Chronik.Ereignis1033 Feldzug Schrotenstein 12

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In der Baronie Schrotenstein, 4. Rondra 1033 BF

Am Südufer des Schwarzen Sees


4. Rondra 1033 BF, am frühen Nachmittag

Autor: SteveT

Während sich die Frauen und Männer seines Aufgebots erschöpft zu Boden fallen ließen oder ihre dreck- und blutverkrusteten Gesichter im dunkelgrünen Wasser des großen Sees von Schrotenstein wuschen, blickte Azzato von San Owilmar mit zusammengekniffenen Augen zu dem kleinen Eiland unweit des Südufers hinüber, auf dem sich die Überreste eines einstmals stolzen Castillos erhoben. Heute war ein Großteil der Mauern stark beschädigt; zahlreiche Geröllhaufen am Fuße der Mauern, über denen sich gewaltige Lücken auftaten, durch die der schwarzbewölkte Himmel durchschien, gaben Zeugnis davon, dass das Castillo schon vor langer Zeit aufgegeben oder zumindest nicht mehr ausgebessert worden war.

Einige gutgenährte braun-weiß gefleckte Ziegen, die auf dem Inselchen herumstreunten, hätten jedoch auch dann seinen Verdacht erweckt, wenn Vogtin Praiosmin nicht so einen unverschämten Erpresserbrief von hier aus erhalten hätte. Ziegen waren ihm eigentlich nicht als die geborenen Wassertiere und begeisterten Schwimmer bekannt. Irgendjemand hatte die Viecher dort hinüber gerudert und dieser jemand lebte wahrscheinlich auch heute noch in der Ruine!

Er ging ebenfalls zum Wasser hinunter, schöpfte mit beiden Händen eine Portion des erstaunlich kalten Wassers und spritzte sie sich ins Gesicht. Zufrieden betrachtete er sein Spiegelbild in den gekräuselten Wellen und drehte den Kopf ein wenig zur Seite, um sein schönes Profil auch von beiden Seiten begutachten zu können. Befriedigt strich er sich die pomadengetränkten Haare zurück. Gut: Seine Schönheit hatte durch den Kampf mit den Schrotensteiner Tölpeln keinen Makel erlitten.

Sein Blick fiel auf diese verfluchte Unruhestifterin, Morena von Harmamund, der es weitaus schlechter ergangen war. Eines der beiden Amazonenweiber hatte ihr eine hübsch tiefe Armwunde geschlagen, sodass sie nun leichenblass und mit schmerzverzerrtem Gesicht im Gras lag, während ihr eine Selaquer Schneiderstochter, die auf Castillo Albacim in das Aufgebot gepresst worden war, einen notdürftigen Verband anlegte, den sie aus dem Cape der Harmamund zurecht geschnitten hatte. Der bärtige Lump, der die Harmamund wie ein Leibwächter begleitete, Dom Berengar oder dergleichen, stand ein paar Schritte abseits und sah wie er selbst zu der Ruine von Castillo Briesach im See hinüber.

Einige hundert Schritt weiter, am Fuße von etwa fünfzig oder sechzig Schritt hoch aufragenden Klippen aus dunkelgrauem Gestein, dümpelte ein verlassenes Ruderboot im leichten Wellengang des Sees. Offenbar ein aufgegebener Fischernachen. Ein leichtes Grinsen schlich sich auf Azzatos Gesicht, als ihm ein Gedanke kam, wie er Domna Morena die Sache mit dem angeblichen Techtelmechtel mit der schönen Grafentochter heimzahlen konnte.

"He! Alle mal herhören!", rief er laut und klatschte in die Hände, worauf alles Gemurmel der zwangseingezogenen Rustikals sofort erstarb. "Dort drüben liegt das Castillo, auf dem die verfluchte Verräterin Rifada da Vanya angeblich gefangen gehalten werden soll! Ich werde zunächst einmal Kundschafter dort hinüber schicken, um zu wissen, woran wir sind. Ihr beide" - er deutete auf Morena und Berengar – "seid unsere Kundschafter!" Er deutete auf den vertäuten Nachen am Fuße der Trauerklippen. "Dort drüben liegt ein Boot! Los! Ein paar Mann schwimmen dort rüber und holt es hierher, damit unsere tapferen Kundschafter übersetzen können!"

Die jungen Burschen, in deren Richtung er den letzten Befehl gesprochen hatte, warfen sich untereinander wenig begeisterte Blicke zu. Der Schwarze See war verflucht, hieß es. Lebten nicht gerade hier am Südufer die Wassergeister derjenigen, die sich von den Trauerklippen in den Tod gestürzt hatten?

"Na was ist denn?", fragte Azzato von San Owilmar missbilligend mit hochgezogener Augenbraue, worauf die Burschen doch mit verkniffenen Gesichtern ihre Hemden auszogen und ins eiskalte Wasser stiegen, um das Boot herbeizuholen.


Autor: SteveT

Wie einst Admiral Sanin auf seinen Entdeckungsfahrten stand Azzato von San Owilmar aufrecht am Bug des Schiffes und blickte gespannt zu dem kleinen Eiland hinüber. Er näherte sich der Insel und der darauf aufragenden Ruine der einstigen Wasserburg Briesach immerhin als Commandant einer Eroberungsstreitmacht – da spielte es für ihn auch keine Rolle, dass sein "Schiff" bloß ein zwangsrequirierter Fischer-Nachen war und dass seine "Bootsmannschaft" im Moment nur aus den beiden Aufwieglern und Unruhestiftern Morena von Harmamund und Berengar di Cornimo bestand, die er so gut unter seiner Kontrolle hatte. Jetzt war er einmal gespannt, wer dieser Gasparo von Briesach war, der seiner Herrin Praiosmin so ein dreistes Schreiben gesandt hatte – nur ein Gesetzloser oder ein Vollidiot würde freiwillig in einem derart zerfallenen Gemäuer auf einer götterverlassenen Insel inmitten eines riesigen Sees hausen.

Das Boot geriet kurzzeitig ins Schlingern, als der an den Rudern sitzende Berengar einmal die Ruderblätter falsch eintauchte. Es war ihm deutlich anzumerken, dass diese Art der Fortbewegung Neuland für ihn war.

"Passt doch auf. Unglücksseliger! Wollt Ihr uns alle umbringen? Ich kann nicht schwimmen und verspüre keinen Drang, mit Efferds kühlem Element Bekanntschaft zu machen!", schalt ihn Azzato.

Die leichenblass im Heck des Nachens kauernde Morena von Harmamund hob schwach den Kopf: "Wollt Ihr damit sagen, dass ein erwachsener Mann wie Ihr nicht schwimmen kann?" Es entging Dom Azzato, wie sie und der rudernde Condottiere einen gefährlichen Blick tauschten.

"Natürlich nicht!", schnaubte der Caballero verächtlich. "Wo und wozu hätte ich es denn lernen sollen?" Diese verfluchten Ragatier konnten wirklich saudumme Fragen stellen! Er war am Rande eines neuntausend Schritt hohen Gebirges geboren – das nächste Gewässer, die Selaqua, reichte ihm selbst bei Hochwasser nur bis zu den Oberschenkeln. Für was brauchte er da Schwimmen zu lernen?

Einige Augenblicke später lief das Boot knirschend auf Grund, das Eiland war fast erreicht. Azzato sprang wagemutig hinüber ans Ufer und zog den Nachen heran. Wie ihm schon während der Überfahrt aufgefallen war, war auf der gesamten Insel nach wie vor keine Menschenseele zu sehen. Er zog sein Rapier und reckte es in übertriebener Geste hoch in die Luft. "Mir nach! Holen wir uns diese Aufrührerin und Verräterin!"

Berengar di Cornimo erhob sich weitaus weniger begeistert, aber auch er zog sein Schwert. Morena von Harmamund dagegen winkte ermattet ab und blieb im Boot sitzen, die Augen geschlossen.

"Was stinkt hier so, dass Travia erbarm?", fragte Dom Azzato, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten, da Berengar mit Sicherheit ebenso zum ersten Mal auf dieser Insel war wie er selbst. Nach wenigen Schritten wusste er es. Unweit eines Anlegesteges am nördlichen Ufer der kleinen Insel, an dem ein weiterer Kahn vertäut war, lagen zuerst die zerfetzten Kadaver zweier Ziegen, die irgendjemand geradezu entzweigerissen zu haben schien. Auf dem Steg dagegen lag der Leichnam eines vielleicht 17- oder 18-jährigen Knaben in grün-schwarzem Wappenrock, der ebenfalls von schrecklichen Wunden verunstaltet war, die violett-schwarz schimmerten.

Dom Azzato zog sein Taschentuch hervor und presste es sich angeekelt auf Mund und Nase: "Geht nicht näher heran!", warnte er Berengar. "Das sieht mir nach einer schrecklichen Sieche aus! Womöglich die Zorgan-Pocken?"

Er hielt fünfzehn Schritte Abstand zu dem Toten und schritt mit äußerst ungutem Gefühl auf die Castillo-Ruine zu.

"GASPARO VON BRIESACH!", rief er, so laut er konnte. "KOMMT HERAUS, UM EUER LÖSEGELD ZU EMPFANGEN!" Niemand antwortete ihm, nichts regte sich. Mit einem Stiefeltritt trat er die Reste der ohnehin zerstörten Eingangstür aus den Angeln.

Im Inneren des Castillos stank es noch viel stärker – aber eigentlich nicht nach Krankheit und Tod, sondern eher so, wie es in der Nähe der heißen Quellen im Raschtulswall stank, nach Schwefel und anderen Alchemisten-Dämpfen.

Dom Azzatos Blick fiel auf den Leichnam eines weiteren Mannes, eines bärtigen Hünen, der über zwei Schritt groß gewesen sein musste und Arme so dick wie zwei Baumstämme gehabt hatte. Sein Anblick war so schrecklich, dass Azzato würgen musste und sein Frühmahl wieder von sich gegeben hätte, wenn er denn überhaupt eines im Magen gehabt hätte. Das Genick und viele Knochen im Leib des Mannes waren gebrochen und seine inneren Organe lagen um ihn herum im völlig verwüsteten Raum zerstreut.

"Ihr Götter! Wenn sie wirklich hier war, so ist sie entkommen! Aber wie stark und grausam muss diese Rifada da Vanya sein, wenn sie einen solchen Troll von einem Mann so zurichten kann?", fragte er stockend. Es kam keine Antwort. Er sah sich nach Berengar di Cornimo um, der nirgendwo zu sehen war. War ihm dieses Hasenherz überhaupt in die Ruine gefolgt? Der Caballero taumelte ins Freie und atmete dort trotz des Gestanks erst einmal aus und ein. Sein Gesicht verlor aber sofort noch weiter an Farbe, als er Berengar wieder erblickte – erblickte, wie er gerade den Nachen vom Ufer abstieß und sich selbst hinein schwang, während die überraschend schnell wieder genesene Morena von Harmamund die Ruder eintauchte und mit verkniffenem Gesicht durchzog.

"He, he! Was wird denn das? Wartet auf mich! Wir haben die Gefangene noch nicht gefunden!", brüllte Azzato und rannte zum Ufer. Das Boot war aber bereits zehn Schritt entfernt in die tieferen Regionen des Sees geglitten, und die Harmamund winkte ihm gar noch zu in ihrer Dreistigkeit.

"Verdursten werdet Ihr nicht, mein Lieber", spottete sie und deutete ringsumher über die weite Spiegelfläche des Sees. "Nichts als Wasser – soweit das Auge reicht! Fangt Euch ab und zu mal einen Fisch und betetet, dass irgendwann einmal Fischer vorbeikommen, die Euch aufsammeln! Unsereins ist Eurer Gesellschaft leider schon überdrüssig!"

"Ihr verfluchten Verräter und Deserteure! Kommt zurück!", tobte Azzato wie ein Irrsinniger und sprang am Ufer auf und ab. Selbst als sie schon fast wieder das Festland erreicht hatten, konnten sie ihn auf der Insel noch wilde Gesten vollführen sehen.


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 12