Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ferkinalager 12: Unterschied zwischen den Versionen

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Praiodor legte den Kopf auf Rominas Schulter. Er schien schon fast wieder zu schlafen. Eine innere Unruhe erfasste Richeza. "Götter, wir müssen Euren Sohn finden", wandte sie sich an ihre Tante. "Und den Krähenfreund. Und wehe ihm, er kann Praiodor nicht helfen!"
Praiodor legte den Kopf auf Rominas Schulter. Er schien schon fast wieder zu schlafen. Eine innere Unruhe erfasste Richeza. "Götter, wir müssen Euren Sohn finden", wandte sie sich an ihre Tante. "Und den Krähenfreund. Und wehe ihm, er kann Praiodor nicht helfen!"
   
   
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'''Autor''': [[Benutzer:SteveT|SteveT]]
Rifada hielt Richeza in einem günstigen Moment an der Schulter zurück und ließ Romina-Alba mit dem halb schlummernden Knaben einige Schritt voraus gehen. Dabei behielt sie die ganze Zeit die der Grafentochter nachfolgende Ferkina im Auge. Nach wie vor hielt Rifada ihr Schlachtschwert in den Händen und hatte offenbar auch nicht vor, es zu schultern oder gar auf dem Rücken zu befestigen.
"Bist du von Sinnen, Kind?", zischte sie halblaut. "Mit einer Wilden durch die Lande zu ziehen und ihr dabei auch noch den Rücken zuzukehren? Hinter der nächsten Biegung rammt sie dir vielleicht ihr Steinmesser in den Rücken oder beißt dir in den Hals! Oder sie führt dich geradewegs zu den Marterpfählen ihres Stammes. Diesen Bestien darf man niemals vertrauen - sie sind schlimmer wie Oger! Geh einfach weiter, lass dir gar nichts anmerken ... beim nächsten steilen Abgrund, den wir passieren, kümmere ich mich um das Problem. Ein kleiner Stoß oder Rempler und weg ist sie! Und der Tobrierin das kostbare Knäblein zu geben, für den wir beide unser Leben und unseren Besitz aufs Spiel setzen, ist auch überaus leichtsinnig. Sobald wir uns wieder dem Flachland nähern, trennen wir uns von dieser dummen Gans. Soll sie sich ihren Weg nach Ragath selbst suchen und mit etwas Glück niemals finden - wir haben mit diesen zugereisten Flachsköpfen nichts zu schaffen! Sobald ich die Wilde weggemacht habe, bringe ich dich und die Tobrierin zu dieser Höhle. Mich wundert allerdings etwas, dass mein begriffsstutziger Sohn von ihr weiß. Vielleicht wartet er bereits dort oder er trifft ein, während ihr auf mich wartet. Wie gesagt, ich muss erst auf den Gipfel steigen, um die Amazonen zur Hilfe zu rufen - danach machen wir uns alle auf den Rückweg! Wenn der Heiler dem Jungen nicht helfen kann oder will, dann sei ihm Peraine gnädig! Er begleitet uns dann geradewegs vor die Suprema und von da aus auf den nächsten Scheiterhaufen - angeklagt aller Missetaten, die sich so ein Kräuternarr nur erdenken kann."
Mit diesen Instruktionen entließ sie ihre Nichte mit einem leichten Schubser, damit sich diese wieder unauffällig der Grafentochter und der Wilden auf ihrem Marsch anschließen sollte. Rifada selbst hielt sich im Hintergrund, als ob sie bewusst die Nachhut bilden wolle. Der kalte feindselige Blick, mit dem sie die Ferkina von hinten musterte, hätte jedoch bei dieser alle Alarmglocken läuten lassen, wenn sie sich denn einmal nach der gefürchteten Yil'Hayatim umgewandt hätte.
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'''Autor''': [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]]
Richeza war zu müde, als dass ihr eine passende Antwort eingefallen wäre. Willenlos ließ sie sich voran treiben, nur darauf bedacht, nicht zu stolpern. Der Hunger nagte an ihr und machte sie benommen. Und, ja: Die Kaltblütigkeit ihrer Tante erschreckte sie. Wortlos stapfte Richeza den nassen Weg bergan, den Blick auf den Rücken der Comtessa gerichtet, auf den schlafenden Knaben.
Sie dachte an die Geschichte mit dem Säbel, dem Kindersäbel, an die ihre Tante sie erinnert hatte. Wie merkwürdig es war mit dem Gedächtnis: Erinnerungen ruhten verstaubt und vergessen wie Dinge in einer dunklen Kammer. Dann fiel ein plötzlicher Lichtstrahl hinein und erhellte einen lang verschwunden geglaubten Gegenstand, einen Gedanken, und man merkte, dass er nie fort gewesen war.
Richeza erinnerte sich, als kleines Kind auf dem [[Landedlengut Eslamsstolz|Gutshof]] ihres Vaters, der jetzt ihrer war, mit ihrer Puppe Nala gespielt zu haben. Es war Sommer gewesen, Praios. Ihr Tsatag vielleicht? Die Sonne hatte die Blätter der Linde im Hof in zartem Grün gefärbt, und am Himmel war keine Wolke gewesen, als plötzlich ein langer Schatten auf Richeza gefallen war. Eine Frau hatte vor ihr gestanden, groß wie ein Oger – so war es Richeza damals vorgekommen –, gerüstet wie die Kaiserlichen auf [[Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein|Großvaters]] [[Burg Scheffelstein|Burg]] und laut wie die trunkenen Söldner, die Richeza einmal bei [[Tolaks Turm]] gesehen hatte. ''Puppen sind nichts für Mädchen'', hatte die Frau verächtlich gesagt und Richeza so rasch am Arm hochgezogen, dass Nala in den Staub gefallen war. ''Hier, ich hab' dir 'was Besseres mitgebracht.'' Sie hatte Richeza einen Säbel in die Hand gedrückt und breit gegrinst. ''Lass dir von deinem Vater zeigen, wie man ihn hält. Wenn ich wiederkomme, dann kämpfen wir ein bisschen, und dann mache ich eine richtige Kriegerin aus dir.'' Sie hatte Richeza zugezwinkert, ihr mit quaderschweren Stahlfingern die Schulter zerquetscht, sich auf das drachengroße Ross geschwungen, dass der Stallknecht bereit hielt und war davon galoppiert, dass die Hühner am Tor gackernd und kreischend auf die Dächer geflohen waren und sich den halben Tag nicht wieder hatten einfangen lassen.
Richeza hatte damals nicht einmal gewusst, dass die Frau ihre Tante war. Aber sie hatte eine solche Angst vor ihr gehabt, dass sie drei Nächte lang kaum geschlafen hatte. ''Dann kämpfen wir ein bisschen'', hatte die Frau gesagt – und das hatte Richeza nicht aus dem Kopf gehen wollen. Bald, hatte sie gedacht, würde die Frau wiederkommen und sie mit ihrer Stachelkugel erschlagen. Sie hatte nicht einmal mehr gewagt, mit Nala zu spielen, vor lauter Angst, die Frau könne sie dabei erwischen. Nala hatte fortan in einer Kiste unter dem Bett schlafen müssen, wo Richeza ihr heimlich verschwörerische Worte zugeflüstert hatte, und war erst wieder ins Bett geholt worden, als Richeza Monate später erkrankte und sich allein im Bett noch mehr fürchtete als vor der Frau.
Nach drei sorgenreichen Nächten hatte Richeza endlich gewusst, wie sie verhindern konnte, dass die Frau eine richtige Kriegerin aus ihr machte. Früh morgens, als alle noch schliefen, war sie auf den Hof geschlichen und hatte den Säbel auf den Brunnenrand gelegt. Dann hatte sie Nala unter dem Nachthemd hervorgeholt, unter dem sie die Puppe versteckt hatte, und dem Säbel den Rücken zugekehrt. Während sie Nala versichert hatte, dass sie nun beide keine Angst mehr haben müssten, hatte Nala dem Säbel heimlich einen Schubs gegeben. Als Richeza sich bald darauf umgedreht hatte, war der Säbel verschwunden gewesen. ''Nala, wo ist der Säbel?'', hatte sie die Puppe gefragt. ''Komisch, gerade war er noch da'', hatte Nala geantwortet. ''Er ist verschwunden'', hatten sie festgestellt und ein bisschen gesucht. Auf dem Brunnen war er nicht gewesen, neben dem Brunnen nicht, unter der Linde nicht, und schließlich hatte Nala gefragt, ob sie den Säbel überhaupt mit nach draußen genommen hatten. ''Vielleicht nicht'', hatte Richeza geantwortet, aber natürlich war er auch nicht im Haus, und als die Frau wiedergekommen war, hatte Richeza fast schon geglaubt, nicht zu wissen, wo der Säbel war, schließlich hatte sie überall nach ihm gesucht und ihn nicht gefunden, Nala war ihre Zeugin.
Richeza warf einen Blick über die Schulter auf ihre Tante, die mit finsterem Gesicht und um das Falcata geballter Faust hinter ihr herging. Fast hätte Richeza heute über den Vorfall lachen mögen, wenn da nicht die andere Geschichte mit dem anderen Säbel gewesen wäre. Und jetzt war ihre Tante wild entschlossen, die Ferkina zu töten. Was, wenn die Comtessa Praiodor gleich hinterher warf, aus Rache, weil sie sich mit der Ferkina doch so gut verstand? Und was war das wohl für eine Höhle, von der ihre Tante gesprochen hatte? Moritatio hatte nichts von einer Höhle geschrieben. Oder doch? Wusste ihre Tante die Worte ihres Sohnes besser zu deuten? Und jetzt erst wurde Richeza bewusst, was sie noch gesagt hatte: Sie würde auf den Gipfel steigen, um das Feuer zu entzünden. Richezas Weg hinauf war umsonst gewesen. Und jetzt würde ihre Tante sie bald mit einer wütenden Comtessa allein in einer Höhle hier irgendwo in den Bergen zurücklassen, wo Richeza, waffenlos und am Ende ihrer Kräfte, kaum in der Lage wäre, sich der Grafentochter zu erwehren, falls die auf dumme Gedanken käme, sicher aber den Ferkinas nichts entgegenzusetzen hatte, wenn diese sie fänden. Und sie würden sie finden. Was, wenn die Comtessa wirklich allein in die Berge floh, gefangen genommen wurde und aus Zorn auch Richezas und Praiodors Aufenthaltsort verriete?
Götter, das alles drohte in einer Katastrophe zu enden! Schon verengte sich der Weg, rechts von ihnen ragten die Felsen höher auf und links begann der Hang immer steiler abzufallen. Das Herz stockte Richeza, als die Comtessa stolperte und zu stürzen drohte, weil sie keine Hände frei hatte, sich zu fangen, doch die Ferkina, die dicht hinter der Grafentochter ging, griff sie am Arm, und kurz darauf gingen die beiden weiter, als sei nichts geschehen. Für kurze Zeit wurde der Weg ebener, und als die Ferkina kurz innehielt, um das Band festzuziehen, mit dem sie die Felle um ihre Stiefel gebunden hatte, spürte Richeza die Hand ihrer Tante auf ihrer Schulter, als die sich an ihr vorbeizudrängen versuchte.
Richeza zögerte keinen Moment, sondern spannte die Schultern und drehte sich so, dass Rifada da Vanya sie nicht einfach beiseite schieben konnte. Sie spürte die Wut ihrer Tante in deren eisernem Griff. Sie wusste, dass sie der Kraft dieser Frau nichts entgegenzusetzen hatte. Verzweifelt streckte sie die Arme aus, versperrte Rifada da Vanya den Weg, doch die zog sie an der Schulter zurück, als sei sie noch immer nichts weiter als ein fünfjähriges Kind und keine erwachsene Frau.
"Nein", sagte Richeza. "Nein, tut das nicht!" Die Ferkina war aufgestanden und weitergegangen, offenbar der Gefahr nicht gewahr in der sie sich befand. Die Comtessa war um die nächste Wegbiegung verschwunden. Es gab keinen günstigeren Augenblick für einen Unfall ...
Richeza schlang ihrer Tante beide Arme um den Bauch, hängte sich an sie mit ihrem ganzen Gewicht. "Nein, tut das nicht! Bitte nicht!" Flehend sah sie zu ihr auf. Ihr Herz raste, der lodernde Zorn im Blick Rifada da Vanyas, der sich von der Ferkina abwandte und nun auf sie richtete, ließ sie erzittern.
"Es tut mir leid, Tante", flüsterte sie. "Bitte nicht! Sie hat mir das Leben gerettet oder zumindest ... Sie ... sie hat mich ... befreit. Die Ferkinas ... sie hatten ... mich ... und ... ich ... Es tut mir leid!" Sie schämte sich der Tränen, die ihr in die Augen traten, hilflos ihre Wangen hinabrollten, all den Schmerz, die Angst, die Wut und Verzweiflung der letzten Tage hervorbrechen ließen, die sie bislang so erfolgreich zurückgedrängt hatte. "Es tut mir leid!", stieß sie mit erstickter Stimme hervor, während die Ferkina, ohne sich umzudrehen, um die Wegbiegung verschwand. "Es tut mir leid. Es ...ist ... meine Schuld. Ich hätte nicht ... ich ... ich weiß, es war eine dumme Idee ... alleine bei Nacht ... auf den Berg ... ich wusste nicht ... es ist meine Schuld. Wenn ich nicht ... dann wäre das alles nicht passiert. Mit Moritatio. Und dem ... dem ..." Sie wagte nicht, das Wort auszusprechen, den Verlust des Erbstücks zuzugeben. "Ich ... und ... Ich weiß, es war dumm. Ich hätte warten sollen, aber die anderen waren so schwach. Ich wollte keinen Tag verlieren. Wegen Praiodor. Aber Moritatio hat gesagt, es wäre wichtig ... mit dem Feuer. Es tut mir so leid."
Richeza wagte nicht, ihre Tante anzusehen. Ihre Finger, die sich noch immer in die Verschlüsse der Lederrüstung krallten, zitterten. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, ihre Tante zu verraten, die einen solchen Hass verspürte auf die Ferkina, ja, selbst auf die Comtessa. Und doch konnte Richeza diese Tat nicht zulassen. Um Praiodors Willen. Ja, selbst um ihres eigenen Gewissens Willen, wie sie zugeben musste. Sie verspürte keinen Hass. Nur Angst und Trauer. Doch diesmal war es nicht ihre Tante selbst, die sie fürchtete. Vielmehr deren Zorn und ... Enttäuschung?
"Es tut mir so leid", flüsterte sie erstickt. "Ich ... habe es für Euch getan. Ich dachte ... Ihr wärt tot."




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