Chronik.Ereignis1033 Feldzug Kornhammer 04

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Königlich Kornhammer, 2. Rondra 1033 BF

Im Ort Kornhammer


2. Rondra, am späten Abend

Autor: von Scheffelstein

"Und wer will mich hindern? Du?" Mit gebleckten Zähnen trat der junge Krieger vor das Lager aus Fellen, das Feridun iban Kasz unter einem ledernen Zeltdach hatte errichten lassen.

Faruch hieß er, Sohn des Jellal. Feridun hatte seinen Vater gut gekannt. Der alte Jellal iban Harzud war Nuranshâr gewesen, bevor Mharbal iban Azad seinen Platz eingenommen hatte. Faruch war einer seiner jüngsten Söhne. Ein Hitzkopf, stark zwar, doch ungestüm und dumm. Und er hatte dem Beerenwein schon reichlich zugesprochen.

"Geh, Sohn des Jellal, bevor ich dein Gehänge an die Hunde verfüttere und dein Herz an die Weiber der Blutlosen." Feridun wandte sich Farsha und Jeleyin zu, die seinen Rücken mit Zumzum-Öl einrieben, Farsha sanft wie der laue Abendwind, Jeleyin hart und nachdrücklich wie ein starker Regenguss im Sommer. Feridun zog Jeleyin zu sich heran, griff ihr unter das Brusttuch und knetete die prallen Früchte, die ihm noch kein Sohn streitig gemacht hatte. Er küsste sie auf den Hals, und sie biss ihm in die Wange, bis Blut aus der Wunde rann. Feridun knurrte und wollte sie fortstoßen, doch mit dem Blick einer Berglöwin beugte sie sich über ihn und leckte das Blut von seiner Wange. Er ließ sie gewähren.

"Du hinderst mich nicht, Feridun iban Kasz!" Der junge Krieger war noch immer da. "Ich nehme mir so viele Weiber, wie ich will! Wir haben sie auf dem Weg hierher gefangen, während ihr hier herumsitzt und das Steinzelt der Flachländer anstarrt wie einen Käfig voller Vögel, statt hineinzugehen und zu kämpfen wie Männer und euch die Vögel zu nehmen!" Er baute sich vor dem Felllager auf und schlug sich mit der Faust gegen die haarlose Brust. "Ich bin Faruch iban Jellal", rief er laut, "Sohn des Geistertänzers! Wessen Sohn aber ist dies, frage ich euch? Wer ist Feridun iban Kasz? Kasz war ein Niemand! Arthabas der Bärentöter hat ihn mit bloßen Händen erwürgt!"

"Sei still!", rief der alte Zebuquad iban Mahashîr. "Wir sitzen am Lager des Feridun iban Kasz, Shâr der Zhulamar, die unserem Nuranshâr Mharbal iban Azad nahestehen. Setz' dich und trink den Terech achnûn und iss das Ziegenfleisch, das er mit uns teilt."

"Ich habe genug Beerenwein getrunken, und das Fleisch, das ich will, gehört nicht den Ziegen, sondern den hellhäutigen Weibern. Ussâm, Sharkan!", rief Faruch, und zwei seiner Freunde traten vor und zerrten ein schluchzendes Mädchen vor das Zelt, das sie sich schon am Morgen geteilt hatten. Sein Kleid war zerrissen und getrocknetes Blut klebte an seinen Schenkeln.

"Lasst das Weib los und setzt euch!", rief Zebuquad. "Habt ihr die Worte des Shârs nicht gehört? Mharbal hat von einem Haran der Flachländer geträumt, der die Stämme der Blutlosen einen wird und der von Raschtulas Geist besessen ist. Wir warten hier, bis sich der Flachländer dem Shâr zum Kampf stellt, und dann folgen wir dem Stärkeren, und alle Weiber von hier bis an die Berge jenseits der Ebene werden unser sein."

"Shâr? Welcher Shâr?", fragte Faruch. "Ich bin ein Shach anach thar, kein Zhulamya, Feridun iban Kasz ist nicht mein Shâr."

"Ich bin dein Shâr", grollte Zebuquad, "bis Mharbal einen neuen Shâr bestimmt hat."

"Bestimmt?", fiel nun auch Ussâm ein. "Seit wann bestimmt der Nuranshâr unseren Führer? Er gibt allein von seinem Blut, dass alle demjenigen folgen, der sich zum Shâr gemacht hat. Du bist nicht unser Shâr, Zebuquad iban Mahashîr, du hast Yistarrech iban Akbar nicht getötet."

Zebuquad stand auf. "ICH BIN DER ÄLTESTE DER SHACH ANACH THARÎM!", donnerte er. "IHR FOLGT MEINEN WORTEN! Und ich sage: Solange wir am Feuer des Feridun iban Kasz sitzen, tun wir, wie er uns heißt."

"Kämpfe, wenn du unser Shâr sein willst!", rief Ussâm. "Kämpfe! Und wenn du verlierst, dann wird uns niemand hindern, alle Weiber zu nehmen, die wir wollen, denn dann bin ich Shâr der Shach anach tharîm!"

Ussâm zog ein gebogenes Eisenschwert, das er den Blutlosen abgenommen hatte, und Zebuquad nahm die gewaltige Steinaxt von seinem Rücken. Doch noch während die Umstehenden Platz machten für den bevorstehenden Kampf, griff Faruch nach einem Tonkrug mit Beerenwein und schlug ihn dem alten Krieger so hart gegen die Schläfe, dass Zebuquad zu Boden ging wie ein gefällter Baum.

"ICH BESTIMME!", brüllte er Ussâm an, der von der plötzlichen Wendung ebenso überrascht war wie die übrigen Bân Gassârah beider Sippen. Faruch ließ die Reste des zerbrochenen Kruges fallen und riss das hellhäutige Mädchen aus Sharkans Händen.

"GENUG!", rief Feridun und schob Jeleyin beiseite. "Mharbal iban Azad hat mich bestimmt, den Blutlosen unsere Forderung zu überbringen. Wir warten hier auf ihren Haran, damit er sich mir zum Kampf stellt!"

"Weißt du, was ich mit deinem Haran mache?", fragte Faruch und riss mit einem Ruck das Kleid von den Schultern des Mädchens. Hart stieß er sie zu Boden und löste die Schnur um seine Hüften, und seine Lederflickenhose rutschte ihm bis zu den Knien herab.

Feridun hob zwei Finger, und Rashni und Tsharik rissen Faruch an den Haaren von dem Mädchen herunter und drückten ihn mit dem Gesicht in den Staub. Die Blutlose rollte sich wimmernd auf dem Boden zusammen.

"Die Bân Gassarah paaren sich nicht mit Kaninchen!", sagte Feridun verächtlich. "Wer sein Zhulshâma mit den Blutlosen teilt, dem werden sie das Blut aus dem Leib saugen, bis sie genauso feige und schwach sind, wie die Flachländer selbst. Und die da, die ist nicht nur blutlos, sie ist keine Löwin, keine Wölfin und keine Bärin. Sie ist ein Kind und furchtsam wie ein Hase!"

Er machte eine Handbewegung und Tsharik riss die junge Frau grob auf die Füße und schubste sie auf den Rand des Platzes zu. Schützend hielt sie mit den Händen die Reste des Kleides zusammen, begriff erst, dass sie frei war, als Tsharik ihr erneut einen Stoß versetzte. Weinend verschwand sie in der Dunkelheit.

"Ich pisse auf dich, Sohn des Kasz", stöhnte der junge Faruch im Staub. "Noch nie hat jemand den Shach anach tharîm die Beute versagt!"

Rashni drückte das Gesicht des jungen Kriegers tiefer in den festgestampften Boden, als zwischen den Steinhütten Tshariks Ruf erklang: "Shâr: Flachländer!"

Sofort griffen die Bân Gassarah zu den Waffen, und auch Rashni ließ den Jungen los und zog seine Langmesser.

"Wie viele?", fragte Feridun, während er Farsha winkte, ihm die beiden Krummschwerter zu bringen, die er einem dunkelhäutigen Krieger abgenommen hatte.

"Acht", sagte Tsharik, "darunter zwei Weiber."

"Acht?", fragte Rashni ungläubig, und einige weitere Krieger spannten ihre Bögen. "Acht sind nciht einmal ein Kampf", sagte Rashni enttäuscht.

Aller Augen waren auf die Reiter gerichtet, die nun am Rand des Lehmplatzes zwischen den Steinhütten auftauchten. Feridun erkannte den alten Mann, den Shâr der großen Steinhütte auf dem Berg, der sich als Freund des Mondes ausgegeben hatte. Er trug eine Eisenschale auf dem Kopf, auf der sich ein Eisendrache emporreckte, und trug Eisenkleider, so wie die meisten seiner Krieger, auch die Frauen. Nur einer war in ein dickes Wollkleid gehüllt, mit einem Steinhaus mit Flügeln auf der Brust. Er war fast so alt wie der Freund des Mondes und ganz bestimmt kein Krieger, dürr und zitterig, wie er wirkte. Der letzte Mann der Blutlosen war das große Narbengesicht mit der Stimme, als hätte man ihn seiner Männlichkeit beraubt. Auch diesmal sprach er zu den Bân Gassarah, was die Blutlosen in ihrer weichen Zunge im vorsagten.

"Hehzindyan, Shâr über das Land der Raschtuladjerim geben seine fordert an Feridun iban Kasz!", sprach das Narbengesicht, und mehrere Krieger knurrten unwillig angesichts seines Singsangs und der Worte, die wie Hohn klangen in ihren Ohren. Aber Feridun hob die Hand und hieß sie schweigen.

"Wo ist der Haran?", fragte er.

Das Narbengesicht sang leise etwas in der Zunge der Blutlosen, und der alte Flachländer-Shâr antwortete, ehe erneut der große Mann mit der Stimme des Weibes sprach: "Der Haran der Flachländer, der welcher ist besessen vom Blutgeist-Stiersonne wird kommen, ehe der Mond zweimal in die Hände getaucht ist. Aber Feridun iban Kasz wollte zu sprechen mit dem Mond, und Hehzindyan, Shâr über das Land der Raschtuladjerim bringt ihm die Worte des Mondes."

"Die Worte?", fragte Feridun und beugte sich auf dem fellbezogenen Schemel nach vorn. "Ich sagte, ich will mit dem Mond selbst sprechen oder mit ihrem Haran!"

Wieder ein Wortwechsel, dann sagte das Narbengesicht:

"Feridun iban Kasz kann sehen, der Mond geht über den Himmel." Er zeigte hinauf zu dem Gesicht des Mondes, das dieser bereits hinter einer Hand zu verbergen begann, sodass das Kinn des Mondes im Schatten der dunklen Hand lag. "Der Mond wirft seine Augen auf die Krieger von Feridun iban Kasz und gibt seine Stimme Hehzindyan-Shâr, damit ihr seine Worte hören sollt."

"Das Weib soll schweigen!", knurrte Ussâm ungehalten. "Was faselt er vom Mond?"

"Schweig, Sohn des Narrzul", hieß ihn Feridun und winkte das Narbengesicht, fortzufahren. "Was sagt der Mondkrieger?"

Der große Fremde, der als Einziger der Blutlosen die Muskeln an seinen Armen nicht hinter Eisen oder Wolle versteckte, nickte dem hässlichen Geier mit dem geflügelten Haus auf der Brust zu, und der alte Mann zog etwas aus einem Tuch hervor, das wie ein Kreidestein aussah, groß wie ein Kinderkopf.

"Was ist das?", fragte Feridun misstrauisch.

"Die Worte des Mondes, gegeben vom Mond an Hehzindyan-Shâr für Shâr Feridun iban Kasz", erklärte das Narbengesicht.

Feridun winkte Tsharik, der an das Pferd des zitternden Alten herantrat und ihm den Stein aus den Händen nahm.

"Will der Shâr der Blutlosen mich verhöhnen? Was soll ich mit einem Stein?", fragte Feridun. "Der Stein trägt keine Zeichen, und Steine sprechen nicht."

"Stein des Mondes spricht nur mit einem Shâr", sagte der Shâr der Flachländer selbst zu Feridun, und der Narbengesichtige schien ebenso erstaunt wie die Bân Gassârah, dass der blutlose alte Krieger sprechen konnte. "Nimm und höre!"

Tsharik brachte den Stein, und Feridun rammte die Krummschwerter vor sich in den Boden und nahm den weißen Stein mit beiden Händen. Schlagartig wurde es dunkel. Alle Feuer erloschen, der Mond war fort, die Sterne vom Himmel gefegt. Es war finsterer als in Nächten, in denen der Mondkrieger sein Gesicht verbarg, finsterer als in den Höhlen von Shakar Shuz'al, finsterer noch als der Rachen des Todbringers aus den Geschichten der alten Frauen.

Feridun sah nichts. Er tastete nach seinen Waffen vor sich und riss sie aus dem Boden. Von überall her kamen die Schreie der Männer. Irgendwo hinter ihm kreischte Farsha. Plötzlich erklang eine neue Stimme, laut wie Donnerhall, niederschmetternd wie der Sturm, unnachgiebig wie der Fels und doch betörend wie der Atem eines jungen Weibes.

"Ich, Al'Mada, Licht in der Nacht, spreche zu euch, Sterbende! Vergänglich seid ihr wie Windhauch, wie Sand, wie Fliegen. Sterben werdet ihr durch meinen Zorn, den ihr aufgewacht habt! Ich habe euch geboten zu warten, ihr habt geflossen das Blut der Hellhäutigen! Weiber der Hellhäutigen sind mein! Raubt, was mir ist, und mein Licht wird für euch vergehen! Männer der Hellhäutigen warten wie ihr, bis der Haran mit eurem Haran kämpft. Seid warnen, Bân Gassarâh, Al'Mada flammt nicht für euch, wenn noch einmal Blut geflossen von Hellhäutigen!"

"ZEIG DICH, MONDKRIEGER!", brüllte Feridun, als die Stimme des Mondes verklang, und die Dunkelheit anhielt. "ZEIG DICH, UND KÄMPFE MIT MIR UM DEINE WEIBER! FERIDUN IBAN KASZ VEREHRT DEN MOND! KOMM, MONDKRIEGER, LASS MICH DIR EHRE ERWEISEN DURCH EINEN KAMPF, DENN FERIDUN IBAN KASZ FÜRCHTET DIE GÖTTER NICHT!"

Der Mond schwieg, während die Bân Gassarah im Dunkeln schrien vor Wut und Angst. Dann plötzlich wurde es hell. Hoch über ihm erschien ein Licht, bleich und hell wie der Mond, unerreichbar, und doch nicht höher als die Steinhütten es sein mochten, wenn sie noch da waren. Feridun hörte Waffen klirren und Hufgetrappel. Laut hieß er seine Männer schweigen. Jeleyin betete heiser zum Mond hinauf, Farsha kreischte noch immer.

"SCHWEIGT!", donnerte Feridun. Eine unheimlich Stille legte sich über das Lager. Das Licht über ihm strahlte, aber es erhellte nichts. Er sah seine Hände nicht, als er die Waffen empor reckte, er sah Jeleyin nicht, obwohl er sie atmen hörte, sah nicht das Zelt, nicht die Krieger und nicht die Steinhütten der Flachländer.

"KÄMPFE, MOND!", rief er, doch der Mond, der seine Form verloren hatte und nur noch Licht war, schien über ihm und schwieg.

"Was sollen wir tun, Shâr?", hörte er Tsharik flüstern. Die Stimme des Kriegers bebte.

"Der Mond verhöhnt uns!", knurrte Feridun und schwenkte drohend die Krummschwerter. Jeleyin gab einen erschrockenen Schrei von sich, als er sie traf.

Überall murmelten die Männer, einer fragte, ob es nun für immer dunkel bliebe. Feridun wusste keine Antwort. Er wartete, die Fäuste um die Waffen geballt, die Muskeln gespannt, bereit zu kämpfen, falls der Mond Gestalt annähme. Doch der Mond schwieg und verstrahlte formlos sein bleiches Licht in eine vollkommene Finsternis.

Plötzlich aber verschwand auch das Licht in der Höhe, doch gerade, als die Männer erneut zu rufen begannen, wurde es hell. Die Feuer flammten auf, die Sterne kehrten zurück, und der Mond schien hell und rund vom Himmel, das Kinn hinter dunkler Hand verborgen.

Mehrere Krieger ließen ihre Waffen fallen und warfen sich zu Boden, flehten den Mond um Gnade an, baten ihn, sie nie wieder zu verlassen, sie würden ihm auch Blut opfern und ihm all ihre Weiber überlassen, wenn er nach ihnen verlangte.

Feridun sah sich nach den Flachländern um. Sie waren verschwunden. Nur die Hufspuren zeugten davon, dass sie wirklich da gewesen waren.

Zebuquad war tot. Irgendwer schien im Dunkeln über den alten Krieger gefallen zu sein und hatte ihm mit der Axt den Schädel zertrümmert.

Ussâm legte sein gebogenes Eisenschwert vor Feriduns Füße. "Shâr von meinem Blut, lass die Shach anach tharîm dir folgen!", sagte er. Faruch sagte gar nichts. Er schnürte seine Hose und verkroch sich mit einem Krug Beerenwein und einer spiegelnden Kalebasse mit dem Brandwasser der Flachländer zwischen zwei Steinhütten, kauerte sich an der Wand zusammen und betrank sich.

Feridun befahl, alle Weiber und Männer der Flachländer, die die Shach anach tharîm gefangen hatten, in den Wald zu schicken. Er wollte nicht wagen, den Mond weiter zu verärgern. Im Finstern konnte der beste Krieger einem verirrten Axthieb erliegen. Feridun wollte nicht enden wie der alte Zebuquad.

Erst sehr viel später wunderte sich Feridun, warum der Mond genauso unbeholfen gesprochen hatte wie die Blutlosen. Wahrscheinlich, sagte er sich dann, lag es daran, dass er schon zu lange aufseiten der Flachländer kämpfte.


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 04