten Schläge tapfer aufgehalten. Doch seine Waffe war schon jeher das geschliffene Wort und nicht die geschliffene Klinge gewesen und so wich auch er vor seiner Kontrahentin zurück.
Der weitgereiste Vivar hingegen sah sich unverdient dem Zorn Dom Alwinians ausgesetzt und wusste sich gegen dessen Avancen mit dem Säbel nicht anders zu helfen, als ebenfalls blank zu ziehen. Der Alstinger erwies sich als passabler Fechter, der jedoch mehr auf Körperkraft denn auf Eleganz zu vertrauen schien und dementsprechend wild austeilte. Dass Dom León geschickt den Hieben auswich oder dieselben ablenkte, schien den jungen Mann nur noch zorniger zu machen: zwei Stühle und mehrere Karaffen gingen zu Bruch, auch der Tisch erlitt schwere Scharten.
Wie ein Torero, der den Stier reizt, so tanzte auch Dom León um seinen Gegner herum, ihn hier und da mit halbherzigen Attacken und leicht durchschaubaren Finten neckend. Als er schließlich entschied, dem Wüten ein Ende zu bereiten, hatte er leichtes Spiel. Dom Alwinian hatte sich von den offensichtlich harmlosen Angriffen des Vivar einlullen lassen und sich ganz und gar darauf verlegt, diesem mit einem wuchtigen Streich den Garaus zu machen.
Mit einem Grinsen auf den Lippen holte Alwinian von Alstingen weit aus. In diesem Moment zuckte der Degen seines Gegners, einem Wespenstachel gleich, vor und zurück. Mit der unwirklichen Langsamkeit, die jenen Sterbenden zu Eigen ist, die sich noch wenige Herzschläge im Vollbesitz des Lebens wähnen, wandelte sich sein Grinsen in ungläubiges Staunen. Er schaute auf die triefende Klinge Dom Leóns. Er blickte an sich hinab und erkannte, wie das Blut in schwarzem Stoß aus einer Halswunde schoss. Als ob eine große, schwere Hand sich auf ihn senkte, ließ er den erhobenen Arm mit dem Säbel sinken und sank kraftlos in einen Stuhl.
Teilnahmslos stellte er fest, dass er bereits über und über mit Blut besudelt war, bemerkte er das Entsetzen im Antlitz seines Kontrahenten, registrierte er, dass man um ihn herum den Kampf beendet hatte. Ohne jeglichen Hass sah er, wie der Heide sich ihm näherte, wie dessen beturbanter Kopf fast unwirklich groß vor ihm auftauchte, wie dessen Hand fühlend nach seinem Hals griff. Er bemerkte nicht mehr, wie er, voll Kälte in den Fingern, den Säbel fallen ließ. Er wollte dem Novadi, welcher, zum Vivar gewandt, den übergroßen Kopf schüttelte, etwas entgegenschreien, doch sein Mund war voll dunkler Flüssigkeit, die er gurgelnd und blubbernd ausspie, ehe es in seinen Ohren zu rauschen begann. Hörte er tatsächlich Flügelschläge?
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