15.371
Bearbeitungen
K (links) |
K (richtiger bonaventura) |
||
Zeile 16: | Zeile 16: | ||
Dass sich in der Dunkelheit über dem Aufbau noch die zwiebelförmige Kupferkuppel des Rosentempels wölbte, konnte Bruder Zafir nur erahnen, denn das Licht der Laternen füllte lediglich die Tanzfläche im Zentrum vollständig aus. Bereits die Liegen der Gäste lagen im Halbschatten. Duftkerzen auf den Beistelltischchen sorgten jedoch dafür, dass Speisen, Getränke und Gesichter der unmittelbaren Nachbarn klar erkennbar waren. | Dass sich in der Dunkelheit über dem Aufbau noch die zwiebelförmige Kupferkuppel des Rosentempels wölbte, konnte Bruder Zafir nur erahnen, denn das Licht der Laternen füllte lediglich die Tanzfläche im Zentrum vollständig aus. Bereits die Liegen der Gäste lagen im Halbschatten. Duftkerzen auf den Beistelltischchen sorgten jedoch dafür, dass Speisen, Getränke und Gesichter der unmittelbaren Nachbarn klar erkennbar waren. | ||
Während er mit allen Sinnen die Eindrücke aufnahm, fühlte er, dass heute einer jener Abende sein konnte, nach denen sich sein ganzes Herz, sein ganzer Geist und sein ganzer Leib sehnten, und die er doch nur selten erleben durfte. Er würde den 'Atemhauch Rahjas auf seiner Haut spüren', wie Hochwürden [[Bonaventura | Während er mit allen Sinnen die Eindrücke aufnahm, fühlte er, dass heute einer jener Abende sein konnte, nach denen sich sein ganzes Herz, sein ganzer Geist und sein ganzer Leib sehnten, und die er doch nur selten erleben durfte. Er würde den 'Atemhauch Rahjas auf seiner Haut spüren', wie Hochwürden [[Bonaventura XXV. Colombi|Bonaventura]] es nannte. Der Gedanke an die Präsenz des Göttlichen durchlief ihn wie eine neuerliche Welle und trieb das Blut in seine Wangen. | ||
Liebevoll blickte der Mönch auf Bonaventura | Liebevoll blickte der Mönch auf Bonaventura XXV. Colombi, der ihm Herr, väterlicher Freund und Liebhaber zugleich war. Bonaventura war jenseits der sechzig, und dennoch bewegte er auf der kreisrunden Tanzfläche so gekonnt wie kaum ein zweiter. Mit angeborener Leichtigkeit den treibenden Takt der Musik wahrend, vollführte der Abt schwungvolle Kreisschritte, kleine Stampfer, kaum merkliche sprünge, bewegte kraftvoll Arme und Haupt. Dabei kam er den anderen Tänzern und Tänzerinnen mit Leib und Händen so nahe, dass es schien, sie würden sich berühren. | ||
Bruder Zafir wusste, dass sie sich nie berührten. Nicht in dieser Anfangsphase des Tanzes, "ex positio" genannt, in der die Musik ruhig schreitend war und die Tänzer den Abstand wahrten um sich mit ihrem Können der Göttin, den Mittänzern und den Zuschauern vorzustellen. Die Musiker - Bruder Farimiro an der [[avwik:Kabasflöte|Kabasflöte]], Schwester Isandra an der [[Vihuela]], Bruder Rahjimundo an der Viola da Gamba und Schwester Rahjineza an der [[Dabla]] - saßen am Rand der Tanzfläche und begleiteten die Tänzer. | Bruder Zafir wusste, dass sie sich nie berührten. Nicht in dieser Anfangsphase des Tanzes, "ex positio" genannt, in der die Musik ruhig schreitend war und die Tänzer den Abstand wahrten um sich mit ihrem Können der Göttin, den Mittänzern und den Zuschauern vorzustellen. Die Musiker - Bruder Farimiro an der [[avwik:Kabasflöte|Kabasflöte]], Schwester Isandra an der [[Vihuela]], Bruder Rahjimundo an der Viola da Gamba und Schwester Rahjineza an der [[Dabla]] - saßen am Rand der Tanzfläche und begleiteten die Tänzer. | ||
Zeile 213: | Zeile 213: | ||
Sein Leib indes hörte nicht auf zu zittern und zu zucken. Unter den Händen von Domna Romina, Zaida und Bruder Zafir wand er sich, verdrehte die Augen und verkrallte die Finger im Gewand Domna Fionas, die ihre Lippen wieder von den seinen gelöst hatte. | Sein Leib indes hörte nicht auf zu zittern und zu zucken. Unter den Händen von Domna Romina, Zaida und Bruder Zafir wand er sich, verdrehte die Augen und verkrallte die Finger im Gewand Domna Fionas, die ihre Lippen wieder von den seinen gelöst hatte. | ||
Die Catalinenser hatten schlagartig ihre Darbietung unterbrochen. Die Musiker hatten die Instrumente abgesetzt und die Tänzer wankten atemlos und verstört umher. Bonaventura | Die Catalinenser hatten schlagartig ihre Darbietung unterbrochen. Die Musiker hatten die Instrumente abgesetzt und die Tänzer wankten atemlos und verstört umher. Bonaventura XXV. blickte verwirrt von einem zum anderen, doch niemand seiner Mittänzer schien ihm Auskunft geben zu können. Die Novizen an den Tischen hatten ihre Pflicht vergessen und waren neugierig zum Ort des Unglücks geeilt, wo sie die Traube der ratlosen Schaulustigen verstärkten. | ||
Einzig Bruder Zafir hatte sich mit Domna Romina niedergekniet und versuchte, den spastisch zuckenden Baron festzuhalten, doch auch das half nichts. "Eine Katastrophe", flüsterte er, "eine Katastrophe!" Dann schrie er laut: "Wo bleibt dieses Gegengift?" | Einzig Bruder Zafir hatte sich mit Domna Romina niedergekniet und versuchte, den spastisch zuckenden Baron festzuhalten, doch auch das half nichts. "Eine Katastrophe", flüsterte er, "eine Katastrophe!" Dann schrie er laut: "Wo bleibt dieses Gegengift?" | ||
Zeile 325: | Zeile 325: | ||
'''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | '''Autor:''' [[Benutzer:León de Vivar|vivar]] | ||
"Ich finde, wir sollten alle hier bleiben. Ein Weilchen noch zumindest", erklang da mit einem Mal sanft, aber deutlich die Stimme von Bonaventura | "Ich finde, wir sollten alle hier bleiben. Ein Weilchen noch zumindest", erklang da mit einem Mal sanft, aber deutlich die Stimme von Bonaventura XXV. Der Abt hatte das Tempelrund verlassen und war an die um Dom León Stehenden herangeeilt. Der Baron stieß inzwischen abgehackte, unkontrollierte Laute aus, so als ob ihm das Atmen immer schwerer fiele, und flatterte mit den Augenlidern. | ||
Hastig kniete der Hochgeweihte neben dem Baron nieder und hob kurz die Hände gen Alveran. Im selben Augenblick tat Schwester Paloma Vasari auf der Tanzfläche einen stampfenden Schritt. Als ob dies ein Zeichen sei, begannen die Musici wieder zu spielen und die übrigen Catalinenser wieder zu tanzen. Das Musikstück war spielerisch und lebensfroh, und die Tänzer bewegten sich mit schier unbekümmerter Leichtigkeit. Als Begräbnismarsch war es denkbar ungeeignet. | Hastig kniete der Hochgeweihte neben dem Baron nieder und hob kurz die Hände gen Alveran. Im selben Augenblick tat Schwester Paloma Vasari auf der Tanzfläche einen stampfenden Schritt. Als ob dies ein Zeichen sei, begannen die Musici wieder zu spielen und die übrigen Catalinenser wieder zu tanzen. Das Musikstück war spielerisch und lebensfroh, und die Tänzer bewegten sich mit schier unbekümmerter Leichtigkeit. Als Begräbnismarsch war es denkbar ungeeignet. | ||
Zeile 335: | Zeile 335: | ||
Derweil hatte der Abt die Augen geschlossen und begann den Oberkörper im Takt des Tanzes zu wiegen. Mehr und mehr schwang er den Oberkörper, als sei dieser unabhängig vom Rest seines Leibes. Dann breitete er seine nackten Arme aus und schlang sie um den sich wie wild wehrenden Dom León. | Derweil hatte der Abt die Augen geschlossen und begann den Oberkörper im Takt des Tanzes zu wiegen. Mehr und mehr schwang er den Oberkörper, als sei dieser unabhängig vom Rest seines Leibes. Dann breitete er seine nackten Arme aus und schlang sie um den sich wie wild wehrenden Dom León. | ||
Doch Bonaventura | Doch Bonaventura XXV. hatte trotz seines Alters noch eine erstaunliche Kraft. Es gelang ihm, den Baron wie einen Geliebten in den Arm zu nehmen und mit sich im Rhythmus der Dablaschläge zu wiegen. Wenn auch Dom Leóns Unterleib und seine Beine zitterten, als wollten sie zerbersten, so hörten seine Arme und sein Haupt doch auf, unkontrolliert um sich zu schlagen und fügten sich in den Takt der Melodie. Der Catalinenser nahm die Hände des Barons in seine Rechte, fasste ihn mit der Linken sanft am Haupt und beugte sich über ihn. | ||
Und so erhielt Dom León seinen zweiten Kuss an diesem Abend, genauso innig und langandauernd wie zuvor jener der Caballera von Las Dardas. Dieses Mal aber erlahmte nach und nach der krampfhafte Widerstand des Taubentaler Barons. Seine Lider schlossen sich und seine verkrampften Züge lösten sich, bis er schließlich schwach und weich in den Armen Bonaventuras lag. Die linke Hand Dom Leóns war zum Boden hinunter gesunken. In der offenen Handfläche lag eine rote Rosenblüte, die zuvor nicht dort gewesen war. Und war soeben der Duft des Rosenöls stärker geworden? | Und so erhielt Dom León seinen zweiten Kuss an diesem Abend, genauso innig und langandauernd wie zuvor jener der Caballera von Las Dardas. Dieses Mal aber erlahmte nach und nach der krampfhafte Widerstand des Taubentaler Barons. Seine Lider schlossen sich und seine verkrampften Züge lösten sich, bis er schließlich schwach und weich in den Armen Bonaventuras lag. Die linke Hand Dom Leóns war zum Boden hinunter gesunken. In der offenen Handfläche lag eine rote Rosenblüte, die zuvor nicht dort gewesen war. Und war soeben der Duft des Rosenöls stärker geworden? | ||
Zeile 359: | Zeile 359: | ||
'''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]] | '''Autor:''' [[Benutzer:Dom Gualdo|dalias]] | ||
Von den Worten des Abtes gebannt, hatten sich die beiden Daliaser umgewandt und verfolgt, wie Bonaventura | Von den Worten des Abtes gebannt, hatten sich die beiden Daliaser umgewandt und verfolgt, wie Bonaventura XXV. den Baron in die Arme geschlossen, ihn sanft gewogen und ihn erfüllt von inniger Hingabe geküsst hatte. Wundersam und herrlich waren das Wirken und die Wege der Götter. Der Hauch Alverans, der die Versammelten streifte, ließ Lodovico seine Finger durch die Luft kreisen und eine Praiosscheibe beschreiben – ganz so, wie er es als kleines Kind einst zu tun gelernt hatte, wenn ihm etwas Großes, Überderisches widerfuhr. Verstohlen wischte sich Yppolita – mit rauer Hand – Tränen der Rührung aus den Augen, die sich gleich einem Schleier zwischen sie und den Beweis göttlichen Wirkens geschoben hatten. | ||
---- | ---- |