Chronik.Ereignis1032 Handel und Wandel 02

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Inostal, 15. Boron 1032 BF[Quelltext bearbeiten]

Im Castillo San Baccio[Quelltext bearbeiten]

Autor: León de Vivar

„Es tut mir leid, Maestro Sgurri“, schüttelte der Pfandvogt den Kopf. „Eure Geschichte ist wirklich herzzerreißend, aber sie erklärt nicht, warum Ihr ohne Euren Zehnten hier erschienen seid. Ihr kennt doch das Schicksal, das Dom Talfan ereilte. Wollt Ihr ihm etwa nacheifern und Euch im Inostaler Schuldturm einnisten? Wer soll denn dann Eure Taberna führen? Etwa Euer Drei-Käse-Hoch hier, den Ihr mitgeschleift habt, damit er mich aus großen Kulleraugen anstarre und mich dazu bringe, beide Augen vor dem Unrecht zu verschließen, das Ihr an der Domna begeht?“

Der bereits leicht ergraute Mann, der mit seinem jüngsten Sohn vor dem wuchtigen Schreibtisch des Pfandvogts Amando Dhachmani de Vivar stand, blickte beschämt zu Boden, schien immer kleiner zu werden und knetete unruhig das Barett in seinen Händen.

„Ja, Ihr hört richtig“, wurde Dom Amando lauter. „Ihr handelt wider das Gesetz, denn Dom Talfan hat Euch, Tsacharias Sgurri, in seiner Gnade das Schankrecht für die Blaue Traube um den jährlich geschätzten zehnten Teil Eurer Einkünfte erteilt. Die Domna aber hat qua iure alle Rechte des Barons übernommen und deswegen seid Ihr der Stadt Punin 34 Goldstücke, 7 Silbertaler und 9 Heller schuldig. Ich kann gar nicht begreifen, warum Ihr das Geld der Domna nicht dabeihabt!

Der geschätzte Alcalde, Dom Sgilla“ – der Pfandvogt wies auf den Mann, der neben ihm saß und den Wirt mit seinen scharfen Augen anfunkelte – „der Eure Lokalität des Öfteren mit seinen Freunden besucht, hat mir erst gestern berichtet, dass sie ständig voller Gäste sei. Reisende Händler, Pilger gen Belhanka und ähnliches ehrbares Volk trocknet in Eurer Taberna seine Kehlen und lässt die Münzen in Eurem Beutel klingeln. Aber Ihr habt wohl vergessen, dass der zehnte Teil dieser Münzen im Beutel Punins klingeln sollte!“

„Aber... aber“, stotterte Tsacharias, „was der Alcalde Euch erzählt hat, ist doch glatt gelo – ist nur ein Teil der Geschichte!“ Er breitete die Hände aus, als wollte er zeigen, dass er wirklich nichts besäße. „Ich habe die Traube einst günstig von Balbio Sgilla übernommen, weil sie ihm keinen Gewinn brachte, und nun, da ich endlich etwas zurücklegen kann, kommt er mit seinen Schauerleuten und behauptet, ich hätte ihn damals beim Kauf übers Ohr gehauen und müsse nachzahlen!“ Furchtsam und anklagend richtete Tsacharias seinen Zeigefinger auf den Alcalden, der puterrot anlief.

„Das ist eine Unterstellung der übelsten Art, Tsacharias!“, fauchte Balbio Sgilla. „So mit seinen Freunden umzuspringen! Denn wir, ich und der Vogt, äh, der Vogt und ich, sind deine Freunde, die dich verdorbenen Feilscher auf den Pfad der traviagefälligen Tugend zurückführen wollen!“

Doch der Wirt ließ sich nicht mehr einschüchtern und gab mit erhobenem Kopf zurück: „Von Freundschaft sollte nicht reden, wer zulässt, dass seine Tochter Nacht für Nacht mit einem Tyrannen ins Bett steigt, damit er Alcalde werden kann!“

„Du wagst es!“, keifte Sgilla und drehte sich zu Dom Amando um. „Glaubt Ihm kein Wort, Dom Amando! Er ist nichts als ein lügnerischer, hofärtiger Zehntschuldner! Ein Schlingel, der den Turm verdient und –“

„Schweigt! Alle beide!“, donnerte der Vivar. „Wollt Ihr mich für einen tumben Ferkina halten, Sgilla? Ich kenne Dom Horasio besser als Ihr und ich weiß genau, warum Ihr Alcalde von Inostal seid. Ich weiß aber auch, dass Ihr, wenn Ihr nicht aufpasst, den Cabildo schneller wieder verlassen werdet, als Ihr ‚Amhallassih’ sagen könnt! Also“, wandte er sich wieder an den Schankwirt, „wie viel?“

Verdutzt starrte dieser den Puniner an. „Wie viel was, mit Verlaub?“

„Na, wie viel Ihr dem Alcalden schuldig seid, törichter Narr!“

Tsacharias kratzte sich am Kopf. „Hmm... so, etwa 65 Dukaten – behauptet er! Zusammen mit dem Zehnten sind das an die...“

„...100 Goldstücke“, lachte Dom Amando. „Hört mir zu, Maestro Sgurri, ich unterbreite Euch einen Vorschlag. Hier in meiner Privatschatulle habe ich vier Beutel zu je 25 Dukaten, die ich Euch gerne überlassen möchte.“

„Aber..., aber...“ Wieder stotterte der Wirt verwirrt. „Warum denn?“

Der Vivar wurde immer vergnügter und lächelte freundlich, als er die Schatulle öffnete und vier klimpernde Ledersäcklein daraus entnahm. „Damit Ihr Eure Schulden bei Dom Balbio und der Domna tilgen könnt.“

Ungläubig blickte Tsacharias den Pfandvogt an. Dann kniff er die Augen zusammen. Misstrauisch fragte er: „Was ist der Haken bei der Sache, Dom? Ist das ein einfacher Wechsel des Gläubigers? Was wollt Ihr von mir?“

Dom Amando wurde ernst und lehnte sich in seinem Stuhl vor. „Eines Tages werde ich möglicherweise auf Euch zukommen und Euch darum bitten, dass Ihr mir einen Gefallen erweist. Vielleicht wird dieser Tag nie kommen. Bis dahin verlange ich nur drei Dinge: Erstens, dass Ihr diese vier Beutel als Geschenk und Zeichen meiner Freundschaft betrachtet und Euch an Ihnen erfreut, zweitens, dass Ihr keiner Menschenseele erzählt, von wem Ihr sie erhalten habt und drittens, dass Ihr mich jedes Mal mit Speis und Trank versorgt, wenn ich Eure Taberna betrete.“

Statt einer Antwort verneigte sich Tsacharias Sgurri tief und griff nach der Hand des Vivar, um sie ehrerbietig zu küssen. Dann nahm er die vier Beutel, verneigte sich abermals und verließ, seinen Sohn bei der Hand, rückwärts schreitend die Kammer.

Huldvoll und mild lächelte ihnen der Pfandvogt hinterher. Er war mit sich selbst und der Welt zufrieden. Sgurri war eine gute Investition. Der Wirt war in ganz Inostal für sein Plappermaul bekannt war und in wenigen Tagen würde der gesamte Markt von der Freigiebigkeit Dom Amandos wissen – was diesem noch mehr Klienten bringen würde.

„Auch Euch wird irgendwann das Gold ausgehen, Dom Amando“, ballte dagegen neben ihm der Alcalde finster seine Fäuste.

„Das wollen wir doch mal sehen! Nächster!“

Die Tür zum Kabinett wurde schwungvoll aufgestoßen und prallte mit einem Donnern an die Wand. Dom Amando wollte bereits zu einem scharfen Protest ansetzen, als er der Gestalt gewahr wurde, die in der Tür stand. Bei Rondra!

Die Frau war weder besonders hoch gewachsen noch besonders schlank, dabei jedoch von ebenmäßigen Rundungen, welche von einer spiegelgleich blinkenden Leichten Platte, die ihr auf den Leib geschmiedet worden sein musste, noch hervorgehoben wurden. Torso, Arme und Beine waren ganz und gar in schimmernden Stahl gehüllt, die Füße steckten in schwarzen Reiterstiefeln. Über dem Leib trug sie einen roten Wappenrock, in den mit silbernem Faden zwei schreitende Wölfe eingestickt waren. An einem Gurt baumelte ein Schwert.

Da sie ihren Helm abgenommen und unter den Arm geklemmt hatte, hatten der Pfandvogt und der Alcalde Gelegenheit, ihr ebenmäßiges Gesicht zu betrachten und zu beurteilen, dass die Frau das 25. Lebensjahr wohl kaum überschritten hatte. Die hohen Wangenknochen, die helle, reine Haut, die bosparanische Nase und die fein geschwungenen Brauen wiesen darauf hin, dass sie wohl einem edlen Geschlecht entstammte. Dieser Eindruck wurde von den neckischen braunen Locken, die sich, durch einen Kurzhaarschnitt und ein Haarband nur mühsam gebändigt, wie wilder Wein darum herum rankten, konterkariert. Aus den Augen sprühte grünbraun gesprenkeltes Feuer.

Den beiden Beamten hatte es beim Anblick dieser jungen Amazone buchstäblich die Sprache verschlagen, und so war es die Gerüstete, die zuerst das Wort an sie beide richtete. „Rondra zum Gruße!“, rief sie und führte dabei die Rechte an ihr Herz, aber nicht so, wie es die Rondrianer üblicherweise zu tun pflegten, schnell und zackig, dass der Harnisch schepperte, sondern leicht und auf eine unbestimmte Art und Weise lässig, kaum ihren Wappenrock berührend. „Ich bin Odina di Salsavûr, Ritterin von Lîfstein und komme im Auftrag meines Oheims, Dartan d’Alsennin-Salsavûr, Ritter von Dûrenstein, Condottiere der Schwarzen Adler –“

„Und was bedrückt diesen Dom Dartan so sehr, dass er Euch geheißen hat, wie die leibhaftige Rondra hier hereinzustürmen?“, unterbrach der Pfandvogt ihren einem Schwertgewitter gleichendem Redefluss.

„Mein Oheim, der im Dienst Graf Horasios steht, liegt mit seinem 100 Mann starken Haufen vor Inostal und sendet mich, um sich Eurer Kooperationsbereitschaft zu versichern.“

„Was?“, sprang Dom Amando aus seinem Sessel empor. „In welcher Angelegenheit? Warum kommt er mit Truppen? Und warum erscheint er nicht selbst? Und warum hat mir Dom Horasio – ich stehe mit ihm in engem Briefkontakt! – nichts davon geschrieben?“

Äußerlich ungerührt ob der Erregung des Pfandvogts blieb Domna Odina stehen, durchbohrte ihn mit ihren Flammenblicken und gab zur Antwort: „Der Graf von Bomed hat meinen Oheim und seine Truppe beauftragt, eines Briganten habhaft zu werden, der die Baronie Inostal in Unruhe versetzt. Sein Name soll El'Fenneq sein und ich soll bei Euch alles in Erfahrung bringen, was Ihr über ihn und seinen Aufenthaltsort wisst.“

„Hier in Inostal ist er nicht!“, krähte Sgilla.

Dom Amando sah den Alcalden böse an, um dann ein zuckersüßes Lächeln aufzusetzen. „Ach, Dom Dartan bittet mich um Informationen! Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt, Domna... Odina? Wenn es nur darum geht, Auskunft zu erhalten, so wäre es doch nicht von Nöten gewesen, hier hereinzubrausen wie eine Reiterkavalkade und mich in solche... Erregung zu versetzen!“

Er erhob sich und ging um den Tisch herum auf die junge Ritterin zu. „Es steht mir nicht an, über die Pläne und Absichten Dom Horasios zu urteilen, aber lasst Euch Eines gesagt sein: Das einfache Volk liebt und verehrt El'Fenneq und wird sich äußerst verstockt zeigen, was Neuigkeiten über ihn angeht. Insofern tatet Ihr ganz Recht daran, zu mir zu kommen. Ich will Euch gerne berichten, was ich weiß. Aber da Ihr ja nicht gekommen seid, um mir den Krieg zu erklären, wie ich zuerst annahm“ – er zwinkerte mit dem Auge und die Ritterin musste schmunzeln – „würde ich dies gerne in einem weniger formalen Umfeld tun. Darf ich Euch zum Essen ausführen? In der Blauen Traube sollen sie eine ganz vorzügliche Küche haben...“

Amando de Vivar lächelte freundlich und bot der Cavalliera seinen Arm an. Ebenfalls lächelnd, legte sie ihre Hand darauf.

Chronik:1032
Handel und Wandel
Teil 02