Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 30
Kaiserlich Selaque, 10. Tsa 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Burg Albacim, früher Morgen[Quelltext bearbeiten]
Autor: Lindholz
Als sich Amaros von Lindholz von seiner Eminenz, Amando Laconda da Vanya, auf dem Burghof des Castillo Albacim verabschiedete, schwebten Schneeflocken vom grauen Himmel herab, leicht und anmutig wie Tänzerinnen in ihren reinweißen Kleidern - unschuldig, aber mit eisigen Herzen. Doch den jungen Magier konnte die Kälte nicht schrecken. Der Weg würde ihn nun endlich zurück in das Tal des Yaquir führen, wo die milden Winde die Tristeza schon bald vertreiben konnten. Und dann würden die harschen Erlebnisse der vergangenen Tage kaum mehr als eine abenteuerliche Erinnerung sein.
"Möge Praios Euren Weg bescheinen und Euch eine sichere Reise gewähren, Dom Amaros!" gab ihm der alternde Großinquistor als guten Wunsch mit auf dem Weg, während hinter dem Magier die vier, von kräftigen Kaltblütern gezogenen Wagen gewendet wurden und sich hin zum geöffneten Burgtor ausrichteten. Sie waren schwer beladen mit all jenen Gütern, die der Großinquistor in den Kammern und Kellern des Herrschaftssitzes der Reichsvögtin finden und zweifellos dem Besitz seiner Familia hatte zuordnen können. Zwei der Wagen würden nach Schrotenstein gebracht und dort vebleiben - der Weg gen Castillo da Vanya wäre nicht nur wegen der widrigen Witterung zu gefährlich - die anderen würden von dort weiter nach Quazzano fahren. Sie enthielten unter anderem die Aufzeichnungen, die Amaros ursprünglich in diesen Teil Almadas hatte aufbrechen lassen und in die er nun endlich einen Blick hatte werfen können. Sicherlich würde sich daraus eine schöne Geschichte spinnen lassen, um die ungeliebten Beni Nasreddini in Misskredit zu bringen.
Gleich nach seiner Befreiung aus der Gefangenschaft hatte der Großinquisitor Nachricht an den Grafen, den Fürsten und die Kaiserin aussenden lassen. Zudem hatte er acht weitere Mann als Bedeckung für die Wagen angefordert, die nun endlich, gekleidet in die Farben des Praiosordens, eingetroffen waren. In ihrem Schutz würden nicht nur die Wagen, sondern auch Amaros von Lindholz hinab in die Baronie Schrotenstein ziehen. Vielleicht würde es den Einwohnern Selaques wie eine Plünderung erscheinen, wenn so viele Objekte von Wert aus dem Castillo geschafft wurden, doch selbst seine Eminenz schien in dieser Angelegenheit nicht auf das Urteil der Kaiserin warten zu wollen, die am Ende entscheiden musste, ob sie auch weiterhin ihr Vertrauen in Praiosmin von Elenta setzen wollte.
Diese stand während der Verabschiedung des Adepten der arkanen Künste ganz am Rande des Geschehens da und überließ dem Illuminatus widerspruchslos die Befehlsgewallt über ihre Männer. Gekleidet in ein schmuckloses Gewandt und mit demütig gesenktem Blick sah sie wahrlich aus wie eine reuige Büßerin und Amaros fiel es schwer, die heißblütige Fanatikerin in ihr wieder zu erkennen, als der er die Adlige vor wenigen Tagen erst erlebt hatte. Auch Amando Laconda da Vanya hatte keine Lüge erkennen können, als Domna Praiosmin berichtete, wie der junge Mann, den sie als Berater an ihren Hof geholt hatte, sie verraten und gegen ihren Willen gelenkt habe. Die Wut und die Tränen der Adligen erschienen ihm wahr, doch Amaros von Lindholz erinnerte sich auch daran, dass weder die Wunder der Praioskirche noch das Wirken der Zauberer aus den Worten einer Person jemals ablesen konnten, was wahr ist, sondern lediglich, was jene Person für wahr hielt. Konnte man dieser Frau wirklich trauen? Selbst wenn sie keine direkte Schuld trug, so hatte sie doch zum zweiten Mal in ihrem Leben dem falschen Mann ihr Vertrauen geschenkt und damit großes Unglück beschworen. Dieses Mal hatte es die stolze Gujadanya da Vanya das Leben gekostet und trug dadurch das Potenzial in sich, eine Blutfehde heraufzubeschwören. Amaros selbst war in jedem Falle froh, diesen Ort verlassen zu können, während der Großinquisitor als Verwalter hier zu verbleiben gedachte, bis die Entscheidung der Kaiserin ihn von dieser Pflicht entbinden würde. Auch wenn seine wenigen, eigenen Leute ihn kaum zu schützen vermochten, sollten die Burgwachen sich wieder Domna Praiosmin anschließen. Der alte da Vanya hatte Dom Amaros Bedenken jedoch mit dem gleichen, sanften Lächeln abgetan, das er auch schon im Kerker an den Tag gelegt hatte und von seinem unendlichen Vertrauen in die Gerechtigkeit der Götter kündete.
So beließ es Amaros von Lindholz nun dabei, dem Großinquistor seine besten Wünsche auszusprechen, bevor er sich aufs Pferd schwang und mit zwei Bewaffneten an die Spitze des kleinen Zuges setzte. Die schweren Wagen gaben das Tempo vor und nur langsam durchquerte man den Ort mit Gesichtern voller Misstrauen und Verunsicherung. Doch Amaros heftete seinen Blick nach vorne.
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