Chronik.Ereignis1044 Ein vergnüglicher Abend 02
Punin, Peraine 1044 BF[Quelltext bearbeiten]
Fuchsbau, irgendwo in Yaquirhafen, in den späten Abendstunden[Quelltext bearbeiten]
“Lust auf ein Spiel?”, fragte Obsidian augenzwinkernd.
„Ich weiß nicht recht, ich hab wenig Glück im Spiel, und was sollen die Leute an einem Ort wie diesen nur denken…“ Mit einer Geste lud Fabiola ihn ein, sich wieder zu setzten. „Andererseits wäre es sehr unhöflich, den Vorschlag meines Gastgebers abzulehnen. Lass uns mit deinem Lieblingsspiel anfangen. Wenn du zu viel gewinnst, bitten wir noch mehr Leute dazu. Sonst vernichtest du meine Einsätze, bevor der Abend weit fortgeschritten ist.“
Obsidian setzte sich, den Würfelbecher in der Hand. “Wir können einfach symbolisch um einen Kreuzer pro Runde spielen. Es geht nicht darum, viel zu gewinnen - es geht mehr darum, das eigene Glück herauszufordern. Und natürlich um den Spaß am Spiel.”
„Einverstanden.” Sie griff in ihr Mieder und zog eine schmale Börse hervor. Dann nahm sie einen der Würfelbecher. „Solang wir unter uns sind, gebe ich weiter meiner Neugier nach. Wie hast du diesen Ort gefunden und dir den Zutritt verdient?“
“Tu das. Aber vorher: Du kennst die Regeln? Oder soll ich sie dir kurz erklären?”
„Ich werfe alle Würfel, darf beliebig viele zur Seite legen, den Rest einmal neu würfeln. Dann gilt in absteigender Reihenfolge: der Fünfling schlägt alle, danach folgt der Vierling, dann Paar plus Drilling, die Straße mit 6, die Straße mit 1, der Drilling, die zwei Paare und zum Schluss das Paar. Wer gar nichts hat, muss zusätzlich eine Runde geben? Es gibt so viele Varianten. Nicht, dass wir versehentlich in Streit über ein Würfelspiel geraten. Das wäre ein unrühmliches Ende dieses Abends.“
Wieder musste Obsidian herzhaft lachen. “Oh, es wäre eine Schande, den schönen Abend durch ein Missverständnis über Regeln zu ruinieren!”, bestätigte er. “Diese Zusatzregel war mir noch nicht bekannt, aber ich kann sehr gut damit leben.”
Er griff das kleine Geldkätzchen an seinem Gürtel und legte es neben sich auf den Tisch.
“Mit welchen Einsätzen spielst du üblicherweise? Hier und anderswo?“ Fabiola hatte ihre Börse geöffnet und begonnen, Kreuzer hervorzusuchen.
“Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, mich an meine Umgebung anzupassen. Hier setze ich selten mehr als einen Heller - zumindest mittlerweile nicht mehr. Andernorts…” Er zuckte mit den Schultern. Einen kurzen Moment lang überlegte er, dann schaute er sich um, um sicherzustellen, dass sie nicht überhört wurden, beugte sich ein wenig vor und ergänzte beinahe flüsternd: “Sagen wir so: Mein höchster Einsatz war mein lebenslanger Einsatz als Mietklinge für nur einen Herrn, um den Einsatz eines Stadthauses durch mein Gegenüber aufwiegen zu können. Aber am liebsten spiele ich um kleine Gefälligkeiten und persönliche Herausforderungen.”
Fabiolas Augen wurden groß und ein Schauder durchlief sie. Sie beugte sich zu Obsidian und flüsterte leise: „Also hast du ein Stadthaus. Und einen Hang zum Leichtsinn, oder ist dir der Spaß an so hohen Einsätzen auch vergangen? Wieviel kosteten deine Dienste? Drei Silber pro Tag, plus Kost und Logis?“ Sie zögerte einen Moment. „Kleine Gefälligkeiten und persönliche Herausforderungen hören sich jedenfalls abwechslungsreicher an. Und ich werde deinem Beispiel folgen und heute ebenfalls der Umgebung angemessen setzen.“
“Heute vermiete ich meine Klinge nicht mehr. Heute steht sie nur jenen zur Verfügung, denen ich einen Eid geschworen habe. Oder jenen, denen ich helfen möchte.” Er grinste, wurde sich aber erneut seiner Umgebung bewusst und sprach etwas leiser weiter. “Ich bin heute ein weitgehend freier Mann und ja, ich besitze ein Stadthaus und auch einige weitere Ländereien. Allerdings nicht in Punin. Und ja, ich bin bisweilen recht leichtsinnig, wenn der Einsatz es wert ist. Damals war ich ein Niemand und hatte die Möglichkeit, einem Nordmärker Adligen sein Stadthaus abzunehmen - wie gesagt, ich habe schon immer ein Auge für Gelegenheiten gehabt. Und wenn ich es richtig sehe…”, er nahm die Geldkatze vom Tisch zurück in die Hand, “bietet sich gerade eine weitere. Wenn du willst… spielen wir um Gefälligkeiten.”
„Weitgehend frei… soso.“ “Nunja, ein paar Verpflichtungen bringt unser Leben nunmal mit sich”, entgegnete Obsidian, in Anspielung an ihr Gespräch von vor ein paar Stunden.
Fabiola nickte zustimmend, ging aber nicht weiter darauf ein. „Na gut, du sollst deine Gelegenheiten haben. Aber nicht mehr als zwei mal zwei Runden, danach kehren wir zurück zu den Kreuzern, die Würfel sind ja nur zum Warmwerden. Wie ich schon sagte, ich habe wenig Glück im Spiel.“
Sie machte es sich auf ihrem Stuhl bequemer und beugte sich etwas in Obsis Richtung. „Gefälligkeiten also. Was setzt du ein?“ “Wenn das so ist”, nahm er auf das fehlende Glück seines Gegenübers Bezug, “dann will ich es nicht überstrapazieren. Wie wäre es, wenn wir um einen Tanz spielen - und der Gewinner entscheidet, wann, wo, und gegebenenfalls mit wem?” „Einverstanden. Wer legt vor?“
Obsidian hob den Becher und ließ die Würfel über den Tisch rollen, für alle offen sichtbar. Vier Vieren und eine Sechs kamen zu liegen. Er griff nach der Sechs, rollte sie noch einmal, doch es blieb bem ursprünglichen Ergebnis. Auffordernd schaute er zu seinem Täubchen. “Vierling.” Mit einem stummen Seufzen nahm Fabiola ihren Becher auf. Sie strich über ihr Handgelenk, schüttelte die Würfel und ließ sie rollen. Zwei Zweier, zwei Fünfer und die Vier. Nicht gut genug. Sie warf die Zweier und die Vier zurück in den Becher, schlug ihn auf den Schemel und kippte ihn aus. Drei Fünfer, zwei Dreier. „Uuz‘ma’ssarra, so eine Verschwendung.“, entfuhr es ihr. „Die Runde ging wohl an dich. Dann musst du auch den Einsatz für die nächste vorgeben.“
Obsidian lächelte zufrieden. “Reines Anfängerglück, die nächste Runde gewinnst du bestimmt.” Er überlegte kurz. “Wie wäre es als Einsatz mit einem persönlichen Andenken an den heutigen Abend? Irgendetwas Dingliches, das den Sieger an unsere gemeinsame Zeit erinnert.”
„Natürlich, weil du so ein Anfänger bist.“, spottete Fabiola gutmütig. „Der Einsatz gefällt mir, ein Andenken nach Wahl des Siegers.“
“So sei es. Ich lege gern wieder vor.” Erneut ließ er kurz den Becher in der Hand kreisen, um die Würfel darin in Bewegung zu bringen, dann entleerte er ihn auf den Tisch. Zwei Zweien, je eine Drei, Fünf und Sechs. Ein deutlich schlechteres Ergebnis als beim ersten Mal. Die beiden Zweier ließ er liegen, warf den Reat erneut.
“Zwei Paare”, stellte er fest, nachdem alle Würfel zum Liegen gekommen waren. “Und zwei schwache Paare noch dazu. Das solltest du schlagen können.”
„Zu großzügig von dir.“ Fabiolas Augen funkelten angriffslustig und ihr Tonfall war nicht länger spielerisch. Mit einer raschen Bewegung schob sie die Würfel in ihren Becher, ließ sie springen und warf. Drei Zweier, die Drei und die Fünf. Ohne Zögern nahm sie die beiden einzelnen Zahlen auf, schwenkte den Becher und schlug ihn auf den Schemel. Eine Eins… und eine weitere Zwei. „Vierling. Ein schwacher noch dazu.“ Der Gewinn hatte einen schalen Beigeschmack.
Obsidian lachte. “Ja, ein schwacher Vierling… und trotzdem stark genug”, fügte er mit gespielter Enttäuschung hinzu. “Nun denn. Was darf ich meinem Täubchen als Andenken an mich und die gemeinsame Zeit überreichen?”
„Das verrate ich dir, wenn wir gehen.“
“So sei es”, grinste Obsidian.
„Was hältst du als Nächstes von folgendem Einsatz: Kennenlernen einer Person, die dem Verlierer nahe steht, die aber so schnell nicht vorgestellt worden wäre? Wobei der verwendete Name die Wahl des Siegers ist.“
Ihre Würfel klackerten bereits wieder im Becher.
Obsidian zeigte sich verblüfft. Ein spannender Einsatz und einer, den er wahrscheinlich nicht von sich aus angeboten hätte. Andererseits auch eine schöne Möglichkeit.
“Muss der Sieger den Namen der Person, die er oder sie kennenlernen möchte, kennen, oder reicht auch eine Beschreibung?”, fragte er zur Sicherheit. „Eine Beschreibung oder auch nur eine Eigenschaft reicht, es darf aber auch ein Name sein.“ Hatte er etwa jemand im Kopf, den er einfordern wollte?
“Sehr gut. Dann gern.”
Sie berührte ihr Handgelenk, kippte den Becher auf den Schemel und nahm ihn hoch. Je eine Eins, Drei und Vier, dazu zwei Fünfen. Nach kurzem Zögern warf sie die Eins und eine Fünf neu. „Zwei bis Sechs, eine Hohe Straße. Du bist dran.“ Hoffentlich würde es reichen.
Obsidian nickte anerkennend, nahm den eigenen Würfelbecher wieder auf. “Ein mutiger Zug.”
Seine Würfel rollten über den Tisch, kamen zum liegen. Zwei Paar aus Fünfern und Zweiern, sowie eine Sechs. Noch zu wenig. Einen Moment überlegte er, dann griff er die Sechs, schüttelte den Becher und ließ ihn mit der Öffnung nach unten auf den Tisch fallen. Er schnaufte kurz, ein sicheres Zeichen, dass er angespannter war als in den Runden zuvor, dann hob er den Becher. Eine weitere Zwei.
“Paar plus Drilling”, stellte er erleichtert fest, nachdem er kurz noch einmal gedanklich sichergestellt hatte, dass diese Kombination mehr wert war als eine hohe Straße. “Äußerst knapp, diese Runde.”
„Wie bei deinem letzten Sieg.“, stellte Fabiola trocken fest und holte tief Luft. Warum hatte sie sich auch darauf eingelassen. Sie hatte doch gewusst, dass sie verlieren würde. „Nun denn, welchen Einsatz schlägst du für die letzte Runde vor?“
Obsidian, die Freude ins Gesicht geschrieben, überlegte kurz. Der Sieg selbst erleichterte ihn, weil ihm in diesem Fall der Einsatz gefallen hatte, darüber hinaus erheiterte ihn der unterdrückte Frust seines Täubchens. Offenbar hatte auch sie einen hohen Wert im Einsatz gesehen. Hatte sie nicht gesagt, sie würde ihm einen Fehltritt in der Etikette verzeihen, ihn aber persönlich nehmen? Vielleicht war dies der Moment, dieses Versprechen auf die Probe zu stellen.
“Gern”, antwortete er also, “Nachdem wir uns jetzt zweimal quasi in der Öffentlichkeit getroffen haben - wie wäre es, wenn der Verlierer die Siegerin zu einem Abendessen bei sich zuhause einlädt?”
Fabiola sah Obsidian überrascht an, bevor sie zu lächeln begann. „Wehe, du versuchst, mit Absicht zu verlieren. Dein Vorschlag hat etwas. Doch es kommt drauf an… Muss das Essen selbst zubereitet werden? Oder kann der Verlierer es zubereiten lassen? Mit oder ohne weitere Gäste?“ Obsidian grinste. “Ich bin viel zu neugierig zu erfahren, wie mein Täubchen lebt, um dich gewinnen zu lassen”, entgegnete er verschmitzt. “Und sollte ich dennoch verlieren, will ich dich nicht vergiften. Das Abendessen darf selbstverständlich von jemandem bereitet sein, der etwas von seinem Handwerk versteht. Und… lieber wäre es mir ohne weitere Gäste”, fügte er nicht ohne zweideutiges Grinsen hinzu. „Es sei. Ohne Gäste, von jemand zubereitet, der weiß, was er tut.“ Sie griff nach ihrem Würfelbecher. „Aber nicht enttäuscht sein, mit deinen üblichen Standards wird es wohl nicht mithalten können. Du weißt, dass du vorhin eine Chance hast verstreichen lassen, deine Neugier zu befriedigen?“ Mit einer Geste bedeutete sie ihm, vorzulegen. Den Würfelbecher bereits in der Hand, hielt kurz inne. “Habe ich das? Du meinst ich hätte anbieten sollen zu dir zu gehen, als wir einen weniger öffentlichen Ort aufsuchen wollten?” Lachend wehrte Fabiola ab. „Nein, das wäre doch etwas verfrüht und überstürzt gewesen. Ich dachte eher an persönliche Dinge, die vergessen und zurückgegeben werden müssen.“
Er drehte den Becher auf den Tisch, hob ihn an.
Zwei Paar aus Fünfern und Zweiern, sowie eine Sechs. Wieder.
Die Überraschung war Obsidian ins Gesicht geschrieben. “Bei den Göttern… das kommt mir merkwürdig bekannt vor?!”
Er nahm die Sechs, packte sie zurück in den Becher und würfelte erneut. “Und um dein Bild von mir ein wenig zu korrigieren…” Er setzte den Becher wieder ab. “Ich lebe ein erstaunlich einfaches Leben.” Mit einem selbstbewussten Grinsen hob er den Becher. Eine weitere Fünf. Paar und Dreier.
“Meine Ansprüche sind nicht sehr hoch. Und wer weiß… wenn du würfelst, wie beim ersten Mal, wird es mir eine Freude und Ehre sein, dich als meinen Gast begrüßen und bewirten zu dürfen.”
„Einverstanden.“, grinste sie, seinen Fehler hemmungslos ausnutzend. Denn sowohl seine Unterkunft in Punin als auch im Selkethal interessierten sie brennend, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Gelassen brachte sie die Würfel in ihrem Becher zum Tanzen und ließ sie rollen. Die Zwei, die Vier, die Fünf und zwei Sechser. Die Wahl war leicht, sein Wurf zu gut gewesen. Rasch schob sie die einzelnen Zahlen zurück in den Becher, ließ die Würfel darin klackern und stülpte ihn um. Langsam hob sie ihn hoch. Eine Eins, eine Fünf. Und eine dritte Sechs. „Ich sagte doch, ich habe kein Glück im Spiel.“, zwinkerte sie. „Es war nicht ganz so knapp wie beim ersten Mal, aber ich habe trotzdem wieder verloren. Sieht so aus, als müsste jeder von uns den anderen zum Abendessen einladen. Und bevor du fragst: gerne ein paar weitere Runden. Mit Kreuzern. Wir müssen ja ein paar Gefälligkeiten für das nächste Mal aufbewahren.“
Obsidian stockte einen Moment… dann schlich sich Erkenntnis in sein Bewusstsein. Das zweite Spiel. Sie hatte das zweite Spiel gewonnen gehabt, nicht das erste. “Meinen tiefen Respekt”, nickte er anerkennend. “Sehr gut gespielt. Sehr, sehr gut. Ich weiß nicht, ob es die Gesellschaft, die späte Stunde oder der Alkohol ist… aber ich merke, ich muss besser aufpassen.” Er grinste, kramte seinen Geldbeutel wieder hervor. Eine würdige Spielerin… vielleicht nicht bei den Würfeln. Aber sonst. Fabiola deutet eine Verbeugung an. „Vielen Dank, ich gebe mir Mühe.“, lächelte sie.
“In jedem Fall wird es mir eine Ehre und ein Vergnügen sein, dich bei mir willkommen zu heißen.” Dann setzte er den ersten Kreuzer.
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