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Trotzdem war Belisetha unwohl zumute. All dies hier war nur ein Zeichen ihrer Hilflosigkeit. Was bat sie dieses junge Kind um Beistand, das doch selbst – das sah man nur zu deutlich – eine so schwere Bürde zu tragen hatte? Mitleid stahl sich in Belisethas Blick. Und Trauer. Es gab kein leichtes Leben. Für niemanden. | Trotzdem war Belisetha unwohl zumute. All dies hier war nur ein Zeichen ihrer Hilflosigkeit. Was bat sie dieses junge Kind um Beistand, das doch selbst – das sah man nur zu deutlich – eine so schwere Bürde zu tragen hatte? Mitleid stahl sich in Belisethas Blick. Und Trauer. Es gab kein leichtes Leben. Für niemanden. | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Romina Alba|Romina Alba]] | |||
Erst trat Überraschung, dann eine tiefe Wärme in die Augen der jungen Comtessa. Sie sah deutlich das Leid und die Erschöpfung in den Augen der älteren Frau. | |||
"Wollen wir uns nicht erst einmal setzen, Euer Hochgeboren?" Sie schaute kurz zu von Kündoch, der verstand, der alten Dame und seiner Comtessa die Stühle zurechtrückte und sich wieder in seine ruhige Ecke verzog. | |||
"Einer der Gründe, warum ich direkt nach Punin will, ist der Versuch, unseren Kaiser davon zu überzeugen, so schnell es nur geht Entsatz zu schicken. Ich werde meinem gräflichen Vater und meinem hohen Großvater getreulich Bericht erstatten. Sowohl über die unglaubliche Anzahl an Ferkinas und ihre Bösartigkeit, als auch über diese zu so einer Zeit unermesslich schädliche Fehde zwischen der Reichsvogtin und den da Vanyas." | |||
Ihr Blick wurde wieder kühl. "Ihr erstaunt mich, Domna Belisetha. Keiner Eurer Familia ist mir mit annähernd soviel Anstand begegnet." | |||
Sie verzog in einem Anflug eines Schmunzelns das Gesicht. "Nun ja, fast keiner. Euer junger Großneffe, Dom Moritatio, reichte mir seinen Umhang, als ich in den Bergen spärlich bekleidet fror." | |||
Kurz fingen ihre Augen die Erinnerung auf, um sich dann schnell wieder der Gegenwart und der Junkerin zuzuwenden. | |||
"Es ist viel dort draußen passiert." Sie wischte durch die Luft, als wolle sie die Gedanken vertreiben. Ihr Onkel war dorthin zurückgekehrt, auch wegen einer da Vanya. Männer wollten immer haben, was sie nicht bekamen. ''Das'' musste sie sich merken. | |||
"Eure Bitte wäre nicht nötig gewesen, doch sie ehrt und freut mich. Ich helfe gerne. Die Magierin, die Dom von Kündoch", kurz nickte sie in dessen Richtung, "für mich mitgebracht hatte, hilft draußen auf dem Hof den verletzten Männern und Frauen. Auch wenn die stolze Amazone da Vanya die Hilfe für sich deutlich ablehnte. Ich hätte es wahrlich besser wissen müssen." Sie seufzte kurz. Erstens war es Magie und zweitens kam die Hilfe von der Tochter des Thronräubers. Gerade Rifada da Vanya hat sich mit solchen Bemerkungen nicht zurückgehalten. Wenn sie es sich recht überlegte, wunderte sie sich im Nachhinein, dass sie neben dieser Frau lebend aus den Bergen herausgekommen war. | |||
"Ich werde mich auch darum kümmern, dass der junge Praiodor zu seinen Verwandten zurückfindet." Kurz wanderten ihre Gedanken zu Domna Richeza. Sie mochte sie nicht sonderlich, doch sie hoffte für den Knaben und für ihren Onkel, dass sie überlebte. | |||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Belisetha betrachtete die junge Frau nachdenklich. ''Euer Hochgeboren'', hatte die sie genannt. Offenbar hielt sie sie für die Herrin von Schrotenstein. Nun, vor langer Zeit war sie das einmal gewesen. Vor noch längerer Zeit war sie genau das gewesen, was das Mädchen, das vor ihr saß, heute war: Die jüngste Tochter der Gräfin von Ragath. Und mehr noch: Kind der Fürstin Almadas. Ein ganzes Leben lag dazwischen, denn mit ihrer, Belisethas, Geburt und dem Tod ihrer Mutter hatte der Niedergang ihres Hauses begonnen. Aber nicht sie selbst, das hatte Leonida oft genug betont, war schuld am Tod ihrer Mutter, nein es war ihr eigener Onkel gewesen, der schändliche [[Balbiano Calas von Harmamund]], der die Fürstin hatte töten lassen und ihrer Schwester den Thron geraubt hatte. | |||
"Almada ist ein traditionsverbundenes Land", begann sie langsam. "Die Erinnerung stirbt nicht mit den Menschen, und oftmals zählt Vergangenes in den Köpfen der Magnaten mehr als Gegenwärtiges, Stolz mehr als Vernunft, Ehre mehr als Vergebung. Ihr müsst es meiner Nichte nachsehen, wenn sie Euch nicht mit der gebotenen Höflichkeit begegnet ist. Meine Schwester hat sie nicht zum Dienen erzogen, sondern zum Herrschen. Und zum Kämpfen. Und weiterhin in dem Bewusstsein, wessen Blutes sie ist und wessen Schuld es ist, dass sie um ihr Erbe betrogen wurde. – Nicht die Eure", fügte sie rasch hinzu. | |||
Ihr Blick wanderte wieder zum Fenster, zu den schnell dahinziehenden grauen Wolken. Es würde noch regnen an diesem Tag, wahrscheinlich stand eines der berüchtigten bosquirischen Unwetter bevor, Belisetha spürte es in ihren Knochen. Sie dachte an das bleiche, leblose Gesicht Rifadas, die furchtbaren Wunden, und ihr Herz krampfte sich zusammen. | |||
Äußerlich blieb sie gefasst. "Ihr müsst verstehen, dass es mehrere Gründe dafür gibt, dass Domna Rifada die Selaquer Vogtin nicht besonders schätzt, nicht allein den, dass meine Nichte sich noch immer als ... Erbin ihrer Großmutter sieht. Meine Nichte ist eine Frau Rondras. Der Schutz der ihr Anempfohlenen, egal von welchem Stande sie sind, ist für sie Ehrensache. Sie ist davon überzeugt, dass es den Selaquern unter ihrer Herrschaft besser ginge als unter der Domna Praiosmins, in deren Vorstellung es die von Praios auserwählten Herrschenden gibt und die Dienenden – und wenig dazwischen." | |||
Sie seufzte leise. "Ich möchte Rifada ... meine Nichte nicht einfach nur in Schutz nehmen. Ihr habt recht: Diese Fehde kommt zur Unzeit, die äußeren Gefahren erfordern unsere volle Aufmerksamkeit." Belisetha schwieg einen Moment. "Niemand soll verurteilt werden, der nicht schuldig ist. Aber um eine weitere Sache will ich Euch bitten: Dass jene Akten aus dem Jahr 1020 noch einmal hervorgeholt werden, die den Fall der vermeintlichen Affäre Domna Praiosmins mit dem damaligen Baron von Schrotenstein zum Inhalt haben. Und dass man die Angelegenheit noch einmal genau prüfe." | |||
Belisetha sah die junge Frau eindringlich ein. "Diese Burg birgt noch immer ein düsteres Erbe. Die Suprema, die Inquisition, hat vieles von des Schwarzen Rakolus' Vermächtnis vernichtet, seine Gemächer in dieser Burg versiegeln lassen. Ihr wisst gewiss, dass man Domna Praiosmin damals freigesprochen hat und Dom [[Danilo Ceardonnati von Cres|Danilo von Cres]] für die Schmach, die sie in [[Al'Muktur]] erleiden musste, zur Rechenschaft zog. Letztlich war es der Sprecher der Landstände, Dom [[Alrik de Braast y Braast|Alrik de Braast]], der an des Elfen statt einsaß, um der Reichsvogtin Satisfaktion zu verschaffen. Damit schien die Angelegenheit beendet." | |||
Die Junkerin zog ihr Taschentuch hervor und tupfte sich die Stirn ab. Es wurde allmählich warm, und die Luft war drückend. "Doch meine Großnichte, heißt es, habe vor einigen Jahren Domna Praiosmin aus den Händen der Wilden befreit. Sie und einen Knaben, der offenbar ihr Sohn war und der – so heißt es weiter – eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit dem einstigen Baron von Schrotenstein gehabt haben soll. Wenn dies wahr sein sollte, so hat Dom Danilo die Wahrheit gesprochen, Dom Alrik zu Unrecht die Kerkerhaft verbüßt – und Domna Praiosmin ihr Leben lang gelogen." | |||
Belisethas Kopf pochte noch immer. "Seid so gut", wandte sie sich an Ardan von Kündoch, "gebt mir etwas von dem Wein dort." Sie wies auf eine Karaffe auf einer Anrichte, und der Leutnant goss der Comtessa und ihr von dem [[Thangolgold]] ein, dem halbtrockenen Weißen, der aus dem Lehen der verstorbenen Großmutter der Comtessa im Yaquirischen stammte und den der Haushofmeister aus dem Weinkeller hatte heraufbringen lassen. | |||
Belisetha nahm einen Schluck und spürte der spritzigen, herben Süße nach, ehe sie den Becher abstellte und die Comtessa wieder direkt ansah. "Fischer haben meine Nichte heute Morgen am Seeufer gefunden", sagte sie. "Sie ist schwer verwundet. Wahrscheinlich ... wird sie sterben", fügte sie leiser hinzu, und wieder griffen die kalten, harten Finger nach ihrem Herzen und rissen in ihrer Brust. "Eine Dienerin der Herrin Peraine kümmert sich derzeit um sie, aber es ist nicht sicher, ob sie ihr helfen kann. Die Wunden, so sagt sie, wurden Domna Rifada von einem Dämon beigebracht." | |||
Sie beobachtete die Reaktion der Comtessa genau. "Auch wenn es meiner Nichte vielleicht nicht mehr hilft, so will ich doch, dass dieser Vorfall bis ins Letzte aufgeklärt wird und sollte nicht ein bedauerlicher Zufall an diesem Unglück Schuld sein, sondern ein Mensch, ein Elf, ein Zwerg oder irgendein anderes Wesen, das sich vor Praios, Tsa und Rondra für diese Unaussprechlichkeit zu verantworten hat, so soll dieser dafür zur Rechenschaft gezogen werden mit aller gebührlichen Härte und Konsequenz. Und dies nicht nur, weil das Leben meiner Familia in Gefahr ist, sondern weil ein Dämon Leben und Seelenheil aller Menschen bedroht, die ihm vielleicht noch begegnen. Die Götter seien davor!" | |||
Sie schwieg, umfasste den Weinbecher mit beiden Händen und betrachtete den klaren Tropfen, der an dem Gefäß herab auf ihre Finger rann. | |||
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