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Unterdessen trat Praiosmins bereits angekündigter Majordomus, ein würdevoller grauhaariger Mittsechziger mit einer entstellenden Brandnarbe auf der rechten Gesichtshälfte, mit einem tiefen Bückling vor den Castellan und die Grafentochter hin und führte sie ins prächtige Innere von Castillo Albacim, wo es über eine mit grünem Teppich ausgelegte Freitreppe in den ersten Stock in das mit Stuck und reichlich Blattgold verzierte Speisezimmer der Reichsvogtin ging. | Unterdessen trat Praiosmins bereits angekündigter Majordomus, ein würdevoller grauhaariger Mittsechziger mit einer entstellenden Brandnarbe auf der rechten Gesichtshälfte, mit einem tiefen Bückling vor den Castellan und die Grafentochter hin und führte sie ins prächtige Innere von Castillo Albacim, wo es über eine mit grünem Teppich ausgelegte Freitreppe in den ersten Stock in das mit Stuck und reichlich Blattgold verzierte Speisezimmer der Reichsvogtin ging. | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
Aureolus kletterte auf den verwaisten Schreibtisch seines verstorbenen Großonkels [[Radmon von Elenta]] und schob das Bild des Götterfürsten an der rechten Wand beiseite. ''Praios omnia videt'' war das Gemälde des Sonnengottes sinnigerweise betitelt, das Alverans Herrscher als gekrönten Patriarchen zeigte, der mahnend den Zeigefinger erhoben hatte und auf dessen anderem Arm der goldene Falke [[avwik:Ucuri|Ucuri]] saß, der Götterbote. | |||
Na, bei dem alten Radmon hatte der Götterfürst wohl mehr als ein Auge zugedrückt, dachte Aureolus, während er seine Nase an die vertäfelte Wand drückte, um durch die zwei kleinen Löcher zu spähen, die auf der anderen Seite der Wand in der blattgoldverzierten Holzvertäfelung des Speisezimmers mündeten. | |||
Dies waren nicht die einzigen Gucklöcher, durch die der alte Vogt oder seine Vertrauten - Praios wohl kaum zum Gefallen - seine Gäste hatte beobachten lassen. Viel pikanter waren jene, durch die man Einblick in die Schlafgemächer der Gäste erhalten konnte, und Aureolus konnte sich gut vorstellen, wie der alte Lustmolch, den er nie kennen gelernt hatte, seine Stilaugen nach den Damen verrenkte, die sich in aller Unschuld vor ihm entblößten. | |||
Die einzige Dame aber, nach deren Anblick Aureolus sich verzehrte, und die ebenso wenig ahnte wie die Gäste seines Großonkels, dass er mehr als einmal im Stillen ihre rahjageschaffene Schönheit bewundert hatte, jene Dame, die nur Dank seiner - vielleicht - noch ihre Unschuld besaß, diese Dame saß just, in ihrem Stande kaum angemessener Kleidung, seiner Mutter gegenüber auf einem samtbezogenen Kirschholzstuhl und ließ sich von einem Diener Wein nachgießen. | |||
Aureolus schätzte, dass man bereits den dritten oder vierten Gang aufgetischt hatte. Er war zuerst in sein Zimmer zurückgekehrt, um sich anzukleiden und hatte dann hinreichend Zeit verstreichen lassen, um sicherzugehen, dass die Damen speisten und er nicht aus Versehen jemandem über den Weg lief. | |||
Sein Herz schmolz dahin - wieder einmal! - beim Anblick der honigblond gelockten Comtessa, deren vom Wein und der Hitze gerötete Wangen sie umso begehrenswerter erscheinen ließen. Eines Tages, schwor er sich, würde sie mit ihm speisen, eines Tages, wenn er sich nicht mehr verstecken musste! | |||
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