Chronik.Ereignis1036 Derweil in Dubios 02

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Capitale Punin, im Ingerimm 1036 BF

Im Etilienpark

Autor: Der Sinnreiche Junker

„Ich kenne ihn nicht“, stellte Hernán von Aranjuez fest, und hob entschuldigend die Linke, in welcher sich der Spazierstock befand, ob der Geste nur noch vom Daumen gehalten.

Elea von Aranjuez verzog den schönen Mund zu einer Schnute, derweil sie rechts bei ihrem Verwandten untergehakt neben ihm schritt. „Noch nie habe ich Euch um etwas gebeten, Hernán! Ich weiß, dass es Euch ein Leichtes wäre. Ein Empfehlungsschreiben und ein paar Gespräche mit den richtigen Leuten…“

„…und im nächsten Mond würden sich die Bittsteller in Heldor oder auf Aranjuez die Klinke in die Hand geben, weil es heißt, dass der Schwarze Junker irgendeinem Taugenichts ein Offizierspatent verschafft hat.“, unterbrach der Baron von Dubios sie. Eine kurze Wegstrecke gingen die beiden schweigend nebeneinander, sodass nur das Klingeln der Silbersporen des Junkers zu hören war.

„Wärt Ihr genauso ungefällig, wenn es sich um einen Taugenichts von altem Adel handeln würde?“, patzte die Hofdame schließlich.

Hernán von Aranjuez lachte leise. „Wäre er ein Taugenichts von altem Adel, müsste er wohl kaum Dich schicken um bei mir für ihn zu sprechen. Außerdem wäre das etwas anderes. Manus manum lavat, würde unser guter Rafik sagen, eine Hand wäscht die andere. Nicht nur würde mir dann jemand einen Gefallen schulden, sondern vor allem käme niemand auf die Idee, ich selbst würde jedem dahergelaufenen Strolch Gefälligkeiten erweisen. Noch dazu umsonst.“

„Er stände in Eurer Schuld“, wandte seine Begleiterin ein.

„Er ist ein Niemand. Was ist die Schuld eines Niemands schon wert?“

Spürbar verkrampfte sich ihre Hand in seiner Armbeuge. Nachdem sie eine weitere kurze Wegstrecke gewandelt waren, ohne dass ein Wort fiel, war es schließlich der Baron und Junker der wieder anhob: „Liebt Ihr ihn?“

„Woher wollt Ihr das wissen?“, gab sie schnippisch zurück, hauptsächlich um zu überspielen, dass er sie mit der Nachfrage unvorbereitet getroffen hatte.

Ein schmales Lächeln umspielte die Lippen ihres Soberans. „Wie Ihr schon sagtet, Elea: Ihr habt mich noch nie um etwas gebeten. Darüber hinaus weiß ich, dass Ihr gemeinhin auch keine Gefälligkeiten umsonst erweist. Schlussendlich habt Ihr meine Annahme mit Eurer Reaktion bestätigt.“

„Und was wollt Ihr dagegen unternehmen?“ Wieder war ihr Tonfall scharf. Schärfer als sie eigentlich beabsichtigt hatte.

Dennoch zuckte Hernán von Aranjuez nur sachte mit den Schultern. „Habe ich jemals den Eindruck erweckt, als würde es mich kümmern mit wem Ihr das Lager teilt, Elea?“

„Vielleicht haben wir ja vor zu heiraten?“

Dies freilich ließ den Aranjuezer verstummen, der bekanntermaßen Wert auf standesgemäße Verbindungen legte. Limpieza de Sangre, die Reinheit des Blutes.

Womöglich war es gerade das Schweigen, welches den Zorn in seiner Verwandten aufwallen, und das tulamidische Erbe ihrer Mutter zum Vorschein kommen ließ. „Darf ich Euer Schweigen so auffassen, dass Ihr Euch gegen eine Hochzeit stellen würdet?“

Nun sah sich ihr Verwandter doch bemüßigt ihr einen vorwurfsvollen Seitenblick zuzuwerfen. „Eines solchen Rahjenfrevels würde ich mich gewiss nicht schuldig machen. Ich schreibe Euch nicht vor, wen Ihr zu heiraten habt und wen nicht. Ihr freilich schreibt mir nicht vor, wem ich meinen Segen zu geben habe.“

Die Mitzwanzigerin verzog die Lippen. Nicht das, was sie erhofft, aber auch nicht das, was sie befürchtet hatte. „Werdet Ihr unsere Verlobung auf Eurer Hochzeit bekannt geben?“

Jetzt war es an Hernán von Aranjuez ärgerlich zu werden. „Das könnte diesem neuadeligen Lumpen so passen! Die Großen des Königreiches versammelt, und er darf sich prominent in Szene setzen. Auf keinen Fall! Und nicht nur das Elea, er ist in Ragath unerwünscht! Wenn Ihr es wagst ihn mitzubringen, sorge ich dafür, dass Tego auch anwesend sein wird!“

Sie beide wussten, dass das nicht geschehen würde, seit der Bastardbruder aufgrund seiner Verwicklung in Vesijo de Fuentes gescheitertem Umsturzversuch in Punin eine persona non grata im Königreich war. Freilich verstand die Hofdame die Anspielung auf jenen Vorfall im Vorfeld der Aranjuezer Blutfehde, als ein elfischer Neuadliger namens Lanvolo vom Madastein es gewagt hatte ohne den Segen der Familia eine Aranjuez zu ehelichen. Und der Bastard ihn in der Mark Ragathsquell wenige Meilen vor dem Junkergut abgefangen, seine Bedeckung niedergemacht und den Strolch vor den Augen seiner Gemahlin an einer Bosparanie aufgeknüpft hatte. Hernán von Aranjuez selbst mochte bei allem Widerwillen nichts gegen die Hochzeit unternehmen. Für seinen Bastardbruder galt das jedoch nicht, sollten sich die Wege jemals kreuzen.

Obgleich lediglich ihre Hand in seiner Armbeuge lag, genügte dies ihn spüren zu lassen, wie sich ihr Körper angespannt hatte, als sie wiederum einige Momente schweigend voran schritten.

Schließlich hob Elea von Aranjuez an: „Ihr verweigert mir also Euren Segen, bien. Bin ich trotzdem weiterhin auf Aranjuez willkommen?“

„Ihr werdet immer willkommen sein, Elea“, versicherte der Condottiere, wiewohl die Betonung darauf schließen ließ, dass dies wirklich nur für ihre Person galt, und nicht für etwaige missliebige Ehemänner. „Freilich…“, seufzte er weiter „…werde ich Euch die Apanage streichen müssen.“

Die Hofdame sog hörbar die Luft ein. „Und wovon soll ich bitteschön leben?“

„Erhaltet Ihr als Hofdame etwa nicht freie Kost und Logis? Außerdem schickt Ihr Euch ja dann selbst an eine Familie zu gründen. Vielleicht möchte ja Euer Ehegatte auch etwas zu deren Unterhalt beitragen, und sich nicht nur ins gemachte Nest setzen, indem er uns auf der Tasche liegt.“

Nun riss sich seine Verwandte los, trat einen Schritt von ihm fort. „Seid Ihr schon einmal auf den Gedanken gekommen, dass Ihr und die Familia nicht dasselbe seid? Ihr mögt der Soberan sein, aber Ihr seid nicht die Familia!“, fauchte sie.

„Wir alle leben nach denselben Regeln. Mir obliegt es lediglich sie durchzusetzen“, entgegnete er mit ausdruckslosem Gesicht.

„Ohja!“ Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. „Ihr habt leicht Reden, nachdem Ihr eine hübsche Grafentochter heiraten werdet. Da bringt Ihr ja wahrlich ein großes Opfer für die Familia…“

Nun doch etwas pikiert sah sich Hernán von Aranjuez um. Trotz der Weitläufigkeit der Parkanlage waren sie nicht so alleine, als dass nicht erste Spaziergänger ob des Aufruhrs stehen geblieben wären, sich nicht nach ihnen umgesehen hätten. „Ihr tut mir Unrecht, Elea“, versuchte er ruhig zu bleiben. „Wir alle bringen unsere Opfer für die Familia. Fragt doch einmal Rafik, ob er gerne jahrelang am Plaza Mayor herumgelungert hat, um vielleicht für ein paar Münzen niedere Schreibarbeiten für irgendwelche Pfeffersäcke erledigen zu können. Und das nur weil wir einst auf anderen Seite standen, und diese Rescendientesbastarde ihm nicht das kleinste bisschen Lohn und Anerkennung haben zukommen lassen, obwohl er auf ihrer Seite stand, als man ihm das Knie zertrümmerte? Glaubt Ihr nicht, er hätte es sich seinerzeit bequem machen können, indem er einfach eine Patrizierin mit dünnem Blut und dicker Börse geheiratet hätte? Und glaubt Ihr nicht, ich hätte nicht auch schon längst heiraten können? Aber wir haben unsere Leidenschaften nicht über unsere Pflicht gestellt…“

„Pflicht!?“, zischte Elea, und hieb ihm auf den Arm. „Also doch eine Pflicht! Und gerade habt Ihr noch behauptet, Ihr würdet niemandem von uns vorschreiben, wen wir zu ehelichen haben. Einen solchen Rahjenfrevel wolltet Ihr nicht begehen, das waren Eure Worte!“

Hernán von Aranjuez verdrehte die Augen. „Ihr seid keine Fellachentochter, sondern eine Aranjuez. Liebt wen Ihr wollt, Elea. Heiratet wen Ihr wollt. Aber Euer Blut macht Eure Ehe immer auch zu einer Familienangelegenheit. Die Familia tut für Euch, was Ihr für sie tut.“

Lange Zeit sah Elea von Aranjuez in die dunklen Augen des Barons und Junkers. Dann nickte sie, wiewohl ihr Gesichtsausdruck nicht den Eindruck erweckte, als würde sie seine Entscheidung akzeptieren. Heute freilich, das hatte sie wohl eingesehen, würde sie ihn nicht mehr überzeugen können.

„Also“, sprach sie mit versöhnlichem Unterton und hakte sich wieder unter. „Erzählt mir von Eurer Hochzeit…“