15.369
Bearbeitungen
KKeine Bearbeitungszusammenfassung |
K (typo, links) |
||
Zeile 3: | Zeile 3: | ||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | '''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | ||
Fünf Tage galt der Waffenstillstand nun in der Grafenstadt und kein Tropfen Menschenblut war mehr vergossen worden. [[Yaquirtal]]er Waffenknechte, [[Ragatien|ragatische]] [[Mercenaria]]s und [[Reichsmark Amhallas|amhallassidische]] Krieger wandelten friedlich durch jene Gassen, in denen sie kurz zuvor noch gegenseitig ihr Blut vergossen hatten. Begegneten sie sich, so zückten sie nicht mehr ihre Klingen - diese waren mit regenbogenfarbenen Bändchen an den Scheiden festgeknüpft - sondern grüßten sich zurückhaltend, warfen sich scheue Blicke zu oder ignorierten sich schlicht. Tierblut war allerdings reichlich vergossen worden, denn die Marschallin und der Bey hatten genug Hühner, Schafe und Rinder als Mahlzeiten ihre Truppen heranschaffen lassen, | Fünf Tage galt der Waffenstillstand nun in der Grafenstadt und kein Tropfen Menschenblut war mehr vergossen worden. [[Yaquirtal]]er Waffenknechte, [[Ragatien|ragatische]] [[Mercenaria]]s und [[Reichsmark Amhallas|amhallassidische]] Krieger wandelten friedlich durch jene Gassen, in denen sie kurz zuvor noch gegenseitig ihr Blut vergossen hatten. Begegneten sie sich, so zückten sie nicht mehr ihre Klingen - diese waren mit regenbogenfarbenen Bändchen an den Scheiden festgeknüpft - sondern grüßten sich zurückhaltend, warfen sich scheue Blicke zu oder ignorierten sich schlicht. Tierblut war allerdings reichlich vergossen worden, denn die Marschallin und der Bey hatten genug Hühner, Schafe und Rinder als Mahlzeiten ihre Truppen heranschaffen lassen, um sie gerecht an den Küchenfeuern aufzuteilen, an denen bisweilen einstige Gegner gemeinsam aßen. Jeder aufkommende Streit wurde durch die Profosse und Aghas schnell geschlichtet - oft unter Einbeziehung der Perainepriester, der Mawdlis oder der alten Novadi Nedime. | ||
Nicht alle begrüßten mit das schnelle Ende der Kämpfe und das Patt. Einige Heerführer aus dem Heer der Marschallin waren der Ansicht, dass Bey [[Chabun ben Nafiref|Chabun]], den sie nur "den Reichsverräter" nannten, sie - wie es eben der Reichsverräter Art ist - gehörig an der Nase herumführte, bei der ersten Gelegenheit neue Truppen aus [[Amhallah]] ins Land lassen würde und man ihn deshalb besser mitsamt seinem Gefolge in den [[Yaquir]] zurückgedrängt hätte, als es noch möglich war. Andere fürchteten, dass die tsagefällige Stimmung in der Stadt und die mit kühlen Winden herannahende [[Tristeza]] den Antrieb der Marschallin für die Fortsetzung der Reconquista der Südpforte erschlaffen und den Taifados einen ruhigen Winter verschaffen würde. | Nicht alle begrüßten mit Freude das schnelle Ende der Kämpfe und das Patt. Einige Heerführer aus dem Heer der Marschallin waren der Ansicht, dass Bey [[Chabun ben Nafiref|Chabun]], den sie nur "den Reichsverräter" nannten, sie - wie es eben der Reichsverräter Art ist - gehörig an der Nase herumführte, bei der ersten Gelegenheit neue Truppen aus [[Amhallah]] ins Land lassen würde und man ihn deshalb besser mitsamt seinem Gefolge in den [[Yaquir]] zurückgedrängt hätte, als es noch möglich gewesen war. Andere fürchteten, dass die tsagefällige Stimmung in der Stadt und die mit kühlen Winden herannahende [[Tristeza]] den Antrieb der Marschallin für die Fortsetzung der Reconquista der Südpforte erschlaffen und den Taifados einen ruhigen Winter verschaffen würde. | ||
Zu diesen zählte Domnito [[Ferando Meeltheuer von Brigellan]], der junge [[Mundillo]] des verstorbenen Barons [[Salix Meeltheuer von Brigellan|Salix von Brigellan]] und Held des Brillotores. Er hatte in der von den Straßenkämpfen stark in Mitleidenschaft gezogenen Herberge ''Abundils Herz'' gegenüber dem Perainetempel Quartier bezogen und zählte im Geiste missmutig die bereits verstrichenen Tage, in denen er seinem Ziel - der Rückeroberung des Landes seiner Väter - nicht nur kein Stück näher gekommen war, sondern sich sogar Tag um Tag wieder weiter davon entfernte. Jeder Tag, den er hier in Dâl vergeudete, so sann er in jener Ungeduld, die der Jugend eigen ist, musste er | Zu diesen zählte Domnito [[Ferando Meeltheuer von Brigellan]], der junge [[Mundillo]] des verstorbenen Barons [[Salix Meeltheuer von Brigellan|Salix von Brigellan]] und Held des Brillotores. Er hatte in der von den Straßenkämpfen stark in Mitleidenschaft gezogenen Herberge ''Abundils Herz'' gegenüber dem Perainetempel Quartier bezogen und zählte im Geiste missmutig die bereits verstrichenen Tage, in denen er seinem Ziel - der Rückeroberung des Landes seiner Väter - nicht nur kein Stück näher gekommen war, sondern sich sogar Tag um Tag wieder weiter davon entfernte. Jeder Tag, den er hier in Dâl vergeudete, so sann er in jener Ungeduld, die der Jugend eigen ist, musste er mit seinen schwindenden Mitteln für den Sold seiner verbliebenen Mercenarios aufkommen, und Brigellan würde weiter in den Händen von Taifados bleiben. Aber die Marschallin hatte bisher noch keinen Rat einberufen und nicht verkünden lassen, wann man weitermarschieren würde. | ||
Über diesen Gedanken verbrachte Domnito Ferando sein Morgenmahl aus Griesschnitten, Hühnerbrühe und einem Becher verdünnten Weins, als die Tür aufging und [[León Dhachmani de Vivar]] den Schankraum betrat. An Mantel, Handschuhen, [[Caldabreser]] und Reiterstiefeln konnte Domnito Ferando erkennen, dass der Schöne Baron reisefertig war. | Über diesen Gedanken verbrachte Domnito Ferando sein Morgenmahl aus Griesschnitten, Hühnerbrühe und einem Becher verdünnten Weins, als die Tür aufging und [[León Dhachmani de Vivar]] den Schankraum betrat. An Mantel, Handschuhen, [[Caldabreser]] und Reiterstiefeln konnte Domnito Ferando erkennen, dass der Schöne Baron reisefertig war. | ||
Zeile 25: | Zeile 25: | ||
"Der Wein ist passabel, aber das dortige Wirtsvolk hat von Freundlichkeit keinen blassen Schimmer. Auch fehlt es an Silberlöffeln, Unauer Porzellan und sauberen Tüchern. Nach allem, was man hört, waren es wohl eher die Horasier, die dort während der Kämpfe fleißig requiriert haben. ''Inter arma silent leges Traviae.''<ref>Bosp.: "Zwischen den Waffen schweigen die Gesetze Travias."</ref>“ Dom León winkte ab. "Deswegen bin ich aber nicht hier. Ich wollte zu Euch, Meeltheuer! Man hat mir zugetragen, Domna [[Gerone vom Berg|Gerone]] suche Männer und Frauen mit kühnem Mut und scharfem Sinn für eine gefährliche Mission gen Firun. Sie möchte Späher nach [[Pildek]] und in die [[Baronie Brigellan]] entsenden, um Kundschaft von den dortigen Verhältnissen zu erhalten. Gewiss möchte sie entscheiden, wohin sie mit dem Hauptheer zuerst ziehen sollte. | "Der Wein ist passabel, aber das dortige Wirtsvolk hat von Freundlichkeit keinen blassen Schimmer. Auch fehlt es an Silberlöffeln, Unauer Porzellan und sauberen Tüchern. Nach allem, was man hört, waren es wohl eher die Horasier, die dort während der Kämpfe fleißig requiriert haben. ''Inter arma silent leges Traviae.''<ref>Bosp.: "Zwischen den Waffen schweigen die Gesetze Travias."</ref>“ Dom León winkte ab. "Deswegen bin ich aber nicht hier. Ich wollte zu Euch, Meeltheuer! Man hat mir zugetragen, Domna [[Gerone vom Berg|Gerone]] suche Männer und Frauen mit kühnem Mut und scharfem Sinn für eine gefährliche Mission gen Firun. Sie möchte Späher nach [[Pildek]] und in die [[Baronie Brigellan]] entsenden, um Kundschaft von den dortigen Verhältnissen zu erhalten. Gewiss möchte sie entscheiden, wohin sie mit dem Hauptheer zuerst ziehen sollte. | ||
Da fiel es mir freilich nicht schwer, sofort an Euch zu denken. Ihr kennt Brigellan doch wie Eure Westentasche und wollt gewiss so bald als möglich Eure Heimat wieder sehen. Na, was meint Ihr, Meeltheuer? Ein kleiner Ausritt kann einem bald die Langeweile vertreiben, und ehe man sich's versieht, | Da fiel es mir freilich nicht schwer, sofort an Euch zu denken. Ihr kennt Brigellan doch wie Eure Westentasche und wollt gewiss so bald als möglich Eure Heimat wieder sehen. Na, was meint Ihr, Meeltheuer? Ein kleiner Ausritt kann einem bald die Langeweile vertreiben, und ehe man sich's versieht, begegnet man vielleicht etwas Taifado-Gesindel oder ein paar Rotpelzen, denen man mit der Klinge auf den Pelz brennen kann!" | ||
---- | ---- | ||
Zeile 75: | Zeile 75: | ||
Der Vivar sah ihm eine Weile nachdenklich hinterher. „Es dünkt mir“, sagte er schließlich zu seiner Knappin, während er sich auf sein Ross schwang, „als würden wir mit diesem selbstbewussten Jüngling noch in so mancher Occasion eine Überraschung erleben. Gebe Phex, dass er auch wirklich über seine vorgeblichen Reserven verfügt, denn seinen Worten nach zu urteilen, hat er sich eine Rotte übelster Halsabschneider, Mordbrenner und Schnapphähne angeworben. In seiner jugendlichen Unbekümmertheit erinnert er mich beinahe an mich selbst vor neun Götterläufen, als ich nach Almada zurückkehrte. Auch ich ließ damals auf kurzen Strecken bisweilen mein gutes Ross stehen, um zu Fuß zu gehen. Sympathisch.“ | Der Vivar sah ihm eine Weile nachdenklich hinterher. „Es dünkt mir“, sagte er schließlich zu seiner Knappin, während er sich auf sein Ross schwang, „als würden wir mit diesem selbstbewussten Jüngling noch in so mancher Occasion eine Überraschung erleben. Gebe Phex, dass er auch wirklich über seine vorgeblichen Reserven verfügt, denn seinen Worten nach zu urteilen, hat er sich eine Rotte übelster Halsabschneider, Mordbrenner und Schnapphähne angeworben. In seiner jugendlichen Unbekümmertheit erinnert er mich beinahe an mich selbst vor neun Götterläufen, als ich nach Almada zurückkehrte. Auch ich ließ damals auf kurzen Strecken bisweilen mein gutes Ross stehen, um zu Fuß zu gehen. Sympathisch.“ | ||
Er lächelte ob der Erinnerungen an seine Ankunft in [[Omlad]] und an den seligen Dom Gualdo, wischte dann aber die Gedanken beiseite wie der [[avwik:Beleman|Beleman]] die Schäfchenwolken, ehe sie düster werden konnten. Sich seiner Rolle als Erzieher erinnernd, schüttelte er in scheinbarer Verständnislosigkeit den Kopf und blickte Leonora dann scharf an. „Lektion Nummer eins für heute: Ein Magnat bewegt sich niemals zu Fuß von einem Ort zum anderen. Selbst wenn ihm der Arsch brennt: ein Magnat reitet, denn sonst verwirrt er den Rustikal, der es nicht gewohnt ist, auf Augenhöhe zu seinem Dom zu sprechen. Hast du verstanden?“ | Er lächelte ob der Erinnerungen an seine Ankunft in [[Omlad]] und an den seligen Dom [[Gualdo di Dalias y Gurnabán|Gualdo]], wischte dann aber die Gedanken beiseite wie der [[avwik:Beleman|Beleman]] die Schäfchenwolken, ehe sie düster werden konnten. Sich seiner Rolle als Erzieher erinnernd, schüttelte er in scheinbarer Verständnislosigkeit den Kopf und blickte Leonora dann scharf an. „Lektion Nummer eins für heute: Ein Magnat bewegt sich niemals zu Fuß von einem Ort zum anderen. Selbst wenn ihm der Arsch brennt: ein Magnat reitet, denn sonst verwirrt er den Rustikal, der es nicht gewohnt ist, auf Augenhöhe zu seinem Dom zu sprechen. Hast du verstanden?“ | ||
Leonora nickte. | Leonora nickte. |