Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 12: Unterschied zwischen den Versionen

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Erst, als sie sich mühsam aufgerichtet, den Rucksack hochgezogen und das Seil losgeschnitten hatte, sah sie sich um. Hier war kein Weg! Vor ihr erstreckte sich ein verschneites Geröllfeld. Alles sah gleich aus. Es gab nichts, was sie von ihrem nächtlichen Aufstieg wiedererkannte. Sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Richeza fluchte leise. Sie musste runter von diesem Berg. So schnell wie möglich. Aber wie, wusste sie nicht. Orientierungslos stolperte sie über die rutschigen Steine voran. Ihre tauben Füße gehorchten ihr kaum. Mehrmals rutschte sie ab. Verflucht, was hatte sie nur getan? Für wen lebte sie eigentlich ihr Leben?
Erst, als sie sich mühsam aufgerichtet, den Rucksack hochgezogen und das Seil losgeschnitten hatte, sah sie sich um. Hier war kein Weg! Vor ihr erstreckte sich ein verschneites Geröllfeld. Alles sah gleich aus. Es gab nichts, was sie von ihrem nächtlichen Aufstieg wiedererkannte. Sie wusste nicht, wohin sie sich wenden sollte. Richeza fluchte leise. Sie musste runter von diesem Berg. So schnell wie möglich. Aber wie, wusste sie nicht. Orientierungslos stolperte sie über die rutschigen Steine voran. Ihre tauben Füße gehorchten ihr kaum. Mehrmals rutschte sie ab. Verflucht, was hatte sie nur getan? Für wen lebte sie eigentlich ihr Leben?


Endlich hörte der Schnee auf, der Boden wurde wieder fester. Wärmer wurde es jedoch nicht. Der Wind war kalt, die Wolken inzwischen zu allen Seiten. Allein die Helligkeit ließ darauf schließen, dass die Sonne bereits über die Berggipfel gestiegen war.
Endlich hörte der Schnee auf, der Boden wurde wieder fester. Wärmer wurde es jedoch nicht. Der Wind war kalt, die Wolken waren inzwischen zu allen Seiten. Allein die Helligkeit ließ darauf schließen, dass die Sonne bereits über die Berggipfel gestiegen war.


Sie wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie unter sich den Weg erblickte, einen staubigen Pfad, der sich zwischen Felsklippen hindurch wand. Doch ohne zu klettern, würde sie ihn nicht erreichen. Zum Klettern aber war sie zu schwach. Es blieb Richeza nichts anderes übrig, als ihr Seil zu opfern – oder einen Umweg in Kauf zu nehmen. Das aber wollte sie auf keinen Fall.
Sie wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie unter sich den Weg erblickte, einen staubigen Pfad, der sich zwischen Felsklippen hindurch wand. Doch ohne zu klettern, würde sie ihn nicht erreichen. Zum Klettern aber war sie zu schwach. Es blieb Richeza nichts anderes übrig, als ihr Seil zu opfern – oder einen Umweg in Kauf zu nehmen. Das aber wollte sie auf keinen Fall.
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Schweren Herzens band die Edle ihr Seil an einem Felsen fest, befestigte es an ihrem Gürtel und machte sich an den Abstieg. Ihre Hände und Füße fanden kaum Halt; einmal trat sie daneben; das Seil glitt durch ihre Finger, ohne die Handschuhe hätte es ihr die Haut von den Händen gerissen.
Schweren Herzens band die Edle ihr Seil an einem Felsen fest, befestigte es an ihrem Gürtel und machte sich an den Abstieg. Ihre Hände und Füße fanden kaum Halt; einmal trat sie daneben; das Seil glitt durch ihre Finger, ohne die Handschuhe hätte es ihr die Haut von den Händen gerissen.


Als sie den Weg erreichte, raste ihr Herz, und ihre Knie zitterten so sehr, dass sie sich setzen musste. Schwindelnd lehnte sie sich an den kalten Stein. Wer würde ihr ihren Irrsinn je danken? Was hatte sie schon für Almada getan, wann immer sie ihre Klinge fürs Vaterland gehoben hatte? Ein paar Ferkinas ins Jenseits geschickt, ein paar Novadis ermordet und ein paar Garethknechte ... Und wer hatte es ihr gedankt? Niemand, der noch lebte? Und jetzt? Wen wollte sie jetzt beeindrucken? Ihre Tante, die vielleicht tot war? Praiodor, der nur ein Kind war? Fenia, die sich erst seit Ramiros tot überhaupt bequemte, mit ihr zu reden? War es Dank, den sie erhoffte? Ruhm? Was sollte das alles?
Als sie den Weg erreichte, raste ihr Herz, und ihre Knie zitterten so sehr, dass sie sich setzen musste. Schwindelnd lehnte sie sich an den kalten Stein. Wer würde ihr ihren Irrsinn je danken? Was hatte sie schon für Almada getan, wann immer sie ihre Klinge fürs Vaterland gehoben hatte? Ein paar Ferkinas ins Jenseits geschickt, ein paar Novadis ermordet und ein paar Garethknechte ... Und wer hatte es ihr gedankt? Niemand, der noch lebte? Und jetzt? Wen wollte sie jetzt beeindrucken? Ihre Tante, die vielleicht tot war? Praiodor, der nur ein Kind war? Fenia, die sich erst seit Ramiros Tod überhaupt bequemte, mit ihr zu reden? War es Dank, den sie erhoffte? Ruhm? Was sollte das alles?
 
Ärgerlich rappelte Richeza sich auf und reckte sich, um wenigstens noch ein Stück des Seils loszuschneiden. Besser als nichts. Wer wusste, ob sie es nicht noch brauchte? Wenn sie das alles hier überlebte, musste sie aufhören, davonzulaufen. Sie konnte sich nicht länger etwas vormachen: Sie lebte nicht für selbstgesetzte Ziele. Lief nur der Furcht davon. Und wartete noch immer ... Damit musste Schluss sein! Mit zusammengepressten Zähnen lief sie weiter. Keine Zeit zum Nachdenken. Keine Kraft. Erst einmal musste sie überhaupt überleben.  
Ärgerlich rappelte Richeza sich auf und reckte sich, um wenigstens noch ein Stück des Seils loszuschneiden. Besser als nichts. Wer wusste, ob sie es nicht noch brauchte? Wenn sie das alles hier überlebte, musste sie aufhören, davonzulaufen. Sie konnte sich nicht länger etwas vormachen: Sie lebte nicht für selbstgesetzte Ziele. Lief nur der Furcht davon. Und wartete noch immer ... Damit musste Schluss sein! Mit zusammengepressten Zähnen lief sie weiter. Keine Zeit zum Nachdenken. Keine Kraft. Erst einmal musste sie überhaupt überleben.  


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Ob es schon Mittag war? Allmählich knurrte ihr Magen. Sie hatte kaum etwas gegessen. Im Gehen zog die Edle das Brot hervor. Inzwischen war es getaut und matschig, ein nasser, kühler Brei, der nach dem Leder des Rucksacks schmeckte. Richeza würgte ihn hinunter, bis zum letzten Bissen. Sie hatte Hunger, und das Brot würde ohnehin verderben, wenn sie es jetzt nicht aß.
Ob es schon Mittag war? Allmählich knurrte ihr Magen. Sie hatte kaum etwas gegessen. Im Gehen zog die Edle das Brot hervor. Inzwischen war es getaut und matschig, ein nasser, kühler Brei, der nach dem Leder des Rucksacks schmeckte. Richeza würgte ihn hinunter, bis zum letzten Bissen. Sie hatte Hunger, und das Brot würde ohnehin verderben, wenn sie es jetzt nicht aß.


Ihre Beine waren ein echtes Ärgernis. Noch immer spürte sie ihre Füße kaum, nur wenn sie umknickte, weil sie die Unebenheiten des Bodens nicht vorausahnte, schoss kurz ein heller Schmerz in ihren Knöchel, ließ aber bald nur ein dumpfes Pochen zurück. Ihren Körper aber schwächte jeder Fehltritt wie ein Säbelhieb, und bald versagten ihre Beine ihr immer öfter den Dienst. Sie strauchelte, stolperte, taumelte voran. Schließlich musste sie sich eingestehen, dass sie nicht mehr weiterkonnte. Sie musste eine Pause machen! Dort, an dem Felsblock am Wegesrand, da wollte sie rasten. Nein, besser doch erst nach der Biegung, vielleicht war es dort windgeschützter. Aber war da vorne nicht eine Abzweigung? Nur noch ...
Ihre Beine waren ein echtes Ärgernis. Noch immer spürte sie ihre Füße kaum, nur wenn sie umknickte, weil sie die Unebenheiten des Bodens nicht vorausahnte, schoss kurz ein heller Schmerz in ihren Knöchel, ließ aber bald nur ein dumpfes Pochen zurück. Ihren Körper aber schwächte jeder Fehltritt wie ein Säbelhieb, und ihre Beine versagten ihr immer öfter den Dienst. Sie strauchelte, stolperte, taumelte voran. Schließlich musste sie sich eingestehen, dass sie nicht mehr weiterkonnte. Sie musste eine Pause machen! Dort, an dem Felsblock am Wegesrand, da wollte sie rasten. Nein, besser doch erst nach der Biegung, vielleicht war es dort windgeschützter. Aber war da vorne nicht eine Abzweigung? Nur noch ...


Nur ein Stein, ein winziges Hindernis, und sie schlug der Länge nach hin.  
Nur ein Stein, ein winziges Hindernis, und sie schlug der Länge nach hin.  


Sie musste das Bewusstsein verloren haben. Als sie die Augen öffnete, sah sie Füße. Füße in abgetragenen Lederstiefeln. Den Saum eines geflickten Umhangs. Alarmiert hob sie den Kopf. Ein Ferkina? Ihr Schädel dröhnte. Sie blinzelte gegen das Licht. Ein Mann in einem dunklen Umhang, in der Hand einen knorrigen Stecken. Doch unter der weiten Kapuze zerrte der Wind blondes Haar hervor. Kein Ferkina. Nicht einmal ein Mann. Ein junger Bursche. Vielleicht sechzehn Sommer. Ein hübsches Gesicht mit hohen Wangenknochen. Die Augen glommen im Dunkel der Kapuze.
Sie musste das Bewusstsein verloren haben. Als sie die Augen öffnete, sah sie Füße. Füße in abgetragenen Lederstiefeln. Den Saum eines geflickten Umhangs. Alarmiert hob sie den Kopf. Ein Ferkina? Ihr Schädel dröhnte. Sie blinzelte gegen das Licht. Ein Mann in einem dunklen Umhang, in der Hand einen knorrigen Stecken. Unter der weiten Kapuze zerrte der Wind blondes Haar hervor. Kein Ferkina. Nicht einmal ein Mann. Ein junger Bursche. Vielleicht sechzehn Sommer. Ein hübsches Gesicht mit hohen Wangenknochen. Die Augen glommen im Dunkel der Kapuze.


Grob stieß der Junge sie mit dem Fuß gegen die Schulter, rollte sie auf den Rücken. Als sie nach ihrem Säbel tastete, rammte er ihr den Stab in die Hand. Ein dünnes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
Grob stieß der Junge sie mit dem Fuß gegen die Schulter, rollte sie auf den Rücken. Als sie nach ihrem Säbel tastete, rammte er ihr den Stab in die Hand. Ein dünnes Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
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Gendahar zwinkerte Zaida verschwörerisch zu und bedeutete ihr in der Mitte vor ihm herzugehen. "Keine Angst! Wir sind schon so weit oben, es kann nicht mehr weit bis zum
Gendahar zwinkerte Zaida verschwörerisch zu und bedeutete ihr in der Mitte vor ihm herzugehen. "Keine Angst! Wir sind schon so weit oben, es kann nicht mehr weit bis zum
Gipfel sein."
Gipfel sein."
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'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] 
"Sieh an, die Zungenklafferin!", sagte der Bursche. "Hat ihr Schandmaul nicht halten können. Und jetzt kommt sie mir zu Füßen gekrochen. Was für ein Zufall!" Ein abfälliges Grinsen verzerrte die Lippen des jungen Mannes.
"Wer bist du?", stöhnte Richeza, der er fast die Hand gebrochen hatte. "Du musst mich verwechseln."
Der Junge starrte die Edle finster an. Obwohl sein Gesicht im Schatten lag, konnte sie seine Augen erkennen. Fast, als leuchteten sie von sich aus. Etwas stimmte nicht mit dem Burschen.
"So", sagte der nach einem Moment. "Da gibt sie vor, mich nicht zu kennen und spricht mich gleich vertraulich an. Ganz wie Ihr wünscht. Wie ''du'' wünschst, Miststück. Aufstehen!" Er versetzte ihr einen Tritt.
Richeza rappelte sich auf, allein schon, um nicht länger auf dem kalten Boden liegen zu müssen, zumal es erneut zu schneien begann. Irritiert betrachtete sie den jungen Mann. Spielten ihr ihre Sinne einen Streich? Unwillkürlich fasste sie sich an den Kopf. Ihr Gesicht war ziemlich lädiert, dort wo es auf den Boden aufgeschlagen war. Eine dicke Beule wölbte sich an ihrer Stirn.
"Das hat mein Vater Euch ... dir nie verziehen, dass du meinen Namen verraten hast. Es war unser Geheimnis, verstehst du? Wir haben dich nicht für so dumm gehalten, Geheimnisse zu verraten. Aber da haben wir uns wohl getäuscht. Nun, sei es drum: Wenn wir nicht Freunde sein können, wirst du mir eben dienen."
Ungehalten runzelte Richeza die Stirn. Was bildete der Kerl sich ein? Und wer war er überhaupt? Ein Teil von ihr aber wähnte ihn noch immer ein Trugbild ihres müden Geistes. Das konnte doch nicht sein, dass sie all die Mühen im Raschtulswall auf sich genommen hatte, nur um von einem Knäblein beschimpft zu werden! Sie musste träumen.
"Hör zu", seufzte sie, sich bewusst, dass es nur um so irrer war, mit einer Traumgestalt zu sprechen, "ich kenne dich nicht. Und deine Geheimnisse sind mir gleich. Aber wenn du meine Freundschaft willst, so gewinnst du sie gewiss nicht durch kecke Reden. Wenn du mir aber helfen magst ..."
"Weder will ich deine Freundschaft, noch dir helfen", unterbrach sie der Junge barsch. "Du hast mich falsch verstanden", erklärte er mit hochmütigem Grinsen. "Du wirst mir dienen, solange du mir von Nutzen bist. Und dann wirst du schweigen ..."
Er stockte und hob kurz den Kopf. Richeza nutzte die Gelegenheit und zog den Säbel. Doch der Bursche war schnell, und sein Stab traf ihren Brustpanzer mit einer solchen Wucht, dass sie durch die Luft geschleudert wurde und krachend zwischen einigen Felsen zu Boden fiel. Der Säbel flog aus ihrer Hand und blieb in einer Felsspalte stecken. Es musste ein Traum sein, dachte die Edle benommen, kein Mensch hatte eine solche Kraft ...
Der Junge kletterte zu ihr und kauerte sich neben sie zwischen die Felsen. Stimmen. Da waren Stimmen im Nebel. Richeza versuchte, den Kopf zu heben, aber sie konnte sich nicht bewegen. Alles drehte sich um sie herum. Sie schmeckte Blut auf ihren Lippen. Jemand näherte sich auf dem Weg. Der junge Mann legte ihr die Hand auf den Mund. Sie bekam kaum Luft. Drei Menschen wankten in ihr Gesichtsfeld. Traumgestalten. Sie standen auf dem Kopf. Ihre Füße bewegten sich über die Steine, aber alles war verkehrt herum. Einer war blond und groß, hielt ein Mädchen an der Hand, kaum jünger als der Bursche, der ihr den Mund zudrückte. Der andere war ...
"Mmm ...", machte Richeza. Ihr tonloser Seufzer erstickte zwischen den Fingern des jungen Mannes. Die Gestalten zogen vorüber. Der Junge nahm seine Hand fort und hob sie auf seine Arme. Kies knirschte überlaut unter seinen Füßen. Sein Ächzen donnerte der Edlen in den Ohren. Er flüsterte etwas - ein zischender Schmerz in ihrem Schädel. Im nächsten Moment war alles im Nebel versunken. Stille. Richeza fror. Dann wurde es schwarz um sie.
*''Die Geschichte um Domna Richeza wird hier fortgesetzt: [[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ferkinalager 04|Schauplatz: Ferkinalager, Teil 04]].''
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