Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 13

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Im Raschtulswall, 25. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

In den Bergen, am Djer Kalkarif[Quelltext bearbeiten]

Der Einsiedler[Quelltext bearbeiten]

Autor: SteveT

Geschmeidig wie ein Raubtier kroch Charrizul auf allen Vieren durch das Unterholz am Rande des lichten Bergwaldes. Gleich musste die Holzhütte des weißen Mannes in sein Blickfeld kommen, die er von einem Felsvorsprung weiter oben an der Ostflanke des mächtigen Djer Kalkarifs aus entdeckt hatte. Der junge Rustam iban Hazargul versuchte, ihm auf gleiche Weise zu folgen, aber der bartlose Jüngling war noch zu ungeschickt und manches Mal zerbrach knackend ein Ast unter seinem Gewicht. Glücklicherweise waren die Sinne der schwächlichen Flachländer durch ihr Leben in Steinhäusern größtenteils verkümmert. Beim Heranschleichen an ein Lager der verfluchten Ban Gassarah hätte sie ein solcher Fehler schon das Leben kosten können.

Charrizul warf dem ihm folgenden Jungen einen drohenden Blick zu, dann bog er vorsichtig einige Disteln zur Seite und wagte einen Blick auf die sich nun vor ihnen öffnende Lichtung mit der Hütte. Die Glitzerflächen, die er von oben gesehen hatte, waren tatsächlich Wasserstellen, aus denen in der kalten Luft weißer Rauch aufstieg, als habe jemand darunter in der Erde ein Feuer entfacht. Dergleichen hatte Charrizul bislang nur am Djer Ragaz gesehen - dem benachbarten Feuerberg.

Er hatte eigentlich gehofft, hier das Weib zu finden, nach dem es Shâr Nasfagul verlangte. Der Häuptling war zufrieden mit ihm, seit er ihm das große schwarze Pferd der schecklichen Yil'Hayatim zugeführt hatte. Wenn er ihm nun noch das Weib brachte, das dem jungen neuen Nuranshâr entkommen war, so würde er zu einem der wichtigsten Krieger des ganzen Stammes aufsteigen und konnte es irgendwann wagen, den Pascha selbst zum Kampf um die Häuptlingswürde herauszufordern. Er wartete, bis sich Rustam endlich neben ihm bäuchlings im Buschwerk niedergelassen hatte. Beide sahen sie einen alten Mann mit langem weißen Zopf, wie ihn die Flachländer gerne trugen. Er war in schrill bunte Farben gekleidet und pflückte etwas von den Sträuchern, die neben seiner Hütte wuchsen. Charrizul wollte Rustam eben zuraunen, er solle auf die Rückseite der Hütte schleichen, um dem Alten jede Fluchtmöglichkeit zu rauben, als plötzlich drei weitere Menschen - dem Augenschein nach ebenfalls Flachländer - von oben den Hang herabgestiegen kamen, an dem die Hütte des Alten lag. Alle drei waren mit einem Seil aneinander gefesselt, das ihnen jemand um die Bäuche geschlungen hatte. Der Sinn einer solchen Fesselung wurde Charrizul nicht recht klar,den sie konnten ja immer noch klettern und fortlaufen, wenn auch nur alle gemeinsam. Es handelte sich um zwei Männer und ein junges Weib mit dichten schwarzen Locken, welches in ihrer Mitte ging.

Der hintere der Männer war schon etwas älter und hatte Haare wie Gold, gerade so wie die Sklavin des Shârs, die sich so widerborstig stellte. Das junge Weib gefiel Rustam so gut, daß er sich die Lippen leckte und Charrizul mit Zeichen frug, ob er sie rauben dürfe. Dieser aber verneinte mit einem Kopfschütteln und hatte nur Augen für den jungen Mann, der vorneweg kletterte. Er hatte ihn vor ein paar Tagen schon einmal gesehen und gegen ihn gekämpft - drunten in der Turmstadt der Blutlosen. Er war ein Krieger vom Stamm der schrecklichen Yil'Hayatim - aber hier, ohne das todbringende Mörderweib und die gepanzerten Krieger an seiner Seite, die ihn beim letzten Aufeinandertreffen begleitet hatten, würde er erst beweisen müssen, ob er einem Krieger der Bani Khadr gewachsen war.


Moritatio kam als erster unten auf der Lichtung an, während Zaida und Gendahar noch vorsichtig die letzten Schritte des Abhangs herunterstiegen. "Praios zum Gruße!", rief er den weißhaarigen Eremiten an, der neben seiner Kate in seinem Gemüsebeet arbeitete, damit dieser nicht erschrak. Er hob die Hände, zum Zeichen, daß sie in friedlicher Absicht kämen. "Kannst du mich v-e-r-s-t-e-h-e-n ?" frug er extra langsam und betont, da es ja auch gut möglich war, dass der Alte nur Tulamidya sprach oder das Gegrunze der Wilden. Aber wie ein Ferkina sah er nicht gerade aus.

"Natürlich - Ihr sprecht ja sehr langsam und deutlich!", antwortete der Alte auf Almadanisch, sogar im gleichen bosquirischen Akzent mit rollendem "R", den auch Moritatio sprach. Er schien keineswegs erschrocken und überrascht, daß hier jemand sein Einsiedlerdasein störte, sondern vielmehr so, als habe er sie bereits erwartet. In seiner Hütte begann ein Hund zu bellen - der Stimmlage nach ein sehr großer Hund. "Aus, Raffzahn!", brüllte der Eremit. "Jetzt brauchst du auch nicht mehr kläffen, sie sind bereits da!" Aber der Hund bellte weiter und ließ sich davon nicht beeindrucken.

"Sei gegrüßt!", wiederholte Moritatio nochmals, als er vor dem Alten stand und auch Zaida und Gendahar zu ihnen gestoßen waren. "Wir suchen nach einem Heiler, der in dieser Gegend leben soll. Sein Name ist Tsacharias Krähenfreund."

"Was wollt ihr von ihm?", frug der Alte mit leichtem Misstrauen in der Stimme und musterte sie alle drei aufmerksam.

"Wir selbst wollen gar nichts von ihm" schüttelte Moritatio den Kopf. "Aber eine Edeldame aus unserer Heimat beabsichtigte, ihn mit ihrem todkranken Söhnchen aufzusuchen. Und dieser Junge ist ein Anverwandter einer weiteren Begleiterin von uns, die wir leider hier in den Bergen verloren haben und nach der wir nun ebenfalls suchen. Du wirst es hier in dieser Einsamkeit vielleicht nicht mitbekommen haben, aber die Wilden sind zu Aberhunderten aus den Bergen herabstiegen und bedrohen ganz Ost-Almada! Auch du selbst bist hier in Gefahr! Etwas weiter unten, drüben auf der anderen Seite des Berges liegt ein großes Ferkinalager, das wir oben vom Gipfel aus gesehen haben! Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie dich entdecken!"

"Die 'Wilden', wie Ihr sie nennt, mein Sohn", antwortete der Alte leicht amüsiert, "ziehen seit vielen Jahren jeden Sommer durch diese Gegend. Ich halte es ihnen gegenüber genauso wie gegen alle anderen Geschöpfe der Ewigjungen: Was du nicht willst, was man dir tu, das füg' auch keinem anderen zu!"

Moritatio kräuselte die Stirn und warf Gendahar einen verstohlenen Seitenblick zu. Offenbar waren sie an einen dieser versponnen Neo-Rohalisten und Tsajünger geraten, die mit allem und jedem im Einklang leben wollten, bewaffnete Auseinandersetzungen ablehnten, und die selbst in der Plage und Geißel des Bosquirtales noch Geschöpfe der Tsa zu erkennen glaubten.

"Dein Weltbild in allen Ehren!", knurrte Moritatio, "aber mit diesen Bestien ist nicht gut Kirschen essen. Dreimal wollten sie uns in den letzten Tagen ans Leben! Also kennst du nun diesen Tsacharias Krähenfreund oder weisst du zumindest wo er lebt, oder nicht?"

"Um wen handelt es sich denn bei der Edeldame, die ihn aufsuchen wollte?", antwortete der Eremit.

"Um Baronin Fenia von Culming", antwortete nun Dom Gendahar. "Meine Base! Ihr Sohn, mein Neffe Praiodor von Culming-Alcorta, ist an einer rätselhaften Sieche erkrankt, die bereits viele Kinder in der Grafschaft Südpforte des Leben kostete, vielleicht habt Ihr davon gehört? Der Beschreibung des Wohnortes nach, die mir die Kräuterfrau Udinia vor ein paar Tagen gab, lässt mich nämlich glauben, dass Ihr selbst ihr Bruder Tsacharias Krähenfreund sein müsst."

"Der bin ich!", nickte der Alte und lächelte kurz. "Ihr habt mich gefunden und hättet gleich sagen sollen, daß euch meine Schwester Udinia schickt. Verzeiht, aber ich muss vorsichtig sein, da mir die verblendeten Frömmler und angeblichen Ketzerjäger des Halunken Amando Laconda da Vanya auf den Fersen sind! Mit wem habe ich die Ehre?"

"Mit Moritatio da Vanya!", zischte dieser und hob warnend den Zeigefinger. "Nenn Seine Eminenz, meinen Großonkel, noch einmal einen Halunken und all Dein Versteckspielen war umsonst!"

"Oh!", antwortete Tsacharias Krähenfreund und wich zwei Schritte zurück, dem sichtlich der Schrecken in die Glieder gefahren war.

"Nicht doch!", trat Dom Gendahar demonstrativ zwischen die beiden. "Keine Angst! Wir haben mit der Inquisition nichts zu schaffen und was man Euch dort zur Last legt, tangiert uns nicht! Ich bitte Euch guter Mann - mein Name ist Gendahar von Streitzig, ich bin der Schwager des Grafen Brandil von Ragath, dessen Tochter offenbar ebenfalls von den Wilden verschleppt wurde. Nicht zu vergessen, die Edeldame, die sich in unserer Begleitung befand, um deren Schicksal wir uns nun ebenfalls sorgen müssen. Ihr seht, die Lage ist überaus ernst, da wir viele geliebte Personen missen, die uns lieb und teuer sind und über deren Schicksal wir noch keinerlei Klarheit haben. Wenn Ihr also etwas wisst, werter Tsacharias, das uns weiterzuhelfen vermag, dann bitte ich Euch inständig es uns zu sagen!"

Tsacharias Krähenfreund strich sich über den schlohweisen Rohalsbart, der sein Gesicht bedeckte und betrachtete Zaida nachdenklich. Dann begann er zu sprechen: "Leider hat mich besagte Domna Fenia bislang nicht aufgesucht, was wohl in erster Linie der abgeschiedenen Lage meines Domizils geschuldet ist. Neben meiner Schwester Udinia weiss nur noch der Abt des Noionitenspitals zu Ragath um meinen Aufenthaltsort, der mich früher öfters als Heiler konsultierte, wen eine der ihm anvertrauten Pflegebedürftigen leiblich erkrankt war."

"Ja!", antwortete Gendahar, dessen Gesicht sich erhellte. "Meine Base war eine Zeit lang in dessen Kloster, da ihr der Schlachtentod ihres Gemahls und die Erkrakung ihres Mundillos schwer aufs Gemüt geschlagen war."

Der Eremit nickte mitfühlend. "Der Weg hierher ist beschwerlich und fährnisreich, so dass er die meisten von vorneherein abgeschreckt. Es gibt hier Bären und Berglöwen und hin und wieder sogar einen Drachen am Himmel. Noch gefährlicher sind aber die Firunschläge, Geröllawinen und Steinschläge, die jeden Unvorsichtigen in den Tod reißen. Vom Abstürzen beim Klettern ganz zu schweigen. Mit einem kranken Kind hierher reisen zu wollen, ist ein törichtes Unterfangen - hätte mir Abt Marbodano eine Nachricht zukommen lassen, so hätte ich Eure Base und Euren Neffen auch an einem verabredeten, geheimen Ort irgendwo unten im Bosquirtal getroffen."

"Leider handelt meine Base derzeit eben nicht sehr überlegt", zuckte Gendahar mit den Achseln, "und ist ohne die Erlaubnis dieses Abtes mit ihrem Sohn losgezogen! Habt Ihr dann vielleicht wenigstens etwas über den verbleib der gräflichen Comtess oder über unsere vermisste Begleiterin mitbekommen?"

"Eine sehr kleine Frau mit langen schwarzen Haaren, bildhübsch, mit einer Narbe auf der linken Gesichtshälfte", fügte Moritatio schnell erklärend hinzu.

Charrizul warf Rustam einen fragenden Blick zu, aber dieser schüttelte den Kopf - sie verstanden beide kein einziges Wort vom schnellen Singsang der Flachländer, die beim Sprechen wild mit den Händen herumfuchtelten. Und sowas sollte eine Sprache sein, obwohl darin kein einziger Tier- oder Naturlaut vorkam? Die beiden Männer waren mit langen Messern bewaffnet, die junge Frau und der Alte offenbar nicht. Der große Hund, der in der Hütte kläffte, machte den beiden Ferkinas mehr Sorgen, als die Menschen - aber solange die Hüttentür geschlossen war, konnte er ihnen nicht gefährlich werden. Rustam wollte das Mädchen als seine erste Sklavin rauben und Charrizul wollte seinem Häptling die Köpfe der beiden Männer bringen. Wenn es ihm vielleicht sogar gelang, den jüngeren lebend zu fangen, so konnten sie ihn martern und quälen bis er den Aufenthaltsort der verhassten Yil'Hayatim preisgab - der Häuptling und der alte Nuranshâr sprachen schließlich die Sprache der Flachländer - und der neue Nuranshâr sah selbst aus wie einer. Charrizul packte sein Steinbeil fester und stieß Rustam an. Blitzartig schnellten die beiden jungen Ferkinas hoch und griffen die zusamenzuckenden Flachländer unter furchterregendem Geheule an.


Autor: Ancuiras

Gendahar von Streitzig starrte den Eremiten erwartungsvoll an, der gedankenversunken in die Ferne blickte. Wusste er nun etwas über den Verbleib der Gesuchten oder nicht? Diese Frage konnte doch nicht so schwer zu beantworten sein!

Bisher war so ziemlich alles schief gelaufen bei dieser vermaledeiten Expedition. Erst der Überfall auf die Ordensritter, seine eigene schwere Verletzung, die böse Überraschung auf dem Castillo da Vanya und dann das Verschwinden Richezas. Und noch keine Spur von Romina oder Fenia! Bisher war Gendahar darauf beschränkt gewesen, in der Ecke zu liegen, durch die Gegend verfrachtet oder - ahnungslos gegenüber der Gefahren der Wildnis - an einem Seil geführt zu werden. Das musste nun endlich ein Ende haben, er musste die Dinge selbst in die Hand nehmen. Immerhin war er der Banus des Yaquirtals! Doch wo sollte man beginnen?

Der störrische Alte hatte ihm gerade noch gefehlt. Gerade wollte er ihn durchschütteln, damit er endlich antwortete, oder ihm notfalls doch mit der Inquisition drohen, als er vom Hang über ihnen ein wildes Geschrei und Gejohle hörte. Dann sah er auch schon die beiden Ferkinakrieger, die wie besessen den Abhang zu ihnen hinab stürmten. Alarmiert suchten Gendahars Augen den Hang und die nähere Umgebung nach weiteren Angreifern ab. Das muss eine Falle sein, war sein erster, instinktiver Gedanke, denn warum sonst sollten sich zwei Jünglinge einer Übermacht in offenem Kampf stellen - zumal ihm, der er noch immer eine der schnellsten Klinge des Königreichs führte?

Verwirrt stellte er fest, dass sonst niemand zu sehen war. Natürlich - es handelte sich um Wilde, bei denen man keine gewieften Taktiken und ausgeklügelte Schlachtpläne erwarten durfte. Oder dass sie einen Gendahar von Streitzig kannten. Für sie war er vermutlich nur ein alter Mann mit einer geradezu lächerlich leichten Waffe. Nun, sie sollten ihn kennen lernen. Endlich, Rondra, schickst du mir eine Aufgabe, von der ich weiß, wie man sich ihr stellt. Ohne sich zu bewegen blickte er den beiden jungen Stammeskriegern entgegen und zog erst blank, als sie sich auf wenige Schritt genähert hatten.

"Ihr beiden", flüsterte er, "kommt mir gerade recht."


Autor: SteveT

Moritatio tat es dem Streitziger gleich und zog ebenfalls sein Rapier - die beiden anstürmenden Wilden erwartend. Eigentlich war es seine Intention gewesen, sich den Jüngeren und etwas weniger muskulösen der beiden vorzuknöpfen und den kräftigeren, der bereits einige Schmucknarben trug, der angeblich "schnellsten Klinge des ganzen Landes" zu überlassen.

Aber die Ferkinas machten ihm einen Strich durch die Rechnung, denn sie scherten sich einen Dreck um die ungeschriebenen uralten Gesetzmäßigkeiten des Fechtens und der Ehre, wie etwa die, sich stets den ebenbürtigsten Gegner zu erwählen. So griff der größere zottelbärtige Krieger mit seinem Steinbeil ihn an, während der Jüngere, der mit einem Speer bewaffnet war, geradewegs auf die schreckensstarre Zaida zuhielt.

Der Ferkina rannte geradewegs in ihn hinein, dabei weit mit seiner archaischen Waffe ausholend, die Moritatio nur mit Mühe und Not knapp über seinem Kopf parieren konnte. Die eigene Klinge wurde ihm heftig gegen den Schädel geprellt. Er spürte an dem warmen rinnenden Blut, daß er sich dabei eine Platzwunde auf der Stirn zugezogen hatte. Jetzt aus unmittelbarer Nähe erkannte der Hofjunker den möglicherweise etwa gleichaltrigen, penetrant nach Schweiß und einem ranzigen Körperfett stinkenden Ferkina wieder und er wußte, wo er ihn zum ersten Mal gesehen hatte.

"Dom Gendahar! Das ist der Lump, der das Heilige Rossbanner gestohlen hat!" ,brüllte er zum Streitziger hinüber.

Der Ferkina grunzte seinerseits etwas in seiner kehligen Sprache und griff mit der Linken in Moritatios Haarschopf, offenbar um ihm den Kopf an den Haaren nach hinten zu reißen.

Wütend rammte ihm Moritatio den Griffkorb seines Rapiers in die Zähne, was ihn wieder etwas auf Distanz brachte. Der Mistkerl hatte ihm dabei eine ganze Handvoll schwarzer Locken ausgerissen - seine Kopfhaut brannte wie Feuer. Moritatio ging sofort mit seitlichen Ausfallsprüngen zum Gegenangriff über, wie er es im Fechtsaal der Residencia hunderte Male geübt hatte. Jetzt würde sich zeigen, ob die Lektionen des alten Hauptmanns Harden von Ragathsquell etwas wert waren, der das Banner der Hofjunker drillte. Anders als Filippo di Lacara oder Juanito di Dubiana, mit denen er bei solchen Exerziten meistens die Klingen kreuzte, wich der Wilde aber nicht tänzelnd zurück, sondern er ließ einfach ohne jede Parade zu, daß Moritatios Rapier sein Standbein touchierte, während er selbst weitausholend einen neuen Schlag gegen Moritatios Schädel führte, als wolle er eine junge Eiche mit einem einzigen Schlag fällen.

Der Vanyadaler musste zurückspringen und sah dabei, daß sich der Streitziger rechtzeitig zwischen den anderen Ferkina und Zaida gestellt hatte. Dieser schien nur Augen für die junge Waldwachterin zu haben und sah in dem Yaquirtaler und dem alten Heiler offenbar nur Hindernisse, die er schnell aus dem Weg räumen musste, um an sein Ziel zu gelangen. Mit gefletschten Zähnen und irrem Knurren stach er mit seinem Speer nach dem Thangolforster, den dieser aber leicht mit hochgezogener Augenbraue abwehrte.

Sofort umfasste der Streitziger mit der linken Hand den Schaft des Speeres und holte mit dem Schwertarm zum Todesstoß aus, als der alte Heiler plötzlich rief: "Neeeeiiin! Tötet ihn nicht! Auch dieser arme Wilde ist ein Geschöpf der Ewigjungen!"

Charrizul iban Buskurzuf griff sich böse knurrend an sein verletztes Bein, in das ihn der junge Krieger der Yil'Hayatim gestochen hatte. Dafür würde er ihn eigenhändig zu Tode martern, wenn er das Versteck seiner Anführerin erst verraten hatte. Aber dazu musste er ihn vor den Shâr oder Nuranshâr schleifen, denn er selbst verstand das Gewinsel der Blutlosen einfach nicht.

Rustam war noch ein dummer Junge, blind in seiner Geilheit für das schwarzlockige Mädchen. Wenn ihn der goldhaarige Krieger gleich tötete, so mußte Charrizul auch diesen bezwingen - dazu musste er den bartlosen Jüngling aber erst schnell kampfunfähig machen, der hin- und her hopste, als kämpfe er barfuß auf glühenden Kohlen. Mit dem lauten imitierten Schrei eines Schakals stürzte er sich erneut auf Moritatio.


Autor: Ancuiras

Gerade wollte Gendahar dem Wilden die Klinge in die Brust stoßen, als er die Stimme des alten Wunderlings vernahm. Gerade noch konnte er in der Bewegung innehalten und mit einer Handrehung dem Jüngling die Degenspitze an den Hals setzen. "Sei's drum", fuhr es ihm durch den Kopf, "das Gleichgewicht der Schöpfung wird durch ein ewiges Geben und Nehmen aufrecht erhalten und der Herre Boron wird sich selbst der Seele dieses Tieres annehmen!" Ein Seitenblick in die verzweifelten Augen des Einsiedlers aber machte ihm klar, dass dieser geradezu schockiert wäre, wenn der Streitziger den Ferkina vor seinen Augen abstechen würde. Verdammt - den Alten brauchten sie noch und wer weiß, ob der ihnen noch helfen würde, wenn sie sich in seinen Augen als Frevler an der Schöpfung erwiesen.

Plötzlich riss der Ferkina wie besessen an seinem Speer und brachte ihn wieder in seine Gewalt. Gendahar war zu abgelenkt gewesen und verpasste den Moment, ihm den Degen in die Kehle zu stoßen. Schon im nächsten Augenblick musste er der Speerspitze ausweichen, die auf seinen Unterleib gezielt gewesen war. Der Speer durchschnitte den Stoff von Gendahar Hemd, schien ihn aber sonst nur geschrammt zu haben. Früher wäre ihm das nicht passiert.

Mit einer weit ausholenden Bewegung täuschte er einen Stich auf den Arm seines Gegners an, den dieser zu parieren suchte, indem er den Speerschaft ruckartig hochriss. Anstatt den Stich bis zu Ende zu führen, ließ der Streitziger den Degen schlangenartig nach unten sausen und bohrte ihn tief in den Oberschenkel des Wilden. Ein gewöhnlicher Gegner wäre nun wohl gestrauchelt, doch der Jüngling setzte, wenn auch lahmend, weiter nach. Beim zweiten Mal machte sich Gendahar nicht mehr die Mühe einer Täuschung, sondern stach schnörkellos in die Schulter seines Kontrahenten, so dass dieser Mühe hatte, den Speer noch einmal zu heben. Doch er stand immer noch. Es bedurfte zweier Schläge mit der Parierstange des Degen auf den Handknöchel des Gegners und auf seine linke Schläfe, um ihn endgültig zu Boden zu schicken. Gendahar fluchte. Diesen unerfahrenen Krieger zu bezwingen war nicht sehr schwierig gewesen, aber es hatte mehr Zeit gekostet, ihn kampfunfähig zu schlagen, als ihn zu töten. Er schaute sich um, um zu sehen, wie es in dem anderen Kampf stand.


Autor: SteveT

So verbissen er sich auch wehrte, der junge Ferkinakrieger war Moritatio deutlich an Körperkraft überlegen und trieb ihn mit wilden Beilhieben in die Defensive. Wenigstens konnte der Streitziger seinem jungen Antagonisten einige Verletzungen beibringen, wie der Hofjunker aus den Augenwinkeln feststellen konnte. Unter einem weiteren Hieb des Steinbeils zersplitterte plötzlich Moritatios Rapier, die ganze Spitze und ein mindestens zwei Spann langes Stück der Klinge fielen zu Boden, so daß er unversehens nur noch eine Art stumpfen Dolch in der Hand hielt.

Der Wilde lachte triumphierend und schlug ein weiteres Mal zu. Moritatio versuchte, ihn vorher mit der linken Hand am Arm zu packen, aber durch das widerliche Körperfett, das den dreisten Rossbanner-Dieb glänzen ließ wie eine Speckschwarte, bekam er ihn einfach nicht zu fassen - er war zu glitschig!

Charrizul nutzte Moritatios Unachtsamkeit und Zerknirschung und versetzte ihm mit der Linken einen knallharten Faustschlag ans Kinn, durch den dieser wie vom Blitz getroffen umfiel und hart auf dem steinigen Boden aufschlug.

"Haha! Schwach wie Erdhörnchen seid ihr Blutlosen!", lachte Charrizul im Idiom der Bani Khadr und wandte sich dann dem blonden Krieger zu, der Rustam niedergestochen, aber offenbar nicht getötet hatte. Umso besser! Wenn er ganz alleine zwei Krieger der Flachländer besiegte und vier Gefangene machte, würde sein Ansehen im Stamm in unbekannte Höhen steigen und der Shâr würde ihn reich beschenken.

Moritatio wurde schwarz vor Augen, als er ungebremst auf den Steinen aufschlug. Sein Speichel schmeckte nach Blut, die Faust des Wilden hatte ihn voll erwischt. Panisch kämpfte er gegen die Ohnmacht an, die ihn zu umschlingen drohte. 'Bleib wach!', befahl er sich selbst. 'Denk an Richeza! Ohne Deine Hilfe ist sie verloren!' Er wunderte sich über sich selbst, dass er selbst in so einem Moment zuerst an seine wunderschöne Cousine dachte - nicht aber an sein eigenes Schicksal, das verwirkt war, wenn die Wilden sie gefangennahmen! Er schüttelte wild den Kopf, um die Benommenheit abzuschütteln und stemmte sich mit wackeligen Armen und Beinen hoch in den Stand. Die Berge ringsum drehten sich um ihn herum, ihm war schwindelig wie noch nie, aber mit äußerster Kraft- und Willensanstrengung schaffte er es, sich zu bücken und das Stilett aus seinem Stiefel zu ziehen.

Der Wilde schlug krakeelend auf Dom Gendahar ein, der sich mit der Eleganz eines geborenen Fechters zur Seite wegdrehte. Mit einem Wutschrei, der wahrscheinlich bis nach Punin zu hören war, wankte Moritatio von hinten auf den Wilden zu und rammte ihm das Stilett bis zum Griff zwischen die Schulterblätter.

Der Ferkina drehte sich langsam zu ihm herum, einen erstaunten, fast vorwurfsvollen Ausdruck im Gesicht. Er wollte offensichtlich etwas sagen, aber statt Worten brachte er nur dunkles Blut hervor, daß ihm aus dem Mund lief. Vielleicht hatten die Wilden doch auch ihre archaischen Regeln im Kampf und es war bei ihnen unüblich, einen Gegner von hinten anzugreifen, der gerade mit jemand anderem kämpfte. Es war Moritatio gleichgültig - das war kein Ehrenduell vor Sekundanten, das war ein Gefecht im Krieg, denn als Krieg konnteman diese Invasion der Wilden auf Almada inzwischen wohl bezeichnen.

Der Ferkina zog sich zur Verblüffung der vier Mittelländer selbst das Stilett aus dem Rücken, stieß Moritatio kraftlos zur Seite und verschwand torkelnd im Gebüsch, aus dem er und sein junger Begleiter hevorgekommen waren.

Moritatio war zu fassungslos und schwach, um ihn daran zu hindern. Er ließ sich stöhnend zu Boden plumsen und wusste nun, daß die Redensart 'Zäh wie ein Ferkina' nicht von ungefähr kam. Wie konnte man eine solche Verletzung überleben und dabei sogar noch auf den Beinen bleiben?

"Keine Sorge, der kommt nicht weit!", hörte er den Streitziger sagen, der dem verletzten jungen Ferkina seine Klinge an die Kehle setzte, der sich kriechend ebenfalls aus dem Staub machen wollte. Der Thangolforster war der Einzige von den Vier, der nicht vor Aufregung zitterte.

Zaida und der alte Heiler Tsacharias waren zur Hütte zurückgewichen, nun kam der Eremit aber wieder näher und beugte sich untersuchend über den schwerverletzten jungen Ferkina, dem diese Hilfe aber, seinem wilden Kopfschütteln nach zu urteilen, als andere als recht war.

"Praios im Himmel! Lass' den Mistkerl doch verbluten!", schimpfte Moritatio verärgert, als er das sah. "Denkst du, die hätten auch nur einen Gedanken an unsere Rettung verschwendet, wenn sie obsiegt hätten? Ganz im Gegenteil!" Er streckte Zaida die Hand entgegen, damit ihm das stille Kind wenigstens hochhalf, wenn sie schon sonst nichts zur Rettung ihrer Gefährten beitrug, außer ihnen eine Last zu sein.

"Wir müssen weg hier! Und zwar auf der Stelle, denn bald wird der ganze Stamm hier sein, um Jagd auf uns zu machen! Wenn du auf sie warten willst, Heiler - meinetwegen, das ist deine Sache! Aber vorher beantwortest Du uns jetzt unsere Frage: Weißt du etwas über Baronin Fenia von Culming und ihren Sohn? Oder über die entführte Tochter des Grafen? Oder vor allem über unsere Gefährtin - Richeza von Scheffelstein ???"

Ungeduldig sah Moritatio zu, wie der alte Heiler einige Blätter von einem Busch neben seiner Hütte abriss und sie dem verletzten jungen Ferkina auf seine am stärksten blutende Wunde an der Schulter presste. Diesem war das ganz und gar nicht geheuer, er zappelte wild hin und her und gab Zischlaute von sich wie eine in die Enge getriebene Schlange.

"Hola! Was ist nun?", hakte Moritatio unwirsch nochmals nach, da dem Eremiten das Verarzten dieses Wilden wichtiger zu sein schien, wie ihnen eine Antwort zu liefern.

"Hm, also diese Edeldame mit dem Kind, die mich aufsuchen wollte", gab der Alte dann doch endlich brummelnd Laut, "...es wundert mich nicht, daß sie mich nicht gefunden hat."

Moritatio tauschte einen fragenden Blick mit Dom Gendahar und Zaida - aber beide schienen damit ebenso wenig anfangen zu können, wie er selbst. "Wie meinst du das? Wir haben dich doch auch gefunden?"

"Ihr hattet großes Glück, dass euch meine Schwester den Weg zu mir gewiesen hat", erklärte der Einsiedler schulterzuckend. "Sie ist die Einzige die weiß, dass ich nun hier lebe! Bis vor sechs Monden lag meine Hütte noch drüben auf der anderen Seite, an der Westflanke des Berges. Im vergangenen Hesindemond ging aber ein gewaltiger Firunschlag von oben herab und zermalmte mein Domizil - der Göttin sei Dank, während ich und mein Hundchen gerade beim Feuerholz suchen waren. Ansonsten stände ich heute nicht vor euch."

Moritatio nickte verstehend: "Du meinst, Domna Fenia könnte drüben auf der falschen Seite nach Deiner Hütte gesucht haben und hat dort dann nur noch Trümmer vorgefunden?"

Tsacharias Krähenfreund nickte: "Ja, wenn sie Abt Marbodano zu mir geschickt hat, dann sicherlich. Ich muss den Guten früher oder später einmal aufsuchen, wenn ich mich wieder in Ragatien sehen lassen kann."

Der junge Vanyadâler tauschte erneut einen Blick mit dem Streitziger - es war offensichtlich, dass dieser dasselbe dachte, wie er selbst. "Los! Bring uns zu Deiner alten Hütte!", befahl er dem Eremiten, der sich nach wie vor bemühte, den Blutfluss aus den Stichwunden des jungen Ferkinas zu stillen. Mit zwei Schritten war Moritatio bei ihm, packte ihn an der Kapuze seines schrill bunten Gewandes und zog ihn daran hoch auf die Füße. "SOFORT!"

"Nicht doch, nicht doch!", hob der Alte abwehrend die Hände. "Ihr seid ein sehr jähzorniger und ungeduldiger junger Mann!"

"Eigentlich nicht - ganz im Gegenteil!", blaffte ihn Moritatio an. "Aber schlechte Zeiten gebären schlechte Menschen! Lass' diesen verfluchten Drecksack hier liegen! Er wollte uns kaltmachen, vergiss das nicht! Seine Stammesbrüder werden sich um ihn kümmern und sie werden bald hier sein, weshalb wir erst recht schleunigst von hier verschwinden müssen. Wohin ist eigentlich egal - aber vielleicht finden wir an deiner alten Hütte zumindest Spuren, ob Domna Fenia und ihr Junge dort waren."

Der Eremit strich sich über den grauweißen Rohalsbart. "Vielleicht habt ihr Recht, junger da Vanya. Der Schnee ist inzwischen weggeschmolzen - wenn die Domna den langen entbehrungsreichen Weg auf sich nahm, um meine Hilfe zu erbitten, so bin ich es ihr jetzt wohl schuldig, zumindest nach ihr zu suchen."

"Was? Äh ja ja, genau...das bist du ihr über alle Maßen schuldig!", nickte Moritatio, dem sich die Logik dieses verwirrten Querkopfes zwar nicht erschloss, der aber froh war, daß er sich nun endlich kooperativ zeigte.

"Wir können gleich aufbrechen", nickte er Alte, der sich mit einem sachkundigen Blick vergewisserte, ob der junge Ferkina durchkommen würde, bis ihn seine Stammesangehörigen fanden. "Ich nehme dann am besten auch mein Hundchen mit - er hat eine ausgezeichnete Spürnase! Wenn wir eure Vermissten finden wollen, dann wird er uns eine große Hilfe sein. Raffzahn! Jawohl, heraus mit dir, mein Bester!"

Mit diesen Worten drücke der Alte seine Hüttentür auf und heraus schnellte ein schwarz-braun gefleckter, kalbsgroßer Koloss von einem Hund - offenbar eine Promenadenmischung aus einer Wehrheimer Dogge, einem Winhaller Wolfsjäger und anderen großgewachsenen Rassen - unter anderem vielleicht sogar auch von einer wilden Khoramsbestie.

"Was zum...?", wandte sich Moritatio zur Flucht und fasste nach seinem stumpfen, abgebrochenen Rapier, als das Riesenvieh mit lautem Gekläff und weiten Sprüngen auf ihn zugeschossen kam. "Das ist kein Hundchen, das ist ein junger Tatzelwurm!" Im letzten Moment änderte der Hund abrupt seine Laufrichtung und sprang freudig kläffend an Zaida hoch, der er fast gerade in die Augen schauen konnte.

"Keine Angst! Der will nur spielen!", beschwichtigte Tsacharias Krähenfreund, der kurz in seiner Hütte verschwand und kurz darauf mit einem Bündel unter dem Arm wieder hervorkam. Offenbar hatte er seine wichtigsten Siebensachen jederzeit gepackt parat liegen.

"Los, verschwinden wir von hier!", befahl Moritatio und bedeutete dem alten Eremiten als Führer voranzugehen - schließlich war er hier zu Hause und nicht sie. Ihr Sicherungsseil, daß sie beim Angriff der beiden Ferkinas hatten durchtrennen müssen, blieb am Boden vor der Hütte zurück - mochten die guten Götter ein Einsehen haben, daß sie nicht nochmals hinauf auf diesen verfluchten Berg steigen mussten.


Autor: Simanca

Noch immer beschämt davon, dass sie kaum etwas zum Kampf hatte beitragen können, war Zaida still, wie man sie daheim kaum kannte, nahebei gesessen und hatte den Gesprächen gelauscht. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr schwand auch ihre Hoffnung, die Domnatella Romina unversehrt wieder zu sehen. Die Tränen wollten ihr in die Augen steigen, doch sie drückte sie energisch zurück. Da kam ihr Raffzahn gerade recht. Mit Tieren kam sie schon immer gut zurecht und die vierbeinigen Freunde konnten auch besser zuhören als die zweibeinigen Erwachsenen. So lief sie brav auf einer Höhe mit dem Berg von Hund und fütterte ihn heimlich mit den Resten ihrer letzten Mahlzeit. "Mach dir nichts draus, Großer, wenn wir wieder Rast machen, spielen wir hasch-mich und ich kraul dir die Brust ..." Sie lächelte schief und trabte hinter den Männern her.



Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 13