Chronik.Ereignis1033 Feldzug Kornhammer 02

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Königlich Kornhammer, 02. Rondra 1033 BF

Auf Burg Scheffelstein


02. Rondra, am frühen Nachmittag

Autor: von Scheffelstein

Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein blickte aus dem Fenster des Palacios. Es war brütend heiß an diesem Tag, die Sonne fiel durch die hohen Fenster der Halle, und kein Wind brachte Erleichterung. Die Menschen aber, die in der Unterburg und inzwischen auch hier in der Hauptburg zu seinen Füßen lagerten, hatten nicht einmal ein Dach über dem Kopf, das sie vor Praios' flammendem Auge schützte. Manche hatten Tücher und Decken an Holzpflöcken über sich aufgespannt, und wer konnte, zog sich in den Schatten der Mauern zurück, doch die meisten waren der sengenden Sonne ausgeliefert.

Bis zum Mittag waren zwei alte Männer und eine kränkliche Frau gestorben, und es stand zu befürchten, dass Weitere der Hitze zum Opfer fielen, ehe der Tag sich neigte. Am Vortag war eine Bäuerin am Kindbettfieber gestorben, und im Laufe der letzten Woche hatte der Flinke Difar zwei Alte und drei Kleinkinder das Leben gekostet.

Die Ferkinas machten keine Anstalten, ihre Belagerung aufzugeben, im Gegenteil: Vor zwei Abenden war ein ganzer Haufen bewaffneter Wilder aus dem Süden eingetroffen. Anfangs schien es, als wären die Barbaren sich uneins, wer im belagerten Kornhammer das Sagen hatte, aber nach einigen Prügeleien schienen die Ferkinas sich verständigt zu haben, und seither ließen sie ihren Zorn an den Unglücklichen aus, die es nicht rechtzeitig aus dem Umland nach Burg Scheffelstein geschafft hatten.

Gestern Abend hatten sie vier junge Bauern von Hunden nackt durchs Dorf hetzen lassen. Einer war von den Tieren zu Tode gebissen, die anderen verwundet worden. Den Überlebenden hatte man Waffen gegeben und sie gegen drei Krieger der Barbaren antreten lassen. Es war ein Schlachtfest geworden: Gegen die kampfgestählten Männer hatten die Bauern nichts ausrichten können.

"Herr, entschuldigt!" Zalamea Mansarez betrat den Raum mit einem Firunsgesicht. "Verzeiht Herr ... schlechte Nachrichten."

Hesindian sah die Hauptfrau fragend an.

"Herr, sie ..." Zalamea presste die Lippen zusammen. "Die ... Ferkinas ... verspotten uns. Sie ..."

"Sie verspotten uns?", fragte Hesindian mit hochgezogenen Augenbrauen.

Die Hauptfrau nickte, dann räusperte sie sich und nahm Haltung an. "Entschuldigt, Herr! Die Wilden ... haben einige weitere Bauern gefangen genommen. Sie haben die Männer enthauptet und die Köpfe auf Pfähle gespießt. Jetzt sind sie gerade dabei ... die Frauen zu schänden. Vor unseren Augen."

Hesindian warf einen Blick aus dem Fenster, doch das Dorf Kornhammer war von hier aus nicht zu sehen. "Ich nehme an, sie sind außerhalb der Reichweite der Bogenschützen?"

"Einen haben wir erwischt, Herr! Aber auf die Entfernung ist es ein Glücksspiel. Das wissen die genau. Leider konnten wir ... die Geschehnisse nicht vor den Menschen verborgen halten. Die Leute werden unruhig. Einige der Bauern wollten schon die Burg verlassen, um den Wilden mit Mistgabeln und Äxten entgegenzutreten."

"Es sind Hunderte da draußen", sagte Hesindian.

"Ja, Herr. Es werden immer mehr. Wir sind nur zehn. Und keine Nachricht von den Kaiserlichen aus Tolaks Turm. Wir müssen davon ausgehen, dass sie tot sind. Was sollen wir tun?"

Hesindian strich sich durch den Bart und trat vom Fenster zurück, in den Schatten. "Noch immer keine Nachricht aus Aracena? Oder aus Punin?"

"Nein, Herr!", antwortete Zalamea.

Vielleicht waren die Tauben nicht angekommen. Und falls doch: Zumindest der Kaiser hatte nun anderes zu bedenken, als sich um ein paar geschändete Bauern zu kümmern, jetzt, wo in vier Tagen seine Hochzeit mit der Kalifentochter war, dachte Hesindian grimmig. Nichtsdestotrotz würde er eine weitere Nachricht schicken, um der Vasallenpflicht genüge zu tun. Hoffnung auf Antwort machte er sich wenig.

Allerdings musste er irgendetwas unternehmen, um sein Gesicht vor seinen Untertanen und den Ferkinas nicht zu verlieren. Er hatte gedroht, den Zorn des Mondes auf die Wilden herabzurufen, wenn diese sich an seinen Bauern vergingen. Auf was für ein unsinniges Spiel hatte er sich da nur eingelassen? Er hatte nichts, um seine Drohungen wahr zu machen. Oder doch?

"Caneya", wandte er sich an die Leibdienerin, die still in einer Ecke des Raumes stand, "hole mir Briefrollen, Feder und Tinte, ich will erneut Botschaften nach Punin und Aracena senden."

"Sehr wohl, Euer Hochgeboren. Doch verzeiht: Wir haben keine Tauben mehr aus Aracena."

Hesindian seufzte, die Dienerin verbeugte sich und verließ den Raum. Blieb noch das Problem mit den Übergriffen der Ferkinas und ihrer seltsamen Furcht vor dem Mond. Allzu großen Respekt schienen die Wilden aber nicht vor seiner vermeintlichen Freundschaft mit 'dem Mond' zu haben. Zumindest, seit die neuen Krieger eingetroffen waren, schienen die Wilden sich gegenseitig beweisen zu müssen, wer furchtloser oder grausamer war.

"Zalamea, ich wünsche mit dem Magus des Dorfes zu sprechen, Magister Sadranius. Führe ihn herauf."

Das Gesicht der Hauptfrau war eine einzige Frage, aber sie nickte nur, entbot ihm respektvoll den rondrianischen Gruß und ging.

Caneya kehrte zurück. Hesindian setzte einen Brief an den Kaiser auf, zerknüllte das Papier jedoch nach den ersten Sätzen. Es war sinnlos: Der Brief würde von irgendwelchen Hofschreibern gelesen, der Inhalt an irgendwelche Hofbeamten übermittelt und von diesen in einem Nebensatz dem Kaiser vorgetragen werden, wahrscheinlich mit den Worten "Eure Kaiserliche Majestät, der Zustand im Osten des Landes ist unverändert."

Er würde gleich dem Marschall schreiben. Vielleicht bekäme dieser die Botschaft immerhin persönlich in die Hände. Wahrscheinlich käme der Entsatz dennoch nicht schneller nach Königlich Kornhammer, aber möglicherweise half es dem Marschall immerhin bei der militärischen Einschätzung der Lage. Ferkinas, die eine Burg belagerten. Wer hatte so etwas schon einmal gehört?

'Zu Händen des Gwain Isonzo von Harmamund, Reichserzmarschall des Neuen Reiches, Reichsvogt von Kaiserlich Omlad. Hoch verehrter Dom Gwain, Eure hochgeborene Exzellenz, hiermit erlaube ich mir, Euch in Kenntnis zu setzen über die augenblickliche militärische Lage im Königlichen Eigengut Kornhammer. Das Castillo Scheffelstein ist von der Versorgung weitgehend abgeschnitten. Derzeit haben etwa eintausend Bauern und Bürgerliche Zuflucht in der Burg gesucht. Etwa zweihundert Ferkinas halten die Ortschaft Kornhammer besetzt ...'

Was, wenn er die Bauern bewaffnen und gegen die Wilden ins Dorf schicken würde? Sie waren in der Überzahl! Aber, nein, er hatte ja gesehen, wie die jungen Männer am Vorabend von den Ferkinas niedergemetzelt worden waren. Selbst wenn es nur Hundert Wilde wären - gegen ausgebildete Krieger konnten ein paar Bauern mit Heugabeln nichts ausrichten.

Hesindian beendete seinen Bericht mit dem Wenigen, was er über die restliche Vogtei wusste, streute Löschsand auf das Blatt, drehte es dann um, um Titel und Namen des Marschalls an den oberen Rand der Rückseite zu schreiben, rollte das Papier zusammen und siegelte es.

Als er aufsah, um Caneya die Botschaft zu reichen, fiel sein Blick auf das Porträt seiner lieben verstorbenen Gemahlin, Richeza der Älteren. Ach, ihr Götter! Sollte er nun auch noch seine Enkeltochter verlieren, die ihrer Großmutter so ähnlich und ihm teuer wie ein eigenes Kind war?

Fast drei Wochen war es her, seit Richeza die Jüngere Scheffelstein verlassen und nach Kaiserlich Selaque aufgebrochen war. Drei Wochen ohne irgendeine Nachricht. Vermutlich irrte sie zusammen mit ihrer Tante und dem Dubioser Baron irgendwo durch den Raschtulswall, auf der Suche nach Richezas Vetter Praiodor. Aber wenn in Selaque auch nur halb so viele Wilde herumliefen wie hier in Kornhammer – welche Hoffnung durfte er haben, dass sie überhaupt noch lebte?

Das Leiden des Bangens, hieß es, kenne nur zweierlei Heilung: Die Erleichterung und die Enttäuschung. Und beide erlangte man nur durch Gewissheit.

Hesindian nahm eine zweite Briefrolle zur Hand und schrieb:

'Zu Händen der Rifada Jezebela Almadina da Vanya, Junkerin von Vanyadâl. Meine teure Domna Rifada, abermals möchte ich Euch meinen innigsten Dank dafür aussprechen, dass Ihr Euch erboten habt, zwei wachsame Augen auf meine Großtochter und Eure Nichte Richeza zu haben. Mögen die Herrin Rondra und der Herr Phex Eure Suche nach dem Knaben Praiodor mit Erfolg bescheiden. Bitte sendet mir Nachricht, sobald Ihr diese Taube erhaltet. So Richeza noch bei Euch weilt, sendet sie vorerst nicht zurück nach Kornhammer. Die Königliche Baronie ist vollständig von Bergwilden besetzt, eine Reise von Selaque oder Falado nach Scheffelstein zu gefährlich. Sofern die Lage in Kaiserlich Selaque sich günstiger darstellt, wäre ich Euch zutiefst verbunden, wenn Ihr sie noch einige Zeit in Eurer Obhut behieltet, anderfalls bitte ich Euch, sie zu meinem Bruder nach Ragath zu schicken. Mögen die Götter Euch segnen! Euer ergebenster Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein, Cronvogt zu Königlich Kornhammer, Junker zu Scheffelstein.'

Aller guten Dinge waren drei. Und so wandte sich Hesindian in einem dritten Schreiben an die Reichsvogtin Praiosmin von Elenta. Er bedauerte, den von Ihr erbetenen militärischen Entsatz aus gegebenen Gründen nicht leisten zu können und schilderte die verzweifelte Lage in seinem eigenen Lehen. Weiterhin bat er sie um Nachricht über die Zustände in Kaiserlich Selaque und schloss auch hier mit einer persönlichen Bitte:

'... Hoch geschätzte Domna Praiosmin, sollte Euch etwas über Aufenthalt oder Verbleib meiner Großtochter Richeza von Scheffelstein zu Ohren kommen, wäre ich Euch aufs Äußerste verbunden, würden Eure Hochgeboren mir umgehend Nachricht zukommen lassen. Domna Richeza hat am dreizehnten Tage des Praiosmondes Castillo Scheffelstein in Begleitung Eurer Vasallin, Ihrer Wohlgeboren Domna Rifada da Vanya, und des Barons von Dubios, Seiner Hochgeboren Hernán von Aranjuez verlassen, um nach dem Verbleib meines vermissten Großneffen Praiodor von Culming-Alcorta und seiner Mutter, Ihrer Hochgeboren Fenia von Culming, zu suchen, welche auf der Suche nach einem Heilkundigen in den Raschtulswall aufgebrochen waren. Ich danke Eurer Hochgeboren und erbitte der Götter Beistand für Eure Hochgeboren in diesen schweren Zeiten.'

Er unterzeichnete, adressierte und siegelte auch diese Briefe und hielt sie Caneya hin.

"Schicke den ersten Brief nach Punin. Wahrscheinlich wird der Marschall zur Hochzeit des Kaisers bereits angereist sein. Diese Briefe sende nach Kaiserlich Selaque, den hier zum Castillo da Vanya, den anderen zum Castillo Albacim."

"Euer Hochgeboren!" Caneya verneigte sich und verließ mit den Briefen die Halle.

Hesindian zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Da Caneya gegangen war, trat er selbst zu einer Anrichte in einer Nische des Raumes und goss sich verdünnten Wein in einen Becher. Kaum hatte er sich wieder gesetzt, als abermals die Tür aufging, und ein junger Diener, dessen Name ihm entfallen war, und ein alter Mann in zerschlissener blauer Robe die Halle betraten.

"Euer Hochgeboren, der hochgelehrte Herr Magister Sadranius."



Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 02