Chronik.Ereignis1032 Nach dem Reichskongress (Windhag) 02
Markgrafschaft Windhag, 1. Rahja 1032 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf Burg Weißenstein[Quelltext bearbeiten]
Autorin: Benutzer:Yanis di Rastino
Regen tropft von den Dächern auf das unregelmäßige Kopfsteinpflaster. Der Tag ist grau und trist, der Hof der Burg Weißenstein leer.
"Es sollte nicht regnen", murmelt die unbewegte Person am Fenster. Mit einer Hand hält sie den dicken Samtvorhang zurück, der Kälte und Wind aussperrt. Die andere ruht locker auf den dunkelgrauen Seidenröcken, die mit glitzernden Steinen bestickt sind. Das Haar der kleinen Frau ist nicht mehr ganz schwarz, sondern beginnt zu ergrauen. Die Augen, die von vielen Lachfältchen gekränzt sind, blicken jetzt ernst und nachdenklich. In ihrer Haltung gleicht Yanis di Rastino mehr einer Statue denn einer Lebenden.
"Wir sind im Windhag", sagt Rondrigan Paligan, der bei einem schweren Schreibtisch steht. Der Reichsgroßgeheimrat legt entspannt die Hände hinter dem Rücken zusammen. Alle Gespräche waren getan, alle notwendigen Eide geleistet. Obwohl dies mehr ein gesellschaftliches Treffen denn eine politische Unterredung war, hatte er nicht damit gerechnet, mit der Baronin von Nordhain über das Wetter zu sprechen. "Ich habe mir erklären lassen, dass dies bestes Kaiserwetter sei. Angeblich beweist Efferd, wie sehr er die Kaiserin liebt."
"Es sollte trotzdem nicht regnen." Die zarte Frau zieht den Vorhang wieder vor das Fenster und dreht sich um; die Röcke rascheln leise. Dann fährt sie mit einem traurigen Lächeln fort: "Heute beginnt das Fest der Freuden. Es sollte ein Gesetz dagegen geben, dass es an diesem Tag regnet."
"Ihr seid für die Einführung neuer Gesetze, Frau Yanis?" Rondrigan zieht erstaunt eine Augenbraue hoch. "Und gleich wollt Ihr mir erzählen, dass Praios' in seiner Weisheit beschlossen hat, das Sonnenrad morgen im Efferd aufgehen zu lassen, was?"
"Nein", sagt Yanis und tritt vom Fenster weg. "Das würde ich nie tun. Der Herr Praios hat sich bestimmt etwas dabei gedacht, das alles ist, wie es ist."
"Was werdet Ihr nun tun, Hochgeboren?", fragt Rondrigan. "Ihr habt Euch in Almada viele Feinde gemacht."
Die Adlige nickt. "Das habe ich. Aber ich habe auch überraschend viele Freunde gewonnen."
"Ihr meint Eure Besprechung mit der Gesandtschaft Almadas?"
"Eben die. Ich hatte mit Empörung, mit Ablehnung, mit geworfenen Fehdehandschuhen gerechnet. Nichts dergleichen ist geschehen." Yanis schaut auf und blickt Rondrigan ins Gesicht. Ihre grauen Augen funkeln klar und intelligent.
Doch eine gewisse Härte im Blick der Frau lässt den Großgeheimrat stutzen. Er hatte Yanis di Rastino vor Jahren als eine fast katzenhaft verspielte Frau kennengelernt. Wann mochte sich das geändert haben? Mit dem Tod ihres Gemahls, ihrer Tochter? 'Sie trägt ihren Humor und ihre Ironie vor sich her wie ein Ritter seinen Schild', dämmert es Rondrigan. 'Sie scherzt nur äußerlich.' Ein weiterer Stein im Mosaik des Charakters dieser Frau, den man sich merken muss.
Als hätte die Baronin seinen allzu tief forschenden Blick bemerkt, wendet sie den Blick ab, hin zu einem Gemälde des Herrn Efferd inmitten seiner Sieben Winde. "Die Reaktion der Magnaten in dieser Besprechung hat mir Hoffnung gemacht."
"Hoffnung worauf, Frau Yanis? Dass Selindian von Gareth den Forderungen der Kaiserin nachgibt?"
Yanis schüttelt den Kopf. "Nein, Dom Rondrigan, das wird er nicht. Ein Kind wirft sein Spielzeug nicht freiwillig fort, es sei denn, es ist zerbrochen. So weit dürfen wir es nicht kommen lassen." Sie seufzt. "Ich habe Hoffnung darauf, dass noch nicht alles zu spät ist. Ich war lange fort aus Almada. Die letzten Monde haben mir vielleicht ein falsches Bild präsentiert. Vielleicht ... vielleicht lässt sich doch noch alles zum Guten wenden. Vielleicht kann man dem Adel zeigen, dass Selindian Hal Almada in den Ruin treibt. Wenn das geschieht, wenn der Adel einig wäre ..." Sie beendet den Satz nicht.
"Und was wollt Ihr nun also tun?", fragt Rondrigan erneut.
Einen Augenblick lang ist es still in dem Raum, nur das stete Tropfen des Wassers vom Dach auf den Burghof ist zu hören.
"Ich werde nach Almada zurückkehren, Dom Rondrigan." Die Frau tritt näher an das Gemälde an der Wand heran. "Ich werde in die Heimat zurückkehren und mein Möglichstes tun, um die Ränge der Disentes zu mehren."
"Haltet Ihr das für weise?", fragt der Reichsgroßgeheimrat.
"Ich halte es für notwendig. Die Disentes haben nun ein Gesicht. Mein Gesicht. Wie kann ich andere darum bitten, Rohaja zu folgen, wenn ich nicht den Mumm besitze, etwas dafür zu tun?"
"Ihr riskiert möglicher Weise Euer Leben."
"Man riskiert mit jedem Schritt sein Leben, Dom Rondrigan", gibt Yanis mit einem bitteren Unterton zurück. "Selbst ein Ritt über einen Rübenacker kann Euch das Leben kosten."
"Eure Situation ist kaum damit vergleichbar."
"Nein, da habt Ihr Recht."
Rondrigan tritt näher heran. Die Frage liegt ihm schon lange auf der Zunge, doch bislang hat es immer nur Raum für ernste Beratungen gegeben. "Warum tut Ihr das, Domna Yanis? Warum habt Ihr vor dem Reichstag gesprochen? Warum macht Ihr Euch zur lebenden Zielscheibe für den Hass Selindian Hals und seiner Gefolgsleute? Warum ausgerechnet Ihr und kein anderer?"
Den Blick fest auf das Gemälde gerichtet, murmelt die Baronin: "Ein Sturm wird über Almada kommen, wie das Land seit langem keinen mehr gesehen hat. Und er wird nicht des Herren Efferds Werk sein."
Rondrigan schüttelt leicht den Kopf. "Das mag Eure Motivation zum Handeln sein, Frau Yanis. Doch etwas treibt Euch dazu, so wie ein Hund das Wild vor sich her treibt. Ich weiß gerne, woran ich bei meinen Verbündeten bin. Was ist der wahre Grund?"
Die kleine Frau presst die Lippen aufeinander und senkt den Blick. "Diese Antwort muss ich Euch schuldig bleiben, Dom Rondrigan." Sie macht einen Hofknicks. "Exzellenz, ich bitte mich zu entschuldigen. Ich muss zusehen, dass meine Sachen recht gepackt werden."
Rondrigan runzelt die Stirn. "Natürlich, Hochgeboren. Geht mit den Zwölfen. Ich freue mich auf Nachricht aus dem südlichen Königreich."
Als sich die Tür hinter der kleinen Person beinahe lautlos geschlossen hat, ist mehr nur das Tropfen des Regens zu hören. Jetzt ist es Rondrigan, der sich ans Fenster stellt, den Vorhang zurückzieht und grübelnd auf den Hof hinausschaut. War es die Liebe zu ihrem Heimatland, die Yanis bewegte? Die Sorge um ihre Untertanen? Loyalität zum Hause Gareth, oder gar zu den Magnaten Almadas? Rondrigan bleibt mit dem nagenden Gefühl zurück, dass ihm etwas entgangen ist. Etwas Wichtiges. Doch er kann nicht den Finger darauf legen. Ein Lachen aus dem Nebenraum schreckt den jungen Mann aus seinen Gedanken auf. Ein letzter Blick auf den Hof offenbart kleine Ströme, die zwischen den Pflastersteinen entlangrinnen. Die Tristheit will tatsächlich nicht zur Jahreszeit passen.
"Es sollte wahrlich ein Gesetz dagegen geben", murmelt Rondrigan. Dann lässt auch er den Vorhang wieder vor das Fenster fallen und wendet sich wieder seinen Geschäften zu.
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