Chronik.Ereignis1044 Aufstieg der Cordellesa 12

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Punin, 28. Phex 1044

Autor: Kanzler


Rafik von Taladur hatte einen angenehmen Tag hinter sich gebracht: Nach dem Aufstehen hatte er sich ein ausgiebiges Bad genehmigt, dann war er zum pläsierlichen Plausch mit dem Fürsten gegangen und am Nachmittag, nach dem Paraphieren einiger Dokumente, zum Tee mit Eregion Drapari, einem vielversprechenden Aspiranten der Almadanischen Hofkanzlei, dem es aber noch an gesellschaftlichem Umgang fehlte. Im Teehaus wollte er ihm einmal mit dem novadischen Hausherrn konfrontieren, der ihn mit seinen unkonventionellen Ansichten zur Reichstreue herausfordern sollte. Das hatte er alles mit jenem abgesprochen, und Rafik freute sich wie ein junger Wüstenfuchs auf die Reaktion und Aktion seines Zöglings.

Sie saßen da also im Teehaus, die beste Gesellschaft Punins um sie herum, als überraschend ein Bote herbeieilte. „Kanzler Rafik?“, rief dieser aufgeregt und sichtlich außer Puste. „Hier“, antwortete der Gesuchte, „und es heißt: ‚Euer Exzellenz von Taladur!‘“ Eregion setzte sich steif aufrecht, als er die Rüge gegenüber einem Dritten vernahm, doch Dom Rafik schmunzelte. Das war ein guter Tag, die Sonne schien, der Tee schmeckte ganz vorzüglich, sein Zögling schlug sich bei der Konfrontation mit dem Novadi viel besser als erwartet, wenngleich auch viel zu ‚korrekt‘, und er wollte einfach nur ein wenig Spaß mit dem jungen Boten haben.

„Verzeiht, Eure Exzellenz von Taladur, ich komme geradewegs von der Hofkanzlei gelaufen, wo man mir versicherte, wo Ihr zu finden seid.“ – „Nun, aber er ist nicht VON der Hofkanzlei, ist er nicht, oder?“, entgegnete Rafik immer noch schmunzelnd, wobei er überlegte, ob er noch etwas von dem süßen Honiggebäck naschen sollte, doch eigentlichen hatte er davon schon zu genüge. „Hier, stärke er sich, Bursche, und dann sage er doch einfach, was ihn zu mir führt.“

Der Bote schaute überrascht auf das ihm entgegengereichte, augenscheinlich teure Honiggebäck, was er schließlich zögerlich entgegennahm und mit unerwartetet aufsteigendem Entzücken vernaschte. Eregion zog aufgrund der doch sehr freundlichen Geste seines Lehrmeisters einem dahergelaufen Laufburschen gegenüber nur spitz eine Augenbraue hoch, was Rafik zum Lachen brachte. „Wollen wir uns alle entspannen? Geselle er sich zu uns und sage er uns, was ihn denn aus der Waldwacht, genauer gesagt vom Hof der Gräfin Groschka schnurstracks zu uns führt.“ Nun schauten ihn beide junge Männer überrascht an. „Die Farben Eures Rockes, das wilde Haar, der doch leicht ungepflegte Bart, die vollkommene Unkenntnis novadischer Köstlichkeiten und, nun, das Siegelwappen auf der Schriftrolle in Eurer Hand… Eregion, das hast Du doch auch sogleich erkannt…?“ – Der Halbelf schwieg, er wusste, dass der Kanzler die Antwort bereits kannte und gar nicht hören wollte. Außerdem liebte es Dom Rafik, vor anderen rhetorisch zu brillieren, und dem Eitlen sollte man seine Aufmerksamkeit nicht nehmen, erst recht nicht wenn man in einem Dienstverhältnis zu diesem steht.

Der Bote räusperte sich und überreichte dem Kanzler die Pergamentrolle. Der brach das Siegel und gab die Schriftrolle sogleich zurück. Die beiden jungen Männer wechselten fragende Blicke. „Ah, Eregion, sei so nett und erkläre dem Boten – wie war doch noch sein Name? – was das zu bedeuten hat…“. Der unverhofft in die Initiative Gebrachte verkrampfte erneut, überlegte kurz und sagte dann nüchtern: „Seine Exzellenz hat wieder einmal sein Leseglas vergessen. Lese er also bitte das Schreiben von Gräfin Groschka vor.“ Rafik grinste, er war sehr zufrieden mit Eregion, wenn man auch noch etwas an seiner Lockerheit zu arbeiten hätte. Dann nickte er dem Boten aufmunternd zu.

Dieser begann zu lesen:

„Hochgeehrter Kanzler, ich grüße Euch im Namen von Groschka, Tochter der Bulgi und des Rabosch von Waldwacht, untertänigst. Im Lichte der jüngst ergangenen Aufforderung Eurerseits, das vakante Amt des Administradors unseres Eigengutes mit gebotener Sorgfalt neu zu besetzen, möchten wir Euch hiermit in Kenntnis setzen, dass dieser Forderung nunmehr Genüge getan wurde. Die Wahl ist nach reiflicher Erwägung und unter Berücksichtigung aller gräflichen Pflichten gefallen.

Die Einführung des neuen Amtsinhabers Guillermo Jandur Cordellesa, wird im Rahmen einer angemessenen, jedoch zurückhaltend gehaltenen Zeremonie in der Grafenhalle auf Castillo Spähricht am 2. Peraine 1044 erfolgen. Im Geiste der gegenseitigen Wertschätzung zwischen unseren Völkern und zum Zeichen diplomatischer Verbundenheit wäre Eure Anwesenheit von Vorteil. Die Feierlichkeit findet statt am 26. Peraine 1044, zur Abendstunde auf der Hacienda Caballata der Cordellesa.

Wir verbleiben mit der gebotenen Achtung und in Erwartung höflicher Rückmeldung, Gezeichnet, Gräflicher Banus“

-Brief an Dom Rafik von Taladur ä. H., Phex 1044 BF


Eregion stand das Entsetzen auf dem Gesicht geschrieben. Rafik begutachtete seinen Zögling sorgsam und nickte. „Der Banus also. Nicht die Gräfin. Er schreibt in ‚gebotener Achtung‘, das klingt nicht besonders … herzlich. Tut es das, Eregion?“ Der Angesprochene neigte nur den Kopf zur rechten Seite, was einem „Nein“ gleichkam. Rafik kannte das schon. „Aber andererseits ist es doch schön, dass die Gräfin Groschka meiner ‚jüngst geäußerten Aufforderung‘ – es war eigentlich eine ganz freundlich geäußerte ‚Empfehlung‘ – von vor gefühlt einem Götterlauf endlich nachkommt, und dieses wichtige Amt nachbesetzten wird. Ein Amt, das einst von meiner Familie ausgefüllt wurde, nicht wahr?“ – Eregion neigte seinen Kopf leicht nach links. „Aber mein Oheim war, nun … er war mein Oheim. Und das mag das Beste sein, was wir heute hier von ihm sagen wollen.“

Rafik grübelte für eine Weile, was den anderen Männern Unbehagen zu bereiten schien. Der Bote begann schließlich leicht auf seinem Stuhl hin und her zu wippen. „Ah, er wartet ja auf ‚höfliche Rückmeldung‘“, stellte der Kanzler mit einem wieder freundlicheren Tonfall fest. Wer war nur dieser Cordellesa? Dom Rafik hatte keine Ahnung, das war ein in Punin vollkommen unbeschriebenes Blatt. Eine Überraschung – war das gut oder schlecht? Jedenfalls hätte er keinen direkten Einfluss auf ihn, jedenfalls noch nicht. Das würde er ändern müssen. Allein deshalb musste er in die Waldwacht reisen, um den Mann und seine Familie kennen zu lernen, seine Stärken und Schwächen. Vor allem seine Schwächen.

„Also, notiere er meine außergewöhnlich höfliche Rückmeldung.“ Der Bote kramte eilige Schreibzeug aus seiner Tasche.

„Werter Banus Ihrer hochwohlgeborenen Gräfin Groschka der Waldwacht
Nehme er meinen Dank für Euer aufschlussreichen Schreiben, das mich in ausgesprochen geselliger Runde erreichte. Die Kunde, die er bringen ließ, trug zur heiteren Stimmung unseres kleinen Beisammenseins bei Tee und Honiggebäck vorzüglich bei. Mit Bedauern muss ich allerdings mitteilen, dass Euer Bote auf mein Drängen hin das letzte Gebäck vernascht hat, so dass ich ihm leider keine Sendung desselbigen machen kann.

Nun, Ihre Hochwohlgeboren, Gräfin Groschka, Tochter der Bulgi und des Rabosch von Waldwacht, hat also endlich die besagte Vakanz gefüllt. Ich bin ausgesprochen erleichtert, dass Ihre Hochwohlgeboren meinen Rat in einer für ihr Volk rasanten Zügigkeit nachgekommen ist. Der Erleichterung mehr zeige ich mich ob der zweifellos vorzüglichen Wahl für die Bestallung des neuen Vogtes. Die Familia der Cordellesas ist in der Hofkanzlei bestens bekannt und aktenkundig. Gerade die Wahl dieser Personalie unterstreicht einmal mehr die Weitsicht und Klugheit Ihrer Hochwohlgeboren. Meinen Respekt und meine Dankbarkeit. Mit dem Cordellesa werden wir vorzüglich zusammenarbeiten und seinen weiteren Aufstieg ausgesprochen aufmerksam beobachten.

Habt zudem meinen Dank für die Einladung, wenn auch nicht zur Amtseinführung auf Feste Spähricht selbst, so doch zur Fiesta auf dem bescheidenen Gut der Cordellesas. Ich stimme Euch einmal mehr vollen Herzens zu, dass meine Anwesenheit sehr von Vorteil sein wird. Vor allem für mich selbst.

So nehmt denn meinen geziemenden Gruß – und richtet der Gräfin Groschka meine tiefste Hochachtung aus. Wir wissen, wie sehr beschäftigt Ihre Hochwohlgeboren ist, um selbst zu schreiben.

gez. Rafik Listhelm Maldonado von Taladur älteres Haus, Kanzler des Königreichs Almada, Reichsbaron von Kaiserlich Molay und Erster Cronrat des Fürsten von Almada“

Schweigen. Eregion schaute ungläubig – das war keinesfalls besonders höflich –, der Bote erschrocken – er würde das dem Banus vortragen müssen. Doch Rafik war höchst zufrieden, klatschte in Vorfreude auf jenes Fest in die Hände und stellte vergnügt fest: „Das war’s.“