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Ein Stöhnen aus der Ecke des Bettes deutete daraufhin, dass die Bewohnerin der Kammer allmählich aus ihrem Dämmerzustand erwachte. | Ein Stöhnen aus der Ecke des Bettes deutete daraufhin, dass die Bewohnerin der Kammer allmählich aus ihrem Dämmerzustand erwachte. | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Borlando di Aragança|Borlando di Aragança]] | |||
Verschlafen bemerkte [[Rahjeline von Abundil]] die Unruhe in ihrer sonst so einsamen Zelle. Scheinbar war die Wirkung ihres Schlaftranks heute nicht so stark wie sonst jede Nacht. Trotzdem fühlte sie sich unglaublich schwach, und die Augenlider waren schwer wie Mühlsteine. Als Rahjeline ihre Augen wieder schloss, konnte sie plötzlich ein Flüstern hören. So gut es in ihrem Zustand möglich war, konzentrierte sich Rahjeline, und da war das Flüstern erneut. | |||
Mit aller Kraft öffnete sie ihre Augen und konnte zwei verschwommene Schatten erkennen, die sich am Fenster zu schaffen machten. Ob das wieder diese zudringlichen Boronspriester waren, die ihr diesen widerlichen Schlaftrank einflößen wollten? Ihr war doch noch jetzt ganz schlecht von der letzten Dosis, keinesfalls wollte sie schon wieder ruhiggestellt werden. | |||
In ihrer Verzweiflung erhob sich Rahjeline stöhnend auf ihre wackeligen Beinen und begann mit dem erstbesten, was in ihre Hände fiel, auf die Gestalten einzuschlagen. "Ihr werdet mich nicht schon wieder einschläfern!", stieß sie mit schwacher Stimme hervor. | |||
Rahjelines Kopfpolster schlug eine verheerende Bresche zwischen die Eindringlinge, die völlig überrascht auseinanderstoben. Der nächste Schwung des Polsters schien im stockdusteren Zimmer irgendein Mobiliar getroffen zu haben, welches mit einem hörbaren Rumpeln umfiel. Noch bevor Rahjeline zum nächsten Streich ausholen konnte, war der Polsterzipfel ihren Händen entglitten. Stattdessen konnte sie nun zwei Hände an ihrem Hals fühlen, während das Polster, da war es wieder, auf ihren Mund gedrückt wurde. | |||
Da sie nun kaum mehr Luft bekam und ihre Panik ins Unermessliche wuchs, begann Rahjeline in das Polster zu schreien. Aber mehr als ein paar dumpfe Laute waren nicht zu hören. Die Junkerin steigerte die Intensität und brüllte nun hysterisch in das Polster. Ganz dicht an ihrem Ohr konnte sie eine raue, weibliche Stimme hören, die sie gedrungen anherrschte: "Haltet endlich Euren Mund, ansonsten werdet Ihr Bekanntschaft mit meiner Klinge machen!" | |||
Nun war Rahjeline vollends irritiert. Dies war eine Frauenstimme. Irgendwie schien eine Frau in ihre Zelle gekommen zu sein. Die letzte Frau, die Rahjeline gesehen hatte, war [[Fenia von Culming]] gewesen, und das auch nur quer über den Innenhof. Und Domna Fenia war ganz sicher nicht in der Verfassung, hier einfach hereinzuspazieren. | |||
Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass der andere Eindringling zum Fenster gegangen war und nach einem kurzen Blick hinaus die dicken Läden wieder vollends zuzog. Sie hörte, wie sich jemand an der Lampe zu schaffen machte, und kurz darauf erglomm in der Zelle ein schwaches Licht. | |||
Rahjeline konnte zwei Frauen erblicken. Diese waren ganz sicher von edlem Blut, und mit einem Blick auf ihre Waffen, wohl auch keine Insassen dieses Klosters. Rahjeline war erleichtert, gab jeglichen Widerstand auf und ließ sich zu Boden gleiten, da sie ihre Kräfte nun vollends zu verlassen schienen. Die raue Frauenstimme erklärte ihr eindringlich, dass sie nun das Polster entfernen würde, und Rahjeline ja keinen Mucks von sich geben solle. Rahjeline nickte zustimmend. | |||
Erstmal seit Jahren war Rahjeline wieder mit weiblichen Personen in einem Raum. Sie würden Rahjeline sicher verstehen und mussten ihr Anliegen unterstützen. Eigentlich war es ihr Plan gewesen, sich Domna Morena anzuvertrauen und um deren Hilfe zu bitten, doch dann wurde ihr klar, dass es sich bei dieser um die Nichte des unrechtmäßig auf dem Fürstenthron sitzenden Harmamund handelte. Die würde ihr sicher niemals helfen. | |||
Doch nun eröffnete sich Rahjeline plötzlich eine wirkliche Chance. Und wohl ihre einzige Chance, endlich die Fesseln dieses verfluchten Ortes abzustreifen. Obwohl sie angehalten war, ja keinen Laut von sich zu geben, hob sie mit kaum hörbarer Stimme an: "Ich bitte Euch, edle Damen, helft mir! Helft einer armen Seele, diesen verfluchten Ort zu verlassen!" Verzweifelt fuhr sie fort: "Ich flehe Euch an, holt mich hier heraus! Ich werde hier gegen meinen Willen gefangen gehalten! Mein Sohn, oh mein kleiner Madaguel, braucht mich, er braucht seine Mutter! Sie haben ihn mir einfach weggenommen! Sie sagten, er sei bei der Geburt zu Tode gekommen, doch ich weiß, dass er lebt, eine Mutter spürt so etwas!" | |||
Rahjeline konnte gar nicht aufhören zu reden, die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus. "Ich bin wahrlich nicht in der körperlichen Verfassung, mit Euch zu fliehen, darum bitte ich Euch gar nicht. Auch wäre ich sicher nur ein Hindernis für Euch, aber wenn Ihr so gut wärt und meinem Onkel, Dom [[Talfan von Abundil]], meine Briefe übergeben könntet, auf dass er mich hier herausholen möge. Oder Dom [[Stordan von Culming]]. Die Araganças waren immer treue Vasallen des Barons!" | |||
Allmählich dämmerte es den Domnas, dass sie es mit Rahjeline von Abundil, der Witwe von [[Borlando di Aragança]], zu tun haben könnten. Dom Borlandos Versuch, den Kanzler zu töten, war lange Zeit in aller Munde gewesen. | |||
Rahjeline tastete an der Unterseite ihres Nachttisches herum und zog schließlich ein Bündel Briefe hervor, die sie den beiden entgegenstreckte. | |||
"Ich bitte Euch, tut es für meinen kleinen Sohn ..." | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Richeza schirmte das Licht mit den Händen ab und blickte die Frau misstrauisch an. | |||
"Wie alt ist Euer Sohn?", fragte sie, während sie beinahe mechanisch die ihr entgegengestreckten Briefe annahm. | |||
"Keine zwei Jahre alt", stieß die Frau erstickt hervor. | |||
"Und Ihr seid? Rahjeline von Abundil? Die Frau des Herolds, was?" | |||
Als sie nickend bestätigte, verfinsterte sich Richezas Gesicht. Borlando di Aragança hatte dem verstorbenen Kaiser bis zuletzt die Treue gehalten. Er hatte zusammen mit anderen Kaisertreuen in der [[Massaker von Al'Muktur|Nacht vom 23. auf den 24. Travia 1034 BF]] Dutzende Menschen getötet oder töten lassen. Sie waren in ihre Zelle im Kerker von [[Al'Muktur]] eingedrungen. Richeza hatte Dom Borlando zugerufen, dass Wahsinn sei, was sie da taten, ihn beschworen, abzulassen und sich Almadas zu besinnen, das mehr wäre als der verfluchte Kaiser und seine widerwärtige rechte Hand, [[Vesijo de Fuente y Beiras]]. Der Aragança hatte sie abfällig eine Reichsverräterin geheißen. Sie hatte gehofft, doch noch an seine Ehre appellieren zu können, aber da waren Rufe laut geworden, die [[Disente]]s hätten de Palast gestürmt, seien bereits in den Kerkern. | |||
''Macht hier fertig!'', hatte der Aragança den [[Mondmündel]]n befohlen. ''Wir müssen den Kanzler finden, ehe es zu spät ist!'' | |||
Und dann hatten sie fertig gemacht, ''sie'' fertig gemacht, und sie, an die Wand gekettet und wehrlos, hatte nichts tun können, gar nichts. Einer der Männer hatte ihr das Rapier in den Leib gestoßen, mehrmals, dann waren sie aus der Zelle geeilt, während Richezas Welt hinter einem roten Schleier und in Schmerz versunken war. | |||
Als sie wieder zu sich gekommen war, hatte sie in ''sein'' Gesicht geblickt, als sei sie aus einem bösen Traum erwacht in eine Wirklichkeit, die ihr kaum glaubhafter erschienen war. Vielleicht, dachte Richeza, waren die vergangenen Jahre wirklich nichts mehr als ein Traum gewesen. Vielleicht erwachte sie erst jetzt wieder und hatte sich alles im Fieberwahn nach dem Massaker, das sie wie durch ein Wunder – nein: dank ''seiner'' Fürsorge – überlebt hatte, nur eingebildet? | |||
Einige Augenblicke starrte Richeza die Frau vor sich düster an. Es wäre ein Leichtes, sich zu rächen, ihr mit besten Grüßen an ihren verstorbenen Gemahl den Degen ins Gedärm zu stoßen, wieder und wieder, einige erregte Herzschläge lang das ungläubige Entsetzen in den weit aufgerissenen Augen zu genießen, dem ersterbenden Flehen auf den bleichen Lippen zu lauschen. | |||
Doch Richeza spürte keinen Hass mehr. Nicht einmal Wut. Sie dachte nur an den Jungen, der ohne einen Vater aufwuchs und ohne eine Mutter. Es war, als lasse das wachsende Leben in ihr keinen Raum für Rache und Tod. | |||
"Wir werden sehen!", sagte sie heiser und drehte sich zu ihrer Tante um. | |||
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