Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 05

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Kaiserlich Selaque, 30. Firun 1036 BF

In Elenta, am späten Abend

Autor: von Scheffelstein

Sie waren den ganzen Tag geritten, durch immer tiefer werdenden Schnee, und hatten am Abend, als es längst dunkel war, Elenta erreicht. Auch Jahre nach dem verheerenden Überfall durch die Ferkinas wirkte das Dorf seelenlos, selbst wenn, so schien es, Amando Laconda da Vanya einen neuen Praiosdiener entsandt hatte, um den Inquisitionsturm wieder zu besetzen. Ein dicker Mann Mitte dreißig war es, mit kurzem braunen Haar, sie hatten ihn sich über den Dorfplatz kämpfen sehen, als sie angekommen waren, er hatte Mühe gehabt, seine Füße hoch genug zu heben, um durch den Schnee zu stapfen.

Dafür, dass Praiosmin von Elenta einst selbst diesem Ort entstammt war, hatte sie sich während der letzten Jahre ganz offensichtlich wenig um dessen Wiederaufbau gekümmert. Die Palisaden waren noch immer unvollständig, viele der Hütten und Häuser nur Ruinen. Das Herrenhaus von Praiosmins Vetter jedoch, in dem sie damals eine Nacht verbracht hatte, umgeben von den toten Anverwandten der Elenterin, war wieder hergerichtet, von einer noch höheren Mauer umgeben und ganz offensichtlich bewacht, sodass sie es nicht als Quartier hatten nutzen können, auch wenn Rifada wieder einmal betont hatte, dass all dieses Land hier eigentlich ihr Land und sie seine Herrin sei.

Richeza jedoch hatte wenig Lust auf einen Streit verspürt, und so hatten sie letztlich bei einem Bauern etwas außerhalb des Ortes Quartier bezogen, der einen großen Hof hatte und genügend Platz, um die drei Frauen, den Magier und die drei bewaffneten Reiterinnen der Junkerin über Nacht zu beherbergen. Die Bauersleute hatten ihnen anstandslos sämtliche Schlafkammern und den Stall überlassen. Richeza wusste nicht, ob ihre Tante sie dafür bezahlte oder es als deren Pflicht ansah, dem Adel Platz zu machen, aber als sie die Kinder des Paares gesehen hatten, die allesamt mager und deren Kleider mehrfach geflickt waren, hatte Richeza der Bäuerin ein paar Silbertaler zugesteckt. Dabei war es auch um Richezas Börse nicht gut bestellt seit dem Ferkinakrieg, aber verdammt, sie war so rührselig seit ein paar Wochen!

Rifada hatte darauf bestanden, die Kammer der Bauersleut mit Richeza zu teilen, wohl, weil Belisetha im Zimmer der Mädchen und der Magier in dem der Knaben Quartier bezogen hatte, und Rifada beide für keine angemessene Gesellschaft für ihre Nichte zu halten schien.

Richeza hatte sich gerade auf dem knarrenden Bett niedergelassen, das mit strohgefüllten Säcken ausgestopft war, und hoffte, dass ihre Tante nicht schnarchen würde, da klopfte es an der Tür.

"Ja?", fragte sie. Rifada, die im Hof austreten war, würde kaum anklopfen, und wirklich war es die alte Belisetha da Vanya, die den Raum betrat, ein Nachtlicht in der Hand, das sie neben die Kerze auf die Truhe vorm Fenster stellte.

"Was für ein Wetter!", sagte sie. "Deine Tante hatte noch nie viel Sinn für die rechte Zeit zum Reisen." Sie schüttelte den Kopf und ließ sich ächzend neben Richeza auf der Bettkante nieder. Sie betrachtete sie aufmerksam, nahm Richezas Hand und tätschelte sie mit ihren verknoteten Fingern. "So selten haben wir uns seit Madalenas Tod gesehen. Wie schön, dass du dich nun des Namens deiner Mutter besinnst. Ein alter und stolzer Name."

Eine Weile schwiegen sie beide, während Belisetha immer mal Richezas Hand beklopfte, und diese sich fragte, ob die Alte einfach nur freundlich sein oder aber eigentlich etwas ganz anderes wollte.

"Ich habe Gujadanya und Lucrann am Mittag eine Taube geschickt und nach Quazzano gebeten", sagte sie. "Es wird Zeit, dass wir uns über die Zukunft unserer Familia Gedanken machen, alle gemeinsam, nicht wahr? Nicht mehr viele sind wir, dann jedenfalls nicht, wenn wir die Bankerte nicht mitzählen."

Richeza spannte unwillkürlich die Muskeln an und widerstand dem Drang, der Alten die Hand zu entziehen. War es Zufall? Hatte Rifada etwas zu Belisetha gesagt? Oder hatte sie sich bereits soweit verändert, dass es offensichtlich war? Sie zog den Bauch ein, auch wenn der noch immer flach wie ein Brett war und es ohnehin lächerlich war, da Belisetha sie so selten sah, dass sie eine Veränderung ihres Aussehens wohl kaum bemerken dürfte. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass die Alte sie auszuhorchen versuchte. Richeza spürte Wut in sich aufsteigen, schwieg aber, auch, als Belisetha sie fragte, ob es ihr gut gehe, sie sei sie still und sähe betrübt und müde aus.

"Ich bin müde", erklärte Richeza und entzog ihr ihre Hand. "Ich sollte jetzt schlafen."

Belisetha erhob sich lächelnd und nickte, wünschte ihr eine gute Nacht. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. "Wenn es etwas gibt, das dich bekümmert, mein Kind, so findest du bei mir jederzeit ein offenes Ohr. Im Haus da Vanya steht man einander bei." Richeza erwiderte nichts. "Ich hoffe", sagte Belisetha, "du bist dir bewusst, was für einen alten und stolzen Namen du trägst."

"Gute Nacht!", sagte Richeza und wartete, bis Belisetha die Tür hinter sich geschlossen hatte, ehe sie sich entkleidete und unter die düne Decke schlüpfte. Eine Weile noch starrte sie in das im Luftzug unter dem Fenster flackernde Kerzenlicht, doch als ihre Tante vom Hof zurückkehrte, schlief sie bereits.


Autor: Lindholz

Deine Neugier wird Dich eines Tages noch umbingen! Amaros hörte die vorwurfsvolle Stimme seiner Mutter, als wäre es gestern gewesen, dabei hatte sie ihm seinen Wissensdurst nicht mehr zum Vorwurf gemacht, seitdem er als Scholar an die Grangorer Akademie gegangen war. In der heutigen Nacht war er ohnehin mit seinen Nachforschungen kein hohes Risiko eingegangen. Die dünnen hölzernen Wände zwischen den Schlafkammern dämmten nur unzureichend ab, was im Nebenraum gesprochen wurde. Zumindest, wenn man keine Scheu hatte, das Ohr gegen sie zu pressen. Der junge Adlige richtete sich wieder auf, nachdem das Geräusch der sich schließenden Tür verkündete, dass Belisetha da Vanya die Schlafkammer verlassen hatte. Etwas Neues hatte ihm das Gespräch der beiden Damen allerdings nicht verraten und so lockerte er etwas enttäuscht die Muskeln an Hals und Schultern.

Sein Blick fiel auf die einfache Bettstatt, die ihn an die bescheidenen Verhältnisse während seiner Studienzeit erinnerte, und er verzog missmutig die Lippen. Hier würde er keine sehr geruhsame Nacht verbringen, aber ihm blieb wohl nichts anderes übrig. Gerade wollte er die Robe ablegen, als er einen Schatten an seinem Fenster vorbeihuschen sah. Um bei Sternenlicht selbst durch die geschlossenen Fensterläden sichtbar zu sein, musste sich die Gestalt direkt vor seiner Kammer entlangbewegt haben. Misstrauisch blickte er durch eine der zu breit geratenen Fugen hinaus in die Nacht. War er etwa nicht der Einzige, der Interesse an den Entwicklungen im Hause da Vanya entwickelt hatte? Tatsächlich bewegte sich eine Gestalt vom bäuerlichen Gutshof querfeldein in Richtung Elenta. Der dunkle Mantel, in den sich die Person gehüllt hatte, ließ nur wenig von ihrem nächtlichen Besucher erkennen; ein Umstand, der Amaros jedoch eher noch darin bestärkte, mehr über den Fremden - oder die Fremde - in Erfahrung zu bringen. Kurz entschlossen griff sich der junge Magier seinen Mantel und machte sich daran, die unbekannte Gestalt zu verfolgen.